Sandra Lüpkes
Ich verlasse dich
Ein Ratgeber für den, der geht
Ratgeber
Fischer e-books
Sandra Lüpkes, geboren 1971 in Göttingen, verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens auf der Nordseeinsel Juist und lebt nun mit ihren beiden Kindern in der ostfriesischen Kleinstadt Norden, wo sie als erfolgreiche Krimiautorin und Sängerin arbeitet. »Ich verlasse dich« ist ihr erstes Sachbuch.
Covergestaltung: bürosüd°, München
Coverabbildung: Gary Houlder/Corbis
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2009
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-400058-9
Dietmar Stiemerling, »Nicht mir dir, nicht ohne dich – Wenn Paare sich nicht trennen können«. In: Psychologie heute Dezember 2006
Über den Autor:
Dietmar Stiemerling, Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, ist als Psychoanalytiker in eigener Praxis und als Lehranalytiker in Berlin tätig.
Eva-Maria Zuhorst, »Liebe dich selbst – und es ist egal, wen du heiratest«. Goldmann Arkana 2004
Über die Autorin:
Eva-Maria Zurhorst ist Journalistin und Psychotherapeutin. Mit ihrem o. g. Sachbuch landete die als Beziehungscoach arbeitende Autorin einen Bestseller. Sie bezieht sich mit ihren Anleitungen für eine glückliche Ehe auf die Lebensgesetze des amerikanischen Psychologen Chuck Spezzano, »Wenn es verletzt, ist es keine Liebe – Die Gesetzmäßigkeiten erfüllter Partnerschaft«, Goldmann Arkana, komplette Taschenbuchausgabe 2005.
Über den Autor:
Chuck Spezzano erwarb seinen Doktortitel in Klinischer Psychologie an der United States International University, San Diego, Kalifornien. In den siebziger Jahren erzielte er durch seine Behandlung der Kriegstraumata von Vietnam-Soldaten viel beachtete Erfolge. Heirat und Vaterschaft gaben seiner Arbeit eine entscheidende Wendung, die ihn als Beziehungstherapeut international bekannt machte.
Kurt Tucholsky, »Die Neutralen«. Glosse unter Pseudonym Peter Panter in: Die Weltbühne Mai 1926
Über den Autor:
Kurt Tucholsky, 1890–1935, war Journalist und Schriftsteller, der sich mit kabarettistischen Texten und satirischen Artikeln einen Namen als einer der wichtigsten Gesellschaftskritiker seiner Zeit machte.
Annelie Keil, »Trennung – Wie das Leben weitergeht«. Interview mit Vera Sandberg. In: Brigitte 8/2006.
»Jeder Schritt wagt den Fall. Unsicherheit als anthropologisches Prinzip«. Vortrag an der Uni Oldenburg 1997
Über die Autorin:
Prof.Dr.Annelie Keil, Sozial- und Gesundheitswissenschaftlerin, ist seit 2004 emeritierte Professorin und ehemalige Dekanin an der Universität Bremen. Ihre Schwerpunkte sind Gesundheitswissenschaft und psychosomatische Krankenforschung sowie die Arbeit mit Menschen in Lebenskrisen.
Doris Wolf, »Wenn der Partner geht«. PAL 2001
Über die Autorin:
Doris Wolf, Dipl. Psychotherapeutin, Autorin und Expertin für verschiedene Zeitschriften auf den Fachgebieten Trauerbewältigung, Ängste, seelische Kränkung, Schuldgefühle.
Rolf Froböse, »Liebeskummer ist nicht zum Lachen«. In: Kölner Rundschau-online 2/2006
Über den Autor:
Rolf Froböse, Jahrgang 1949, ist seit 1995 als freiberuflicher Wissenschafts- und Wirtschaftsjournalist in den Bereichen Chemie, Biotechnologie, Umwelt, Energie, Raumfahrt, Medizin, IT-Technik sowie als Buchautor tätig.
Horst Petri, »Verlassen und verlassen werden – Angst, Wut, Trauer und Neubeginn bei gescheiterten Beziehungen«. Kreuz 1991
Über den Autor:
Prof.Dr.med. Horst Petri, geboren 1936, war viele Jahre Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und lehrte Psychotherapie und Psychosomatik an der FU Berlin. 1996 wurde er mit dem Hans-Czermak-Preis der Stadt Wien für sein »Gesamtwerk für eine gewaltfreie Erziehung« ausgezeichnet. Heute arbeitet er als Psychoanalytiker, Autor und freier Künstler in Berlin.
E. Mavis Hetherington/John Kelly, »Scheidung – Die Perspektiven der Kinder«. Beltz 2003
Über die Autoren:
E. Mavis Hetherington ist emeritierte Professorin für Psychologie an der Universität von Virginia. Ihre Scheidungsstudie machte sie über Nacht in ganz Amerika bekannt. John Kelly ist Journalist und lebt in New York.
Professor Dr.jur. Roland Proksch, »Erste umfangreichste repräsentative Studie über Scheidungseltern und Scheidungskinder in Deutschland«. Pressemitteilung über die Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz März 2002
Über den Autor:
Im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz befragte der Nürnberger Jura-Professor Roland Proksch alle Familienrichter in Deutschland, alle Jugendämter sowie alle Rechtsanwälte, die Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Familien- und Erbrecht sind. Ebenso wurden über 7600 geschiedene Eltern über ihre Situation und die ihrer Kinder befragt.
Edith Schwab, »Alleiniges Sorgerecht – ein Auslaufmodell? Das neue Kindschaftsrecht nach zwei Jahren Praxis«. Informationen für Einelternfamilien Nr. 5/2000 VAMV e.V.
Über die Autorin:
Edith Schwab ist Fachanwältin für Familienrecht und die Vorsitzende des Verbandes für alleinerziehende Mütter und Väter e.V.
Renate Niesel, »Eltern bleiben Eltern. Hilfen für Kinder bei Trennung und Scheidung (unter Berücksichtigung des neuen Kindschaftsrechts)«. In: Lederle, O., Niesel, R., Salzgeber, J. & Schönfeld, U. (Hg.): Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit und des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung 1998
Über die Autorin:
Seit 1994 ist die Diplompsychologin und Buchhändlerin wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) und arbeitet an zahlreichen Bildungs- und Erziehungsprojekten mit. 1982 bis 1994: wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Frühpädagogik und Familienforschung (Abt. Familienforschung), Studium der Psychologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt /Main (Diplom) und an der University of Denver, Denver, Colorado, USA.
Julia Onken, »Vatermänner«. C. H. Beck 2000
Über die Autorin:
Julia Onken, geboren 1942, ist diplomierte Psychologin, Psychotherapeutin, Leiterin des Frauenseminars Bodensee, Dozentin in der Erwachsenenbildung und vielfache Buchautorin. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich in erster Linie mit dem Selbstverständnis von Frauen und dessen Auswirkung in Beziehungen.
Dr.Alain Braconnier, »Mutterliebe. Warum Söhne starke Mütter brauchen«. DVA 2006
Über den Autor:
Dr.Alain Braconnier, geboren 1942, ist Arzt, Psychologe und Psychoanalytiker. Er leitet das psychotherapeutische Zentrum Philippe-Paumelle und unterrichtet an der Universität Paris. Sein besonderer Forschungs- und Arbeitsschwerpunkt gilt der emotionalen Entwicklung Jugendlicher. Zu diesem Thema hat er in Frankreich zahlreiche Veröffentlichungen vorgelegt.
Brockhaus Auflage 1997, Band 8, Seite 517
Antje Schrupp, »Gewissen in Religion, Staat und Gesellschaft«. Vortrag u.a. über Diana Sartori, gehalten am 10.Dezember 2002 im Eltern-Kind-Forum in Vaduz/Liechtenstein
Über die Autorin:
Antje Schrupp, geboren 1964, Redakteurin der Zeitung »Evangelisches Frankfurt«, Referentin und Publizistin zu Themen aus Philosophie, Feminismus, Religionen und Weltanschauungen, Geschichte des Sozialismus.
Neal Roese, »Ach, hätt’ ich doch! Wie man Zweifel in Chancen verwandelt«. Eichborn 2007
Über den Autor:
Neal Roese, geboren 1965, ist Professor für Psychologie an der University of Illinois. Er ist einer der führenden Forscher auf dem Gebiet des kontrafaktischen Denkens und Bedauerns.
Dirk M. Sprünken/Hanns Peter Faber, »Die schmutzigsten Scheidungstricks. Und wie man sich dagegen wehrt«. C. H. Beck 2001
Über die Autoren:
Dirk M. Sprünken und Hanns Peter Faber sind Rechtsanwälte und Fachanwälte für Familienrecht.
Brockhaus Auflage 1997, Band 13, Seite 397
Fred Jay/Jack White, »Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben«, gesungen von Jürgen Marcus 1971
Über das Lied:
»Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben« war der erfolgreichste Hit des Schlagersängers Jürgen Marcus, in den deutschen Charts stieg er auf Platz 2, und auch heute noch kennen viele Deutsche den Refrain auswendig.
Svende Merian (Hg.), »Scheidungspredigten«. Luchterhand 1987
Über die Autorin:
Svende Merian, geboren 1955, Hamburger Autorin, war zeitweise Mitarbeiterin der Hamburger Bürgerschaft mit dem Arbeitsschwerpunkt Gerontologie, schrieb einige Romane über Beziehungsproblematik und sammelte Texte und Ansprachen zum Thema Scheidung.
Gisela Hötker-Ponath, »Trennung – Aus und Vorbei«. In: Beratung aktuell 2/2006, S.102–111
Über die Autorin:
Gisela Hötker-Ponath, Dipl. Sozial-Pädagogin, arbeitet als Ehe- und Paartherapeutin bei der Ehe-, Partnerschafts- und Familienberatung München e.V. und entwickelte die »Strukturierte Beziehungsrückschau«.
Brockhaus Auflage 1997, Band 8, Seite 646
Felix Rohrbeck, »Die Ökonomie des Glücks«. In: taz vom 16.3.2005, S.13
Über den Autor:
Felix Rohrbeck, geboren 1980, Journalist der taz, erhielt 2005 den Econsense-Journalisten-Nachwuchspreis für seine Artikel zum Thema »Unternehmerische Verantwortung«.
Florian Rötzer, »Erfolg hat, wer glücklich ist«. In: Telepolis 12/2005
Über den Autor:
Florian Rötzer, geboren 1953, hat Philosophie, Pädagogik und Psychologie studiert, ist Journalist und Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis des Heinz-Heise-Verlages.
»Ich schreibe einen Ratgeber über Trennung.«
»Gibt’s doch schon Tausende.«
»Aber nicht für die Verlassenden.«
»Für wen?«
»Für diejenigen, die gehen.«
»Männer und Frauen?«
»Da mache ich keinen Unterschied.«
»Wollen die denn einen Ratgeber? Brauchen die das überhaupt?«
Ja. Denn entgegen landläufiger Meinung leiden bei einer Trennung beide Partner, die Verlassenen – aber eben auch diejenigen, die den Wunsch verspürt haben, die Beziehung zu beenden.
Dialoge wie den obigen habe ich während meiner Arbeit mehr als einmal geführt. Jedes Mal wurde mir klar, wie wenig Verständnis man sich in der Situation des Verlassenden erhoffen darf – und wie wichtig dann dieses Buch ist. Trotzdem gab es bei der Entstehung ein paar Schwierigkeiten, die vielleicht der Grund dafür sind, dass nicht schon viel eher jemand auf die Idee gekommen ist, einen solchen Ratgeber zu schreiben.
Schon allein die Tatsache, dass es gar kein richtiges Wort für die Zielgruppe gibt. Wie soll man sie nennen? Verlassende? Trenner? Der-oder-die-wo-geht? Ein Anhängsel dieser Formulierungsfrage ist auch die männliche oder weibliche Form, die man den Protagonisten dieses Sachbuchs aufdrückt. Sowohl Männer wie auch Frauen verlassen ihre Partner, und für beide sollen die nächsten Seiten Hilfestellung sein. Aber wenn ich in jedem Satz diese »Querstrich/in«-Multigeschlechtsform verwendet hätte, wäre das Buch bestimmt 30 Seiten dicker und somit auch einige Cent teurer geworden. Betrachten Sie also meine neutral gemeinte, aber durchweg männliche Schreibweise lediglich als Sparmaßnahme für Ihr Portemonnaie.
Die Tatsache, dass man Trennungsgedanken eher heimlich und verschämt nachhängt, stellt das zweite Problem dar. Dieses Buch ist keine Lektüre, welche man abends auf dem Familiensofa oder gar im Ehebett kurz vor dem Einschlafen liest. Es wird wahrscheinlich nur selten das Tageslicht erblicken und von seinen Lesern in Nischen und Ritzen versteckt werden. Trotzdem soll das Werk schon im Laden erkannt werden, der Titel und das Cover sollen ins Auge stechen und verraten, worum es geht, wenn ein beziehungsfrustrierter Kunde in der Sachbuchabteilung nach Lebenshilfe sucht. Hier gebe ich Ihnen den Tipp: Suchen Sie sich ein passendes Buch mit Schutzumschlag aus Ihrer Bibliothek – am besten über ein Thema, von dem Sie ganz genau wissen, dass Ihr Partner keinen müden Blick darauf werfen wird – und verkleiden Sie diese Seiten mit dem fremden Einband.
Richtig ernst ist Problem Nummer 3: Die Recherche. Über das Internet, verschiedene Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen habe ich Menschen gesucht, die ihren Partner verlassen haben oder überlegten, dies zu tun. Glücklicherweise gab es einige, die mir gern und bereitwillig über ihre Erfahrungen berichtet und einen vorbereiteten Fragebogen ausgefüllt haben. Die Ergebnisse dieser Umfrage tauchen im Buch an einigen Stellen als informative Prozentzahlen auf. Diese Zahlen erheben keinen Anspruch auf allgemein statistische Relevanz und basieren auf Aussagen von insgesamt 27 Freiwilligen, die ich im Zuge meiner Recherche kontaktiert habe. Alle Personen sind zwischen 25 und 55 Jahre alt und blicken auf eine langjährige Beziehung zurück, die sie vor kurzem oder schon vor langer Zeit beendet haben.
Es waren weitaus mehr Frauen als Männer (19 zu 8). Dies mag daran liegen, dass Frauen wahrscheinlich ohnehin offener über ihre Gefühle reden können, doch sicher war auch ein Grund, dass ich selbst eine Frau bin. Denn im sehr aktiven Getümmel der Trennungsgeschädigten scheint es ein tief verwurzeltes Misstrauen gegen das andere Geschlecht zu geben. Natürlich hätte ich mich auf dem Online-Forum auch unter einem männlichen Pseudonym einschmuggeln können, aber wenn man Menschen dazu bewegen möchte, ihre oft schmerzhafte Geschichte zu erzählen, sind derlei Tricks wenig vertrauenswürdig. Aus diesem Grund finden sich auch bei den hier erwähnten Fallbeispielen mehr Frauen- als Männerschicksale. Und wirklich nur aus diesem Grund.
Die wahren Geschichten, die thematisch passend in die jeweiligen Kapitel eingearbeitet wurden, sind nicht unbedingt spektakulär, sondern vielmehr authentisch. Sie sollen einfach zeigen: Sie sind nicht der einzige Mensch auf der Welt, der mit diesen Zweifeln und Ängsten, mit dem Gewissen und der Wut zu kämpfen hat. Und alle, die jetzt davon berichten können, scheinen es ja überlebt zu haben.
Ich übrigens auch.
Die Idee zu diesem Buch entstand, als ich selbst einen Rat gebraucht hätte. Nach elf Jahren Ehe gelangte ich an einen Wendepunkt, hatte aber keine Ahnung, wie ich das alles durchstehen sollte. Als ich die letzten Zeilen schrieb, war ich bereits eine Weile geschieden und einiger Illusionen beraubt, dafür reicher an Erfahrung.
Wenn ich behaupten würde, ich hätte meine eigene Trennung gut gemeistert, dann müsste ich lügen. Aber wenn meine persönliche Geschichte – zusammen mit Expertenmeinungen und den Erfahrungsberichten anderer – nun ein Buch ergibt, welches Menschen in ähnlicher Situation Hilfestellung leisten kann, dann war sie die Fehler und Tiefschläge wert.
Dieses Buch gliedert sich in drei Teile, in das DAVOR, das MITTENDRIN und das DANACH. Es braucht nicht zwangsläufig in einem Rutsch gelesen werden, sondern kann auch immer gerade dann interessant sein, wenn Sie an einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter wissen, Orientierungshilfe oder Mut zum Durchhalten brauchen.
Ich wünsche Ihnen, dass die Trennung für Sie nicht nur ein Ende, sondern auch ein Neubeginn wird, weil Sie sich dabei von einer ganz neuen Seite kennenlernen können.
Sandra Lüpkes
Von: Dir An: Jemanden, der es gut mit dir meint
Betreff: Schluss machen!?
Ich habe die Nase voll. Bis hierher und nicht weiter. Ich mache Schluss!
Was sagst du dazu? Sei ehrlich!
Betreff: Re: Schluss machen!?
Ehrlich? Das war ich schon immer, und ich habe dir bereits tausendmal geraten, dich zu trennen. Eure Beziehung ist schon lange nicht mehr das, was man zum Glücklichsein braucht. Ihr passt eigentlich gar nicht zusammen. Ich habe mich immer gewundert, warum du nicht schon viel eher auf die Idee gekommen bist, endlich eigene Wege zu gehen.
Betreff: Re: Re: Schluss machen!?
Du hast ja recht, ich erinnere mich, dass du immer wieder nachgebohrt hast. Was mit mir los sei. Warum ich so schlecht gelaunt wäre. Ob es an meiner Partnerschaft liege. Und ich habe immer gelächelt und geschworen, es sei nichts, es sei alles super, alles okay. Im Grunde habe ich das ja lange Zeit auch tatsächlich geglaubt. Tja, Selbstschutz wahrscheinlich. Außenstehende haben immer den absoluten Durchblick, aber wenn man wie ich mittendrin steckt … Aber jetzt sehe ich klarer!
Betreff: Re: Re: Re: Schluss machen!?
Und warum fragst du mich dann, was ich davon halte? Klingt ja nicht gerade nach hundertprozentiger Sicherheit.
Betreff: Re: Re: Re: Re: Schluss machen!?
Mist! Ich habe eine Heidenangst.
Betreff: Re: Re: Re: Re: Re: Schluss machen!?
Angst? Wovor?
Betreff: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Schluss machen!?
Dass nach der Trennung alles aus ist.
Betreff: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Schluss machen!?
Das ist doch der Sinn einer Trennung, oder nicht?
Betreff: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Schluss machen!?
Du bist witzig. Ich meine nicht nur die Liebe. Es geht doch um so viel mehr. Es geht auf gut Deutsch ums Eingemachte, um alles, was bisher mein Leben bedeutet hat. Um mein Zuhause, um die Familie, um das liebe Geld, um meinen guten Ruf … du lachst wahrscheinlich darüber und denkst, ich male den Teufel an die Wand. Aber was ist, wenn ich mich irre und die Trennung sich im Nachhinein als großer Fehler herausstellt? Dann stehe ich mit nichts da, habe alles verloren und bin unglücklicher als vorher.
Betreff: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Schluss machen!?
Klar, was du verlierst, ist immer konkreter als das, was du gewinnen wirst. Aber mach dir nichts vor: So wie es jetzt ist, kann es auch nicht bleiben. Also solltest du es darauf ankommen lassen. Garantie gibt dir da keiner.
Doch ich denke schon, dass du bereits im Vorfeld einiges dafür tun kannst, eine Trennung in richtige, sinnvolle Bahnen zu lenken. Stelle dich deinen Ängsten, schaffe dir die innere Sicherheit, warum du es tun willst, und denke daran: Jeder hat das Recht, sich zu trennen!
Klingt so einfach in ein paar Worten. Bedeutet aber viel Arbeit. Also los!
Nicht viel im Leben ist so schmerzhaft wie eine Trennung.
Dabei ist es im Grunde irrelevant, ob man verlässt oder verlassen wird, denn das Ende einer langjährigen Partnerschaft bedeutet für beide das Scheitern eines bisher gültigen Lebensentwurfes. Nichts wird mehr sein, wie es war – das klingt gleichzeitig nach Herausforderung und Warnung.
Es bedeutet schließlich: Man lässt nicht nur die Dinge hinter sich, die man nicht mehr ertragen konnte, sondern auch liebgewonnene Gewohnheiten, Sicherheit, die vertraute Umgebung, das eingespielte Miteinander.
Nie wieder wird der andere einem im Winter vor dem Einschlafen die Füße wärmen, nie wieder wird man Heiligabend gemeinsam Kartoffelsalat mit Würstchen essen, nie wieder bei der Fahrt in den Urlaub zusammen mit den Kindern »Ich sehe was, was du nicht siehst« spielen.
Nie wieder ist unendlich lang. Selbst wenn inzwischen die Beziehung – aus welchen Gründen auch immer – unzumutbar erscheint, es kostet Überwindung, deswegen alles andere hinzuschmeißen.
55 % sagen, die Zeit, bevor sie sich zur Trennung entschlossen haben, hat am meisten Kraft gekostet
Fast jeder, der eine Trennung erlebt und herbeigeführt hat, sagt hinterher: Diese Phase vor dem konkreten Aus hat mich am meisten Kraft gekostet. Als ich mich so kompromisslos gegen alles aussprechen musste, nur weil ich erkannt habe, dass ich den einen Faktor – den Partner – nicht mehr an meiner Seite haben möchte.
Wolfram ist ein netter Kerl, der weiß, was er will, der gut aussieht, dessen Leben dank seiner engzusammenhaltenden Familie und steilansteigenden Berufslaufbahn bisher reibungslos vonstatten gegangen ist. Er ist 23 und leitet gemeinsam mit dem Vater eine wirtschaftlich relevante Leuchtstoffröhrenfabrik.
Bei einem Geschäftsessen trifft er Monika – und ist hin und weg. Zwar hat Wolfram schon immer viel von Frauen gehalten – er bewundert seine Mutter, er schwärmt für attraktive Blondinen, er hat den Ruf eines wunderbaren Liebhabers –, aber so etwas wie Monika hat er noch nie gesehen. Sie ist erst 19, steht aber als Lagerverwalterin in einem Logistikunternehmen bereits ihren Mann.
»Sie war so stark. Ganz und gar stolz in ihrer Erscheinung. Ich habe sie direkt auf einen Sockel gestellt und angehimmelt. Nur ein knappes Jahr später war Monika meine Frau. Nicht nur, weil sie zu dem Zeitpunkt bereits schwanger war, das kam nur noch verstärkend dazu, ich hätte sie auch sonst vom Fleck weg geheiratet. Sie war die Liebe meines Lebens, ich war verrückt nach ihr und sie nach mir. In allen Bereichen gaben wir ein wunderbares Team ab. Besonders im Bett.«
Ronny wird geboren und nach Strich und Faden verwöhnt, sowohl von den jungen Eltern wie auch von den stolzen Großeltern, mit denen das Paar sich ein Haus teilt. Damit Monika, die großen Wert auf Selbständigkeit legt, nicht als Hausfrau und Mutter versauert, bekommt sie einen Büroposten in der firmeneigenen Exportverwaltung. Schon immer waren Verantwortung füreinander und absolute Zuverlässigkeit die unerschütterlichen Stützpfeiler in Wolframs Familie.
Die Firma wirft Profit ab, und mit 26 kann Wolfram seiner kleinen Familie schon ein schmuckes Eigenheim bauen. So plätschert das Leben einige Jahre dahin. Kleine finanzielle Engpässe und geschäftliche Probleme hat man immer irgendwie in den Griff bekommen, gemeinsam, versteht sich. Man kann sich einiges leisten: nette Autos, zweimal im Jahr in den Urlaub fahren, fröhliche Feiern im großen Freundeskreis.
Acht Jahre nach Ronny kommt Pia auf die Welt. Jetzt sind sie zu viert und eine klassische Bilderbuchfamilie. Wenn Wolfram zu diesem Zeitpunkt gefragt wird, wie es ihm geht, antwortet er geradewegs, er sei der glücklichste Mann auf der Welt.
Das Leben ist wie ein großes Gemälde, und beide Partner stehen im Mittelpunkt, eingerahmt von allem, was ihnen wichtig ist: die Kinder, das Haus, die Erinnerungen, der geplante Urlaub, die Kredite, der Alltag, die Routine, der Freundeskreis, die warmen Füße unter der Decke … Es ist ein sehr buntes Bild.
Doch nun möchte der eine den anderen aus diesem Leben ausradieren. Was bleibt? Eine große, leere Stelle. Und alle Dinge scheinen auf einmal am falschen Platz zu sein, wirken asymmetrisch und instabil.
Das Gesamtbild ist unwiederbringlich zerstört. Den ehemaligen Partnern bleibt nichts anderes übrig, als jeder für sich einen neuen Entwurf zu kreieren. Man weiß nicht, wie er aussehen wird. Zuerst wird man sich allein auf einer großen weißen Fläche befinden. Welche bunten Dinge sich dann irgendwann wieder um einen herum versammeln, lässt sich beim besten Willen nicht voraussehen.
Die Kinder, die Familie und ein Teil der Freunde werden sicher wieder mit von der Partie sein. Aber wahrscheinlich an ganz anderer Stelle, denn auch das Verhältnis zu den engsten Vertrauten wird sich neu ergeben müssen, wird eine neue Form oder eine andere Einfärbung bekommen. Schließlich wirft die Trennung auch Fragen auf, die nicht nur unmittelbar die Beziehung zum Partner betreffen. Man beginnt, in der eigenen Kindheit nach Gründen und Erklärungen zu suchen. Es wird an der Tauglichkeit als Elternteil gezweifelt, den Freunden misstraut – und manches Mal nicht zu Unrecht.
So etwas macht Angst. Man forscht nach Alternativen, die es einem entweder ermöglichen, den Trennungsentschluss zu revidieren, oder so etwas wie eine Garantie geben, dass die Entscheidung sich als hundertprozentig richtig erweisen wird.
Diese Suche kann nur vergeblich sein.
Es gibt zu viele Unbekannte, um eine Nummer-sicher-Sache daraus zu machen. Man kann überhaupt nicht wissen, wie der Partner reagieren wird. Vielleicht mutiert die lammfromme Gattin, wenn sie verletzt wird und verzweifelt ist, auf einmal zur rachsüchtigen Intrigantin mit kriminellem Potenzial. Ebenso kam schon mancher prügelnde Ehemann plötzlich reumütig zu Kreuze gekrochen, um mit leisen, liebevollen Gesten die Trennung zu verhindern.
Zudem ist auch nicht abzuschätzen, wie man selbst durch die Sache kommt. Eventuell hält man das alles nicht aus, wird krank und schwach, ist auf Hilfe angewiesen. Es ist aber ebenso gut möglich, dass man viel stärker ist, als man es jemals vermutet hat. Oder beides auf einmal. Oder abwechselnd. Oder etwas ganz anderes.
Fest steht nur: Nichts wird mehr sein, wie es war.
Eine ermutigende Erkenntnis ist jedoch: Die meisten Menschen kämpfen zwar in dieser »Vorher«-Phase mit massiven Sorgen und Zweifeln, sie fühlen sich schlecht, schwach und am Ende. Sie haben Angst davor, hinterher als halbe Portion dazustehen. Einige Monate nach vollzogener Trennung fühlen sich jedoch die meisten Verlassenden stärker, an Erfahrung reicher und »endlich ganz«.
Der Berliner Psychologe und Autor Dietmar Stiemerling [1]hat sich in seiner langjährigen Tätigkeit als Therapeut mit chronisch gestörten Zweierbeziehungen befasst. Er trifft in der Beratung nicht nur auf Menschen, denen er zur Klärung ihrer gemeinsamen Probleme verhelfen will, sondern auch auf Paare, die es trotz destruktiver Beziehung nicht schaffen, sich zu trennen.
Jeder kennt wahrscheinlich diese unglücklichen Zweierkonstellationen, wo man kopfschüttelnd daneben steht und denkt: »Warum sind die denn überhaupt noch zusammen?« Doch die Betroffenen scheinen nichts von ihrem eigenen Unglück mitzubekommen. Dietmar Stiemerling berät solche Paare, und er hält die Beendigung einer unglücklichen Beziehung für unabdingbar, er fordert sie geradezu: »Wenn die Summe an Leid und Elend die wenigen Befriedigungsmomente bei weitem überschreitet, ist eine Aufrechterhaltung der Partnerschaft moralisch nicht mehr zu rechtfertigen.« Da dreht sich alles um 180 Grad. Da macht der Beziehungsexperte die Trennung, die sonst als egoistisch verpönt ist, auf einmal zum moralischen Muss.
• Schon lange hungern Sie nach wahrer Nähe, nach Zärtlichkeit und der Sicherheit, sich auf den anderen hundertprozentig verlassen zu können. Es muss nicht heißen, dass Sie sich nicht in den Arm nehmen oder Sex haben. Doch die Berührungen fühlen sich leer und mechanisch an. Die Kommunikation ist gestört, Gespräche finden nur noch oberflächlich statt. Manchmal missversteht man sich absichtlich, und es kommt Ihnen vor, als redeten Sie in verschiedenen Sprachen.
Sie fühlen sich zu zweit allein.
• Die Nähe des Partners ist Ihnen unangenehm. Wenn er verreist ist oder am Abend später kommt, fühlen Sie sich viel wohler, weil Sie endlich einmal Ihre Ruhe haben. Gemeinsame Urlaube und Wochenenden bedeuten für Sie im Grunde genommen mehr Stress als Erholung. Das meiste, was Ihr Partner sagt, halten Sie für belanglos und uninteressant. Körperliche Zuwendung gehört zum Pflichtprogramm. Manches Mal hassen Sie Ihren Partner regelrecht für seine Bedürfnisse und fühlen sich ausgenutzt, obwohl Sie sich im Klaren darüber sind, dass Sex eigentlich dazugehört und Sie Ihrem Partner etwas Wichtiges vorenthalten, wenn Sie sich verweigern.
Sie fühlen sich bedrängt.
• Ständig gibt es Streit, immer wird für alles Mögliche ein Schuldiger gesucht, meist geht es um dieselben Sachen, Kleinigkeiten à la Zahnpastatube. Und hinter all dem lautstarken Theater verbirgt sich ein nicht ausgetragener Konflikt, der aber nie wirklich zur Sprache kommt. Die Zankereien führen zu keiner Lösung, und statt sich hinterher – wie nach einem nötigen Gewitter – gelöst und frei zu fühlen, zermürbt der ewige Kleinkrieg, macht Sie vielleicht sogar krank.
Sie fühlen sich wie auf einem Schlachtfeld.
• Es kann auch sein, dass Sie resigniert haben. Da das nur oberflächliche Austragen der Konflikte zu keiner Lösung, sondern nur zu Kopfschmerzen, Tränen und Erschöpfung führt, haben Sie es aufgegeben und die Ohren auf Durchzug gestellt. Es lässt sich jedoch nicht vermeiden, dass diese »Scheiß-egal-Haltung« auf alles andere übergreift und Ihnen nach und nach das ganze Leben gleichgültig wird. Abgestumpftheit, Unempfindlichkeit, Gefühlskälte machen sich breit. Ihre Welt ist grau, das wahre Leben findet woanders statt – ohne Sie. Davon wird über kurz oder lang ihr ganzes Umfeld – also auch Kinder, Freunde und letzten Endes Sie selbst – betroffen sein.
Sie fühlen sich wie abgestorben.
• Ihr Selbstwertgefühl ist auf dem Nullpunkt, Sie zweifeln sogar an Ihrer Lebenstüchtigkeit. Ohne Ihren Partner sind Sie ein Nichts. Es gelingt Ihnen nicht, die Anerkennung Ihres Partners zu gewinnen, immer machen Sie alles verkehrt. Obwohl Sie ahnen, dass dieses Minderwertigkeitsgefühl gar nichts mit Ihnen, sondern vielmehr mit Ihrem Verhältnis zu tun hat, trauen Sie dieser Intuition nicht. Die Argumente Ihres Partners scheinen stets überzeugender und fundierter. Sie geben ihm recht, ja, natürlich ist es Quatsch, sich in seiner Gegenwart mickrig zu fühlen, ist es nicht offensichtlich, dass er alles für Sie tut? Die Schuldgefühle, die sich wegen Ihrer unterschwelligen Vorwürfe einschleichen, machen Sie noch kleiner. Und noch abhängiger vom Zuspruch Ihres Partners. Irgendwann sind Sie selbst gar nicht mehr da.
Sie fühlen nichts mehr.
Diese Grundprobleme – Entfremdung, Ablehnung, Aggression, Resignation, ungesunde Abhängigkeit, Misstrauen, Lähmung – treten in den verschiedensten Variationen auf und haben tausend Ursachen.
Und das Fatale ist: Sie werden vom Partner meistens gar nicht wahrgenommen. Entweder hat er andere Vorstellungen und Ansprüche, oder es geht ihm genau mit diesen Problemen eigentlich ganz gut. Nicht selten rührt das daher, dass die alten Beziehungsmuster früher einmal funktioniert haben, sich dann aber einer von beiden verändert und neue Ansichten gewonnen hat. Das ist nicht schlimm, sondern im Laufe einer langjährigen Beziehung ganz normal. Niemand wird seinem Partner allen Ernstes das Recht absprechen, sich weiterentwickeln zu dürfen. Nur das Ergebnis, dass dadurch alles bisher so gut Funktionierende aus den Fugen geraten kann, ist natürlich bitter. Und dann fällt auf einmal dieser Satz: »Wir haben uns auseinandergelebt.« Davon abgesehen, dass der Ausdruck überstrapaziert wird, ist er ziemlich passend, denn er verdeutlicht, dass hinter allem keine Absicht, kein böser Plan, sondern nur das Leben selbst steckt.
Wolframs Lebensglück gerät ins Wanken, als er Angela wiedersieht. Seine Jugendliebe aus Teenagerzeiten, der er seine ersten intimen Erfahrungen verdankt und die noch immer eine gefährliche Mischung aus Verrücktheit und Weiblichkeit ausstrahlt. Sie erinnert ihn an diese tiefen Gefühle, die man hat, wenn man unvernünftig ist und einfach nicht widerstehen kann. Wolfram ist eigentlich zufrieden mit seiner Ehe, er liebt Monika und hat nicht vor, sie zu betrügen. Aber er wird sich bewusst, dass es zwischen ihm und seiner Frau diese abgründigen Emotionen nicht gibt. Der Gedanke macht ihm ein schlechtes Gewissen, deswegen verschweigt Wolfram das Wiedersehen und auch die weiteren Treffen mit Angela. Gerade noch rechtzeitig zieht er dann doch den Schlussstrich. Er ist froh, die Sache hinter sich gebracht zu haben und seiner Frau noch ins Gesicht sehen zu können. Doch er irrt sich.
Vier Wochen später erfährt er von Angelas Selbstmord. Es haut ihn komplett um. Nicht nur, dass er sich Vorwürfe macht, die Frau im falschen Moment von sich gewiesen zu haben, das ist es nicht allein. Es wird ihm auf einmal bewusst, wie oberflächlich seine kleine heile Welt doch ist, in der er sich so sorgenfrei all die Jahre bewegt hat. Wolfram beginnt sich zu verändern, er wird grüblerisch, er hinterfragt den Sinn seines Lebens.
Natürlich bleibt Monika diese 180-Grad-Wendung ihres Mannes, mit dem sie immerhin schon seit mehr als zehn Jahren verheiratet ist, nicht verborgen. Als ihr eine Bekannte erzählt, dass Wolfram mit dieser »verrückten Selbstmörderin« gesehen worden war, bastelt sich Monika eine eigene Wahrheit zusammen.
»Als sie mir auf den Kopf zusagte, ich hätte sie mit Angela betrogen, konnte ich nur schwach widersprechen. Denn obwohl es zwischen mir und meiner Jugendliebe zu keinerlei Sex gekommen ist, hatte ich Monika schon irgendwie hintergangen, indem ich ihr nichts von meinen neu entdeckten Sehnsüchten und beängstigenden Zweifeln erzählt habe. Ich habe mich darauf beschränkt, den Seitensprung abzustreiten, doch von meiner Trauer und meinen Schuldgefühlen habe ich kein Wort erwähnt. Es war also nicht verwunderlich, dass Monika die ganze Sache mehr als suspekt erschien. Wer weiß, hätte ich damals den Mut gehabt, mich ihr ganz zu öffnen, dann wäre vielleicht alles anders gekommen.«
Doch Wolfram schweigt, und die Ehe beginnt nach dieser Geschichte an Festigkeit zu verlieren. Obwohl das Thema irgendwann vom Tisch ist, bleibt etwas Ungutes zurück. Monika wird unzufrieden. Als die kleine Pia in die Schule kommt, will Monika eine Boutique in der Einkaufspassage einer Nachbarstadt eröffnen. Dieser Wunsch nach Eigenständigkeit sprengt den festen Rahmen des gutfunktionierenden Familiengefüges. Wolframs Eltern haben Bedenken, halten diesen Schritt für unnötig und riskant, schließlich habe Monika doch ihren perfekten Job in der sicheren Firma und sie mache ihre Sache gut, worüber alle glücklich seien. Doch Wolfram unterstützt seine Frau und kann die Sippe überreden, die Veränderung mit gemeinsamen Kräften zu meistern. Die Einrichtung und Ausstattung des kleinen Modeladens wird aus der Firmenkasse vorfinanziert, die Kinder sind reihum in der Familie bestens versorgt, und damit Monika an den Wochenenden etwas Zeit für Privates hat, bezahlt Wolfram noch eine Aushilfskraft für den Samstag.
»Ich habe wirklich mein Bestes gegeben, auch wenn ich mich manchmal heimlich geärgert habe, wenn sie so viel Zeit in ihrem Laden verbrachte, statt bei mir und den Kindern zu sein. Am meisten wurmte es mich, wenn sie von den jungen Modevertretern sprach, von denen sie bei den Einkaufsgesprächen immer zum Essen eingeladen wurde. Das war mir alles so fremd, obwohl ich ja selbst Geschäftsmann bin und diese Gepflogenheiten kenne. Doch meine Frau Monika inmitten von blutjungen Schnöseln, das mochte ich mir nicht vorstellen. Ich hätte mich selbst ohrfeigen können für diese alberne Eifersucht und versuchte, mein Misstrauen zu verstecken und mit besonders liebevoller Zuwendung dem unguten Gefühl entgegenzuwirken.«
Aber die Rosen und Geschenke scheinen nichts zu bewirken, Monika wird immer unnahbarer, verweigert sich sogar im Bett, was bislang noch nie geschehen war und bei Wolfram die Alarmglocken schrillen lässt. Er bucht eine Reise nach Venedig, doch ausgerechnet während der romantischen Gondelfahrt klingelt Monikas Handy und ihre bislang so gelangweilte Miene erhellt sich schlagartig, während sie mit einem Olaf telefoniert. Später erläutert sie mit auffälliger Beiläufigkeit, das sei ein Verkäufer aus dem Handyshop in derselben Passage neben ihrer Boutique.
Jetzt wird Wolfram alles klar. Er stellt Monika zur Rede, doch es ist zwecklos, sie hüllt sich in beleidigtes Schweigen, spielt lediglich auf seine angebliche Affäre mit Angela an. Beide reisen früher aus Italien ab. Zu Hause fährt Wolfram gleich in die Firma, um sich mit angeblich liegengebliebener Arbeit abzulenken. Er bleibt drei Tage im Büro, schläft auf der Besprechungscouch und meldet sich nicht ein einziges Mal bei Monika. Als er am dritten Abend völlig übermüdet endlich wieder die Haustür aufschließt, findet er seine verweinte Frau im abgedunkelten Wohnzimmer. Ohne dass er noch einmal nachfragen muss, beichtet sie ihm, dass sie mit eben diesem besagten Handyverkäufer Olaf eine kleine Mittagspausenaffäre begonnen hat. Wenn sie angeblich die Schaufensterdeko einkaufen ging, wenn Wolfram sie auf einer Modemesse wähnte, wenn sie ihre alte Schulfreundin besuchte, ist Monika in Wirklichkeit bei diesem Mann gewesen, hat mit ihm stundenlange Gespräche geführt über alles, was sie bewegt, hat die ungewohnte Nähe genossen und … ja, auch mit ihm geschlafen. Das Geständnis dauert keine Viertelstunde, danach dreht sich alles um Wolfram, ihm wird speiübel, in der Toilette bricht er weinend zusammen.
»Es tat so weh, ich dachte wirklich, ich müsste sterben. Meine Frau ist mit einem anderen Mann zusammengewesen. Dass sie mit ihm über Dinge gesprochen hat, die sie mir nach zwölf gemeinsamen Ehejahren lieber verschwieg, machte mir komischerweise nicht so viel aus. Aber dass sie sich ihm hingegeben hatte, warf mich völlig aus der Bahn.«
Monika schwört, die Sache mit Olaf hätte mit Liebe nichts zu tun gehabt, sie sei nur passiert, weil sie noch immer so verletzt sei wegen der Geschichte mit Angela. Ein tiefes Misstrauen wird offengelegt: Monika hat schon immer daran gezweifelt, dass ihr gutaussehender, erfolgreicher Mann auf Geschäftsreisen oder bei sonstigen Gelegenheiten wirklich alle Avancen ausschlägt. Deswegen hätte sie sich bei dem anderen Mann die Bestätigung geholt, dass sie es auch könne, wenn sie nur wolle.