eBook Insel Verlag Berlin 2015
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4290.
© Insel Verlag Berlin 2015
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Umschlaggestaltung und Layout: Marion Blomeyer, München
Illustrationen: Ryo Takemasa, Tokio
Karten: Peter Palm, Berlin
ebook-Konvertierung: Greiner & Reichel, Köln
eISBN 978-3-458-73394-2
www.insel-verlag.de
INHALTSVERZEICHNIS
ALTSTADT: HAMBURGS ZENTRUM
Die Alsterarkaden
Die Mellin-Passage
Der Hygieia-Brunnen im Ehrenhof des Rathauses
Lunchkonzerte in der Börse
Die Seetonne in der Handelskammer
Das Heine-Denkmal
Der Bischofsturm in der Backhus-Filiale
NEUSTADT
Der Micheltürmer
Hummel, Hummel, Mors, Mors
Der Tempel in der Poolstraße
Das Gängeviertel
Der japanische Garten in Planten un Blomen
SCHANZENVIERTEL UND ST. PAULI
Das Café unter den Linden
Universo Tango am Neuen Pferdemarkt
Das Bambi-Kino: Wo die Beatles zuerst in Hamburg wohnten
Der Comicladen Strips & Stories
HAFENCITY UND SPEICHER-STADT
Die Oberhafenkantine
Das Wasserschloss in der Speicherstadt
Miniatur Wunderland
Eine Orgel für Bach in der Katharinenkirche
HAFENRAND UND LANDUNGSBRÜCKEN
Paternosterfahren im Slomanhaus
Deutschlands ungewöhnlichster Weinberg und die besten Fischbrötchen
Der Alte Elbtunnel
Dockland
ALTONA UND OTTENSEN
Das Mercado
Der letzte Fischschornstein in Ottensen
Meta Mollers Grab bei der Christianskirche
Der Eisladen in Ottensen
ELBUFER UND ELBVORORTE
Alter Schwede und andere Steinreste
Luzifers Kiosk
Caspar Voghts Instenhäuser
Der brennende Dornbusch im Loki Schmidt Garten
Blankeneser Treppen
Der Römische Garten an der Elbe
EPPENDORF UND HOHELUFT
Aby Warburgs Bibliothek
Bonbon-Pingel auf dem Isemarkt
Hoheluft und Falkenried
Der Vorhang des Holi-Kinos
ROTHERBAUM UND HARVESTEHUDE
Grindelviertel und Joseph-Carlebach-Platz
Der Hörsaal im Museum für Völkerkunde
Die Südseemasken im Museum für Völkerkunde
Paddeln auf der Alster
WINTERHUDE UND BARMBEK
Die große Festwiese im Stadtpark
Die Kranzjungfrau der Schiffszimmerer
Die Waschküche in der Jarrestadt
WANDSBEK UND RAHLSTEDT
Freud in Wandsbek
Schimmelmann-Mausoleum und Claudius-Grab
Haus der Wilden Weiden
OHLSDORF, FUHLSBÜTTEL UND LANGENHORN
Der Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof
Der Lindenlaubengang in Fuhlsbüttel
Die Schwarzwaldsiedlung in Langenhorn
ST. GEORG UND EILBEK
Das Literaturhotel Wedina in St. Georg
Das Fundus Theater in Eilbek: Wenn Kinder die Regie übernehmen
ROTHENBURGSORT
Der Rosengarten am Bullenhuser Damm
Wasserkunst Kaltehofe
SPRUNG ÜBER DIE ELBE: VEDDEL, WILHELMSBURG UND HARBURG
Die Veddeler Fischgaststätte: Böhmen liegt am Meer
Hafenmuseum
Der Zollzaun in Wilhelmsburg
Der Horizontweg in Georgswerder
Die Wilde 13. Mit dem Bus durch Wilhelmsburg
Die Alte Harburger Elbbrücke
WEIT WEG
Der Leuchtturm von Neuwerk
Abbildungsverzeichnis
Register
Altstadt
HAMBURGS ZENTRUM
S-/U-BAHNEN JUNGFERNSTIEG, U3 RATHAUSMARKT
Die Alsterarkaden –
wo Hamburg wie
Venedig leuchtet
ALSTERARKADEN
20354 HAMBURG
TIPP
DAS BESTE LOKAL UNTER DEN ALSTERARKADEN:
SALIBA BESONDERS ZU EMPFEHLEN: DIE VORSPEISEN
UND DIE »SÜSSEN SÜNDEN DES ORIENTS«
NEUER WALL 13
TEL. 040 34 50 21
MO–SO 11–23 UHR
Glitzerndes Wasser, darüber ein weißes Häuserensemble mit eleganten Bogengängen – bei schönem Wetter fühlt man sich an den Alsterarkaden fast wie in Venedig. Kein Backstein trübt die mediterrane Eleganz.
Die Arkaden verdanken sich dem Großen Brand, dem die gesamte Hamburger Innenstadt bis zum Jungfernstieg im Mai 1842 zum Opfer fiel. Eine Tragödie für die Bewohner und die Stadtregierung, eine Chance für Stadtplaner und Architekten. Denn diese hatten jetzt gewissermaßen Tabula rasa. Wo früher alle Baustile durcheinandergewürfelt, die Gassen eng und die alten Fachwerkhäuser verwinkelt waren, sollte jetzt ein repräsentatives, großzügiges und einheitliches Stadtzentrum entstehen. Vorbild dieser Neuerschaffung Hamburgs, darüber waren sich die beteiligten Planer bald im Klaren, sollte eine andere Metropole sein, die Seerepublik Venedig. Das Rathaus im Stil der italienischen Renaissance, der Rathausmarkt wie die Piazza San Marco, dazu herrschaftliche Bogengänge in Sichtweite. Über die Verlegung des alten Zentrums weg von Elbe und Trostbrücke hin in die Nähe der Binnenalster war man sich rasch einig, denn hier gab es mehr Weite und mehr Platz. Erster Bau und sozusagen Modell für den neuen Stil à la veneziana waren die Alsterarkaden, die der federführende Architekt Alexis de Chateauneuf gleich nach dem Brand errichten ließ. Doch das städtebauliche Schmuckstück blieb lange solitär, Rathaus und Rathausmarkt wurden erst über fünfzig Jahre später fertig.
Inzwischen hatten sich Geschmack und Ansprüche gewandelt. Zwar zitiert das Rathaus immer noch die Renaissance, nun aber gewendet ins Protzige und ohne die leichtfüßige Eleganz der Serenissima. Und auch der Rathausmarkt ist trotz seiner beeindruckenden Weitläufigkeit nicht ganz zum Markusplatz geworden. Ein Wichtiges fehlt zudem: Kein historisches Kaffeehaus lädt zum Verweilen. Stattdessen kann man sich aber auf die gerundete Wassertreppe an der Kleinen Alster setzen und hat – Rathaus und Rathausmarkt im Rücken – den schönsten Blick auf die Alsterarkaden. Die Treppe war ursprünglich Anleger für Kähne und Schuten, die vor der Alsterschleuse warteten. Doch da im Zuge der Modernisierung immer mehr Fleete zugeschüttet wurden, nahm auch der Warenverkehr auf dem Wasser in der Innenstadt rapide ab. Heute hat die Treppe rein ästhetische Funktion. Ausgerechnet hier haben wir das Venediggefühl, wo doch der amphibische Charakter, der Hamburg mit Venedig verband, und die vielen Fleete, die als Lebensadern das Stadtzentrum bestimmten, immer mehr verschwunden sind.
S-/U-BAHNEN JUNGFERNSTIEG
Die Mellin-Passage
MELLIN-PASSAGE
EINGANG ALSTERARKADEN ODER
NEUER WALL 1
20354 HAMBURG
TIPP
DIE BUCHHANDLUNG FELIX JUD
NEUER WALL 13
20354 HAMBURG
TEL. 040 34 34 09
Die Kunst des Flanierens haben die Hamburger erst spät erlernt. Ziellos in der Stadt herumzuschlendern und Schaufenster anzuschauen – unvorstellbar für die geschäftigen Hanseaten. Das änderte sich erst, als große Teile der Innenstadt zwischen Jungfernstieg und Rathausmarkt nach dem Großen Brand von 1842 zu feinen Einkaufsstraßen mit teuren Läden umgebaut wurden. Einer der ersten war das noch heute bestehende Traditionsgeschäft Ladage & Oelke, das 1845 am Neuen Wall gegründet und mit seiner englisch inspirierten Understatement-Mode rasch bekannt wurde.
Gleich daneben befindet sich eine kulturhistorische Rarität: die älteste Einkaufspassage Hamburgs, die Mellin-Passage. Gebaut wurde sie 1864, ihren Namen verdankt sie einer hier ansässigen Drogerie, wie man noch an den Reklamezeichnungen auf den Wänden sieht. Wie ihre Vorbilder, die Pariser Passagen, wurde sie kostbar gestaltet: Säulen flankieren den Eingang, Blendarkaden veredeln die hohen Wände. Man fühlt sich an Kunstgalerien italienischer Renaissancepaläste erinnert – mit dem Unterschied, dass hier keine Bilder, sondern Waren ausgestellt werden. Hier tritt die Kunst in den Dienst des Kaufmanns, wie es in Walter Benjamins Passagen-Werk heißt.
Dabei transzendiert die Kunst allerdings auch die Warenwelt. Das zeigt ein Blick auf die Deckengemälde. Die eleganten Jugendstil-Dekorationen wurden erst vor zwei Jahrzehnten bei einer Restaurierung wiederentdeckt. Auch sie waren wohl im Auftrag Mellins entstanden, ihr Thema ist die weibliche Schönheit. Es handelt sich um vier Frauenporträts, welche die vier Lebensalter symbolisieren, dazu das jeweils passende kosmetische Produkt. Eine der Damen trägt eine Sanduhr, daneben ist ein schwarzer Rabe zu sehen – Zeichen des Todes und der Vergänglichkeit, die auch in eine Kirche passen würden und mehr zum Nachdenken über den Sinn des Lebens als zum Einkaufen einladen. Das alte Vanitas-Motiv, modern gefasst, thematisiert die Zeitlichkeit, der Waren und Mode unterworfen sind. Die leicht melancholische Stimmung der Passage mag aber auch daher rühren, dass heute nur noch wenige Menschen hier vorübergehen.
U3 RATHAUSMARKT, S-/U-BAHNEN JUNGFERNSTIEG
Der Hygieia-Brunnen
im Ehrenhof
des Rathauses
HYGIEIA-BRUNNEN
HAMBURGER RATHAUS
20095 HAMBURG
TÄGLICH 7–19 UHR
»Kurze Wege« zwischen Politik und Wirtschaft – so lautete das Motto beim Neubau des Hamburger Rathauses nach dem Großen Brand von 1842. Deshalb errichtete man es direkt neben der Börse. Verbunden sind beide Gebäude durch einen windgeschützten Innenhof im Stil der Renaissance. Als Schmuckstück war ein sprudelnder Brunnen vorgesehen, der von Merkur gekrönt werden sollte, dem antiken Patron der Händler und Lieblingsgott der Hamburger Senatoren und Kaufleute. Die Skulptur war bereits bestellt, da wurde sie 1896 klammheimlich durch eine weibliche Statue ersetzt, für die sich die Hanseaten bisher nicht begeistert hatten: Hygieia, die griechische Göttin der Gesundheit.
Vorangegangen war 1892 eine der größten Katastrophen in der Geschichte Hamburgs: eine Choleraepidemie, an der mehr als 16000 Menschen erkrankten und über 8000 starben. Verbreitet hatte sich die Krankheit außerordentlich rasch über Hamburgs marodes Trinkwassersystem. Während das Rathaus mit viel Geld immer prunkvoller ausgestattet wurde, hatte sich der Senat zur selben Zeit geweigert, eine moderne Wasserfilteranlage zu finanzieren. Als sich die Stadtoberen dann die kostbare Merkur-Skulptur leisteten, brach ein Proteststurm los. Selbst Bürgerliche prangerten jetzt die schmutzige Vermengung von Politik und Wirtschaft an.
In dieser Lage hatte Rathausarchitekt Martin Haller die – für den Senat – rettende Idee: ein Denkmal, das den Sieg über die Cholera feiert, mit der Göttin der Gesundheit an der Spitze, die die Krankheit – symbolisiert durch ein Ungeheuer – mit den Füßen zermalmt. Der Münchener Bildhauer Joseph von Kramer entwarf eine Skulptur, die allerdings vielfach verändert wurde: Zuerst verkleinerte man das Cholera-Ungeheuer, dann tilgte man die Jahreszahl 1892, bis schließlich kaum noch etwas an die Schmach und Schuld des Senats erinnerte. Stattdessen schmückte sich das Rathaus jetzt mit dem Sieg über die Cholera, obwohl die Politiker die Krankheit durch unzureichende sanitäre Maßnahmen selbst mitverantwortet hatten.
Seit 2001 ist der Innenhof des Rathauses für die Öffentlichkeit zugänglich. Wenn wir den Hygieia-Brunnen mit seinen sprudelnden Wasserkaskaden heute anschauen, sehen wir nicht zuerst ein Denkmal der Schande, sondern eine Feier des Wassers als Lebenselixier der Stadt.
U3 RATHAUS, S-/U-BAHNEN JUNGFERNSTIEG
Lunchkonzerte
in der Börse
BÖRSENSAAL DER HANDELSKAMMER HAMBURG
ADOLPHSPLATZ 1
20457 HAMBURG
LUNCHKONZERTE EINMAL IM MONAT
AM DONNERSTAG 12.30–13 UHR
KAMMERKUNST.DE
RECHTZEITIG KOMMEN!
Nur noch selten spielt hier die Musik: einmal im Monat bei den »Lunchkonzerten« in der Hamburger Börse. Wo einst im Sekundentakt Riesensummen den Besitzer wechselten, ist es heute meist still und leer, seit der Handel per »Zuruf und Zettel« durch Computer abgelöst wurde.
1841 am Adolphsplatz gebaut, zeugt der prächtige Bau noch heute vom Selbstbewusstsein der Hanseaten zur Zeit des großen Aufstiegs der Stadt im imperialen Seehandel – selbst auf der Rückseite. Dort finden sich neben den Wappen wichtiger Hafenstädte Hinweise auf alle fünf Kontinente – die ganze Welt wird zum Raum der kaufmännischen Tätigkeit Hamburgs.
Innen haben sich die Kaufleute ein Ambiente schaffen lassen, das es mit jeder Adelsresidenz aufnehmen kann: Lichtdurchflutete hohe Räume in Weiß und edlem Blaugrau mit Arkadenfenstern ringsum veredeln den Ort schnöden Kaufens und Verkaufens zum Fest- oder Ballsaal. Dass es ein Privileg war, hier zu arbeiten, zeigen die Namensschilder der Händler und Firmen, die zur Börse zugelassen waren. An den vielen abgeschabten Holzbänken mit Fußstützen an den Wänden und um die Säulen herum lässt sich aber auch ablesen, dass hier einst hart gearbeitet wurde.
Die hohen schmalen Holzbänke waren nicht zum Verweilen gedacht, dazu sind sie zu unbequem. Für das Musikvergnügen der Lunchkonzerte reicht der Komfort allerdings aus. Bei Klängen von Mozart oder Brahms kann man sogar die einstige Funktion als Börse vergessen. An die Schnelligkeit des Börsenhandels erinnert nur noch, dass die Konzerte nie länger als dreißig Minuten dauern. Dafür ist der Musikgenuss kostenlos.
U3 RATHAUS, S-/U-BAHNEN JUNGFERNSTIEG
Die Seetonne in der
Handelskammer
HANDELSKAMMER HAMBURG
ADOLPHSPLATZ 1
20457 HAMBURG
TEL. 040 36 13 81 38
MO–DO 9–17 UHR, FR 9–16 UHR
Nur das beste Eichenholz kam in Frage, dazu das besonders widerstandsfähige Schwedeneisen: Die Bauvorschriften für Hamburger Seetonnen waren streng, denn diese sorgten für die Sicherheit der Schiffe auf der gesamten Unterelbe. Die zwei Meter hohen kegelförmigen Tonnen begrenzten die Fahrrinne, zeigten die Elbmündung an, vor allem aber markierten sie Untiefen und tückische Sandbänke. Das war fundamental für die Hamburger Kaufleute, denn sie konnten nur gute Geschäfte machen, wenn die Schiffe unversehrt in den Hafen und wieder hinaus gelangten.
Das älteste erhalten gebliebene Exemplar ist in der Hamburger Handelskammer ausgestellt. Ihr Holz stammt aus dem Jahr 1667, gebaut wurde sie etwas später. Dass sie ausgerechnet an diesem Ort gezeigt wird, ist kein Zufall. Der Vorläufer der Interessenvertretung der Kaufleute, die Commerzdeputation, wurde fast zur selben Zeit, nämlich 1665, als Schutz gegen Piraten gegründet und setzte sich von Anfang an energisch beim Senat für Bau und Pflege der Seetonnen ein. Dafür beteiligte man sich sogar an den hohen Kosten: Für den Preis von sechs Tonnen hätte man ein 15 Meter langes Frachtschiff mit 36 Tonnen Tragfähigkeit bauen können. Gefunden wurde die Tonne 1999 bei Baggerarbeiten in der Nähe der berüchtigten Blankeneser Barre, wo sie mehr als 300 Jahre lang 15 Meter tief im Sand lag.
Seit 2010 gehört die Seetonne zu den Prunkstücken, die die Handelskammer in ihrem »Haus im Haus« zeigt, einem aufregenden Innenbau in ihrem alten Gebäude. Fünf filigrane Stockwerke nur aus Glas und Stahl, selbst die Böden. Unten finden wechselnde Kunstausstellungen für die Öffentlichkeit statt. Ganz oben bietet die Merkur-Terrasse einen spektakulären Blick auf die Rathausdächer – leider nur für Mitglieder des exklusiven Börsenclubs.
U3 RATHAUS, S-/U-BAHNEN JUNGFERNSTIEG
Das Heine-Denkmal
RATHAUSMARKT/ECKE
GROSSE JOHANNISSTRASSE
20095 HAMBURG
Kann man das Geschenk einer Kaiserin ablehnen? Die österreichische Kaiserin Sissi wollte 1891 der Hansestadt eine Heinrich-Heine-Statue vermachen. Ihr Lieblingsdichter aber war den Hamburgern so verhasst, dass sie das Geschenk empört zurückwiesen. Ein Jude und Vaterlandsverräter, so der Senat, sollte in ihrer Stadt nicht geehrt werden. Und vielen Bürgern klangen noch die Verse im Ohr, mit denen Heine sie einst verspottet hatte: »Seit ich diesen Menschenkehricht wiederseh, und dieses Wetter!«
Das Verhältnis zwischen Heine und Hamburg war von Anfang an schwierig. Zwar lebte er fast acht Jahre hier, nie aber fühlte er sich wirklich heimisch – außer vielleicht, wenn er im Austernkeller schlampampte oder auf dem Jungfernstieg hübschen jungen Hamburgerinnen hinterhersah. Bereits die Banklehre 1816 bei seinem Onkel Salomon Heine, »Hamburgs Rothschild«, taugte ihm nicht. Sein erstes eigenes Geschäft für englische Manufakturwaren, die Firma Harry Heine & Co., ging 1819 nach kurzer Zeit pleite. Der Onkel finanzierte ihm sogar noch ein Jurastudium. Doch der Neffe wollte lieber Dichter sein – in den Augen des erfolgreichen Salomon Heine eine unmögliche Berufswahl: »Hätte der dumme Junge was gelernt, so brauchte er nicht zu schreiben Bücher.« Immer wieder kam es zum Streit, Heinrich war auf das Geld angewiesen und verachtete doch Onkel und Hansestadt.
Dass dennoch alle seine Bücher in Hamburg erschienen, zeigt eine andere Seite der Stadt. Hier, wo die sonst strenge Pressezensur nur lax gehandhabt wurde, konnte Verleger Julius Campe es wagen, Heines kritische Reisebilder und Politsatiren zu verlegen. In Preußen dagegen waren alle seine Werke verboten. Doch am Ende des 19. Jahrhunderts galt der Dichter auch in der Hansestadt als »Schmutzfink im deutschen Dichterwald«, wie Wilhelm II. ihn nannte.
Das Heine-Denkmal, das die Hamburger damals abgelehnt hatten, gelangte auf verschlungenen Wegen dennoch in die Stadt: Der Sohn des Verlegers Campe erwarb es nach Sissis Tod und stellte es 1910 im Hof eines Kontorhauses in der Mönckebergstraße auf. Jeden Tag mussten also Banker und Kaufleute an Heine vorbei in ihre Büros. Doch immer wieder wurde der Marmor mit antisemitischen Hetzereien beschmiert, sodass die Skulptur schließlich mit einem Bretterzaun geschützt werden musste – von der Presse fies als »Schutzhaft« tituliert. Erst der liberale Altonaer Bürgermeister Max Brauer ließ das Denkmal 1927 wieder öffentlich in Donners Park an der Elbe aufstellen. Doch auch dort blieb es nicht lange. Als die Nationalsozialisten an die Macht gelangten, wurde es von Heines Erben in Sicherheit gebracht und befindet sich heute in Toulon. Mehrere Versuche, die Statue nach Hamburg zu holen, scheiterten.
Seit 1982 gibt es allerdings ein offizielles Heine-Denkmal an repräsentativem Ort: auf dem Rathausmarkt. Man übersieht die Skulptur leicht, denn sie ist weder aus leuchtendem Marmor, noch stellt sie Heine in pathetischer Dichterpose dar. Die zartgliedrige Bronzestatue von Waldemar Otto zeigt den Dichter stehend, mit aufgestützten Ellenbogen und kritischem, vielleicht sogar sehnsüchtigem Blick in Richtung Rathaus. Kein Auftrumpfen, keine Empörung, sondern ein stiller Einspruch gegen Selbstgefälligkeit und Profitdenken. Und eine Erinnerung daran, dass Hamburg – trotz Kommerz – immer auch bedeutende Literatur ermöglicht hat.