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Vorwort des Herausgebers

Spekulationsblasen und Bankenkrisen sind in der Geschichte des Kapitalismus keine neuen, sondern periodisch wiederkehrende Phänomene. Als erste gut dokumentierte »Blase« gilt die »Tulpenmanie« um das Jahr 1600 in Holland: Tulpen, die ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammten, waren dort in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zum Liebhaberobjekt und Statussymbol in den Gärten der Reichen und Gebildeten geworden. Doch es blieb nicht bei der Liebhaberei, sondern Händler und Banker entdeckten die Tulpenzwiebel als Spekulationsobjekt. Es entstand ein Markt mit Auktionen, in den bald große Teile der Bevölkerung auf irgendeine Art und Weise involviert waren, und die Preise der Tulpenzwiebeln stiegen ins Unermessliche. 1637 wurde für eine Zwiebel der Sorte ›Semper Augustus‹, der teuersten je gehandelten, 10.000 Gulden bezahlt. Das entspricht dem Wert eines der teuersten Häuser an einer Amsterdamer Gracht. Aber noch im selben Jahr erfolgte der Absturz – der Wert verringerte sich um 95 bis 99 Prozent.

Es war nicht die erste, und nicht die letzte dieser »Bubbles«. So platzte im Jahr 1720 in Frankreich eine gewaltige Spekulation mit Anteilsscheinen der Mississippi-Kompanie, die Handel mit den französischen Kolonien in Amerika treiben sollte, und 1873 kam es zu den großen Krisen des 19. Jahrhunderts (Eisenbahnspekulation in Nordamerika, ›Schwarzer Freitag‹ 1873)

Zola kannte diese Fälle, und sah die immer wiederkehrenden Muster. Die Handlung des Romans ›Das Geld‹, veröffentlicht 1891, beginnt im Frühjahr 1864 und endet 1869. Hauptperson ist Aristide Saccard, verwöhnter, leichtlebiger Sohn aus angesehener Familie. Aristide will Geld, Geld, Geld – denn Geld bedeutet für ihn Glück und Macht. Er gründet ein ›Start-up‹, die ›Banque Universelle‹, die Bauvorhaben im Nahen Osten finanzieren soll, mit dem naiven Ziel, irgendwann Jerusalem für die Christenheit zurückzugewinnen und vielleicht den Papst dort residieren zu lassen. Für die damalige Zeit eine inspirierende und kühne Idee, genau richtig, um Menschen zu begeistern und den Börsenkurs in spekulative Höhen zu treiben.

Bestseller-Autor Rolf Dobelli: »Angesichts der Geschehnisse auf den Finanzmärkten in unserer Zeit ist Zolas Roman ›Das Geld‹ von erschreckender Aktualität. Er schildert den atemberaubenden Aufstieg und Fall einer französischen Bank und führt die Finanzwelt des Second Empire exemplarisch vor: den geltungssüchtigen Bankinhaber, die Makler und Spekulanten rund um die Pariser Börse, kleine Sparer und verarmte Adlige, die getäuscht werden und in der finalen Spekulation ihre Renten und die Reste ihres Vermögens verlieren, sowie eine mangelhafte Gesetzgebung, die dem skrupellosen Finanzhai zu viele Schlupflöcher für sein verbrecherisches Treiben lässt.«

 

Über den Autor

Émile Édouard Charles Antoine Zola wurde am 2. April 1840 in Paris geboren. Sein italienischer Vater war Ingenieur, die Mutter war gebürtige Französin. Seine Schulzeit verlebte Émile in Aix-en-Provence, wo er bereits in Kindertagen Paul Cézanne kennenlernte, der jahrzehntelang ein enger Freund bleiben sollte. Zolas Vater hatte 1843 ein wichtiges Bauprojekt in Aix übernommen, starb aber überraschend im Jahr 1847. Die Mutter zog Ende 1857 zunächst alleine nach Paris und ließ Émile im Februar 1858 nachkommen. Dort fiel er im Baccalauréat des Gymnasiums Lycée Louis-le-Grand durch, und stellte sich ohne Qualifikation dem Arbeitsmarkt. Im April 1860 arbeitete er zunächst als Schreiber im Hafen-Zollamt, war dann arbeitslos und versuchte sich als freier Journalist durchzuschlagen, bis er 1862 eine Anstellung in der Werbeabteilung des Verlagshaus Hachette bekam.

Dieser Glücksfall brachte ihn seinem Traum, einmal ein berühmter und reicher Schriftsteller zu sein, bedeutend näher – denn hier hatte er die Chance, alle Facetten des Verlagsgewerbes eingehend kennenzulernen. Dass er das Zeug zum Schriftsteller hatte und das nötige Talent – davon war er schon früh überzeugt, und er teilte es seinen Freunden, zu denen später auch Édouard Manet, Stéphane Mallarmé und Auguste Renoir zählten, ungeniert mit. Und Zola schaffte, was er sich vorgenommen hatte – mit seiner eigenen Mischung aus Disziplin, Ehrgeiz und dem Talent, Alltagsthemen spannend, und dabei fast psychologisch-sezierend, aufzuarbeiten.

Im Jahr 1898, er war bereits ein erfolgreicher und allseits anerkannter Schriftsteller, setzte er sich mit einem Brief für die Unschuld von Alfred Dreyfus[1] ein und wurde zu Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt, konnte jedoch nach England fliehen. 1899 kehrte er nach einer Amnestie nach Frankreich zurück. Zola starb am 29. September 1902 in Paris. Er gilt heute als einer der großen französischen Romanciers des 19. Jahrhunderts und als Leitfigur und Begründer der gesamteuropäischen literarischen Strömung des Naturalismus.

© Redaktion eClassica, 2014

 

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Anmerkungen:

[1] Als Dreyfus-Affäre bezeichnet man die Verurteilung des französischen Artillerie-Hauptmanns Alfred Dreyfus 1894 durch ein Kriegsgericht in Paris wegen angeblichen Landesverrats zugunsten des Deutschen Kaiserreichs und die dadurch ausgelösten, sich über Jahre hinziehenden öffentlichen Auseinandersetzungen und weiteren Gerichtsverfahren. Die Verurteilung des aus dem Elsass stammenden jüdischen Offiziers basierte auf rechtswidrigen Beweisen und zweifelhaften Handschriftengutachten. – Der Justizirrtum weitete sich zum ganz Frankreich erschütternden Skandal aus.

Verwendete Quellen (u.a.): Brockhaus Literatur, Mannheim, Leipzig, 2007 | Wikipedia