Diskrete Zeugen

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Impressum

Neuausgabe

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Dezember 2020

Copyright © 2020 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Clouds of Witness» Copyright © The Trustees of Anthony Fleming (deceased), 1926

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung Hafen Werbeagentur, Hamburg,

nach dem Original von Hachette UK

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ISBN 978-3-644-55591-4

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

ISBN 978-3-644-55591-4

Fußnoten

Dieser Bericht, der zwar im Wesentlichen dem entspricht, was Lord Peter in der Times las, wurde nach einem von Mr. Parker während der Verhandlung angefertigten Stenogramm korrigiert, ergänzt und mit Anmerkungen versehen.

Aus einem Zeitungsbericht – nicht von Mr. Parker

wörtlich

Antimon? Die Herzoginwitwe muss an den Fall Dr. Pritchard gedacht haben.

Dieses Amt war, wie üblich, an den Lordkanzler gefallen.

Siehe die Protokolle des Oberhauses für die betreffenden Tage.

The Wallet of Kai-Lung

«O! Wer hat die Tat vollbracht?»

Othello

Lord Peter Wimsey rekelte sich wohlig zwischen den Laken des Hôtel Meurice. Nach den Anstrengungen bei der Lösung des Rätsels vom Battersea Park war er Sir Julian Frekes Rat gefolgt und in Urlaub gefahren. Auf einmal war er es leid gewesen, allmorgendlich mit Blick auf den Green Park zu frühstücken; er hatte eingesehen, dass die Ersteigerung von Erstausgaben eine unzureichende Betätigung für einen Mann von dreiunddreißig Jahren war; und in London war alles überzüchtet, sogar die Verbrechen. Also hatte er Wohnung und Freunde verlassen und war in die Wildnis Korsikas geflüchtet. Drei Monate lang hatte er Briefen, Zeitungen und Telegrammen entsagt. Er war durch die Berge gewandert, hatte aus vorsichtiger Entfernung die wilde Schönheit der korsischen Bäuerinnen bewundert und die Vendetta in ihrer angestammten Heimat studiert. Unter solchen Umständen erschien Mord nicht nur vernünftig, sondern geradezu liebenswert. Bunter, sein ergebener Diener und Hilfsspürhund, hatte selbstlos seine kultivierten Gepflogenheiten geopfert und es zugelassen, dass sein Herr schmutzig und sogar unrasiert herumlief; seine

Nun aber hatte der Ruf des Blutes Lord Peter eingeholt. Sie waren gestern Abend spät mit einem miserablen Zug nach Paris zurückgekehrt und hatten ihr Gepäck abgeholt. Das Herbstlicht, das jetzt gedämpft durch die Vorhänge hereindrang, strich liebkosend über die Fläschchen mit den silbernen Verschlüssen auf dem Toilettentisch und umfloss die Umrisse einer elektrischen Lampe und des Telefons. Aus der Nähe verkündete das Rauschen fließenden Wassers (w&k), dass Bunter das Bad einlaufen ließ und die duftende Seife, das Badesalz, den großen Badeschwamm, für den es auf Korsika keine Verwendung gegeben hatte, und die prächtige Bürste mit dem langen Stiel zurechtlegte, die einem so schön das Rückgrat massierte. «Gegensätze», philosophierte Lord Peter schlaftrunken, «sind das Leben. Korsika – Paris – dann London … Guten Morgen, Bunter.»

«Guten Morgen, Mylord. Ein schöner Morgen, Mylord. Das Bad ist bereitet.»

«Danke», sagte Lord Peter. Er blinzelte ins Sonnenlicht.

Es war ein herrliches Bad. Während er hineinsank, verstand er plötzlich nicht mehr, wie er auf Korsika hatte existieren können. Selig planschte er im Wasser und sang ein paar Takte dazu. In einer schläfrigen Pause hörte er den Zimmerkellner Kaffee und Hörnchen bringen. Kaffee und Hörnchen! Er erhob sich triefend aus der Wanne, rubbelte sich genüsslich ab, hüllte seinen so lange kasteiten Körper in einen seidenen Morgenrock und ging ins Zimmer zurück.

Zu seinem maßlosen Erstaunen sah er, wie Mr. Bunter seelenruhig das Toilettenköfferchen wieder packte. Ein zweiter

«Nanu, Bunter, was soll das?», fragte Seine Lordschaft. «Wir bleiben doch vierzehn Tage hier.»

«Verzeihung, Mylord», entgegnete Mr. Bunter untertänig, «aber nachdem ich die Times gesehen hatte (die jeden Morgen per Flugzeug hierher expediert wird, Mylord, und das alles in allem sehr zügig), zweifelte ich nicht daran, dass Eure Lordschaft den Wunsch haben würde, sich sofort nach Riddlesdale zu begeben.»

«Riddlesdale!», rief Peter. «Was gibt’s denn da? Ist etwas mit meinem Bruder?»

Statt einer Antwort reichte Mr. Bunter ihm die Zeitung, aufgeschlagen bei der Überschrift:

 

GERICHTLICHE VORUNTERSUCHUNG IM FALL RIDDLESDALE

HERZOG VON DENVER UNTER MORDVERDACHT VERHAFTET

 

Lord Peter starrte wie hypnotisiert.

«Ich dachte, Eure Lordschaft würde sich nichts entgehen lassen wollen», sagte Mr. Bunter, «darum habe ich mir die Freiheit genommen –»

Lord Peter gab sich einen Ruck.

«Wann fährt der nächste Zug?», fragte er.

«Ich bitte Mylord um Verzeihung – ich dachte, Mylord würde den schnellsten Weg wählen wollen. Darum habe ich mir erlaubt, zwei Plätze in der Victoria zu buchen. Das Flugzeug startet um halb zwölf.»

«Zehn», sagte er. «Sehr gut. Sie haben recht getan. Du meine Güte! Der gute Gerald wegen Mordes verhaftet. Muss ihm ungemein peinlich sein, dem Ärmsten. War immer so dagegen, dass ich dauernd mit der Polizei zu tun hatte. Jetzt ist er selbst dran. Lord Peter Wimsey im Zeugenstand – sehr unangenehm für die Gefühle eines Bruders. Herzog von Denver auf der Anklagebank – noch schlimmer. Mein Gott – aber frühstücken sollte man trotzdem.»

«Sehr wohl, Mylord. Im Innenteil der Zeitung ist ausführlich über die Voruntersuchung berichtet.»

«Aha. Wer bearbeitet übrigens den Fall?»

«Mr. Parker, Mylord.»

«Parker? Hervorragend! Der gute alte Parker. Wie mag er’s nur fertiggebracht haben, sich den Fall übertragen zu lassen? Wie sieht’s denn aus, Bunter?»

«Wenn ich dazu etwas sagen darf, Mylord, ich glaube, die Ermittlungen werden sich sehr interessant gestalten. Die Indizienkette enthält einige überzeugende Glieder, Mylord.»

«Kriminologisch gesehen bestimmt sehr interessant», antwortete Seine Lordschaft, indem er sich gut gelaunt seinem café au lait widmete, «aber für meinen Bruder muss es teuflisch unbequem sein, sich der Kriminologie zuwenden zu müssen, wie?»

«Gewiss, Mylord», sagte Mr. Bunter. «Aber es heißt ja, nichts geht über ein persönliches Interesse.»

«In Riddlesdale, Nord-Yorkshire, fand heute die gerichtliche Voruntersuchung des Todes von Hauptmann Denis Cathcart statt, dessen Leiche am frühen Donnerstagmorgen um drei Uhr vor der Eingangstür zum Wintergarten von

Armer Gerald!, dachte Lord Peter, während er zur Seite 12 weiterblätterte. Und arme Mary! Ob sie den Burschen wirklich geliebt hat? Mutter hat es schon immer bestritten, aber Mary selbst sprach ja nie darüber.

Der ausführliche Bericht begann mit einer Schilderung des Dörfchens Riddlesdale, wo der Herzog von Denver sich vor kurzem ein kleines Jagdhaus für die Saison gemietet hatte. Zur Zeit des tragischen Geschehens war der Herzog mit einer Jagdgesellschaft in Riddlesdale Lodge. Lady Mary Wimsey hatte in Abwesenheit der Herzogin die Rolle der Gastgeberin übernommen. Weitere Gäste waren Oberst Marchbanks und Gattin, der Ehrenwerte Frederick Arbuthnot, Mr. und Mrs. Pettigrew-Robinson und der Verstorbene, Hauptmann Denis Cathcart.

Erster Zeuge war der Herzog von Denver, der angab, den Leichnam entdeckt zu haben. Er sagte, er habe am

Untersuchungsrichter: «Hat diese Bemerkung Sie überrascht?»

Herzog von D.: «Nun, ich war von dem Ganzen sehr erschrocken und überrascht. Ich glaube, ich habe zu ihr gesagt: ‹Sieh nicht her›, und sie sagte: ‹Ach, es ist Denis! Wie kann denn das passiert sein? Ein Unglück?› Ich bin bei dem Toten geblieben und habe sie ins Haus geschickt, um die Leute zu wecken.»

Untersuchungsrichter: «Hatten Sie erwartet, Lady Mary Wimsey im Wintergarten zu sehen?»

Herzog von D.: «Wirklich, wie ich schon sagte, ich war im Ganzen so erstaunt, dass ich mir darüber keine Gedanken gemacht habe.»

Untersuchungsrichter: «Erinnern Sie sich, was sie anhatte?»

Herzog von D.: «Ich glaube nicht, dass sie im Pyjama war.» (Gelächter.) «Ich glaube, sie hatte einen Mantel an.»

Herzog von D.: «Ja.»

Untersuchungsrichter: «Kannten Sie ihn gut?»

Herzog von D.: «Er war der Sohn eines alten Freundes meines Vaters. Seine Eltern sind tot. Ich glaube, er hat vorwiegend im Ausland gelebt. Ich habe ihn während des Krieges kennengelernt, und 1919 ist er nach Denver gekommen. Anfang dieses Jahres hat er sich dann mit meiner Schwester verlobt.»

Untersuchungsrichter: «Mit Ihrem und dem Einverständnis der Familie?»

Herzog von D.: «Ja, natürlich.»

Untersuchungsrichter: «Was für ein Mensch war Hauptmann Cathcart?»

Herzog von D.: «Nun – er war ein Gentleman. Ich weiß nicht, was er getan hat, bevor er 1914 zur Armee ging. Wahrscheinlich hat er von seinem Vermögen gelebt; sein Vater war recht wohlhabend. Ausgezeichneter Schütze, guter Spieler und so weiter. Ich habe nie etwas Nachteiliges über ihn gehört – bis zu jenem Abend.»

Untersuchungsrichter: «Und was hörten Sie da?»

Herzog von D.: «Tja – das war so – es war schon verteufelt komisch. Er – wenn jemand anders mir das mitgeteilt hätte als Tommy Freeborn, hätte ich es niemals geglaubt.» (Unruhe.)

Untersuchungsrichter: «Ich muss Euer Gnaden leider fragen, was Sie dem Verstorbenen konkret vorzuwerfen hatten.»

Herzog von D.: «Nun, ich habe nicht – ich werfe ihm nicht direkt etwas vor. Ein alter Freund von mir hatte eine Andeutung gemacht. Natürlich glaubte ich an einen Irrtum, darum bin ich auch sofort zu Cathcart gegangen, aber zu meiner

Untersuchungsrichter: «Wann hat dieser Streit stattgefunden?»

Herzog von D.: «Am Mittwochabend. Da habe ich ihn zum letzten Mal gesehen.» (Unerhörte Unruhe.)

Untersuchungsrichter: «Bitte, bitte, wir können solche Störungen hier nicht dulden. Nun, Euer Gnaden, könnten Sie mir, soweit Sie sich daran erinnern, den Verlauf des Streites genau schildern?»

Herzog von D.: «Also, das war so. Wir hatten nach einem langen Tag im Moor früh zu Abend gegessen, und so gegen halb zehn war uns allen nach Zubettgehen. Meine Schwester und Mrs. Pettigrew-Robinson zogen sich nach oben zurück, und wir tranken noch einen letzten Schluck im Billardzimmer, als Fleming – das ist mein Diener – mit den Briefen kam. Die Post kommt bei uns abends zu den unmöglichsten Zeiten, denn wir sind immerhin zweieinhalb Meilen vom Dorf entfernt. Nein – ich war in diesem Moment nicht im Billardzimmer –, ich schloss gerade die Waffenkammer ab. Der Brief war von einem alten Freund von mir, den ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte – Tom Freeborn –, ich kannte ihn von Oxford.»

Untersuchungsrichter: «Ein Studienkollege?»

Herzog von D.: «Ja, vom Christ Church College. Er schrieb mir, er habe von der Verlobung meiner Schwester in Ägypten gelesen.»

Untersuchungsrichter: «In Ägypten?»

Herzog von D.: «Ich meine, er war in Ägypten – Tom Freeborn, verstehen Sie? –, darum hatte er nicht schon eher

Untersuchungsrichter: «Hat dieser Brief Sie überrascht?»

Herzog von D.: «Zuerst konnte ich es gar nicht glauben. Wenn der Brief nicht vom guten Tom Freeborn gewesen wäre, hätte ich ihn gleich ins Feuer geworfen, und auch so wusste ich zuerst nicht, was ich denken sollte. Ich meine, es war ja nichts, was bei uns in England vorgefallen war. Damit will ich sagen, dass die Franzosen sich ja manchmal wegen nichts und wieder nichts furchtbar erregen. Aber Freeborn ist eigentlich nicht der Mann, der solche Fehler macht.»

Untersuchungsrichter: «Was haben Sie getan?»

Herzog von D.: «Nun, sehen Sie, je länger ich mir das ansah, desto weniger gefiel es mir. Aber die Dinge einfach laufenlassen, das konnte ich auch nicht, und da habe ich gedacht, am besten gehe ich gleich zu Cathcart. Während ich noch dasaß und darüber nachdachte, gingen die andern alle hinauf, also bin ich hingegangen und habe an Cathcarts Tür geklopft. Er

Untersuchungsrichter: «Was haben Sie daraufhin getan?»

Herzog von D.: «Ich bin in mein Zimmer gegangen, das ein Fenster über dem Wintergarten hat, und habe ihm nachgerufen, er soll sich nicht wie ein Narr aufführen. Es goss in Strömen, und scheußlich kalt war’s. Er ist aber nicht zurückgekommen, und ich habe Fleming angewiesen, die Tür zum Wintergarten offen zu lassen – falls er sich’s noch anders überlegte –, und dann bin ich zu Bett gegangen.»

Untersuchungsrichter: «Welche Erklärung können Sie für Cathcarts Verhalten geben?»

Herzog von D.: «Keine. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Aber ich glaube, er muss von dem Brief irgendwie Wind bekommen und gewusst haben, dass sein Spiel aus war.»

Untersuchungsrichter: «Haben Sie über die Angelegenheit mit irgendjemandem gesprochen?»

Untersuchungsrichter: «Also haben Sie nichts weiter unternommen?»

Herzog von D.: «Nein. Hinausgehen und nach dem Kerl suchen wollte ich nicht. Dafür war ich zu wütend. Außerdem habe ich angenommen, dass er sich schon bald eines Besseren besinnen würde – es war eine scheußliche Nacht, und er hatte nur den Smoking an.»

Untersuchungsrichter: «Dann sind Sie also ruhig zu Bett gegangen und haben den Verstorbenen nicht wiedergesehen?»

Herzog von D.: «Nein. Erst als ich um drei Uhr morgens vor dem Wintergarten über ihn fiel.»

Untersuchungsrichter: «Ach ja. Können Sie uns nun sagen, wie es dazu kam, dass Sie um diese Zeit draußen waren?»

Herzog von D. (zögernd): «Ich – konnte nicht richtig schlafen. Da bin ich ein wenig spazieren gegangen.»

Untersuchungsrichter: «Um drei Uhr morgens?»

Herzog von D.: «Ja.» (Und wie unter einer plötzlichen Erleuchtung:) «Sehen Sie, meine Frau ist nicht da.» (Gelächter und ein paar Bemerkungen aus dem hinteren Teil des Saals.)

Untersuchungsrichter: «Ruhe, bitte … Sie wollen also sagen, dass Sie in einer Oktobernacht um diese Stunde aufgestanden und bei strömendem Regen im Garten spazieren gegangen sind?»

Herzog von D.: «Ja, es war nur ein kleiner Spaziergang.»

(Gelächter.)

Untersuchungsrichter: «Um wie viel Uhr haben Sie Ihr Schlafzimmer verlassen?»

Herzog von D.: «Tja – hm, so gegen halb drei, würde ich sagen.»

Herzog von D.: «Durch den Wintergarten.»

Untersuchungsrichter: «Als Sie hinausgingen, lag der Tote noch nicht da?»

Herzog von D.: «Nein, nein!»

Untersuchungsrichter: «Sonst hätten Sie ihn gesehen?»

Herzog von D.: «Mein Gott, ja! Ich hätte über ihn steigen müssen.»

Untersuchungsrichter: «Welchen Weg sind Sie genau gegangen?»

Herzog von D. (ausweichend): «Ich bin nur so in der Gegend herumgelaufen.»

Untersuchungsrichter: «Sie haben keinen Schuss gehört?»

Herzog von D.: «Nein.»

Untersuchungsrichter: «Haben Sie sich weit von der Wintergartentür und dem Gebüsch entfernt?»

Herzog von D.: «Nun ja, ich war schon ein Stückchen weg. Vielleicht habe ich deshalb nichts gehört. So muss es gewesen sein.»

Untersuchungsrichter: «Waren Sie vielleicht – sagen wir – eine Viertelmeile weit weg?»

Herzog von D.: «Ich würde meinen, ja – doch, durchaus!»

Untersuchungsrichter: «Oder mehr als eine Viertelmeile?»

Herzog von D.: «Möglich. Ich bin kräftig ausgeschritten, weil es so kalt war.»

Untersuchungsrichter: «In welche Richtung?»

Herzog von D. (mit sichtlichem Zögern): «Hinten ums Haus herum, Richtung Bowls-Platz.»

Untersuchungsrichter: «Bowls-Platz?»

Herzog von D. (entschiedener): «Ja.»

Untersuchungsrichter: «Aber wenn Sie mehr als eine

Herzog von D.: «Ich – o ja – ich glaube schon. Doch, ich bin nämlich noch ein wenig im Moor herumgelaufen.»

Untersuchungsrichter: «Können Sie uns den Brief zeigen, den Sie von Mr. Freeborn erhalten haben?»

Herzog von D.: «Gewiss – wenn ich ihn finden kann. Ich dachte, ich hätte ihn in die Tasche gesteckt, aber ich konnte ihn schon nicht finden, als der Mann von Scotland Yard danach fragte.»

Untersuchungsrichter: «Könnten Sie ihn versehentlich vernichtet haben?»

Herzog von D.: «Nein – ich erinnere mich ganz gewiss, ihn in die … Oh!» Hier hielt der Zeuge in offensichtlicher Verwirrung inne und wurde rot. «Jetzt fällt es mir ein. Ich habe ihn doch vernichtet.»

Untersuchungsrichter: «Sehr bedauerlich. Wie kamen Sie dazu?»

Herzog von D.: «Ich hatte es ganz vergessen; jetzt ist es mir wieder eingefallen. Ich fürchte, der Brief ist unwiederbringlich verloren.»

Untersuchungsrichter: «Vielleicht haben Sie wenigstens den Umschlag aufbewahrt?»

Der Zeuge schüttelte den Kopf.

Untersuchungsrichter: «Dann können Sie der Jury keinen Beweis für seinen Erhalt vorlegen?»

Herzog von D.: «Höchstens, wenn Fleming sich daran erinnert.»

Untersuchungsrichter: «Ach so, ja. Das können wir auf diese Weise feststellen. Ich danke Ihnen, Euer Gnaden. Aufgerufen wird Lady Mary Wimsey.»

Nachdem der Untersuchungsrichter ihr sein Beileid ausgesprochen hatte, fragte er: «Wie lange waren Sie mit dem Verstorbenen verlobt?»

Zeugin: «Etwa acht Monate.»

Untersuchungsrichter: «Wo haben Sie ihn kennengelernt?»

Zeugin: «Im Haus meiner Schwägerin in London.»

Untersuchungsrichter: «Wann war das?»

Zeugin: «Ich glaube, im Juni vorigen Jahres.»

Untersuchungsrichter: «Waren Sie glücklich in Ihrer Verlobungszeit?»

Zeugin: «Durchaus.»

Untersuchungsrichter: «Sie haben Hauptmann Cathcart natürlich häufig gesehen. Hat er Ihnen viel aus seinem Vorleben erzählt?»

Zeugin: «Nicht sehr viel. Wir hielten beide nichts von Geständnissen. Gewöhnlich haben wir uns über Themen von allgemeinem Interesse unterhalten.»

Untersuchungsrichter: «Hatten Sie viele solcher Themen?»

Zeugin: «O ja.»

Untersuchungsrichter: «Hatten Sie nie den Eindruck, dass Hauptmann Cathcart etwas bedrückte?»

Untersuchungsrichter: «Hat er Ihnen von seinem Leben in Paris erzählt?»

Zeugin: «Ja, vom Theater und sonstigen Zerstreuungen. Er kannte Paris sehr gut. Ich habe letzten Februar in Paris bei Freunden gewohnt, als er dort war, und er hat uns viel herumgeführt. Das war kurz nach unserer Verlobung.»

Untersuchungsrichter: «Hat er je vom Kartenspiel in Paris gesprochen?»

Zeugin: «Ich kann mich nicht erinnern.»

Untersuchungsrichter: «Was Ihre Heirat angeht – war da schon über die finanzielle Seite gesprochen worden?»

Zeugin: «Ich glaube nicht. Das Hochzeitsdatum stand überhaupt noch nicht fest.»

Untersuchungsrichter: «Machte er den Eindruck, als ob er immer genug Geld hätte?»

Zeugin: «Ich nehme es an. Darüber habe ich nie nachgedacht.»

Untersuchungsrichter: «Sie haben ihn nie über Geldverlegenheiten klagen hören?»

Zeugin: «Darüber klagt doch jeder.»

Untersuchungsrichter: «War er ein fröhlicher Mensch?»

Zeugin: «Er war sehr launisch; bei ihm wechselte die Stimmung fast täglich.»

Untersuchungsrichter: «Sie haben Ihren Bruder gehört, der gesagt hat, dass der Verstorbene Ihre Verlobung habe auflösen wollen. Wussten Sie davon?»

Zeugin: «Nicht im mindesten.»

Untersuchungsrichter: «Können Sie es sich jetzt irgendwie erklären?»

Untersuchungsrichter: «Einen Streit hatte es also nicht gegeben?»

Zeugin: «Nein.»

Untersuchungsrichter: «Sie waren demnach Ihres Wissens am Mittwochabend noch immer mit dem Verstorbenen verlobt und gedachten sich in Kürze mit ihm zu verheiraten?»

Zeugin: «J-a. Ja, gewiss. Natürlich.»

Untersuchungsrichter: «Er war nicht – verzeihen Sie mir die schmerzliche Frage –, er war nicht der Mann, dem man hätte zutrauen können, dass er Hand an sich selbst legte?»

Zeugin: «Also, daran habe ich nie – nun ja, ich weiß nicht – denkbar wäre es schon. Das würde ja alles erklären, nicht?»

Untersuchungsrichter: «Nun, Lady Mary – bitte quälen Sie sich nicht, lassen Sie sich ruhig Zeit –, aber könnten Sie uns einmal genau schildern, was Sie am Mittwochabend und Donnerstagmorgen gehört und gesehen haben?»

Zeugin: «Ich bin gegen halb zehn zusammen mit Mrs. Marchbanks und Mrs. Pettigrew-Robinson zum Schlafen hinaufgegangen; die Männer blieben alle noch unten. Ich habe Denis, der auf mich nicht anders wirkte als sonst, gute Nacht gesagt. Als die Post kam, war ich nicht mehr unten. Ich bin sofort in mein Zimmer gegangen. Mein Zimmer liegt auf der Rückseite des Hauses. Gegen zehn hörte ich Mr. Pettigrew-Robinson heraufkommen. Die Pettigrew-Robinsons schlafen im Zimmer neben meinem. Mit ihm kamen noch ein paar Männer die Treppe herauf. Meinen Bruder habe ich nicht heraufkommen hören. Etwa um Viertel nach zehn hörte ich dann zwei Männer laut auf dem Korridor reden, und dann lief einer von ihnen die Treppe hinunter und schlug laut die

Untersuchungsrichter: «Haben Sie sich nicht nach der Ursache der Störung erkundigt?»

Zeugin (gleichgültig): «Ich dachte, es sei irgendetwas wegen der Hunde.»

Untersuchungsrichter: «Was geschah dann?»

Zeugin: «Ich bin um drei aufgewacht.»

Untersuchungsrichter: «Wodurch?»

Zeugin: «Ich habe einen Schuss gehört.»

Untersuchungsrichter: «Sie waren also nicht wach, bevor Sie ihn hörten?»

Zeugin: «Ich war vielleicht halbwach. Jedenfalls habe ich ihn sehr deutlich gehört. Ich war sicher, dass es ein Schuss war. Ich habe ein paar Minuten gelauscht, dann bin ich hinuntergegangen, um zu sehen, ob irgendetwas los war.»

Untersuchungsrichter: «Warum haben Sie nicht Ihren Bruder oder einen von den anderen Herren gerufen?»

Zeugin (verächtlich): «Wozu denn? Ich dachte, es wären vielleicht nur Wilddiebe, und da wollte ich doch zu so unmenschlicher Zeit kein unnötiges Aufsehen machen.»

Untersuchungsrichter: «Hörte es sich an, als ob der Schuss nah beim Haus gefallen wäre?»

Zeugin: «Ziemlich nah, glaube ich – schwer zu sagen, wenn man von einem Geräusch geweckt wird – da klingt es immer besonders laut.»

Untersuchungsrichter: «Klang der Schuss nicht so, als ob er im Haus oder im Wintergarten gefallen wäre?»

Zeugin: «Nein, es war draußen.»

Untersuchungsrichter: «Sie sind dann also ganz allein nach

Zeugin: «Nicht unmittelbar. Ich habe zuerst noch ein paar Minuten überlegt. Dann habe ich ein Paar Straßenschuhe über die bloßen Füße gezogen, mir einen dicken Mantel umgehängt und eine Wollmütze aufgesetzt. Als ich mein Zimmer verließ, waren seit dem Schuss vielleicht fünf Minuten vergangen. Ich bin die Treppe hinunter und durchs Billardzimmer in den Wintergarten gegangen.»

Untersuchungsrichter: «Warum sind Sie auf diesem Weg hinausgegangen?»

Zeugin: «Weil es so schneller ging, als wenn ich zuerst die Vorder- oder die Hintertür hätte aufschließen müssen.»

An dieser Stelle wurde den Geschworenen ein Grundriss des Jagdhauses übergeben. Es handelt sich um ein geräumiges, zweigeschossiges Haus in einfacher Bauweise, das vom derzeitigen Besitzer, Mr. Walter Montague, für die Dauer der Jagdsaison an den Herzog von Denver vermietet wurde, denn Mr. Montague selbst hält sich in den Vereinigten Staaten auf.

Zeugin (fortfahrend): «Als ich an die Tür des Wintergartens kam, sah ich draußen einen Mann stehen, der sich über etwas am Boden beugte. Als er sich aufrichtete, sah ich zu meiner Verwunderung, dass es mein Bruder war.»

Untersuchungsrichter: «Wen hatten Sie denn zunächst vermutet, bevor Sie sahen, wer er war?»

Zeugin: «Das kann ich eigentlich nicht sagen – es ging alles so schnell. Ich glaube, ich habe an Einbrecher gedacht.»

Untersuchungsrichter: «Seine Gnaden hat uns berichtet, Sie hätten bei seinem Anblick gerufen: ‹Mein Gott! Du hast ihn getötet!› Können Sie uns sagen, warum?»

Zeugin (sehr blass): «Ich dachte, mein Bruder sei wohl

Untersuchungsrichter: «Ganz recht. Sie wussten, dass der Herzog einen Revolver besaß?»

Zeugin: «Ja – doch, ich glaube ja.»

Untersuchungsrichter: «Was haben Sie dann getan?»

Zeugin: «Mein Bruder hat mich ins Haus geschickt, um Hilfe zu holen. Ich habe Mr. Arbuthnot und Mr. und Mrs. Pettigrew-Robinson aufgeweckt. Dann war mir plötzlich ganz

Untersuchungsrichter: «Allein?»

Zeugin: «Ja, alles lief ja herum und rief durcheinander. Ich hab’s nicht mehr ausgehalten, ich –»

Hier brach die Zeugin, die bis zu diesem Augenblick sehr gefasst, wenn auch leise, ihre Aussage gemacht hatte, plötzlich zusammen und musste aus dem Saal geleitet werden.

Als nächster Zeuge wurde James Fleming, der Diener, aufgerufen. Er erinnerte sich, am Mittwochabend um Viertel vor zehn die Post aus Riddlesdale gebracht zu haben. Er habe dem Herzog vier Briefe in die Waffenkammer gebracht. Er könne sich nicht entsinnen, ob einer davon eine ägyptische Briefmarke gehabt habe, er sei kein Briefmarkensammler. Er sammle Autogramme.

Dann sagte der Ehrenwerte Frederick Arbuthnot aus. Er sei mit den andern kurz vor zehn zu Bett gegangen. Etwas später – wie viel später, könne er nicht sagen – habe er Denver allein heraufkommen hören – er habe sich gerade die Zähne geputzt. (Gelächter.) Gewiss, die lauten Stimmen und den Krach im Zimmer nebenan und auf dem Gang habe er gehört. Jemand sei wie der Teufel die Treppe hinuntergerannt. Er habe den Kopf zur Tür hinausgestreckt und Denver auf dem Korridor gesehen. Er habe gesagt: «Hallo, Denver, was soll der Lärm?» Die Antwort des Herzogs sei nicht zu verstehen gewesen. Denver sei in sein Zimmer gerannt und habe zum Fenster hinausgeschrien: «Mann, spiel nicht den Idioten!» Der Herzog sei schon sehr wütend gewesen, aber dem habe der Ehrenwerte Freddy keine Bedeutung beigemessen. Mit Denver kriege man dauernd Krach, aber es sei nie ernst. In seinen Augen mehr Schaum als Wasser. Er kenne Cathcart noch nicht

Untersuchungsrichter: «Haben Sie in dieser Nacht sonst noch etwas gehört?»

Ehrenw. Frederick: «Erst als die arme Mary mich aufgeweckt hat. Da hab ich mich runtergetrollt, und unten im Wintergarten war Denver und wusch Cathcart das Gesicht. Wir dachten, wir sollten mal lieber den ganzen Dreck abwaschen, nicht?»

Untersuchungsrichter: «Haben Sie keinen Schuss gehört?»

Ehrenw. Frederick: «Keinen Ton. Aber ich habe einen ziemlich festen Schlaf.»

Oberst Marchbanks und seine Frau schliefen in einem Zimmer über dem sogenannten Arbeitszimmer – in Wirklichkeit war das eine Art Rauchsalon. Sie berichteten beide gleichlautend über eine Unterhaltung, die sie gegen halb zwölf geführt hatten. Mrs. Marchbanks sei noch aufgewesen und habe ein paar Briefe geschrieben, als der Oberst schon im

Mr. Pettigrew-Robinson schien seine Aussage nur sehr widerwillig zu machen. Er und seine Frau seien um zehn zu Bett gegangen. Sie hätten den Streit mit Cathcart gehört. Mr. Pettigrew-Robinson habe gefürchtet, dass etwas passieren würde, und als er an die Tür gegangen sei, habe er den Herzog gerade noch sagen hören: «Wenn du es noch einmal wagst, mit meiner Schwester zu sprechen, breche ich dir sämtliche Knochen im Leib», oder jedenfalls Worte dieses Inhalts. Cathcart sei die Treppe hinuntergerannt. Der Herzog sei purpurrot im Gesicht gewesen. Er habe Mr. Pettigrew-Robinson nicht gesehen, wohl aber etwas zu Mr. Arbuthnot gesagt und sei dann in sein Zimmer gestürzt. Mr. Pettigrew-Robinson sei hinausgegangen und habe zu Mr. Arbuthnot gesagt: «Hören Sie mal, Arbuthnot», und Mr. Arbuthnot habe ihm sehr ungezogen die Tür vor der Nase zugeschlagen. Er sei dann zum

Mrs. Pettigrew-Robinson bestätigte die Aussage ihres Mannes. Sie sei vor Mitternacht eingeschlafen und habe dann fest geschlafen. Sie schlafe immer sehr fest in den ersten Nachtstunden, dafür aber gegen Morgen sehr leicht. Sie habe sich über die ganze Unruhe im Haus an diesem Abend geärgert, weil sie deswegen nicht habe einschlafen können. Tatsächlich sei sie schon gegen halb elf zum ersten Mal eingeschlafen, und Mr. Pettigrew-Robinson habe sie eine Stunde später wecken müssen, um ihr von den Schritten auf dem Flur zu erzählen. Alles in allem habe sie auf diese Weise nur ein paar Stunden gut geschlafen. Gegen zwei Uhr sei sie wieder

Miss Lydia Cathcart, die man eilig aus London herbeigeholt hatte, sagte dann über den Verstorbenen aus. Sie erklärte dem Untersuchungsrichter, sie sei die Tante des Hauptmanns und seine einzige noch lebende Verwandte. Sie habe wenig von ihm gesehen, seit er in den Besitz des väterlichen Geldes gekommen sei. Er habe immer bei seinen Freunden in Paris gewohnt, einer Sorte Menschen, von der sie nichts halten könne.

«Mein Bruder und ich hatten uns nie besonders gut verstanden», sagte Miss Cathcart. «Er hat seinen Sohn im Ausland erziehen lassen, bis er achtzehn war, und ich fürchte, Denis’ Ansichten waren immer sehr französisch. Nach dem Tod meines Bruders ist Denis nach Cambridge gegangen, weil sein Vater es so gewünscht hatte. Ich war zur Testamentsvollstreckerin und zu Denis’ Vormund bis zu seiner Volljährigkeit ernannt worden. Ich weiß auch nicht, warum mein Bruder, nachdem er sich sein ganzes Leben lang nicht um mich gekümmert hatte, mir bei seinem Tod eine solche Verantwortung aufbürden musste, aber ablehnen wollte ich auch nicht.

Als Nächster wurde John Hardraw, der Wildhüter, aufgerufen. Er und seine Frau bewohnen ein kleines Haus gleich am Eingangstor zum Anwesen von Riddlesdale Lodge. Das Anwesen, das rund acht Hektar umfasst, ist auf dieser Seite mit einem kräftigen Zaun eingefasst; das Tor wird nachts verschlossen. Hardraw sagte aus, dass er am Mittwochabend ungefähr um zehn vor zwölf einen Schuss gehört habe – nah bei seinem Häuschen, wie es ihm vorkam. Hinter dem Haus beginnt eine Schonung von vier Hektar Ausdehnung. Er habe angenommen, dass da Wilddiebe am Werk gewesen seien; sie wagten sich manchmal bei der Hasenjagd bis in die Schonung vor. Er sei mit seinem Gewehr ein Stück in diese Richtung gegangen, habe aber niemanden gesehen. Nach seiner Uhr sei er um eins nach Hause zurückgekehrt.

Untersuchungsrichter: «Haben Sie selbst irgendwann mit Ihrem Gewehr geschossen?»

Zeuge: «Nein.»

Zeuge: «Auch das nicht.»

Untersuchungsrichter: «Oder haben Sie noch andere Schüsse gehört?»

Zeuge: «Nur den einen; aber ich bin nach meiner Rückkehr wieder eingeschlafen und wurde dann vom Chauffeur geweckt, der den Arzt holen wollte. Das muss ungefähr um Viertel nach drei gewesen sein.»

Untersuchungsrichter: «Ist es nicht ungewöhnlich, dass Wilderer so nah bei Ihrem Haus schießen?»

Zeuge: «Doch, ziemlich. Wenn Wilddiebe sich so nah heranwagen, kommen sie meist von der anderen Seite der Schonung, wo das Moor ist.»

Dr. Thorpe sagte aus, dass man ihn gerufen habe, um den Toten anzusehen. Er wohne in Stapley, fast vierzehn Meilen von Riddlesdale. In Riddlesdale selbst gebe es keinen Arzt. Der Chauffeur habe ihn morgens um Viertel vor vier aus dem Bett geholt, und er habe sich schnell angezogen und sei sofort mit ihm hinausgefahren. Um halb fünf seien sie beim Jagdhaus angekommen. Als er den Toten gesehen habe, sei dieser allem Anschein nach schon drei bis vier Stunden tot gewesen. Die Lunge sei von einem Geschoss durchbohrt gewesen und der Tod durch Blutverlust und Ersticken herbeigeführt worden. Der Tod sei aber nicht sofort eingetreten – der Verstorbene habe wahrscheinlich noch einige Zeit gelebt. Er habe eine Autopsie vorgenommen und festgestellt, dass die Kugel von einer Rippe abgelenkt worden sei. Ob das Opfer sich die Wunde selbst beigebracht oder ob jemand anders den Schuss aus nächster Nähe abgegeben habe, lasse sich nicht erkennen. Kampfspuren seien jedenfalls nicht feststellbar gewesen.

Der Tote habe, als er ihn sah, einen Smoking und leichte Halbschuhe angehabt, aber weder Mantel noch Hut. Er sei völlig durchnässt gewesen, und seine Kleider seien nicht nur über und über blutbeschmiert, sondern auch voller Lehm und vom Schleifen des Körpers vollkommen in Unordnung gewesen. In den Taschen habe er ein Zigarrenetui und ein kleines, flaches Taschenmesser gefunden. Das Schlafzimmer des Toten sei nach Papieren und dergleichen durchsucht worden, dabei habe sich jedoch bisher nichts gefunden, was ein wenig Licht auf seine persönlichen Umstände werfen könne.

Untersuchungsrichter: «Ich möchte Euer Gnaden fragen, ob Sie den Verstorbenen je im Besitz eines Revolvers gesehen haben.»

Herzog von D.: «Seit dem Krieg nicht.»

Untersuchungsrichter: «Sie wissen nicht, ob er einen bei sich zu tragen pflegte?»

Herzog von D.: «Keine Ahnung.»

Untersuchungsrichter: «Sie haben, wie ich annehme, auch keine Vermutung, wem dieser Revolver gehören könnte?»

Herzog von D. (maßlos überrascht): «Das ist mein Revolver – aus der Schreibtischschublade im Arbeitszimmer. Wie kommen Sie daran?» (Unruhe.)

Untersuchungsrichter: «Sind Sie sicher?»

Herzog von D.: «Vollkommen. Ich habe ihn erst neulich dort gesehen, als ich für Cathcart ein paar Fotos von Mary suchen wollte, und ich weiß noch, dass ich damals gesagt habe, er werde vom Herumliegen noch rostig. Da ist der Rostfleck.»

Untersuchungsrichter: «War der Revolver immer geladen?»

Herzog von D.: «Um Gottes willen, nein! Ich weiß im Grunde gar nicht, wozu er da war. Wahrscheinlich habe ich ihn einmal zusammen mit ein paar alten Militärsachen weggepackt und später zwischen meinem Schießzeug wiedergefunden, als ich im August in Riddlesdale war. Ich glaube, die Patronen lagen auch dabei.»

Untersuchungsrichter: «War die Schublade verschlossen?»

Herzog von D.: «Ja, aber der Schlüssel steckte. Meine Frau sagt immer, ich sei leichtsinnig.»

Untersuchungsrichter: «Wusste sonst jemand, dass der Revolver dort war?»

Kriminalinspektor Parker von Scotland Yard war erst am Freitag gekommen und hatte noch keine sehr eingehenden Ermittlungen anstellen können. Gewisse Indizien ließen ihn vermuten, dass außer den an der Entdeckung der Tragödie beteiligten Personen noch einer oder mehrere am Ort des Geschehens gewesen waren. Er wollte allerdings im Augenblick noch nicht mehr dazu sagen.