Meinrad Himmelsbach

Schadensfälle
in der Textilreinigung

Schäden erkennen und vermeiden

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtliche Differenzierung in den Formulierungen verzichtet. Wir bitten, sämtliche Bezeichnungen (z. B. Textilreiniger, Mitarbeiter etc.) im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter zu interpretieren und anzuwenden.

1. Auflage 2015
© 2015 by Holzmann Medien GmbH & Co. KG, 86825 Bad Wörishofen
Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, fotomechanischen Wiedergabe und Übersetzung nur mit Genehmigung durch Holzmann Medien.
Das Werk darf weder ganz noch teilweise ohne schriftliche Genehmigung des Verlags in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm, elektronische Medien oder ähnliches Verfahren) gespeichert, reproduziert oder sonst wie veröffentlicht werden.
Diese Publikation wurde mit äußerster Sorgfalt bearbeitet, Verfasser und Verlag können für den Inhalt jedoch keine Gewähr übernehmen.

Bildquelle/​Umschlag: ©iStock.com/​M_a_y_a | womue©fotolia.com
Lektorat: Achim Sacher, Holzmann Medien | Buchverlag
Herstellung/​Satz: Markus Kratofil, Holzmann Medien | Buchverlag
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
Artikel-Nr. 1542.01
ISBN: 978-3-7783-0998-8

Vorwort

„Aus Schaden wird man klug.“ Man könnte meinen, dieses Sprichwort sei für diesen Ratgeber erfunden worden.

Tatsächlich hoffe ich, dass der Leser einen möglichst großen Nutzen aus dem vorliegenden Buch gewinnen kann und dadurch so mancher Schaden vermieden wird, getreu dem Motto „Man muss ja nicht jeden Fehler selbst machen“.

Die in diesem Ratgeber vorgestellten Schadensfälle sind im Laufe der vergangenen Jahre in der Fachzeitschrift „RWTextilservice“ erschienen. Sie gehen zurück auf meine Erfahrungen als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Textilreinigerhandwerk und auf meine Tätigkeit als Leiter der Schiedsstelle für Textilpflege Baden-Württemberg. Ergänzt wird dieses Wissen durch die Erfahrungen aus dem Textilreinigungsbetrieb, den ich zusammen mit meinem Bruder Christian Himmelsbach führe. Er steht mir stets mit Rat und Tat sowie zum Austausch zur Verfügung. Ohne ihn wären diese Tätigkeiten für mich unmöglich. Vielen herzlichen Dank dafür!

Als Holzmann Medien mit dem Wunsch an mich herangetreten ist, die bisher vorgestellten Schadensfälle zu veröffentlichen, war mir sofort klar, dass ein solches Projekt noch um einen Teil zu den allgemeinen Abläufen bei der beruflichen Tätigkeit mit Schadensfällen ergänzt werden sollte. Damit dient das Werk nicht nur als Ratgeber, sondern hoffentlich als echte Arbeitshilfe in der Praxis.

Die Idee, sämtliche für die Bearbeitung eines Schadensfalls erforderlichen Unterlagen sofort griffbereit zu haben, hat die Auswahl der Inhalte bestimmt. Das Glossar dient als Verzeichnis, in dem in alphabetischer Reihenfolge Begriffe aus dem Bereich der Schadensfallbearbeitung aufgeführt sind. Sie finden dazu genaue Angaben, an welcher Stelle des Werkes weiterführende Ausführungen zu finden sind.

Es folgen Hinweise zur Handhabung der ersten Reklamation am Telefon oder im Ladengeschäft. Die Beseitigung von Reklamationsgründen entzieht einem „aufgebauschten Schadensfall“ jegliche Grundlage. Gelingt diese Beseitigung nicht, beginnt die Ermittlung der Schadensursache. Dabei werden einfache, für jeden Betrieb durchführbare Vorgehensweisen vorgestellt. Die Material- und Pflegekennzeichnungen sind wichtige Erkenntnisquellen, ebenso die neuen RAL-Begriffsbestimmungen. Zudem sind Größentabellen zur Orientierung beigefügt.

Auch fachlich sehr gut ausgestattete Betriebe greifen bei der Schadensfallbearbeitung immer wieder gerne auf externes Wissen zu. Die Kontaktdaten der Schiedsstellen und Hinweise auf die Sachverständigen der Branche dürfen deshalb nicht fehlen.

Ist trotz fachlicher Klärung kein Einvernehmen mit dem Kunden zu erzielen, stehen vielfach Rechtsfragen im Vordergrund. Auch dazu findet sich ein kurzer Überblick. Angefangen von einigen rechtlichen Grundlagen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bis hin zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die in der aktualisierten Form beigefügt sind und erläutert werden.

Am Ende steht die Wertermittlung eines Textils anhand der Zeitwerttabelle.

Bei der Erarbeitung meiner Schadensfälle und der Erstellung des Serviceteiles musste ich nicht ganz bei null beginnen. Textilingenieurin Eugenie Bockelmann hat als Mitarbeiterin des Forschungsinstituts Hohenstein wertvolle Arbeit geleistet, auf die ich immer wieder gerne zurückgegriffen habe. Aus Gesprächen mit anderen Sachverständigen weiß ich, dass Frau Bockelmann nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen Kolleginnen und Kollegen das Interesse für die Schadensfallanalyse bei gereinigten oder gewaschenen Textilien geweckt und uns mit ihren Vorträgen darüber begeistert hat. Respekt und Anerkennung dafür!

Für die Erarbeitung der Schadensfälle konnte ich dankbar auch auf Wissen und Hinweise von Branchenexperten zurückgreifen, deren Unterstützung ich sehr schätze. Besonders hervorheben möchte ich Hans Peter Schneider, Versteegen Assekuranz, Bonn, den führenden Versicherungsexperten für die Schadenregulierung von Wäscherei- und Reinigungsschäden, auf dessen umfangreiches Fachwissen ich stets zurückgreifen konnte.

Einen sehr großen Anteil an dieser Arbeit hat auch meine Frau, sie hat bei der Formulierung des Textes mitgearbeitet. Ich glaube, das ist ein Glücksfall für die Leser, vor allem aber auch für mich.

Über Anregungen und Verbesserungsvorschläge aus der Leserschaft, welcher Art auch immer, würde ich mich sehr freuen. Sie können gerne an den Verlag oder den Autor gerichtet werden.

Freiburg, im März 2015

Meinrad Himmelsbach und

Holzmann Medien | Buchverlag

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

I. Schäden aus der Reinigung

1. Anorak: Beschädigung der Beschichtung

2. Anzug: Mottenfraß

3. Ballonkleid: Flecken nach der Reinigung

4. Brautkleid (I): Vordetachur mit optischem Aufheller

5. Brautkleid (II): Struktur- und Maßänderungen von Seide

6. Damenmantel: Chargenschaden

7. Daunenjacke: Ränder durch überschüssigen Farbstoff

8. Jacke (I): Ärger mit Textilhandel

9. Jacke (II): Perforationseffekt durch Fehlkonstruktion

10. Kostüm: Zeitwertberechnung bei mehrteiligem Kostüm

11. Mantel: Handarbeit ohne Vorbehandlung

12. Mikrofaserjacke: Gewebeschädigungen durch scharfkantige Knöpfe

13. Outdoorjacke: Aufgequollene Polyurethan-Beschichtung

14. Pullover: Schädigung durch Brand

15. Rock: Schimmelbildung

16. Seidenkrawatte: Gewebeverschiebungen

17. Seiden-Schurwoll-Tuch: Keine verfilzten Fransen

18. Seidentuch: Beschädigt durch Bügelarbeit

19. Strickjacke: Verfilzungen nach Nassbehandlung

20. „Textiles Ensemble“: Übermaß an freier Feuchtigkeit

II. Schäden aus der Wäscherei

21. Bettwäsche: Faltenbildung durch fehlerhafte Konfektionierung

22. Hemden: Kragen und Manschetten eingegangen

23. Kasack: Ablösungen der Beschriftung durch zu heiße Kittelpresse

24. Tischwäsche: Flusenbildung und die Tricks mancher Hersteller

25. Bett- und Kissenbezüge: Pillingbildung

III. Schäden an Gardinen und Heimtextilien

26. Flächenvorhang: Rechtliche Folgen eines ungeklärten Schadensfalles

27. Gardinen/Stores: Fadenzieher durch Konfektionierung

28. Kissenbezüge: Sofakissen eingelaufen

29. Matratzenbezüge: Grenze der Bearbeitungsmöglichkeiten

30. Polyestergardine: Starke Knitterbildung

31. Sofabezug: Gewebeschädigung durch Klettverschlüsse

32. Store: Wellenbildung durch Einlaufen der eingenähten Polyamid-Streifen

33. Übergardinen: Gewebespannungen gelöst, Maßtoleranzen

IV. Schäden an Teppichen

34. Teppich: Verschleiß statt unsachgemäßer Reinigung

35. Teppichreinigung: Strichrichtung wiederherstellen

V. Schadensbearbeitung

1. Kundengespräch bei Reklamationen

2. Ermittlung der Schadensursache und einfache Untersuchungsmethoden

3. Gesetzliche Rahmenbedingungen und AGB

4. Kennzeichnungen (Material-, Pflege- und Größenkennzeichnung)

5. Schadensregulierung und Zeitwerttabelle

6. Rechtsstreitigkeiten und Schadensfallstatistik

VI. Glossar

VII. Der Autor

VIII. Stichwortverzeichnis

Anmerkungen

I. Schäden aus der Reinigung

1. Anorak: Beschädigung der Beschichtung

„Nach eingehender Prüfung … “

Bei einem Kinderanorak eines skandinavischen Labels hat sich die atmungsaktive Membrane nach der Bearbeitung in einer Textilreinigung zu einem großen Teil abgelöst. Der daraufhin eingeschaltete Hersteller hat den Anorak in einem Textillabor untersuchen lassen – mit dubiosen Ergebnissen.

Ein weißer Anorak, der Größe eines 13-jährigen Jugendlichen entsprechend, wurde zur Reinigung abgegeben. Die Pflegeempfehlung des Herstellers zeigte an: 30 °C Schonwäsche, nicht bleichen, nicht in den Haushaltstrockner, Bügeln bis maximal 110 °C. Die Bearbeitung durch die Textilreinigung erfolgte gemäß der Pflegekennzeichnung.

Schadensbild

Nach der Bearbeitung zeigte sich, dass der Oberstoff an der Innenseite mit einer „dünnen Membran“ verbunden war, die sich am gesamten Anorak teilweise abgelöst und zusammengezogen hatte. Der Oberstoff aus 100 Prozent Polyamid und das Innenfutter, bestehend aus 82 Prozent Polyester und 18 Prozent Polyamid, schlossen eine Wattierung aus 100 Prozent Polyester ein. Da die Schädigung nicht sehr augenfällig war, wurde die Jacke der Kundin zunächst ohne Hinweis auf die Schädigung ausgehändigt.

Die beschädigte Membrane schimmert durch. Der Hersteller will noch andere Materialveränderungen erkannt haben.

Der Jugendanorak mit einer Wattierung aus 100 Prozent Polyester – ohne Daunen.

Schadensursache

Nach erfolgter Reklamation nahm die Textilreinigung schriftlich Stellung: „ … Es handelt sich um eine nicht ausreichend beständige Beschichtung des Oberstoffes, die sich partiell abgelöst und zusammengezogen hat. Im Falle einer Reklamation wenden Sie sich bitte mit diesem Schreiben über Ihre Verkaufsstelle an den Hersteller, mit der Bitte um schriftliche Stellungnahme. … “

Die Kundin ging mit diesem Schreiben zu ihrem Textileinzelhändler, der die Jacke an den Hersteller weiterleitete. Fast zwei Monate später lag eine Antwort des Herstellers vor. Mit diesem Schreiben wurde die Kundin erneut in der betreffenden Reinigung vorstellig.

Schadensregulierung

Dort war das Erstaunen groß. Der Hersteller nahm folgendermaßen Stellung: Zunächst wurde die genaue Bezeichnung der Jacke benannt, sodass jede Verwechslung ausgeschlossen werden konnte. Weiter konnte man lesen: „Nach eingehender Prüfung teilen wir Ihnen mit, dass es sich bei den Schäden in keiner Weise um einen Materialfehler handelt. Die Jacke weist folgende Materialveränderungen auf:

  1. Das Muster der Daunen hat sich in den Oberstoff gebrannt.
  2. Die Daunen sind verklebt.
  3. Der Außenstoff und der Innenstoff kleben aneinander.
  4. Das Innenfutter hat sich zusammengezogen.

Dies sind alles Kriterien, die eindeutig auf eine zu heiße Waschung, Trocknung und/​oder Bügelung hinweisen. … “

Interessanterweise befanden sich in der Jacke überhaupt keine Daunen, deshalb konnten natürlich auch keine verklebt sein. Außerdem war der Außen- mit dem Innenstoff an keiner Stelle verklebt. Lediglich das Innenfutter wies an einer Stelle unter einer der Taschen eine mechanische Schädigung auf, die von Gebrauchseinflüssen herrührte. Sie war von untergeordneter Bedeutung, da sie weder (von außen) sichtbar war noch eine Einschränkung in der Funktionalität darstellte.

Die Unterzeichnerin des Schreibens bei der Herstellerfirma reagierte auf telefonische Nachfrage sehr abweisend. Sie würden nicht mit Endkunden oder Gutachtern sprechen, sondern einzig und allein mit den Einzelhändlern. Man solle sich über den Einzelhandel an sie wenden.

Im Übrigen seien das nicht ihre eigenen Feststellungen, sondern man habe die Jacke an das hauseigene Textillabor in Italien geschickt. Dieses habe die Stellungnahme abgegeben. Man könne davon ausgehen, dass sie korrekt sei. Bei der Ware handle es sich um ein hochwertiges Qualitätsprodukt, das auch eine entsprechende Bearbeitung durch den Kunden oder die Textilreinigung benötige.

Der Vorschlag, sich auf eine gemeinsame Begutachtung durch einen unabhängigen Gutachter zu einigen und sich anschließend dieser Entscheidung zu unterwerfen, wurde abgelehnt. Es wurde aber ein Rückruf innerhalb der folgenden zwei Tage vereinbart, der jedoch weder bei der Reinigung noch bei der Kundin einging. Eine Ersatzleistung vonseiten des Einzelhändlers steht noch aus.

Wie so oft, versucht nun die Reinigung, die Kundin während der langen Bearbeitungszeit des Herstellers „bei Laune zu halten“ und die Kundin darin zu unterstützen, die berechtigten Ansprüche gegenüber dem Einzelhändler geltend zu machen – mit einem entsprechenden Aufwand an Zeit und Energie.

Fazit

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, erreicht man bei den Herstellern keine fachlich kompetenten Mitarbeiter, die in der Lage sind, eine einfache, auf Material- oder Fertigungsfehler zurückzuführende Reklamation angemessen zu bearbeiten.

Die in der Diskussion befindliche zentrale Clearingstelle für Reklamationen, finanziert von der Textilindustrie, ist bestimmt eine begrüßenswerte Idee. Sie könnte den oft, wie auch im dargestellten Fall, überforderten Herstellern bzw. Großhändlern ein Instrument an die Hand geben, das zumindest einfache Sachverhalte klären kann. Dadurch könnten weiterhin unberechtigte Forderungen abgewiesen werden, aber auch Kunden, die berechtigte Reklamationen vortragen, zügig Erstattungen angeboten werden. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für das Textilreinigerhandwerk wären sicherlich bereit mitzuwirken. Der Vorteil dieser Clearingstelle für Markenhersteller liegt auf der Hand: Man wird auch im Falle einer Reklamation als professionelle, hochwertige Marke wahrgenommen, ohne sich eine eigene, teure Fachabteilung leisten zu müssen.

Der Sachverständige empfiehlt

Bei Reklamationen, die eindeutig auf Herstellermängel zurückzuführen sind, ist der Ansprechpartner des Kunden zunächst der Einzelhändler. Dieser kann – wenn er möchte – die Ware bei dem jeweiligen Großhändler oder Hersteller reklamieren.

Der Hinweis der Textilreinigung, in einem entsprechend gelagerten Fall um eine schriftliche Stellungnahme des Herstellers zu bitten, hat sich bewährt. Eine solche Stellungnahme vonseiten des Herstellers kann Anknüpfungspunkt zur sachlichen Klärung der Reklamation sein.

2. Anzug: Mottenfraß

Bei Befall sicher beraten

Handelt es sich um eine mechanische Schädigung oder liegt Mottenfraß vor? Im Schadensfall eines beschädigten Anzugs behauptete die Reinigung, gestützt auf ein Laborgutachten aus dem Hause eines Detachiermittellieferanten, dass es sich um eine mechanische Gebrauchsschädigung handelt. Der Kunde konnte dies jedoch mit Sicherheit ausschließen.

„Die Schädigung tritt vor allem in Bereichen auf, die während des Gebrauchs einer erhöhten Beanspruchung unterliegen. (…) Bei der stereomikroskopischen Untersuchung wurde Folgendes festgestellt: An Präparaten, welche den Randzonen der Schadstelle entnommen wurden, sind zahlreiche Quetsch- und Bruchstellen der Fasern zu erkennen. Es handelt sich um eine mechanische Schädigung … durch Gebrauch.“ So ist der Wortlaut des Untersuchungsergebnisses. Die Schlussfolgerung: Die Untersuchung ergab keine Hinweise auf eine Fehlbehandlung durch die Reinigung.

Schadensursache

Tatsächlich zeigte sich bei einer weiteren Untersuchung, dass der Schaden nicht in ihren Verantwortungsbereich fällt. Der Schaden ist gebrauchsbedingt, besser gesagt „durch Nichtgebrauch bedingt“. Der Anzug wurde wohl einige Zeit getragen und dann, da noch nicht verschmutzt, wieder in den Kleiderschrank gehängt. Erst nach der Sommersaison entschloss sich der Kunde, den Anzug doch noch zur Reinigung zu bringen. Nach der Reinigungsbehandlung ist ein fulminanter Mottenschaden erkennbar.

Typisch für den Befall sind Lochstellen und bereits angefressenes Gewebe.

Das abgebildete Sakko ist mit Motten befallen. An den beschädigten Stellen erscheint der Stoff dunkler.

Wie kann der Textilreiniger einen Mottenschaden von einem mechanischen Schaden unterscheiden? Das sicherste Kriterium ist ein Abdruck des Gebisses der Kleidermottenlarve. Es ist allerdings ein großes Geduldsspiel, unter dem Mikroskop eine angebissene Faser zu finden, die einen solchen Gebissabdruck aufweist. Deshalb ist der Umkehrschluss gefährlich. Auch wenn kein Gebissabdruck zu finden ist, kann ein Insektenfraßschaden vorliegen.

Es bestehen noch weitere Kriterien zur Unterscheidung von Insektenfraßlöchern und mechanischer Schädigung. Zunächst treten Insektenfraßlöcher fast ausschließlich auf Schurwollfasern auf. Bei Fraßlöchern fehlt der Teil der Fasern, der von den Raupen gefressen wurde. Bei einem mechanischen Schaden gibt es zwar oft ein Loch, aber es fehlt nichts von der Substanz. In einem solchen Fall könnte das Loch mit dem noch vorhandenen Material ausgefüllt werden wie beispielsweise bei einer sogenannten „Triangel“.

Mechanische Schäden betreffen meistens den Oberstoff und den darunterliegenden Futterstoff. Wird, wie in diesem Fall, nur der Oberstoff aus Wolle, nicht aber der Futterstoff aus Acetat geschädigt, ist dies ein weiterer wichtiger Hinweis auf einen Fraßschaden. Ein typisches Aussehen von Schäden auf feinen Schurwollgeweben ist zudem ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Durchbeißen des Gewebes. An manchen Stellen sind bereits Löcher vorhanden, an anderen Stellen ist das Loch kurz vor dem Durchbrechen, und an wieder anderen Stellen erscheint die Schädigung als dunkle Stelle, da nur der Flor weggebissen wurde. Natürlich spielt auch die Anzahl und die Lage der Schadstellen eine Rolle. Wenn, wie in dem Beispielsfall, sieben unterschiedliche Schädigungen über Sakko und Hose verteilt sind, kann bereits aus diesem Grund eine Schädigung durch äußere Einflüsse nahezu ausgeschlossen werden. Der Verschleiß eines Anzugs beginnt in der Regel an den Tascheneingriffen der Hose, an den Ärmelkanten und dem Kragen des Sakkos. Ein punktueller Verschleiß in der Fläche ist unwahrscheinlich.

Schadensregulierung

Leider hat der Kunde durch die sich widersprechenden Gutachten das Vertrauen in die Begutachtung verloren. Er hat Klage beim zuständigen Amtsgericht erhoben. Bei einem eindeutigen Gebrauchsschaden mit zwei sich in der Schadensursache widersprechenden Gutachten kann das Verfahren für den Textilreiniger nachteilig ausgehen. Ein gerichtlicher Vergleich könnte das Risiko eines negativen Prozessausganges mindern. Wer das Risiko auch finanziell tragen kann, könnte es, aus Sicht des Autors, in diesem fachlich klaren Fall auf ein Urteil ankommen lassen. Es empfiehlt sich, eine qualifizierte rechtliche Beratung einzuholen. Der Deutsche Textilreinigungs-Verband mit den angeschlossenen Mitgliedsverbänden, Innungen, Kreishandwerkerschaften, aber auch Handwerkskammern bieten Erstberatungen für ihre Mitglieder in der Regel kostenlos an. Die Klage wurde inzwischen nach einem durch das Gericht beauftragten Gutachten abgewiesen.

Der Sachverständige empfiehlt

Bei Löchern in Schurwolle sollte Insektenfraß immer in Erwägung gezogen werden. Ein einseitiges Fokussieren auf erkennbare Bissspuren kann dabei in die Irre führen. Eine Würdigung des Gesamtschadens und einige Kriterien können da hilfreicher sein.

INFORMATION | KLEIDERMOTTEN

Vorbeugung und Bekämpfung

Ein Befall von Textilien mit Kleidermotten kommt vergleichsweise häufig vor. In der Natur leben die Larven der Motten in Nestern von Vögeln und Säugetieren und ernähren sich von deren Haaren. Die Larven der Kleidermotte benötigen das in Tierhaaren enthaltene Protein Kreatin. Pflanzliche und synthetische Textilfasern können die Tiere im Entwicklungsstadium der Raupen ebenfalls fressen. Getragene Textilien, die mit Schweiß oder Speiseresten verunreinigt sind, befallen Motten bevorzugt. Auch saubere Wolle, die in ungestörten und dunklen Bereichen gelagert wird, ist ein gefundenes Fressen. Der Befall wird oft erst entdeckt, wenn sich Fraßlöcher in Textilien zeigen. Diese sind meistens relativ klein und unregelmäßig.

Um Mottenbefall vorzubeugen, sollten getragene Textilien nur gereinigt oder gewaschen aufbewahrt werden. Vorbeugende Wirkung haben dann Naturprodukte mit ätherischen Ölen, wie z. B. Lavendelsäckchen und Zedernholztäfelchen. Der Anwender sollte diese rechtzeitig erneuern, bevor sich der Duft ganz verflüchtigt. Natürlich hilft auch, regelmäßig Bewegung und Licht in den Kleiderschrank zu bringen und die Rückwände von Schränken und Truhen abzusaugen. Teppichbesitzer sollten diese auch an schwer zugänglichen Stellen regelmäßig von oben und unten absaugen.

Liegt ein Befall vor, reicht eine Temperatur zwischen 50 und 60 °C bei einer Einwirkdauer von circa einer Stunde, um Motteneier und -larven abzutöten. Eine Alternative ist das Einfrieren von befallenen Textilien für mindestens eine Woche.

Die Textilreinigung kann je nach Verfahren Eier und Larven zuverlässig abtöten und entfernen. Ob auch neuere Sprühreinigungsverfahren dies leisten, muss noch untersucht werden. Befallene Teile können nach Ausklopfen, Absaugen oder Waschen auch zum Austrocknen der verbliebenen Eier und Larven in die Sonne gelegt werden.

Chemisch-synthetische Schädlingsbekämpfungsmittel können unter Umständen Gesundheitsrisiken bergen. Das Pflanzenextrakt Neeem wirkt als natürliches Insektizid. Bei starkem Befall sind Schlupfwespen, die natürlichen Feinde der Kleidermotten, empfehlenswert. Pheromonlockstofffallen eignen sich zur Bekämpfung kleiner Bestände und bieten eine Befalls- und Erfolgskontrolle.

3. Ballonkleid: Flecken nach der Reinigung

Ich seh etwas, was du nicht siehst

Juristen und Versicherungsvertreter laden Textilreinigern immer mehr Pflichten auf, damit diese im Streitfall auf der sicheren Seite sind. Diese Pflichten sind kaum realisierbar und bieten zudem eben diese Sicherheit nicht. Manchmal entstehen gerade durch eine sorgfältige Warenschau zusätzliche Risiken, wie der folgende Schadensfall aufzeigt. Eine satirische Bewertung.

Eine gute Risikoaufklärung bei der Abgabe von Textilien zur Pflegebehandlung wird Textilreinigern von juristischer und Versicherungsseite immer wieder empfohlen. Aktuelle Anlässe sind in diesen Fällen oftmals Gerichtsurteile, die dem Reiniger neue (oder bereits bekannte) Aufklärungspflichten auferlegen. Auf bekannte Risiken sollte möglichst umfangreich hingewiesen werden. Diese Beratungsgespräche sollten nicht durch ein Formblatt, sondern durch ein handschriftlich erstelltes Dokument festgehalten und vom Kunden unterzeichnet werden. Natürlich muss der Name des Kunden lesbar sein, die Auftragsnummer notiert und alles mit Datum versehen werden. Sollte man eine Warenart grundsätzlich nur auf Kundenrisiko bearbeiten, so könnte das je nach Lesart des Gerichts bereits eine Benachteiligung des Kunden darstellen. Vorschädigungen sollten am besten von zwei Mitarbeitern gesehen und schriftlich festgehalten sowie durch Unterschrift bestätigt werden. So viel zur Theorie.

Wie sieht es in der Praxis damit aus? Sicherlich gibt es Betriebe, die diese Vorgehensweise umzusetzen versuchen. Aber Stammkunden meint man so zu kennen, dass die Aufklärung nicht jedes Mal neu durchgeführt werden muss. Und wenn viel los ist, nimmt man die Sachen auch mal ohne Durchsicht entgegen. Fünf Anzüge und 20 Hemden eines Kunden durchzumustern würde die Geduld der nächsten Kunden überstrapazieren. Auch wenn eine Kundin kurz nach Ladenschluss erscheint, ist die Gründlichkeit des Beratungsgespräches meist nicht mehr gewährleistet. Dass trotz gründlicher Warenschau und dokumentierter Vorschädigung Probleme entstehen können, zeigt der folgende Schadensfall.

Schadensbild

Eine Kundin brachte ein Ballonkleid zur Reinigung. Die gut geschulte Verkäuferin schaute sich das Kleid genau an und stellte mehrere kleine Defekte im Stoff fest, den sie im Schadensbuch vermerkte. Das Durchsehen des Kleids, das Gespräch mit der Kundin über die Vorschädigung und das Dokumentieren der Vorschädigung nahmen dabei natürlich einen gewissen Zeitraum ein. Das Kleid wurde daraufhin normal gereinigt und gebügelt. Bei der Abholung sah die Kundin sich das Kleid nochmals genau an und stellte sofort Flecken fest, die bei der Abgabe des Textils nicht vorhanden waren. Im Annahmeprotokoll steht tatsächlich nichts von einer Verfleckung.

Nach der Reinigungsbehandlung kann man die Eiweißflecken deutlich erkennen.

Da man gemeinsam das Kleid durchgesehen hatte, muss die Ladnerin zugeben, dass vor der Behandlung keine Flecken „vorhanden“ waren. Die Kundin verlangt Ersatz für das Kleid und die Kosten für die Reinigung zurück. Obwohl eine ziemlich optimale Beratung stattgefunden hat, sieht sich die Textilreinigung mit einer aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Forderung konfrontiert. Die Forderung der Kundin befeuert sich sogar aus der umfangreichen Warenschau am Ladentisch.

Schadensursache

Der Kundin zu erklären, dass eiweißhaltige Verfleckungen in erster Linie durch die Wärmebehandlung beim Trocknen und Bügeln sichtbar werden können, war zunächst erfolglos. Aufgrund der erdrückenden Argumentationslage sucht die Reinigung Unterstützung durch ein Sachverständigengutachten.

Tatsächlich handelt es sich um eine eiweißhaltige Gebrauchsverschmutzung, deren Verursachung nicht in den Verantwortungsbereich der Textilreinigung fällt. Durch den Einfluss von Wärme, die beim Trocknungsprozess unvermeidbar ist, wurde die Gebrauchsverschmutzung sichtbar, jedoch nicht verursacht.

Ironische Schadensvermeidung

Die zentrale Frage für den Textilreiniger lautet: Wie kann man solche Reklamationen erfolgreich verhindern? Die Anwort: Durch eine umfangreiche und optimale Aufklärung. Diese sollte möglichst handschriftlich von einem Mitarbeiter erfasst werden und folgende Punkte – mit viel Augenzwinkern – enthalten:

„Sehr geehrte Kundin, Sie überlegen, uns Ihr Kleid zur Reinigungsbehandlung zu übergeben. Nach einer gründlichen Durchsicht haben wir unten aufgeführte Risiken festgestellt. Sollten Sie diese Risiken nicht eingehen wollen, bitten wir Sie, von der Absicht Abstand zu nehmen, das Kleid bei uns reinigen zu lassen.

 Risiken:

Nähte des Oberstoffes können aufgehen, Knöpfe können abgehen. Schweißflecken könnten sichtbar werden. Es könnte sein, dass die vorhandenen Flecken nicht zu entfernen sind. Es ist möglich, dass nicht sichtbare Flecken sichtbar werden. Es könnte sein, dass der Stoff an den vorhandenen oder den unsichtbaren Flecken durch die Flecksubstanz bereits geschädigt ist und dadurch bricht. Die Farbe könnte durch Herstellermängel oder durch Lichteinflüsse auch beispielsweise bereits im Ladengeschäft oder im Lager eines Versandhändlers geschädigt sein. Das Pflegekennzeichen könnte sich ablösen oder unleserlich werden. Der Reißverschluss könnte Schaden nehmen. Das Kleid könnte auch durchs Bügeln verändert werden. Obwohl wir uns an die Temperaturempfehlung des Herstellers halten, können durch den Bügelprozess Schädigungen in der Farbgebung wie auch in der Stoffstruktur zutage treten. Zudem könnte das Kleid, ohne dass eine Fehlbehandlung vorliegt, eingehen. Auch könnte sich zwischen der letzten Benutzung des Kleids vor der Reinigung und der Benutzung nach der Reinigung Ihre Figur weiterentwickelt haben, was dazu führt, dass das Kleid nicht mehr (optimal) sitzt. Falls Sie das Kleid nicht innerhalb einer Woche nach Fertigstellung abholen, könnte es an den Schultern Abdrücke vom Kleiderbügel bekommen. Auch könnte der optische Aufheller unter der Plastikfolie reagieren und zu einer gelblichen Farbtonverschiebung führen. Achtung Allergiker: Es könnten sich trotz größter Sorgfalt feinste Spuren von Wasch-, Reinigungs- und Detachiermittel nach der Bearbeitung im Kleid befinden.

Bei der von uns zur Verfügung gestellten Tragetasche könnten, wenn weitere Gegenstände dazugepackt werden, die Henkel reißen, und das Kleid kann durch Herunterfallen neu verschmutzen. Achtung: Das Kleid ist nicht auf dem Fahrrad zu transportieren, da es in die Fahrradspeichen gelangen und zu einem Sturz führen kann.

Bitte beachten Sie unsere Glaseingangstüren. Es besteht die Gefahr, dass Sie dagegenlaufen oder sich an der Tür anlehnen, obwohl sie bereits offen ist. Beachten Sie auch, das Wechselgeld nicht in den Mund zu nehmen. Es könnten dadurch Keime übertragen werden.

Bestätigung der Kundin: Ich übernehme diese (mir auch vorgelesenen) Risiken.

Ort, Datum, Unterschrift.

P. S. Wie Sie wissen, ist Textilreinigung ein Glücksspiel und für Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren nicht erlaubt. Eltern haften für ihre Kinder. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Gewinner werden benachrichtigt.“

Der Sachverständige empfiehlt

Eine gute Beratung ist grundsätzlich sehr nützlich. Sie schützt jedoch nicht in allen Fällen vor unberechtigten Forderungen.

Für das Massengeschäft kann es besser sein, am Ladentisch keine Beratung anzubieten und eventuelle Problemfälle erst bei der Warenschau auszusortieren. So spart man wertvolle Zeit im Laden und kann mancher unberechtigten Reklamation besser begegnen.

4. Brautkleid (I):
Vordetachur mit optischem Aufheller

Den Schmutz schön aufgehellt

Nach dem „schönsten Tag“ kommt ein Brautkleid aus Polyester und Viskose zum Textilreiniger. Zunächst scheint es, als ob alle Flecken beseitigt werden konnten. Doch dann reklamiert die Kundin helle Stellen am unteren Saum. Den Grund findet der Sachverständige in der Waschmittelchemie.