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Bernadette Jansing

Hausboot für Fortgeschrittene

Mit Pénichettes aller Arten unterwegs

Ein Buch, um Erfahrene vom Sockel
zu schubsen und Anfänger aufzubauen

Für Paul, Kapitän meines Herzens

Bernadette Jansing

Hausboot für Fortgeschrittene

1 Auflage, Juni 2015

© Ahead and Amazing Verlag, Ostenfeld 2015

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Covergestaltung und Layout: B. Jansing und Indigo Kid

Alle Bildrechte liegen bei der Autorin, ausgenommen das des Bildes auf der Seite 68. Vielen Dank hierfür an Herrn Dr. Gerald Reiner.

Druck und Bindung: PRESSEL Digitaler Produktionsdruck, Remshalden

Printed in Germany

ISBN (Print):978-3-933305-35-0

ISBN (E-Book): 978-3-933305-99-2

Ahead and Amazing Verlag, Jelinski GbR,

Magnussenstr. 8, 25872 Ostenfeld

www.aheadandamazing.de

Babette, was machst du, wenn du
nicht auf dem Wasser bist?“
„Och, naja, ich schreib Bücher!“
„Ach, spannend, ich auch!“

Ich heiße gar nicht Babette, aber alle
Seebären nennen mich so. Es ist okay.

Aus der gleichen Reihe:

Hausboot für Anfänger

ISBN (Print):978-3-933305-49-7

ISBN (E-Book): 978-3-933305-98-5

Nordfriesland für Anfänger

ISBN (Print):978-3-933305-60-2

ISBN (E-Book): 978-3-933305-95-4

Nordfriesland rettet die Welt!

ISBN (Print):978-3-933305-67-1

ISBN (E-Book): 978-3-933305-96-1

Inhalt

Vorwort: im Anfang war der Klönsnack

Lieber Freizeitkapitän

Erstkontakt Hausboot (2000)

Dies ist (k)eine Übung

Mit und ohne Crew

Die Zweite – Schleusen-Crashkurs (2001)

Schon was dazugelernt?

Die Dritte – Erstkontakt MeckPomm (2002)

Land und Leute

Ein Sonnenrätsel

SCHWARZ

Die Müritz

Die Vierte – Sturm auf dem See (2003)

Die Fünfte – Herrentag in MeckPomm (2004)

Nicht schon wieder Sturm!

Hausbootcharter mit SKS

Flying Bridge

Die Sechste – Eine Hausboot-Elevin (2005)

Drei Jahre Hausboot-Entzug

Die Siebte – Tour de MeckPomm (2009)

Computer-Navigation

Erdbeeren, Brot und Pizza

Die Achte – Keine Penichette …!?

Flitzer auf der Müritz

Die Neunte – P 1020 FB (2012)

Die Zehnte – zwei Wochen Oneway (2013)

Fortgeschrittener Kümmerling

Orkan auf der Müritz …?

Dialog von Zander und Wels

Zum guten Schluss – des Rätsels Lösung

Vorwort – im Anfang war der Klönsnack

Justus und ich lernten Tina und Stefan beim Warten vor der Schleuse Wolfsbruch kennen. Revier: Mecklenburgische Seenplatte. Ihr Schiff, die STEINFÖRDE, war ein Schwesterschiff unseres Hausboots vom Typ Pénichette 1020 FB. Ich hatte gerade Brot gebacken – ein Duft, der garantiert jede Nachbarcrew herbeilockt. Wir kamen ins Klönen und vergaßen alle guten Manieren, denn wir erzählten unsere Geschichten mit dem ofenfrischen Brot zwischen den Zähnen.

Tina und Stefan bezeichneten sich selbst als Anfänger, während Justus und ich gerade zum zehnten Mal mit dem Hausboot unterwegs waren. Die beste Garantie dafür, dass uns der Gesprächsstoff so schnell nicht ausging. Am Ende flogen ganze Lebensgeschichten im Zeitraffer von Boot zu Boot. Dabei machte mich etwas hellhörig und – nicht nur mich allein.

„Was macht ihr so, wenn ihr nicht gerade mit einem Boot fahrt?“ – „Och, naja, ich schreib’ Bücher!“ – „Ach, spannend, ich auch!“

Der letzte Abend fand uns Rotwein schlürfend beim Klönsnack an Bord der STEINFÖRDE, am Ende darf ja schließlich nichts übrig bleiben! In dieser gemütlichen Runde wurden unsere Ideen geboren: Stefan schreibt ein Schmunzel-Buch „Hausboot für Anfänger“ und ich spinne den Faden „für Fortgeschrittene“ weiter. Pannen und sonstige Malheurs widerfahren nicht nur den Anfängern. Deshalb soll der Leser auch etwas davon haben: er darf mit (und über) uns lachen! Ein Buch, um Anfänger zu trösten … Stefans Buch beschreibt den altbekannten Unterschied zwischen Theorie und Praxis, wenn es ernst wird. Zum Glück ist nichts wirklich Tragisches passiert und es wurde reichlich Stoff gesammelt für Körbe voll Seemannsgarn.

… und Erfahrene zum Schmunzeln zu bringen –

Das ist mein Stichwort. „Hausboot für Fortgeschrittene“ erzählt von zehnmal Urlaub auf Flüssen und Seen. Soll das etwa heißen, dass wir, die Erfahrenen, alles können?

Oh, keineswegs! Vielleicht sollte es so sein. Aber wenn wir eine Erfahrung gesammelt haben, dann ist es die, dass auf jeder Reise irgendetwas zum allerersten Mal passiert. Und schon ist man wieder ein Greenhorn! Beim sechsten Mal knoteten wir uns allen Ernstes in einer Schleuse fest und beim neunten Mal ging gar einer über Bord – wie konnte das denn passieren? Der Trost: Auch diese Fälle gingen glimpflich aus. Wie sagt das Sprichwort? Humor ist, wenn man trotzdem lacht – und wenn’s einfach nur über die eigene Dummheit ist!

Bernadette Jansing, im Mai 2015

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Mein Käpt’n Justus

Lieber Freizeitkapitän …

Also, ein bisschen Spaß muss ja sein, oder etwa nicht? Freizeitkapitän – mit dieser Anrede krault der Vercharterer seine Kunden unterm Kinn.

Aus heutiger Sicht frage ich mich: ist das ein Ehrentitel oder wird der Kunde vielleicht doch ein klitzekleines bisschen auf den Arm genommen …!? Wie auch immer, am Anfang „putzt es ganz ungemein“1. Vor vierzehn Jahren jedenfalls, als wir unser allererstes Hausboot buchten und Justus damit zum Freizeitkapitän avancierte, „fuhren wir voll darauf ab“ – mit den Worten unserer Kids gesprochen. Ich lief unverzüglich los und kaufte stiekum eine passende Kopfbedeckung. Als ich sie Justus nach der ersten Bootsübernahme stolz wie Oskar aufs Haupt drückte, rief er mit aufgerissenen Augen: „Das hast du jetzt nicht wirklich gemacht, oder …!?“ Und er bekam vor Lachen fast keine Luft mehr. Dennoch hielt er tapfer aus, bis mein Foto im Kasten war. Und so blieb es. Die Kappe reiste immer in meinem Seesack mit und bei jedem Highlight kramte ich sie hervor und Justus setzte sie mir zuliebe auf. Von sich aus hätte er sie aber auf gar keinen Fall mitgenommen.

Als wir unser erstes Hausboot betraten, stellten wir fest, dass es wie ein Wohnmobil auf dem Wasser ist. Mit beidem – Wohnmobilen und Wasser – waren wir vertraut und das war wohl auch der Grund, weshalb wir seit der ersten Hausbootstour so begeistert sind, dass wir gar nicht mehr davon lassen können. Wohnmobilreisen fanden wir für unsere Familie ideal, als unsere drei Kinder noch klein waren, und wir verbrachten jahrelang fast jeden Urlaub damit. Alt und Jung fand das gleichermaßen toll. Wir konnten in der ganzen Weltgeschichte herumfahren und anhalten, wo wir wollten. Alles Wichtige hatten wir immer bei uns (bis auf das, was wir zu Hause vergessen hatten).

Auch ein Quartier war stets vorhanden, auch wenn’s nur ein Autobahn-Rastplatz mit Motorengedröhn im Hintergrund war. In den meisten Fällen waren wir sogar mit drei Generationen unterwegs – zur Freude der Großeltern und Enkelkinder und zur Entspannung von Mutter und Vater.

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Vom Großvater gemaltes Titelbild eines „WoMo“-Urlaubs

Es gibt nahezu dieselben Einrichtungen und technisches Equipment in Wohnmobilen wie auf Hausbooten. Alles auf engstem Raum. Kleine Schubladen, winzige Kleiderschränke, Ablagen mit Schlingerleisten und Klappschränkchen ringsherum. Jedes Verschluss-Knöpfchen muss stets vor dem Losfahren blockiert (hereingedrückt) werden. Stauraum unter Sitzen und Bodenplatten. Eine kleine Küche mit Gasherd und Backofen, Spülbecken, Kühlschrank, Heizung, Warmwasserbereiter. Sitzgruppen werden in Betten umgewandelt.

In diesem Fall hat das Hausboot sogar mehr zu bieten: Es gibt Kabinen, deren Türen geschlossen werden können, und Kojen, auf denen das Bettzeug tagsüber liegen bleiben kann. Und dann die Nasszellen. Im Wohnmobil als sogenanntes Chemie-Klo Porta-Potti, das heißt, alles wird (feingequirlt) in einem tragbaren Behälter gesammelt, den man in den sanitären Anlagen der Campingplätze entsorgen muss – und der Auffangbehälter ist immer zur Unzeit voll!

Im Hausboot wird das Entsprechende manuell (ebenso feingequirlt) in einen Schwarzwassertank gepumpt, der von Zeit zu Zeit abgesaugt werden muss. Auch davon können Geschichten erzählt werden … Und wenn einer in der winzigen Nasszelle geduscht hat, dann sind Wände und Boden, Toilette, Waschbecken (Handtücher und Klopapier) – einfach alles – nass geregnet. Gewöhnungsbedürftig, aber mit dem Feeling von Abenteuer und Freiheit.

Diese Freiheit findet ein jähes Ende, wenn der Frischwassertank plötzlich und unerwartet leer ist, während der Schaum in den Haaren noch Bläschen wirft. Nicht aufgepasst – so ein Mist! Jetzt entweder mit dem Wohnmobil hinauf zum Sanitär-Häuschen an die Wasser-Tanke oder mit dem Hausboot – ja, liegen wir denn am Steg? Haben wir auch einen Wasseranschluss in der Nähe? Oder liegen wir etwa vor Anker? – Abenteuer satt! Vielleicht gibt es ja noch ein paar Flaschen Stilles Wasser zum Kaffeekochen im Vorrat – brrrr – das ist aber kalt – so über dem Kopf ausgegossen.

Am Ende ist da auch noch die Sache mit dem elektrischen Strom. Hausboot wie Wohnmobil haben gleichermaßen zwei Batterien: eine fürs Fahren und eine fürs Wohnen.

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12 Volt – nicht mehr!

Sie laden sich entweder beim Fahren durch den Motor auf oder wenn ein Landstrom-Anschluss am Steg bzw. am Campingplatz vorhanden ist. In diesem Glücksfall darf der Strom großzügig verbraucht werden. Aber wenn der Landstrom fehlt, z.B. beim Ankern, dann is’ nix mit Föhnen oder Reisebügeleisen oder sonstigen Stromfressern. Ja, das mit der Elektrizität ist ein Thema für sich, es wird bei den wechselnden Crews unserer Hausbootstouren immer wieder vorkommen.

Und dann die Welt des Wassers, die See, ja, die war uns auch vertraut. Zwei Jahre vor unserer ersten Hausbootreise hatten wir mit Freunden – das sind die CATS, die im nächsten Kapitel auch noch einmal auftauchen – in einem Urlaub auf Korfu Jollensegeln gelernt. Wir bekamen dort zwar keine Scheine und die Theorie möchte ich im Nachhinein als rudimentär bezeichnen, aber wie man – nur vom Wind angetrieben – mit Hochgenuss und atemberaubender Geschwindigkeit über das Wasser zischen kann, das lernten wir!

Diese neue Sportart brachte kurz vor Ausbruch der Pubertät unserer Sprösslinge einen ganz ungeahnten Schwung in unser Leben. Wassersport statt Midlife-Crisis, ein Wohlfühl-Garant für Körper und Geist.

Das Wasser verhält sich so ganz und gar anders als das feste Land. Jaja, ich weiß, dass diese Aussage banal ist! Aber für mich persönlich ist dieser Fakt ein ganz besonderer Glücksfall. Ich fand nämlich noch nie, dass das feste Land ein sicherer Boden ist.

Hohe Geschwindigkeit auf Straßen oder Pisten kann ich nicht leiden, ganz abgesehen davon, dass mich alle Wege fast immer in die falsche Richtung führen. Aber auf dem Wasser ist für mich alles ganz anders, ein Unterschied wie Tag und Nacht! Alle Ängste fliegen hinter mir über Bord. Ich brauche nur zu fühlen, woher der Wind weht (meistens aus dem Luv …), dann weiß ich, wie ich mein Ziel erreichen kann. Rechts und links – das ist schrecklich, aber Steuerbord und Backbord habe ich noch nie verwechselt! Na ja, bis auf ein einziges Mal, aber da stand ich mit dem Gesicht zum Heck.

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Nachdem wir also schon segeln konnten, machten wir nach dem Urlaub den entsprechenden Schein: „Sportbootführerschein Binnen“, und zwar unter Segeln und Motor.

Da hatten wir noch einiges an Theorie nachzulernen, z.B. Lichterführung, Wetterkunde und alles über die Regeln auf Binnenschifffahrtsstraßen, was über die einfachen „Vorfahrtsregeln“ hinausging. Alles machbar. Aber die Fahrstunden auf dem Motorbötchen, das war komplizierter, als ich erwartet hatte. Schon für das bloße Geradeausfahren brauchte ich einige Übung, bis das Kielwasser hinter mir endlich einen geraden Strich durch das Wasser zog. Und dann das Anlegen am Steg – das ist genauso furchtbar wie rückwärts einparken, da hätte ich beinahe meine Prüfung vermasselt.

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Unser „Sportbootführerschein Binnen“ unter Segel und Motor führt den Spannungsbogen wieder zum Hausboot zurück.

Nach dieser Vorgeschichte wundert es sicher keinen, dass eine Anzeige von Locaboat, die Justus eines Tages in einer Fachzeitschrift entdeckte, uns sofort elektrisierte: „Ferien auf dem Hausboot“. Wir nahmen Kontakt auf.

Mit den Buchungsunterlagen kommt das sogenannte Bordbuch (heutzutage „Kapitäns Handbuch“ genannt) mit verschiedenen Ratschlägen für z.B. die Navigation oder das Leben an Bord. Genug Material, um sich im Vorfeld schon einmal genüsslich in die Materie zu vergraben. Es ist mit viel Humor verfasst und macht auch mit Hilfe von lustigen Zeichnungen auf verschiedene Unfallgefahren aufmerksam.

Der Freizeitkapitän wird etwa vor niedrigen Brücken gewarnt oder auf die Gefahr hingewiesen, dass er sein Schiff in der Schleuse aufhängen könnte, wenn er die Leinen mit Knoten belegt.

Unnötig zu sagen, dass wir die Bedeutung der Signale der Wasserstraßen, also Licht- und Schallsignale und Seezeichen wie Tonnen oder Bojen, die auf der Rückseite des Bordbuchs abgebildet sind, bereits von unserer Segelei her intus hatten.

Und da die Angeberei mir gerade so gut gefällt, kann ich noch hinzufügen, dass wir natürlich auch die gängigen Seemannsknoten beherrschten und mit dem Ab- und Anlegen (mehr oder weniger) vertraut waren. Na ja, zumindest mit der Jolle und dem kleinen Binnensee-Nachen mit Außenborder.

Was war nun also auch für uns Neuland?

Zum Beispiel die Ausmaße eines Hausbootes. Unser erstes Schiff erschien uns mit 12,60 Meter Länge, 3,85 Breite und 2,60 Höhe wie ein Monstrum! Und damit durch all die engen Kanäle und Brücken, ob das wohl gut ging? Mit unserem Schein (obwohl hier nicht gebraucht) durften wir ja sogar solche Schiffe führen, aber ob wir damit auch fertig wurden, das musste sich noch zeigen.

Und das Schleusen kannten wir auch nicht. Es wird sehr ausführlich und mit reichlich ernsten wie auch humorvollen Zeichnungen unterstützt im Bordbuch beschrieben. Aber wie das in der Praxis aussehen würde, mussten wir noch herausfinden.