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Anke Weidinger

Mein Anker an der guten Seite des Lebens

Das Leben der Johanna von Bismarck

Otto und Johanna von Bismarck

ANKE WEIDINGER

Mein Anker an der
guten Seite des Lebens

Das Leben der Johanna von Bismarck

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Bestell-Nr. 395.185

ISBN 978-3-7751-7017-8 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-5185-6 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:

Fischer, Knoblauch & Co. Medienproduktionsgesellschaft mbH, 80801 München

© Copyright der deutschen Ausgabe 2010 by
SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de

E-Mail: info@scm-haenssler.de

Umschlaggestaltung: OHA Werbeagentur GmbH, Grabs, Schweiz; www.oha-werbeagentur.ch

Titelbilder: Johanna und Otto von Bismarck: aus zeitgenössischer Quelle

Landschaft: istockphoto.com

Satz: Satz & Medien Wieser, Stolberg

Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

Die Bibelverse sind folgender Ausgabe entnommen:

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Gott ist die Liebe;

und wer in der Liebe bleibt,

der bleibt in Gott,

und Gott in ihm.

1. Johannes 4,16

Vorwort

»Hier saß immer der alte Diener Martin und erzählte von der Zeit, als Bismarck zu Besuch kam«, erklärte mir meine Tante, als wir durch den Park des ehemaligen Gutshauses von Rottnow gingen. Oder vielmehr durch das, was früher einmal der Park gewesen war. An einer Ecke der Umzäunung waren zwei Bretter quer festgenagelt, auf denen man bequem sitzen konnte. Das war eigentlich alles, was noch an das Haus erinnerte, in dem mein Vater Joachim von Blanckenburg im heute polnischen Hinterpommern geboren wurde. Ach so, Bismarck, dachte ich. Wie bitte? Was hatte der denn mit uns zu tun?

Nach und nach erfuhr ich die ganze Geschichte: In den Vierzigerjahren des 19. Jahrhunderts hatte Bismarck das – auch heute noch verständliche – Bedürfnis »nach einer tiefen Verankerung seiner Existenz, die ihm so fragwürdig, fast gleichgültig geworden war«. So formulierte es der Historiker Lothar Gall in seiner Bismarck-Biografie. Sein Streben nach Erkenntnis führte Bismarck aber »unter Lesung von Schriften wie die von Strauß, Feuerbach, Bruno Bauer, nur tiefer in die Sackgasse des Zweifels«.

In dieser Existenzkrise geriet er durch seinen Jugendfreund Moritz von Blanckenburg, meinen Ururgroßvater, in die Kreise der pommerschen Erweckungsbewegung. Wichtige Protagonisten dieser Erweckung waren damals besonders die Gutsherren: Adolf von Thadden aus Trieglaff, Ernst Senfft von Pilsach aus Rottnow und Heinrich von Puttkamer aus Reinfeld sind nur einige Beispiele. Besonders verbunden war Bismarck der Verlobten seines Freundes, Marie von Thadden aus Trieglaff. Nach Analyse Lothar Galls begegnete Bismarck in ihr »einem Menschen mit einer Lebenszuversicht und einer inneren Sicherheit, wie er sie zu diesem Zeitpunkt vor allem für sich selbst ersehnte«.

Marie dagegen beschrieb Bismarcks innere Verfassung als »volle Glaubenslosigkeit« und »völlige Gleichgültigkeit gegen Freud’ und Schmerz«. Er habe gegen »stete bodenlose Langeweile und Leere« zu kämpfen. Bismarck brachte es in einem Gespräch auf den Punkt: »Wie kann ich denn glauben, da ich nun doch einmal keinen Glauben habe; der muss entweder in mich hineinfahren oder ohne Zutun oder Wollen in mir aufschießen.«

Die Erweckungsbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts verstand sich als eine Bußbewegung, die zum Glauben an die Bibel als Wort Gottes zurückzuführen versuchte. Ob der Glaube noch in Bismarck »hineingefahren« oder in ihm »aufgeschossen« ist, ist schwer zu sagen. Aber eines ist sicher: Diese Begegnungen haben Bismarcks Leben nachhaltig verändert, ihm Orientierung und Halt gegeben. Und das lag auch daran, dass er auf der Hochzeit von Marie und Moritz seine Frau Johanna von Puttkamer kennenlernte. In ihr hatte er eine Frau von Maries Format zur Seite, die ihn unterstützte und prägte.

In Schwaben und Franken sind die Auswirkungen der Erweckungsbewegung noch heute greifbar. In Pommern haben Flucht und Vertreibung die Spuren dieser Zeit in alle Winde zerstreut. Dank Anke Weidinger und ihrer sorgfältig recherchierten, aber auch glaubhaft interpretierten Romanbiografie bleiben von dieser Zeit mehr als zwei am Zaun festgenagelte Bretter.

Sigmar von Blanckenburg

Hamburg, im Januar 2010

Prolog Friedrichsruh, Sommer 1894

»Mein Liebchen, was schaust du so trübsinnig vor dich hin? Was grämt dich? Sieh nur hinaus, ist es nicht ein herrlicher Sommerabend? Komm, lass uns ein wenig hinausgehen. Die frische Luft wird dir guttun, sonst sagst du es doch immer zu mir, dass ich hinausgehen soll – hier, nimm meinen Arm.«

Johanna sah dankbar lächelnd zu ihrem Gatten auf, der den zuvor angebotenen Arm ihr reichend vor ihr stand. Liebevolle Besorgnis stand in sein sonst so streng, ja hart und unnachgiebig dreinblickendes Gesicht geschrieben. Eine Besorgnis, die ausschließlich ihr und ihrer fragilen Gesundheit galt und die ihr bisweilen heimlich Angst machte. Sie wusste wohl, dass es nicht gut um sie stand, dass ihr die Luft immer öfter knapp wurde und jeder neue Asthmaanfall sie geschwächter zurückließ als der vorige. Aber sie wagte inzwischen kaum noch zu hoffen, dass sie ihre goldene Hochzeit, von der ihr Mann gerade wieder zu sprechen angefangen hatte, in zwei Jahren wirklich noch würden feiern können. Wenn ihr Arzt sie manches Mal so ernst ansah, dann wusste sie, dass wenigstens er genauso wenig Hoffnung hatte. Bismarck freilich wollte davon nichts hören. Er wehrte sich mit Macht gegen das Unvermeidliche: dass das Leben auf Gottes Erde für alle Menschen irgendwann ein Ende hatte, auch für sie, und dass er sie eines Tages würde loslassen müssen – vielleicht früher, als er ahnte, und ganz sicher früher, als er wollte.

Johanna seufzte. Was würde er tun, wenn sie einmal nicht mehr wäre? Würde er wirklich nicht ohne sie leben können? Das hatte er in der Vergangenheit jedenfalls oft genug behauptet und er weigerte sich überhaupt, vom Sterben zu sprechen – jedenfalls, wenn es um ihr Sterben ging. Ja, wenn er es könnte, würde er es ihr sogar ganz und gar verbieten zu sterben. Ein Lächeln huschte über ihr eben noch so ernstes Gesicht. Ja, wahrhaftig, das würde er – wenn er es könnte. Aber ihr Leben lag nun einmal in Gottes Hand und nicht in seiner. Und das war auch gut so, fand sie. Das war sehr gut so.

»Was seufzt du so schwer? Komm, mein Herz, lass das Grübeln sein, es hilft ja doch nichts, im Gegenteil, es macht dich nur umso schwermütiger.«

Bismarck hielt ihr noch immer den Arm hin. »Geht es so oder soll ich noch Hilfe holen?«

Johanna schüttelte den Kopf, machte aber andererseits auch keine Anstalten, sich aus ihrem Sessel zu erheben. Sie wollte hier sitzen und vor sich hinträumen, konnte er das denn nicht verstehen? Sie wollte nur in Ruhe seine alten Liebesbriefe lesen, sich in eine Zeit zurückversetzt fühlen, in der es keine Schmerzen und kein Leid, sondern nur Glück und Sonnenschein gegeben hatte.

Eine Zeit, in der das Leben, die Ehe noch wie ein großes Abenteuer vor ihnen gelegen hatte. Eine Zeit, in der sie jung und naiv und voller süßer Ahnungslosigkeit gewesen war. Wenn nur ihr Bismarck sie liebte, wenn er nur immer an ihrer Seite bliebe, so hatte sie geglaubt, könnte sie alles ertragen. Dass sie einmal solch furchtbare Schmerzen, solche entsetzliche Angst ertragen musste, hatte sie nicht ahnen können.

Trotzdem war Johannas Herz voller Dankbarkeit. Hatte sie nicht alles erreicht, war ihr nicht vieles geschenkt und auch so manches erspart worden? Sie beide waren immer glücklich gewesen – wirklicher Schmerz, so sagte sie oft, war nur gewesen, wenn sie getrennt waren. Doch auch dann hatte sie zumeist wenigstens ihre Eltern gehabt, hatte sich mit den Kindern zu ihnen nach Reinfeld flüchten können, wo sie sich stets geborgen und getröstet wusste. Sie hatten drei gesunde Kinder bekommen und keines verloren. Was wollte sie mehr?

Sie konnte doch in Ruhe hier sitzen und warten, bis der Herr sie heimholte. Solange wie es noch möglich war, wollte sie die kostbare Zeit mit ihrem geliebten Mann verbringen. Jeder Tag, das wusste Johanna, war ein Geschenk.

Abermals entfuhr ihr ein leiser Seufzer. »Ach, Ottochen, ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Lass uns doch noch ein kleines Weilchen herinnen bleiben. Bring mir die Schachtel mit den Briefen, ich möchte so gern darin lesen. Tust du mir den Gefallen? Und eine Tasse Tee wäre schön, mit viel Honig, das tut meinem Hals wohl.«

»Gerne, mein Nannchen, sobald wir wieder drin sind. Ich sage Thea gleich Bescheid. Jetzt aber erstmal ein paar Schritte hinaus in den Garten. Du siehst, ich lasse nicht locker. Flora, komm, sei deinem Frauchen eine Stütze – gemeinsam werden wir’s wohl schaffen, meinst du nicht?«

Er lässt wirklich nicht locker – wie immer, dachte Johanna und stützte sich kopfschüttelnd auf den Rücken der silberfarbenen Dogge, die gehorsam wartend vor ihrem Sessel stand und langsam den Schwanz hin- und herbewegte, fast, als wolle sie sagen: Nun denn, Frauchen, ich habe Zeit.

Als sie endlich stand, umschloss sie Bismarcks Arm mit ihrer dünnen Hand und sah zu ihm auf, bemüht, sich die Anstrengung nicht zu sehr anmerken zu lassen. »Also, mein Liebster, hast du wieder einmal gewonnen, wie immer.«

»Aber nur bis zur Bank unter dem Birnbaum wollen wir gehen, dann setzen wir uns, und du erzählst mir ein wenig von deinem Besuch im Berliner Schloss. Wie hat er sich dir gegenüber nun geäußert, dieser dumme Junge? Reut es ihn schon, dich vergrault zu haben?«

Der »dumme Junge« war der junge Kaiser Wilhelm II., auf dessen Drängen hin Bismarck im März 1890 sein Entlassungsgesuch eingereicht hatte. Kurz darauf hatte er sein Amt als preußischer Ministerpräsident und als Reichskanzler niedergelegt.

Zwar hatte man ihn danach noch zum Herzog von Lauenburg ernannt, doch darauf hätte seine zornige und zutiefst enttäuschte Frau gern verzichtet. Johanna hatte geschworen, dem Kaiser auf ewig böse zu sein. Wie konnte er – oder überhaupt irgendjemand – es wagen, ihrem über alles geliebten Bismarck zu widersprechen, ja, seine Arbeit nicht zu würdigen? Was wäre schließlich aus Deutschland geworden ohne Bismarck?

Teil I

Junge Liebe
Die Jahre 1844–1851

Nicht auf den ersten Blick

Die Einladung zur Hochzeit seines Freundes und Nachbarn Moritz von Blanckenburg kam nicht überraschend, er hatte es lange gewusst und verstand sich selbst nun umso weniger: War nicht Zeit genug gewesen, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass es eines Tages so kommen würde? Dass Moritz einmal Marie heiraten würde, sie, die Liebe seines Lebens, und er selbst hilflos, ja, womöglich noch lächelnd ihm dabei zusehen müsste? Sie waren ein schönes Paar, so sagte man, und Moritz würde sie gewiss glücklich machen. Er war ein ehrbarer, rechtschaffener und angesehener Mann, vor allem aber, und das war dem alten Thadden, Maries Vater, wichtig, gehörte er zu dem Kreis der pommerschen Pietisten, dem auch die Blanckenburgs und die von Puttkamers seit Generationen angehörten.

Die Pietisten waren nicht nur fromme, bibeltreue Christen, sie übten auch in nicht geringem Maße Einfluss auf die Politik des Landes aus, stammten doch die meisten ihrer Mitglieder aus alten Adelsgeschlechtern, deren Bestreben es war, die alten Strukturen zu erhalten. Sie waren treue Monarchisten und glühende Patrioten, die fest an eine Gott gegebene Ordnung glaubten. Die adligen Gutsherren waren nach Abschaffung der Feudalherrschaft zwar nicht mehr reich, dennoch lebten die meisten von ihnen recht gut, und gefeiert wurde auch in diesen Kreisen – besonders unter den jungen Erwachsenen wurde gespielt, getanzt und geflirtet, wann immer man auf einem der Rittergüter aufeinandertraf. Schließlich erhoffte sich manch junge Dame, bei einer dieser Zusammenkünfte auf einen standesgemäßen Edelmann zu treffen, der sie dann mit auf sein Gut nehmen würde. Besonders die Mitglieder der Gruppe um den eher konservativen Adolph von Thadden blieben gern unter sich. Deswegen war es durchaus erwünscht, dass man auch untereinander heiratete.

Von diesem Blickwinkel aus betrachtet, war es eine durch und durch vernünftige Heirat: Moritz liebte Marie, sie erwiderte seine Gefühle durchaus, und sie waren eins im Geist. Vielleicht war es gerade das, was Bismarck so missmutig stimmte. Verärgert warf er die Einladung auf den Tisch, goss sich noch ein Glas Burgunder nach und leerte es in einem Zug. Sollten sie doch glücklich werden! Das, was ihn und Marie von Thadden verband, würde diese Heirat nicht zerstören können. Er würde sie immer lieben, das musste sie wissen – Blanckenburg vermutlich auch, wenn er nur einmal die rosa Scheuklappen, die er seit der Verlobung trug, ablegen würde. Er, Otto von Bismarck, wusste außerdem, dass sie ihn immer lieben würde. Ihn, den sie schließlich zuerst geliebt hatte.

Nachdem er sein Essen ohne Appetit, aber in Windeseile hinuntergeschlungen hatte, pfiff er nach seinen Doggen und verließ das Haus. Er stapfte schweren Schrittes und Herzens zum Stall, rief nach dem Knecht, der wahrscheinlich wieder irgendwo in der Mittagssonne lag und schlief, und sattelte sein Pferd schließlich selbst.

Kurz darauf lenkte Bismarck es in scharfem Galopp über die im Sonnenschein liegenden Wiesen und Felder um den elterlichen Gutshof östlich der Oder, der sein Zuhause war, solange er denken konnte. Die pommersche Landschaft, inmitten derer sich Kniephof befand, war seine Heimat, hier fühlte er sich wohl, hier konnte er unbeschwert in den Tag hineinleben und tun und lassen, was er wollte. Allerdings nicht an diesem Morgen, der ihm durch die Ankunft der Post gründlich verleidet war. Sonst konnte er nichts Schöneres finden, als morgens auf seinem Pferd durch Wald und Flur zu streifen, die Hunde munter bellend um sich herum, die Jagdflinte am Sattel, den Tag vor sich liegend wie ein noch unbeschriebenes Blatt Papier. Heute jedoch würde dieses Blatt Papier leer bleiben, leer und ohne jeden Sinn. Nichts Schönes, nichts, was es wert wäre, niedergeschrieben zu werden, konnte ihm heute widerfahren. Selbst die Sonne schien nur ihm zum Hohne zu lachen.

Ach, Marie!, entfuhr es ihm im Stillen, wenn du wüsstest, wie mich dies trifft! Lang erwartet, ja, gewusst, und dennoch – und dennoch …

Wenige Wochen darauf, an einem strahlenden Herbsttag im Oktober, fand die Hochzeitsfeier auf dem Gut der Familie von Thadden-Trieglaff statt. Bismarck, trotz des Grolls, den er aus verletzter Eitelkeit gegen die beiden Jungvermählten hegte, gab sich redliche Mühe, sich seine Verstimmung nicht anmerken zu lassen. Er hatte es sogar fertiggebracht, die Braut zu küssen und mit dem Bräutigam anzustoßen, hatte mit dem alten, sichtlich stolzen Thadden ein wenig geplaudert und sich schließlich mit einem zweiten Glas Champagner in den Roten Salon zurückgezogen, wo er ein wenig Ruhe zu finden hoffte.

Leider war er auch dort bald wieder in seinen melancholischen Gedanken gestört worden; Blanckenburg machte ihn mit Hans von Kleist-Retzow bekannt und überließ die beiden gleich darauf sich selbst. Eben noch hatte Bismarck den jungen Mann für gar nicht so uninteressant befunden, als seine Aufmerksamkeit durch das Eintreten eines jungen Mädchens in gänzlich andere Bahnen gelenkt wurde.

Sie war nicht hübsch im eigentlichen Sinne, ja, vielleicht wirkte sie im Vergleich zu den anderen jungen Frauen, die sich auf dem Fest vergnügten, in ihrem schlichten, weißen Kleid sogar ein wenig farblos, aber etwas in ihrem zarten, ovalen Gesicht ließ ihn unwillkürlich innehalten.

Bismarck wusste wohl, dass er sie anstarrte und dass er, wollte er sich nicht hilflos den Spötteleien Blanckenburgs ausgesetzt finden, der unbemerkt neben ihn getreten war, rasch den Blick von ihr würde abwenden müssen. Doch in eben diesem Augenblick sah die junge Frau zu ihm herüber. Ihre Blicke begegneten sich und Bismarck fühlte, wie sich etwas in seinem Herzen zusammenzog, als er der tiefblausten Augen gewahr wurde, die er je gesehen hatte.

»Nun, Bismarck, was sagst du? Gefällt sie dir? Gewiss, sie ist nicht annähernd so hübsch wie meine Marie, aber –«

»Das ist wohl keine!«, entfuhr es Bismarck, bevor er es verhindern konnte. »Und das weißt du. Aber diese …«

»Diese«, unterbrach ihn Blanckenburg sogleich mit scherzhaft erhobenem Zeigefinger, »ist Johanna von Puttkamer, eine gute Freundin Maries – und deine Tischdame für den heutigen Abend. Marie hat es so beschlossen, und du weißt, wenn Marie etwas beschließt …«

»… dann ist es beschlossen, ich weiß, ich weiß«, erwiderte Bismarck, der, noch immer in Johannas Richtung starrend, gar nicht so viel dagegen einzuwenden hatte, wie es nach außen hin den Anschein machte. Blau, dachte er, als ihn Blanckenburg und Kleist verlassen hatten und auch Johanna im Getümmel verschwunden war, veilchenblau …

Veilchenblau war der Himmel über dem nahe gelegenen Dorf einige Stunden später nicht, eher bengalisch rot: Während die Hochzeitsgesellschaft mit den angemessenen »Aaahs« und »Ooohs« das zu Ehren der Brautleute entzündete Feuerwerk bewunderte, war im Dorf unten ein echtes Feuer ausgebrochen. Eines, das in dem Moment, in dem die Hochzeitsgesellschaft seiner gewahr wurde, die Feier auf recht dramatische Weise beendete. Der Wind hatte die Funken der Raketen unbemerkt auf die Strohdächer der Häuser im Dorf weitergetragen, die jetzt lichterloh in Flammen standen. Nachdem der Bräutigam als einer der ersten ins Dorf hinabgeritten war, um zu helfen, schwang Bismarck sich ebenfalls auf eines der Pferde, die im Hof angebunden standen. Die Tatsache, dass er noch im Frack war, schien ihn dabei nicht im Mindesten zu stören.

»Was steht ihr hier herum und haltet Maulaffen feil?«, schrie er die ängstlich dreinschauenden jungen Frauen an, die im Hof standen und nicht wussten, was sie tun sollten. »Packt gefälligst an und helft mit! Seht doch, wie es im Dorfe brennt – es gibt bestimmt mehr als genug zu tun! Wenn der Bräutigam selbst sich nicht zu schade ist, werdet ihr es wohl auch nicht sein! Und sagt euren Männern Bescheid – die Feier ist vorerst beendet!«

»Aber wir tun ja schon etwas, Herr von Bismarck!«, rief eine der Damen mit recht zaghafter Stimme. Sie hielt eine kleine, vom vielen Lesen bereits zerfledderte Bibel in die Höhe. »Wir wollten uns gerade in den Salon zurückziehen und beten!«

»Beten! Ha!« Bismarck lachte laut auf. »Das könnt ihr immer noch – jetzt ist die Zeit für Taten! Meine Damen?« Er deutete eine leichte Verbeugung an, wobei er seinem Pferd schon die Sporen gab. »Meine Herren? – Ich empfehle mich!«

Nachdem endlich auch der letzte Gast begriffen hatte, dass die Lage ernst war und die Braut selbst sich anschickte, die Pferde anzuschirren, brach plötzlich ein hektisches Treiben auf dem Hof aus: Die Männer schleppten Leitern und Eimer voller Wasser, die Spritze wurde mit vereinten Kräften in Gang gebracht, und selbst die Brautjungfern machten sich nützlich. Allein die Alten standen im Weg herum und erteilten mehr oder weniger nützliche Ratschläge.

Gegen Mitternacht rückte die Greifenhagener Feuerwehr an und brachte das Feuer alsbald unter Kontrolle. Der Schaden war erheblich, aber Dank der Geistesgegenwart einiger hatte es keine Verletzten gegeben und zumindest das Gutshaus samt Kirche war gerettet. Bismarck, selbst müde und erschöpft, übernahm später noch die undankbare Aufgabe des Protokollschreibens, als viele der anderen Gäste bereits gegangen waren. Johanna sah ihm bewundernd dabei zu, wie er, auf einer blauen Wassertonne sitzend, bis zum frühen Morgen mit den Bauern verhandelte, um die Entschädigungen festzusetzen.

»Das ist ein Mann der Tat, der Bismarck«, raunte Marie ihrer Freundin zu und versuchte dabei, ihr schmutzig gewordenes Brautkleid zu glätten. »Den solltest du unbedingt noch näher kennenlernen, wenn du kannst. Ich weiß, er scheint wie ein wilder Junker, aber im Grunde seines Herzens ist er ein ehrlicher, aufrechter Kerl.« Etwas lauter fügte sie hinzu: »Wir schreiben einander, nicht wahr, Hanna? Sobald wir von der Hochzeitsreise zurück sind, schreibe ich dir!«

Johanna drückte die Freundin und versuchte dabei, nicht zu Bismarck hinüberzusehen. »Ich schreibe dir auch, Marie! Werde glücklich – ich weiß, du bist es schon! Leb denn wohl, bis bald!«

Johanna konnte aber nicht umhin, noch einen letzten Blick auf Bismarck zurückzuwerfen, bevor sie in den bereitstehenden Wagen stieg. Erschöpft und müde sah er aus, aber mit sich und der Welt zufrieden. Er hob den Blick und begegnete ein letztes Mal in dieser Nacht dem ihren, und für einen winzigen Moment war ihr, als stünde die Welt um sie herum still.

Dann war der Moment vorüber, Bismarck nickte ihr noch einmal freundlich zu – oder war es spöttisch? – und sprang dann von seinem unbequemen Sitz, um mit raschen, weit ausgreifenden Schritten auf das Haus zuzugehen, in dem er gleich darauf verschwand.

Johanna seufzte. Ob sie ihn je wiedersehen würde? Würde er sich dann überhaupt noch an sie erinnern? Ein Landjunker wie er, der sicher viel herumkam und in Kreisen verkehrte, von denen sie nicht einmal zu träumen wagte, kannte bestimmt auch die Frauen. Und Johanna wusste, dass sie gegen solche Damen, wie er sie kannte, keinerlei Chance hatte. Bestimmt fand er sie furchtbar langweilig. Nett vielleicht, aber langweilig. Und vielleicht, dachte sie bei sich, als sich der Wagenschlag hinter ihr schloss, ist es auch besser so.

Auch Bismarck dachte in den folgenden Wochen viel an Johanna – mehr, als er sich selbst eingestehen wollte, und ganz bestimmt mehr, als ihm lieb war. Als dann auch noch ein Brief von Moritz von Blanckenburg eintraf, in dem er ganz unverhohlen über seine und Maries Absichten sprach, ihn, Bismarck, alsbald mit der frommen, naiven kleinen Dame aus Hinterpommern zusammenzubringen, wurde er regelrecht wütend. Was dachten sich die beiden dabei! Er konnte doch wohl selbst nach einer Braut Ausschau halten und bedurfte dabei nicht der Hilfe seiner Freunde – abgesehen davon, dass er vorhatte, sich mit der Familiengründung noch ein wenig Zeit zu lassen. Erst einmal musste er den Verlust seiner Jugendliebe verkraften und war sich nicht einmal sicher, ob die daraus entstandenen Wunden jemals heilen würden. Davon hatte sein guter Freund Blanckenburg natürlich keine Ahnung.

»Willst du sie nicht, so nehme ich sie zu meiner zweiten Frau!«, schrieb Moritz.

Der hatte gut reden! Da pries er Johanna fortwährend als ein »durch und durch geistreiches, liebreizendes und gescheites Mädchen« – als ob er das nicht selbst bereits festgestellt hatte! – und ahnte dabei nicht, in welche emotionale Misere er den Freund damit brachte. Was wollte er nun – seine Freiheit behalten, der Frau hinterhertrauern, die er nun einmal nicht hatte haben können? Oder sich auf das Abenteuer Johanna von Puttkamer einlassen?

War es Zufall gewesen, dass er sie ausgerechnet an dem Tage kennenlernte, an dem er Marie an Moritz von Blanckenburg verlor, oder nannte man so etwas Schicksal? Marie hätte es gewiss noch anders ausgedrückt, aber mit ihrer frommen Denkweise hatte er trotz aller Gemeinsamkeiten nie viel anfangen können. Gottes Wille! War es Gottes Wille, dass er im Alter von dreißig Jahren noch immer alleine auf Kniephof saß und auf die Frau wartete, die vielleicht niemals kommen würde?

Oder war sie schon gekommen, er aber wollte es nicht sehen, weil er in seinen Erinnerungen an eine Zeit, die vorbei war und nie wiederkommen würde, gefangen war? War er einfach nur blind?

Bismarck stand kopfschüttelnd am Fenster und sah in den Novemberregen hinaus. Trübe, trübe Zeit!

Da fiel sein Blick auf ein kleines Stück rosafarbenen Karton, auf dem er in Maries elegant geschwungener Handschrift las: »Ein einziges Gemüt zum Glücklichmachen hat das schwarze Mädchen, eine warme, tiefe, starke, unerschütterliche Kraft der Liebe!«

Er konnte sich durchaus vorstellen, dass sie so war – leidenschaftlich, selbstlos und innigst lieben, ja, das konnte sie bestimmt, die Kleine mit den veilchenblauen Augen. Aber konnte sie auch seine intellektuellen Bedürfnisse befriedigen, geistreiche Unterhaltungen mit ihm führen, ihm Kontra geben, wo es nötig war, ohne ihn je wirklich von seiner Meinung abzubringen? Konnte sie ihm das sein, was Marie ihm gewesen war oder –?

Abrupt drehte er sich auf dem Absatz um, zog sich rasch den Mantel über und die schweren Stiefel an die Füße und stürmte nach draußen, wo er nach dem Stallknecht rief, er möge ihm seinen Hengst satteln. Im strömenden Regen ritt er Stunde um Stunde durch den Park und den angrenzenden Wald, als kümmere es ihn herzlich wenig, bis auf die Haut durchnässt zu werden. Es kümmerte ihn ebenso wenig, dass er dabei fortwährend im Kreis herumritt – er wollte einfach nur draußen sein, den Wind in seinem Gesicht spüren und die frische Luft einatmen, die hoffentlich auch ein wenig Ordnung in seine aufgewühlten Gedanken bringen würde.

Als er drei Stunden später, durchnässt und noch immer hin- und hergerissen von sich scheinbar widersprechenden Gefühlen, wieder ins Haus trat, ging er sogleich in sein Arbeitszimmer, setzte sich an seinen Schreibtisch und schrieb einen langen Brief an Heinrich von Puttkamer, den Vater des »schwarzen Mädchens«, wie die jungen Blanckenburgs Johanna ihm gegenüber zu nennen pflegten. Allerdings konnte er, abgesehen von dem ebenholzglänzenden Haar und den dunklen Augen – die bei näherem Hinsehen ja blau waren und nicht schwarz – nichts Schwarzes oder gar Tristes an ihr finden, allenfalls einen Anflug von Melancholie in ihrem Blick. Aber das mochte auch getäuscht haben, da er an jenem Abend selbst so melancholisch gestimmt gewesen war. Und wer weiß, mit ein wenig Liebe und Aufmerksamkeit mochte es durchaus gelingen, den von Marie und Moritz erwähnten »natürlichen Liebreiz« noch mehr in ihr herauszubringen und ihr dadurch eine Schönheit zu verleihen, die von innen kam, aus tiefstem Herzen.

»Er sehnt sich nach einem vertrauten, familiären Kreise wie dem unsrigen und sieht wohl, wie wichtig es sei, einander in Gespräch und Gebet zu unterstützen, füreinander da zu sein und den rechten, gottesfürchtigen Umgang miteinander zu pflegen. So ein Heuchler! Das glaubt er doch selbst nicht. Gottesfürchtiger Umgang miteinander, was versteht einer wie er denn schon davon? Und dann schreibt er noch, dass er sich schäme, selbst ein so gottloses, eigensüchtiges Leben zu führen – gottlos und eigensüchtig, das sind seine Worte! Immerhin sieht er es ein. Aber vergiss nicht, Litte, er ist ein Diplomat. Die haben es leicht, so zu reden, und die Leute glauben ihnen. Aber ich falle nicht darauf herein, ich nicht!«

Zornig warf Heinrich von Puttkamer den am Morgen eingetroffenen Brief Bismarcks auf den Tisch, an welchem er mit seiner Frau Luitgarde, die nur er zärtlich ›Litte‹ nennen durfte, bei Kerzenschein saß. Das Feuer im Kamin war fast heruntergebrannt, im Zimmer war es kalt geworden, und mehr als einmal hatte seine Frau schon darauf gedrängt, ins Bett zu gehen. Die Betten wurden auf Gut Reinfeld in der kalten Jahreszeit mit einem heißen Ziegelstein, den man an das Fußende unter die Decke schob, vorgeheizt, sodass man beim Hineinsteigen in das Bett die Kälte nicht allzu sehr fühlte.

»Ach, Heinrich, nun ereifere dich doch nicht gleich so. Was will er denn uns mit diesem Brief sagen? Will er hier etwa einziehen? Oder ist er am Ende an unserer Hanna interessiert? Geh, sei vernünftig, an ihr kann doch ein Otto von Bismarck keinen Gefallen finden. Nicht, dass sie nicht schön wäre – und lieb und gescheit und alles noch dazu. Aber für Otto von Bismarck kann sie doch nichts weiter als ein hübsches Mädchen vom Lande sein. Der kennt sich aus mit den Frauen! War er nicht schon mehr als einmal verlobt gewesen und ist doch nie etwas draus geworden?«

»Verlobt, ach – zig Male! Von drei Verlobungen hat man bis hierher gehört. Jedes Mal war er es, der die Verbindung wieder löste. Er schien dabei nie die geringste Reue zu empfinden. Dazu ist er wahrscheinlich gar nicht fähig. Aber was will man von einem Mann erwarten, der schon zum Frühstück Austern schlürft, überhaupt nie vor zehn Uhr aufsteht, am Nachmittag bereits sturzbetrunken ist und wie von Sinnen Fasane schießt – wenn er denn noch treffen kann. Um Himmels willen, Litte! Der will am Ende noch unser Kind!«

»Unser Kind«, gab Luitgarde sehr ruhig zu bedenken und schob dabei ihre Lesebrille hoch, »ist schon lange kein Kind mehr. Sie wird im April einundzwanzig, vergiss das nicht. Sie ist nun fast eine erwachsene Frau. Und wenn wir sie verlieren müssen, dann werden wir es ohnehin kaum verhindern können. Du weißt, Gottes Wege –«

»Ja, ja!«, unterbrach Puttkamer seine Frau recht unwirsch und begann, im Raum auf und ab zu gehen.

»Gottes Wege hin oder her, sie ist zu jung, Luitgarde, viel zu jung und zu naiv. Auf einen charmanten Landjunker wie Bismarck kann sie allemal so leicht hereinfallen wie jede andere auch. Wir müssen alles tun, um das zu verhindern, meine Liebe. Beten allein wird da freilich nicht viel helfen, wenn sie sich schon einmal in ihn verliebt hat. Und das steht zu befürchten, wenn du bedenkst, welcher Glanz in ihre Augen trat, als sie uns von ihrer Begegnung mit Bismarck auf Marie Thaddens Hochzeit erzählte. Erinnerst du dich?«

»Ja, Heinrich, ich erinnere mich noch gut. Aber bedenke auch, dass sie sehr aufgeregt war – es war die Hochzeit ihrer besten Freundin, und dann ereignete sich diese Katastrophe mit dem Feuer! Das war auch ein wenig zu viel für sie gewesen. Bismarck hatte, wenn man den Berichten Glauben schenken darf, alles sehr bald unter Kontrolle, wahrscheinlich mehr als der Bräutigam selbst, der für das Feuer und den dadurch verursachten Schaden schließlich verantwortlich war. Da musste Bismarck in ihren Augen ja wie ein Held dastehen. Wer weiß, wer von den unverheirateten weiblichen Gästen ihn dafür noch bewundert hat außer ihr. Komm, Heinrich, lass uns schlafen gehen, die Uhr hat eben zehn geschlagen. Es bleibt uns doch nichts anderes als abzuwarten.«

Doch damit wollte der alte Puttkamer sich nicht zufriedengeben. Immer noch unruhig auf- und abgehend, murmelte er: »Er hat den Brief gewiss nicht umsonst geschrieben. Er will sich unsere Tochter holen, gedenke meiner Worte! Und wenn wir nichts unternehmen, um ihn daran zu hindern, werden wir im nächsten Winter vielleicht schon ganz alleine hier sitzen.«

Seufzend klappte Luitgarde von Puttkamer das Buch zu, in dem sie las. »Ja, Heinrich, wenn du meinst. Aber nun lass uns gehen. Ich jedenfalls gehe. Gute Nacht, mein griesgrämiger alter Ritter!«

Nachdem sie ihm noch einen Kuss auf die Stirn gedrückt hatte und mit ihrer Kerze und ihrem Buch hinausgegangen war, ließ sich ihr Mann in den frei gewordenen Sessel am Kamin fallen und rieb sich müde mit dem Handrücken über die Stirn.

Was, wenn er recht hatte? Konnte er den Gedanken ertragen, seine einzige Tochter, ja, sein einziges Kind an einen Mann wie Bismarck zu verlieren? Oder hatte seine Frau, die stets besonnene, in jedem Menschen das Gute sehende Luitgarde, wieder einmal recht und er sah Gespenster, wo sie sonst keiner sah?

Nur die Zeit würde ihm die Antwort geben können. Nur die Zeit. Vorsichtshalber würde er dem verrückten Junker einen Brief schreiben, dessen Inhalt sämtlichen Absichten, seien sie nun in Wahrheit vorhanden oder nicht, entgegenstehen würde. Otto von Bismarck würde ihnen nicht die Tochter rauben.

Wiedersehen in Cardemin

Es vergingen etliche Monate, bevor der Kreis um Marie von Blanckenburg und den übrigen pommerschen Pietisten sie an Pfingsten des folgenden Jahres wieder zusammenbrachte. In Cardemin, dem Gut der Familie Blanckenburg, fand alljährlich ein Scheibenschießen statt, zu dem etliche Freunde und Nachbarn eingeladen waren, darunter auch Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer.

Sobald Bismarck Marie erblickte, eilte er auf sie zu, küsste sie auf beide Wangen und stellte mit Erstaunen fest, dass sie ihm, wenn auch nicht weniger lieb, so doch schon ein wenig fremder geworden war, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Sie war schwanger und suchte vergebens, den wohlgerundeten Bauch unter einem weiten Seidenkleid zu verbergen. Ansonsten fand er sie schön wie immer, natürlich, anmutig und erfrischend selbstbewusst.

»Wenn du Johanna suchst, sie ist hinten im Obstgarten«, flüsterte Marie ihm leise zu, kaum, dass sie die üblichen Begrüßungsfloskeln ausgetauscht hatten und er eben im Begriff war, ein bedeutungsvolleres Thema zu suchen, über das er dann, wie in alten Zeiten, angeregt mit ihr diskutieren konnte.

»Aber ich …«, begann er hilflos, doch Marie legte ihm einen Finger auf den Mund, eine sehr vertrauliche und intime Geste, die ihn hoffnungslos verlegen machte und – zum Schweigen brachte. Was immer er noch hatte einwenden wollen, es blieb ihm förmlich im Halse stecken.

»Geh nur, das Essen findet frühestens in einer Stunde statt, und ein Glas Bowle kannst du dir auf dem Weg dorthin abholen. Moritz hat auf der hinteren Terrasse anrichten lassen.«

Bismarck fand Johanna auf einer Bank unter einem mit Rosen umrankten, schmiedeeisernen Pavillon sitzen, einen Fächer in der Hand, mit dem sie sich bisweilen frische Luft zuzuwedeln suchte. Es war ungewöhnlich heiß für diese Jahreszeit, auch zu windstill – wenn sie Pech hatten, würde das diesjährige Scheibenschießen noch vorzeitig durch ein Gewitter beendet werden, bevor der Tagessieger feststand.

Johanna bemerkte Bismarcks Herankommen nicht, so sehr schien sie in ihre Gedanken versunken zu sein. Als sie seiner stattlichen Gestalt endlich gewahr wurde, stand er bereits vor ihr und sah, einen grünen Weidenstock in der Hand, den er sich unterwegs abgebrochen hatte, mit beinahe nachsichtigem Lächeln auf sie herab.

»Verehrtes Fräulein von Puttkamer, darf ich Sie in Ihren Gedanken stören und mich ein wenig zu Ihnen setzen?«

Sie errötete leicht, beeilte sich aber zu nicken und rutschte hastig ein Stück zur Seite, sodass er neben ihr auf der Bank Platz finden konnte.

Kaum, dass er saß, begann er das Gespräch, indem er nach ihren Eltern fragte, nach dem Winter und ob sie im Frühjahr auch mit Überschwemmungen zu kämpfen gehabt hätten wie in Schönhausen an der Elbe.

»Nein, das nicht«, entgegnete sie. »Aber ein langer, harter Winter ist’s gewesen. Sehr kalt. Ist es auf Kniephof, wo Sie wohnen, auch so kalt und zugig?«

»Es geht. Es hängt immer davon ab, in welchem Raum man sich aufhält, wie man sich kleidet und bewegt und wie gut man isst und trinkt.« Hierbei zwinkerte er ihr verstohlen zu, doch sie tat, als ob sie es nicht bemerke und fragte stattdessen, was er denn auf seinem Landgut den lieben langen Tag so treibe.

»Ach«, meinte er und wurde sichtlich verlegen dabei. »Eigentlich nicht viel. Man steht auf, frühstückt, zeitungt, zieht sich an und sattelt sein Pferd. Dann geht es zur Jagd oder sonst wie hinaus ins Grüne, die Hunde haben ihre Freude daran und ich meistens auch. Ein müßiges Leben, das man als Landjunker in der heutigen Zeit so führt. Im Moment macht es mir noch Freude, aber den Rest meines Lebens wird es mich wohl nicht ausfüllen.«

»Nun«, sagte sie und sah dabei mit scheuem Lächeln zu ihm auf. »Das kann wohl auch für einen Mann Ihrer Bildung nicht alles sein – Sie haben doch bestimmt ein höheres Ziel. Sagten Sie nicht, Sie hätten die Rechte studiert?«

»Ach!«, rief er abermals und winkte ab. »Das ist Schnee von gestern, wie man so schön sagt. Die Juristerei ist nichts für mich. Ich werde mir wohl ein Amt suchen, wenn nicht heute, dann morgen, aber im Moment ist mir das alles einerlei. Sehen Sie, Fräulein von Puttkamer, ich genieße das Leben, wie es gerade so kommt.«

»Denken Sie denn manchmal an das, was danach kommt – ich meine …« Sie nestelte verlegen an der Schärpe ihres hellblauen Seidenkleides. »Ich dachte – also, Sie sprechen ja nie darüber und man hört so einiges, aber ich weiß nicht … Sind Sie ein frommer Mann, Herr von Bismarck?«

Bismarck zog scharf die Luft ein, ehe er antwortete. »Eine direkte Frage, die eine direkte Antwort verdient. Nein, verehrtes Fräulein, ich bin kein frommer Mann und würde auch, so fürchte ich, vor den Augen Ihres Herrn Vaters nicht bestehen. Mein Vater ist ein guter Mann, der mich so gut es ging zum Landjunker und Ehrenmann erzogen hat. Meine Mutter legte viel Wert auf Bildung – aber fragen Sie nicht nach meiner Schulzeit, es war die grässlichste Zeit meines Lebens. Sie können froh sein, nie eine solche Anstalt besucht zu haben wie ich –, aber mit Glauben hatten wir nie etwas zu tun. Jedenfalls nicht mit einem solchen Glauben, wie Sie und Ihre Familie – und auch unsere lieben Freunde, die Blanckenburgs – ihn pflegen. So wie mein Vater stets darauf vertraut hat, dass Gott barmherzig ist, so will ich es auch tun. Das soll mir zum Leben genügen – bis heute bin ich jedenfalls ganz gut damit gefahren und gedenke es auch weiterhin so zu halten.«

Johanna schwieg eine Weile, bevor sie erneut einen Vorstoß wagte. »Aber, erlauben Sie mir diese eine Frage noch, warum streben Sie kein höheres Amt an – das eines Ministers zum Beispiel? Sie sind doch klug und redegewandt, und gute Beziehungen haben Sie auch. Würde es Ihnen nicht gefallen, in der Politik etwas zu sagen zu haben?«

»Vielleicht«, räumte er ein und fing an, die Rinde des Weidenstöckchens zu schälen. »Aber ob es mir auf die Dauer Befriedigung schafft, irgendeinen Ministerposten zu bekleiden und mich vor der Obrigkeit zu ducken, die mir die Freiheit nicht mehr zugesteht, die ich bisher gewohnt bin? – Nein, danke, zum Sklaven derer da oben will ich mich nicht machen lassen, eher soll der Deiwel mich holen!«

Erschrocken ließ Johanna ihren Fächer fallen. Zu ihrem Entsetzen begann dieser ungehobelte Kerl, den sie bis eben noch bewundert, ja, regelrecht angehimmelt hatte, nun auch noch zu lachen. »Verzeihen Sie mir, Fräulein von Puttkamer, dass ich nicht so recht in Ihr Idealbild eines Edelmannes passen will. Ich zweifle ja nicht an Gottes Existenz. Aber meine Freiheit ist mir wichtiger – wichtiger als alles im Leben!«

»Nun«, sagte sie leise und bückte sich, um den Fächer aufzuheben. »Wenn es so ist, dann will ich Sie nicht länger mit meinen Fragen belästigen. Aber erlauben Sie mir, für Sie zu beten, ja?«

Er lächelte und legte eine Hand auf die ihre, die sie nicht zurückzuziehen wagte. »Das dürfen Sie, mein liebes Kind. Beten Sie nur! Vielleicht hilft’s ja doch. Und nun kommen Sie, lassen Sie uns zu den anderen zurückgehen. Das Scheibenschießen wird gleich beginnen, und mein Magen knurrt auch schon ganz unehrenhaft. Da, hören Sie’s?«

Er erhob sich, Johanna hakte sich bei dem großen Mann unter und ging gesenkten Kopfes an seiner Seite den Weg entlang zur vorderen Terrasse, auf der die Gäste mit ihren Bowlegläsern beieinanderstanden und sich lachend und scherzend unterhielten. Auch wenn sie nach außen hin ruhig und gefasst aussah, tobte in ihrem Herzen doch ein wilder Streit der Gefühle, den sie nur mit allergrößter Mühe unter Kontrolle zu bringen vermochte. Was war das nur für ein Mann – und weshalb übte er noch immer eine so unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie aus? Er hatte Gott gelästert mit seiner Äußerung und das war doch unverzeihlich, oder? Sie sollte gar nicht hier sein, an seiner Seite, sondern sich von seinesgleichen fernhalten, die nicht nur eine Gefahr für ihr junges, unerfahrenes Herz, sondern auch für ihre Seele darstellten.

Erst als sie Marie erblickte, die etwas abseits stand und müde aussah, schaffte Johanna es, sich von Bismarcks Arm zu lösen und eilte nach einem hastig gemurmelten »Entschuldigen Sie mich bitte« auf die Freundin zu, froh, der ihr plötzlich so unangenehm gewordenen Situation entkommen zu können.

»Aber, Johanna, wie konntest du dich so von ihm einschüchtern lassen!«, tadelte die Freundin sie, nachdem sie ihr von dem seltsamen Gespräch im Rosengarten erzählt hatte. »Du hättest ihn nicht so einfach gehen lassen dürfen. Jetzt ist er zum Schießstand, hörst du, wie der Scheibenjunge ruft? Achtzehn, er hat mitten ins Zentrum getroffen. Auch du hast ins Zentrum getroffen – Bismarck ist schon verliebt, man sieht es ihm deutlich an. Du musst ihn nur noch für Gott gewinnen, das ist das Einzige, woran es ihm fehlt, ansonsten ist er ein feiner Kerl. Außerdem bist du die Einzige, die er anhören wird. Glaube mir, ich versuche es schon seit Jahren, aber ich bin einfach nicht die Richtige für diese Aufgabe. Du bist es, Johanna – du bist für ihn die Richtige und du bist es auch für unseren Herrn Jesus. Willst du denn seinen Auftrag nicht erfüllen? – ›Geht in die Welt, erzählt den Menschen von Gottes Liebe und machet sie zu Jüngern, dass sie umkehren und sich taufen lassen.‹ Das ist es, was Bismarck fehlt. Er muss umkehren – und du kannst ihm dabei helfen, auf den rechten Weg zu kommen. Heute ist Pfingsten, Johanna – kann es denn einen besseren Tag für einen Neuanfang geben?«

»Da magst du wohl recht haben, aber …« Johanna senkte den Blick. »Er ist so – wie soll ich es sagen? So stolz, Marie! Stolz und irgendwie … nun ja, Respekt einflößend. Wie redet man mit einem solchen Mann? Und über ein so heikles Thema! Nein, ich glaube, das kann ich nicht. Du könntest es, du kennst ihn besser und hast mehr Mut als ich.«

Marie lachte. »Nein, Johanna, so kommst du mir nicht raus! Du hast gesagt, du kannst ihn gut leiden. Es ist offensichtlich, dass er auch schon Gefallen an dir gefunden hat, und darum musst du diejenige sein, die ihn auf den rechten Weg bringt. Und auf den muss er gebracht werden – je eher, desto besser! Bestimmt bietet sich später noch einmal die Gelegenheit zu einem Gespräch, was meinst du?«

Als Johanna Bismarck am späteren Nachmittag noch einmal im Garten traf, sah sie ihn erneut mit seinem Weidenstöckchen – oder war es ein neues? – herumhantieren. Sie fasste sich ein Herz und trat zu ihm.

»Herr von Bismarck, verzeihen Sie, dass ich Sie so anspreche, aber da ist noch etwas, das ich Ihnen sagen wollte. Werden Sie mir zuhören?«

Er sah auf, blickte ihr offen ins Gesicht und neigte den Kopf, als wolle er sagen: Nun, ich höre.

Ihr Herz raste vor Aufregung und sie bat Gott innigst, ihr den Mut und auch die rechten Worte zu schenken. »Herr von Bismarck«, begann sie mit zitternder Stimme und ebenso zitternden Knien, »wissen Sie, was heute für ein Tag ist? Pfingsten! Die Geburtsstunde der Kirche – dreitausend Menschen kamen zum Glauben an Jesus Christus, als sie Petrus predigen hörten. Dreitausend Leute, Herr von Bismarck! Wollen Sie nicht auch – ich meine …«

Sie brach ab, sah an ihm vorbei zu den Obstbüschen hin und fragte sich, ob es richtig gewesen war, ihn noch einmal auf dieses heikle Thema anzusprechen. Wenn er sie nun wieder auslachte! Marie hatte gut reden, sie kannte Otto von Bismarck und wusste mit ihm umzugehen – sie wusste auch mit Worten besser umzugehen als sie, Johanna. Was konnte sie schon ausrichten bei einem Mann wie Bismarck, der ohnehin seine feste Meinung von allem hatte. Und von ihr, Johanna, hatte er bestimmt auch schon längst eine feste Meinung: dass sie langweilig war, unscheinbar, nicht zu vergleichen mit einer Frau wie …

»Ich glaube nicht, Johanna – ich meine, verehrtes Fräulein von Puttkamer«, unterbrach Bismarcks Stimme ihre Gedanken. Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung bemerkte sie ein Lächeln in seinen sonst so kalten, blaugrauen Augen, als sie seinem Blick voller Scheu begegnete. »Ich glaube nicht. Unsere Freundin Marie hat es oft genug versucht, mich zu bekehren, der gute Moritz auch, aber ich fürchte, ich bin ein hoffnungsloser Fall. Vielleicht kommt er eines Tages, dieser Glaube, und Sie dürfen ja auch gerne für mich beten, wie ich vorhin schon sagte, aber bis dahin …« Immer noch lächelnd, bot er ihr seinen Arm. »Kommen Sie, lassen Sie uns ein Stück gehen, am besten in die Sonne. Sie werden mir sonst zu kalt, meine Liebe!« Er nahm ihre Hand. »Gute Güte, Ihre Hand, sie ist ja bereits eiskalt! Darf ich?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er ihre kleinen, schmalen Hände in seine großen und drückte sie, damit sie warm würden.

»Besser?«, fragte er schließlich, als sie eine Weile so dagestanden hatten. Er hielt noch immer ihre Hände in den seinen und machte keine Anstalten, sie loszulassen.

Rasch schlug sie die Augen nieder, als sie fühlte, wie sie unter seinem Blick errötete. Dann nickte sie, unfähig etwas zu erwidern. Dabei war da noch so viel, was sie ihm sagen wollte, und doch nicht konnte, weil ihr der rechte Mut dazu fehlte. Und als hätte er sie mit seinen – wenngleich freundlichen, so doch nicht weniger bestimmten – Worten über den Glauben noch nicht genug beschämt, musste er sie jetzt auch noch auf andere Weise in Verlegenheit bringen. Wenn sie nicht sehr achtgab, würde sie sich am Ende doch noch in ihn verlieben. Und das wollte sie nicht – nicht, wenn er sich nicht zu Gott bekannte!

Sie hielt inne. Aber konnte sie das zur Bedingung machen? Stand es ihr zu, das so in Worte zu fassen? Wenn es tatsächlich ihre Aufgabe sein sollte, ihn zu bekehren, dann brauchte sie mehr Zeit. Viel mehr Zeit. Sie würde gleich heute Abend anfangen, für Otto von Bismarck zu beten, beschloss sie, während sie sich von ihm den Weg entlang der Himbeeren und der Bienenkörbe führen ließ. Und dann lag es in Gottes Hand, was daraus wurde – aus Bismarck und aus ihr.

Zurück auf dem Kniephof, musste Bismarck in den darauffolgenden Tagen immer wieder an Johanna von Puttkamer denken. Weshalb zog ihn dieses Mädchen auf so eigenartige Weise in seinen Bann – und stieß ihn im nächsten Augenblick wieder ab, wenn sie so fromm und bieder daherkam, dass er sie am liebsten auslachen würde? Aber die Angst, sie zu verletzen, hinderte ihn daran, zu lachen. Sie war ein so zartes, sensibles Geschöpf, und dabei so naiv und scheu, dass er sich, wann immer er in ihrer Nähe war, wie ein großer, starker Beschützer vorkam. Bismarck gefiel sich in dieser Rolle sehr gut. Ja, er wollte Johanna von Puttkamer beschützen, er wollte, dass sie sich in seiner Gegenwart wohlfühlte und fröhlich lachte, so wie sie es bei ihrer ersten, für ihn so bedeutungsvollen, Begegnung getan hatte. Sie war außerdem unvergleichlich viel hübscher, wenn sie lachte.

Im Herbst desselben Jahres starb Bismarcks Vater, Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck, und hinterließ seinem zweiten Sohn und jüngstem Kind – Bismarck hatte noch einen älteren Bruder, Bernhard, und zwei Schwestern – Schloss Schönhausen an der Elbe.

Da sich das seit Generationen im Besitz der Bismarcks befindliche Schloss in einem geradezu jammervollen Zustand befand, als Otto von Bismarck im Frühjahr 1846 dort einzog, gab es zunächst einmal auch hier allerhand für ihn zu tun. Außerdem hatte er endlich einen verantwortungsvollen Posten übernommen, nämlich den des Deichhauptmannes an der Elbe, der ihn letztendlich auch dazu bewogen hatte, sein geliebtes Pommern zu verlassen.

Jetzt, so dachte Bismarck bei sich, während er inmitten seiner Koffer und Kisten in einem der vielen geräumigen, elegant eingerichteten, aber leider unangenehm modrig riechenden Schlafgemächern des Schlosses saß und sinnierte, fehlt mir eigentlich nur noch die rechte Frau.

Sein Blick wanderte zu der Kiste, in der sich, wie er wusste, seine Schreibutensilien befanden, und er beschloss, nicht lange zu warten, sondern gleich an seinen Freund Blanckenburg zu schreiben, ob der ihm nicht ein Wiedersehen mit der süßen, aber eigensinnigen Johanna arrangieren könnte. Natürlich würde er es geschickt anstellen müssen – denn eine weitere Einmischung vonseiten der wohlmeinenden Freunde wollte er tunlichst vermeiden. Schließlich hatte ein von Bismarck auch seinen Stolz. Aber es konnte ja nicht schaden, sich unauffällig zu erkundigen, ob in diesem Sommer irgendein Fest, eine Landpartie oder vielleicht sogar eine gemeinsame Reise geplant wäre, und ob er sich ihrem Kreise in diesem Fall wohl anschließen dürfe. Schließlich verband die Pietisten nicht nur ihr Glaube an Christus, sondern auch die Gemeinschaft und Bismarck wusste, dass es besonders in der Sommerzeit nicht an Ausflügen und gemeinsamen Unternehmungen mangelte.

Umso erfreuter war Bismarck, als ihn wenige Wochen später die Nachricht ereilte, dass tatsächlich etwas für den Sommer geplant sei: Ein gewisser Pastor Wangemann habe einige der pietistischen Freunde für eine Reise in den Harz gewinnen können; außer ihm und zwei Damen, die Bismarck nicht oder nur flüchtig kannte, gehörten auch Marie, Moritz sowie dessen Schwester Hedwig und Johanna von Puttkamer mit einigen ihrer Cousinen dazu. Ob er sich ihnen wohl gerne anschließen würde?

Der Schönhausener griff ohne zu zögern zur Feder und schrieb zurück. Und ob!

Harzreise mit Folgen