Klaus Ungerer

Casa Zia Lina

SuKuLTuR
2013

Die vorliegende Erzählung wurde ermöglicht durch die „Stiftung Dr. Robert und Lina Thyll-Dürr“, die den Autor und seine Koautorin Susanne Berkenheger als Stipendiaten in die Casa Zia Lina einlud.

TANTE LINA

Das Haus hat: einen Koch, einen Weinberg, direkten Zugang zum Meer, eine Grotte mit Schreibtisch; hat eine Rasensprenganlage, die morgens um 7 losgeht (bloß nichts bei denken!), brüllende Stuka-Möwen (ganz normal!) und unterirdische Atombombentests, die zur täglichen Feier des Funktionierens der Heizungsanlage begangen werden; hat fünf Gästezimmer, die nach einheimischen Gesteinsbrocken benannt sind, einen Bösendorfer-Flügel, einen barocken Übervater von Eichenschrank, ziergiebelbewehrt; hat antikisch schillernde Schmuckkästchen mit morschen Gummibändern, Spielkarten, altertümlichen Radiergummis und verdörrten 50-Pfennig-Briefmarken drin; hat einen gusseisernen Zeitungsständer, einen Terrakotta-Spaniel (Originalgröße, unlackiert), eine ehrwürdige, über sämtliche Räume gewucherte und stets noch anwachsende Bibliothek: „Anekdoten von und über Goethe“, Voltaire, fettleibig, von 1877, das „Knoblauch Kochbuch“, das „Kartoffel Kochbuch“, 25 Napoleon-Biographien, „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ (1888) in diversen Prachtbänden, Rathenau, Schopenhauer, Kant, Schillerlessing-shakespeare pp. – Bücher, in denen sich manch gilbige Nachricht, manch eckige Widmung finden läßt, und zwischen denen manches aufgestellte Schwarzweißbild die Haltbarkeit der Zeit behauptet; mal auch ein farbiges, auf denen das Zahnlückenmädchen vom Nebenregal zur schönen Frau herangewachsen ist, strahlend, weiß und reisberegnet. Das alles stellt uns Tante Lina zur Verfügung, obwohl sie schon lange tot und nicht einmal mit uns verwandt ist: Tante Lina hat gewollt, dass auch nach ihrem Ableben noch Dinge geschrieben werden, die man dann später in Regale stellen kann, und verfügt, dass bis in alle Ewigkeit hoffnungsvolle, suggestible Menschen auf den Terrassen der Casa sitzen sollen, ihre Füße hochlegen, hinausblicken auf die Bucht und überlegen, wann die Wolke auf dem Monte Dings sich je verziehen wird: Autorenstipendium, here we come!

BOMBOLONE