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Vier Frauen im Bann schicksalhafter Veränderungen!

In einer Zeit, da dramatische Entwicklungen die Welt erschüttern, stellen sich vier Frauen den Herausforderungen ihres Lebens. Die Walfängerin Alessandra, eine Rebellin, die sich dagegen auflehnt, einem Gott geopfert zu werden, und dafür mit einem Leben auf der Flucht bezahlt. Die Kirchenfürstin Cosima, eine Intrigantin, die für ihre Überzeugungen über Leichen geht. Ernanda, die Söldnerführerin, die ihrer heimichen Liebe in eine Schlacht folgt, die mit Waffengewalt nicht gewonnen werden kann. Und Grasfeder, Auserwählte des Geistertänzers, deren Liebe den Tod besiegt …

"Die Gezeitenwelt – ein Meilenstein der Fantasy-Literatur." Wolfgang Hohlbein 

LETUM NON OMNIA FINIT,
LURIDAQUE EVICTOS
EFFUGIT UMBRA ROGOS
(Properz, Elegiae 4, 7, 1)

(Der Tod beendet nicht alles:
fahl aus des Grabes Gewalt
ringt sich der Schatten empor.)

Das Geschenk des Meers

Das Kap der Türme, am 13. Tag des Hitzemondes,
im 458. Jahr der Abwesenheit Gottes

Mit Beginn der Dämmerung zeigte sich der schneeweiße neue Stern am abendlichen Himmel. Alessandra streckte den Arm aus und peilte über den Rand ihres Daumens. Kein Zweifel: Der Weiße Wanderer war wieder ein wenig gewachsen. Ihr Daumen reichte nicht mehr aus, um das Gestirn mit dem Lichtschweif gänzlich zu verdecken.

Seit dieser Stern vor zehn Tagen zum ersten Mal am nächtlichen Firmament erschienen war, schwatzten die Alten gern über den neuen Gast am Himmel, den sie den Weißen Wanderer oder das Eisauge nannten. Sie ergingen sich in allerlei düsteren Orakelsprüchen über diesen Fremdling zwischen den Sternen.

Die Harpunierin lächelte spöttisch. Wie dumm, sich vor einer Erscheinung zu fürchten, die sich in so weiter Entfernung befand, daß sie hinter einer ausgestreckten Hand verschwand! Die Alten neigten dazu, über alles Neue schlecht zu reden. Wahrscheinlich lag es daran, daß sie keine Zähne mehr hatten. Wem das Fleisch von der Schwiegertochter vorgekaut werden mußte, der hatte allen Grund, von einem neuen Tag eher neues Übel als etwas Gutes zu erwarten.

So ende ich niemals, dachte Alessandra grimmig. Es bestand auch keine allzu große Gefahr, als Walfängerin alt und hinfällig zu werden. Lange bevor sie zur stumpfsinnig brabbelnden Greisin einschnurrte, hätte ein Norga sie zwischen den mächtigen Kiefern zerfleischt.

Alessandra hatte ihr zwanzigstes Jahr noch nicht vollendet, war von hohem, geradem Wuchs und schon jetzt so stark, daß sie ihre Wallanze weiter und treffsicherer schleudern konnte als die meisten anderen Harpuniere in Nantala.

Heute war ihr der Abwesende Gott wohl gesonnen. Bevor die Sonne wieder aufginge, wäre sie eine der reichsten Frauen im Dorf, und den anderen würde es leid tun, sie nicht mit in ihre Boote genommen zu haben.

Seit dem Unglück ihrer Eltern vor sechs Jahren mochte niemand sie in seinem Jagdboot haben. Abergläubisches und hartherziges Fischerpack!

Alessandra reckte trotzig das Kinn, eine Geste, die in den letzten Jahren charakteristisch für sie geworden war. Sie war fest entschlossen, sich ihren Platz in der Welt zu erstreiten, gleichgültig, was die anderen von ihr dachten. Spott machte ihr nichts mehr aus. Flachbrüstig, wie sie war, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, wurde sie von den Burschen aus dem Dorf gehässig das Mannweib genannt, und keiner von ihnen hatte ihr bisher begehrliche Blicke zugeworfen. Sie stellten lieber den einfältigen Töchtern des Bootsbaumeisters Jacomo nach. Die hatten langes goldenes Haar, dralle Brüste, gaben keine Widerworte und würden vor allem eine stattliche Mitgift mit in die Ehe bringen. Alessandras Haar hingegen war schwarz und strähnig vom Salz. Außerdem war sie bettelarm, und als sei das noch nicht genug, munkelte man, ein Fluch liege auf ihrer Sippe. Abgesehen von ihrem Onkel Pietro galt sie als die Letzte ihrer Familie. Alle anderen waren auf dem Meer geblieben. Dies schienen keine guten Voraussetzungen, um in einem Fischerdorf beliebt zu sein.

Auch Alessandras Gesicht entsprach nicht den üblichen Schönheitsvorstellungen. Es fehlte ihm die vornehme Blässe jener Mädchen, die kaum das Haus verließen. Sie war braungebrannt – abgesehen von der dünnen weißen Narbe, die ihre linke Augenbraue teilte –, denn von Kindesbeinen an hatte sie sich stets in der Nähe des Wassers aufgehalten. Hohe Wangenknochen und eine hohe Stirn machten ihr Gesicht lang und schmal. Ein Eindruck, der durch ihre dünnen, wenig ausgeprägten Lippen noch unterstrichen wurde. Vielleicht hätte ihr Gesicht asketisch, ja sogar abweisend gewirkt, wären da nicht die sanften graugrünen Augen gewesen, die an die Farbe des Meers an einem bewölkten Sommertag erinnerten. Allen Schicksalsschlägen zum Trotz spiegelten sich darin noch immer die Neugier und die Unschuld einer kindlichen Seele.

»Alessandra!« Orlandos Stimme klang schrill wie Möwengeschrei. »Komm rasch! Von hier oben kannst du sie sehen!«

Der alte Klippenwächter war den breiten, halb unter Geröll und Flugsand verschwundenen Weg ein ganzes Stück vorausgeeilt und hatte bereits den Kamm der schroffen Felswand erreicht, die sich hoch über das Kap der Türme erhob. Fast zwei Wegstunden vom Fischerdorf Nantala entfernt lag dieser verlassene Ort, den nur die Möwen und Orlando besuchten.

»Sieh sie dir an! Sind sie nicht prächtig? Wir sind reich, Alessandra!« Der Alte deutete auf die drei riesigen schwarzweißen Körper, die hilflos tief drunten am steinigen Strand lagen. »Norgawale, nicht wahr?«

Die Walfängerin nickte stumm. Es war unmöglich, die großen schwarzweißen Raubwale mit irgendeinem anderen Meerestier zu verwechseln. Sie musterte den Strand, suchte mit zusammengekniffenen Augen auf dem fleckigen Kies nach jener dünnen Linie aus zersplitterten Muscheln und vertrocknetem Tang, die den höchsten Stand des Wassers markierte. »Wie lange liegen sie schon hier?«

»Sie sind gestern mitten in der Nacht mit der Flut gekommen. Sie haben gequietscht wie Schweine am Spieß. Davon bin ich wach geworden. Ich hab sie von den Klippen aus beobachtet. Die Norgas haben sich den Strand hinaufgeschoben, als würden sie vor etwas flüchten.« Mit seiner breiten Zunge strich sich Orlando kurz über die rissigen Lippen. »Draußen auf See war aber nichts zu sehen.«

Alessandra betrachtete das dunkle Meer. Ein Stück voraus zeichneten sich die Türme in der Gischt ab, denen das Kap seinen Namen verdankte: Kleine, fast kubisch geformte Riffe erstreckten sich in weitem Bogen vor der engen Bucht, die von himmelhohen Klippen aus graublauem Fels gesäumt wurde.

»Ich sehe den Walen oft zu, wenn sie weit draußen vorbeiziehen«, sagte Orlando. »Aber nie ist einer auch nur in die Nähe der Türme gekommen. Was mag sie erschreckt haben?«

»Nichts«, entgegnete Alessandra entschieden. »Dort draußen in der See gibt es nichts, was ein Norga fürchten müßte. Sie zerreißen sogar die großen Kraken, die manchmal aus den Abgründen der See heraufsteigen.«

»Nein, nein, da draußen geschieht etwas!« beharrte der Alte. »Warum sonst sollten sie ins flache Wasser gekommen sein? Kein Wal schwämme ohne Grund hierher!«

»Vielleicht sind sie ja verrückt geworden«, erwiderte Alessandra, mehr, um etwas zu sagen, als weil sie wirklich davon überzeugt war.

Schrilles Gelächter ertönte vom Himmel, fast als wäre der Abwesende Gott plötzlich zurückgekehrt, um sie für diesen widersinnigen Gedanken zu verspotten. Hoch über ihnen schwebte eine Rotkopfmöwe. Mit weit ausgebreiteten, leicht zitternden Schwingen schien sie in der Luft zu verharren und balancierte auf dem Wind, der stetig vom Meer her wehte.

Erneut stieß der große Vogel einen Schrei wie Hohngelächter aus, dann winkelte er die schneeweißen Flügel an und segelte in weitem Bogen zum Strand herab.

»Wo einer dieser verdammten Rotköpfe auftaucht, sind es bald noch mehr!« fluchte Orlando. »Komm, Alessandra, erledigen wir unser Geschäft. Die Wale sind ein Geschenk Gottes an uns. So einfach ist die Erklärung, warum es sie an den Strand verschlagen hat!«

Voll widerstreitender Gefühle folgte die Harpunierin dem Alten, vorbei an seiner windschiefen Hütte, die im Schatten eines abgestorbenen Baums dicht hinter den Kamm des Steilhangs kauerte. Norgas hatten ihr einst die Eltern genommen und das beste Fangboot des Dorfes zerstört. Die Überlebenden hatten ihrem Vater damals die Schuld an dem Unglück gegeben. Er war der Steuermann gewesen. Angeblich hatte er den Strom feiner Luftblasen übersehen, der einen auftauchenden Wal ankündigt, kurz bevor er durch die Wasseroberfläche stößt.

Alessandras Finger schlossen sich fester um den hölzernen Schaft ihrer Harpune. Die Eltern würde sie nie mehr zurückgewinnen, wohl aber das Ansehen und den Reichtum, den ihre Familie einst besessen hatte. Heute gab ihr das Meer zumindest einen Teil dessen wieder, was es ihr einst genommen hatte. Und wer mochte es wissen – vielleicht war sogar jener Wal, der vor sechs Jahren das Boot ihrer Eltern zerstört hatte, unter den gestrandeten Jägern?

Einen Herzschlag lang blickte sie zu dem Eisauge hinauf, das seine helle Spur in den Himmel schnitt. Es hatte ihr Glück gebracht! Dann beeilte sie sich, Orlando einzuholen.

Von der Klippe aus führte ein aus dem Fels geschlagener breiter Weg in weiten Kehren den steilen Abhang hinab. Das Weggefälle war so gering, daß hier selbst Ochsenkarren fahren konnten. Niemand im Dorf wußte noch, wer solchen Aufwand getrieben hatte, um zum schmalen Kiesstreifen einer einsamen Bucht zu gelangen. Etliche Dörfer, die landeinwärts in den Bergen lagen, waren nicht so leicht zu erreichen wie dieser menschenleere Strand, der allein Orlando gehörte.

Der Alte befand sich schon zwei Wegkehren tiefer als sie, als er innehielt, um sich mit einem kurzen Blick zu überzeugen, daß sie ihm auch wirklich folgte. Es schien, als verliehen ihm die sterbenden Wale dort unten noch einmal die Kräfte seiner Jugend. Er war so aufgeregt wie ein Junge, der in den Klippen verborgen ein Nest der seltenen Kronenadler aufgespürt hat, deren Federn man nachsagt, sie seien mächtige Glücksbringer und könnten sogar den Bösen Blick bannen.

Orlando war schon sehr alt. Solange sich Alessandra erinnern konnte, hatte er hier oben auf der Klippe gelebt, und doch nannten die meisten im Dorf ihn abschätzig den Fremden. Er hatte ein spitzes Gesicht, gerahmt von einem tabakfleckigen Stoppelbart und einem dichten schlohweißen Haarschopf. Seine großen dunklen Augen wirkten gehetzt, und sein Blick vermochte selten länger als einen Herzschlag lang an einem Ort zu verweilen. Das Alter hatte Orlando gebeugt, und sein Rücken war krumm wie eine Sichelklinge, so daß er der Harpunierin kaum bis zur Brust reichte. Doch im Gegensatz zu den übrigen Alten, die Alessandra kannte, benutzte er keinen Krückstock.

Jahrein, jahraus trug er ein blassblaues Hemd, an dem die Hälfte der Knöpfe fehlte und aus dem üppiges Brusthaar hervorquoll; dazu eine wadenlange Hose, die schon so oft gewaschen und geflickt worden war, daß man ihre ursprüngliche Farbe unmöglich erraten konnte. Schuhe verachtete Orlando ebenso wie eine Kopfbedeckung, und Alessandra konnte sich erinnern, ihn selbst im kalten Winterregen barfuß gesehen zu haben.

Das auffälligste Merkmal des Alten war jedoch jene Axt, die stets von dem geteerten Tauende herabhing, das er als Gürtel benutzte. Wohin immer er ging, nahm er sie mit, und Orte, die man mit einer Waffe nicht betreten durfte – so wie den Hain der Stehenden Steine oder die große Versammlungshalle im Dorf –, mied er. Es handelte sich um eine kleine, einhändig zu führende Holzfälleraxt, deren Blatt er schon so oft nachgeschliffen hatte, daß es unnatürlich kurz wirkte. Der unterarmlange Griff war mit Lederstreifen umwickelt, die der Schweiß des Alten über Jahre hinweg dunkel gefärbt hatte.

Die Aufregung schien seinen Schritten Flügel zu verleihen. Erst an der letzten Wegkehre vor dem Strand holte Alessandra ihn wieder ein.

»Warum hast du ausgerechnet mich gerufen, um die Norgas zu töten? Ich bin die jüngste und am wenigsten erfahrene Harpunierin im Dorf.«

Orlando hielt inne und drehte sich zu ihr um. »Du warst die erste, der ich über den Weg lief. Und deine Beine sind jung ... Ich wollte keine Zeit verlieren. Das Meer hat mir die Norgas geschenkt. Vielleicht nimmt es sie uns auch wieder ...« Seine dunklen Augen hatten einen harten Ausdruck angenommen, während er sprach. Es war ihm ernst!

»Du kennst die Gesetze der Küstenfahrer?« fragte Alessandra. »Wenn ich die Norgas töte, habe ich Anspruch auf die Beinaugen und den dritten Teil von allem, was die Wale dir einbringen. Warum hast du sie nicht selbst erschlagen, wenn du solche Sorge hast, sie könnten zurück ins Meer entkommen? Dann hättest du nur mit den Flensern, die die Wale zerlegen, und den Ölsiedern teilen müssen. Das hätte dich lediglich den zehnten Teil der Beute gekostet.«

Der Alte strich über die Axt an dem behelfsmäßigen Gürtel. »Und es hätte mich ein Bein oder einen Arm kosten können. Mit meiner Kleinen müßte ich viel zu nahe an die Biester heran.« Orlando bedachte sie mit einem zahnlückigen Grinsen. »Das ist deine Aufgabe. Verdien dir den dritten Teil!«

Alessandra kniff trotzig die Lippen zusammen und reckte das Kinn. Zweifelte Orlando an ihr? Mit vierzehn hatte sie ihren ersten Wal harpuniert. Doch nach dem Unfall ihrer Eltern nahm man sie nicht mehr mit aufs Meer hinaus. Deshalb war sie allein zu den Riffen vor der Küste geschwommen und hatte auf Tümmler und Schwertfische gelauert, die manchmal nahe an die Klippen herankamen. Einmal, als sie wochenlang kein Jagdglück gehabt hatte, war sie sogar zu der flachen Insel geschwommen, die weit draußen vor dem Kap der Türme lag, und hatte einen der großen Seeelefantenbullen erlegt. Die Prämie für seine langen elfenbeinernen Stoßzähne hatte sie damals über den Winter gebracht. Wenn Orlando glaubte, es mangle ihr an Mut oder Entschlossenheit, um ein paar gestrandete Norgas zu erlegen, dann hatte er sich getäuscht!

Kies knirschte unter ihren Stiefeln, als sie das kurze Stück zum Ufer hinabging. Die Wale lagen ganz still. Einer der beiden kleineren stieß ein Schnauben aus, das wie ein langer Seufzer klang.

Alessandra war nahe genug heran, um zu erkennen, daß die Augen der Tiere ganz mit blutigem Schleim verklebt waren. Sie konnten sie nicht kommen sehen. Prüfend wog sie die schwere Harpune in den Händen. Da sie heute nicht zu jagen vorgehabt hatte, war ihre Jagd- und Schutzwaffe schon in der Frühe von der langen Fangleine befreit worden. Geduldig hatte Alessandra den schwierigen Knoten gelöst. Verglichen mit den riesigen Tieren, erschien ihr die Waffe nun lächerlich klein. Und doch würden sich die Norgas nicht gegen sie wehren können, wenn sie es nur richtig anstellte. Sie durfte lediglich den Kiefern mit den handlangen Zähnen nicht zu nahe kommen.

Vorsichtig pirschte sie sich seitlich an den kleinsten der Wale heran. Verräterisch knirschte der Kies. Wie gut konnten die Norgas wohl hören? Selbst der kleinste der drei Raubwale maß vom Kopf bis zur Schwanzspitze mehr als vierzehn Schritt. Ein Hieb mit seiner Schwanzflosse hätte mühelos ein Walfangboot zerschmettert. Doch hier nutzte ihm diese schreckliche Waffe ebensowenig wie die gewaltigen Kiefer. An Land war der Räuber wehrlos, jedenfalls solange sich die Harpunierin seitlich von ihm hielt.

Alessandra hob die Harpune mit beiden Händen. Sie würde ihm den funkelnden Stahl seitlich in den Rücken stoßen, dort hinein, wo das kleine Blasloch saß. An dieser Stelle liefen mehrere große Adern zusammen; so hatte es ihr einst ihre Mutter beigebracht. Wenn man die Stelle genau traf, konnte man selbst dem größten Wal eine tödliche Wunde beibringen. Verfehlte man aber sein Ziel, war die Harpune wenig mehr als ein Spielzeug. Alessandra erinnerte sich an Geschichten über Wale, die ein Dutzend und mehr Lanzen im Rücken stecken hatten und immer noch ungestüm die Jagdboote angriffen.

Die Harpunierin biß die Zähne zusammen und stieß zu. Fast ohne auf Widerstand zu stoßen, glitt die widerhakenbesetzte Spitze der Waffe durch die Speckschwarten des Wals. Hilflos peitschte er mit der Schwanzflosse auf den Kies. Im selben Augenblick, da ihn die Waffe traf, stießen die beiden anderen Norgas glucksende tiefe Laute aus.

Eine Fontäne aus Blut schoß aus dem Blasloch und besudelte Alessandra, die sich mit aller Kraft bemühte, die Harpune aus dem Körper des Tiers zu ziehen.

Vom Meer her erklang ein unheimlicher, langgezogener Heulton voller Traurigkeit.

»Da draußen sind noch mehr Norgas!« schrie Orlando und wich bis an den Fuß der Steilklippe zurück.

Blut rann Alessandra in Augen und Mund. Fahrig wischte sie sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Ihre Hände zitterten vor Anstrengung. Das Walblut schmeckte bitter und metallisch. Mit einem Ruck löste sich schließlich die Waffe. Faseriges Fleisch haftete an den Widerhaken.

»Herr, vergib mir«, murmelte sie die rituelle Abbitte an den Abwesenden Gott. »Ich tötete dein Geschöpf ohne Zorn, und ich verspreche dir, daß nichts von ihm vergeudet sein soll.«

Die blutige Fontäne, die dem Wal aus dem Rücken schoß, wurde mit jedem pfeifenden Atemzug flacher. Während sie vorsichtig die halb geöffneten Kiefer des Tiers mied, zog sich Alessandra zurück. Es dauerte eine ganze Weile, bis mehr als vierzig Tonnen Fleisch hinnahmen, daß das Leben sie verlassen hatte.

Die drei Wale lagen dicht nebeneinander auf dem Strand, der größte von ihnen in der Mitte. Die beiden anderen hatten sich so dicht an das Leittier gedrängt, als wollten sie es mit ihren Leibern schützen. Wer immer sich ihm also nähern wollte, geriet in Reichweite seiner Reißzähne oder der gewaltigen Schwanzflosse.

Mit angehaltenem Atem zog sich die Harpunierin ein Stück zurück und schlug dann einen weiten Bogen, um seitlich an den noch lebenden kleineren Wal heranzukommen. Obwohl seine Augen mit zähflüssigem Schleim überzogen waren, hatte sie das beunruhigende Gefühl, daß der alte Wal jede ihrer Bewegungen wahrnahm.

Als sie seine Flanke erreicht hatte, begann seine Seitenflosse zu zucken, und er stieß einen Laut aus, der an ein menschliches Stöhnen erinnerte. Wenn ich die Tiere töte, befreie ich sie von ihren Qualen, dachte Alessandra. Sie gehen hier am Strand ohnehin jämmerlich zugrunde.

Die Walfängerin hob ihre Waffe und stieß erneut mit aller Kraft zu. Wieder hatte sie zielsicher den stark durchbluteten Bereich hinter dem Blasloch getroffen. Noch einmal wiederholte sich das grausige Schauspiel der Blutfontäne.

Mit einer geschickten Drehung befreite Alessandra die Wallanze aus dem Fleisch und trat dem dritten Norga gegenüber. Sie fühlte sich wie ein Metzger und nicht wie eine Jägerin. Dann dachte sie an das viele Geld, das ihr die Beute bringen würde.

Sie blinzelte. Erneut war ihr Blut in die Augen gelaufen. Das Meer hatte den roten Sonnenball schon fast ganz verschluckt, und auf dunklen Schwingen näherte sich von Osten her die Nacht. Böiger Wind trieb Wellen gegen den Strand. Ein dunkler Strom aus Blut vermischte sich mit dem Wasser, und der schmale Gischtkranz zwischen Land und Meer färbte sich rot.

Der letzte der drei Norgas mußte mehr als hundert Jahre alt sein. Nie zuvor hatte Alessandra einen so großen Raubwal gesehen. Sein langgezogener Kopf war von tiefen Narben übersät, die an manchen Stellen ein so dichtes Geflecht bildeten, daß sie wie die verschlungenen Glyphen einer unbekannten alten Schrift wirkten.

Das Blut seiner sterbenden Brüder war auch über den alten Wal gespritzt und lief ihm in zähflüssigen Schlieren vom Rücken herab, wobei es sich in den Verkrustungen der Narben sammelte. Besonders deutlich traten diese auf der langgezogenen weißen Blesse hinter dem rechten Auge hervor. Es waren die runden Male der Saugnäpfe riesiger Oktopoden, mit denen der Wal einst gekämpft hatte, und die breiten, kantigen Schnitte der Schnäbel dieser vielarmigen Ungeheuer. Etwas seitlich im Rücken des Norgas steckten zwei abgebrochene Harpunen.

Ob der Wal auch schon Menschen angegriffen hat? schoß es Alessandra durch den Kopf. Bei seiner Größe könnte er sogar den schweren Küstengaleeren der Kriegsmarine oder den dickbauchigen Fangschiffen aus den großen Häfen gefährlich werden, die sich weit aufs Meer hinauswagen, um den großen Walherden nachzustellen.

Der alte Norga tat einen schwerfälligen Atemzug. Das Gewicht seiner dicken Speckschwarten preßte auf die Lungen. Hier an Land, wo der Auftrieb des Wassers seinen Körper nicht mehr stützen konnte, würde ihn das eigene Gewicht langsam ersticken.

Der Wal blinzelte, und der Schleimfilm auf seinem Auge zerriß. Er sah Alessandra an. Es war mehr als nur der Blick eines Tiers. Er verstand sie und schien ihr mit seinem Auge, dunkel wie die tiefsten Abgründe des Ozeans, unmittelbar ins Herz zu schauen. Sein Blick hatte etwas Zwingendes, und so absurd dieser Gedanke auch war: Alessandra hatte das Gefühl, daß der alte Wal auf den Strand geschwommen war, weil er von ihr harpuniert werden wollte.

Sie sprang vor und stieß ihre Lanze in das Auge des Jägers. Das unheimliche Band zerriß, das einige Herzschläge lang zwischen ihr und dem Norga bestanden hatte. Tief drang der Stahl in sein Gehirn und trennte den Tierleib vom Leben.

Alessandra taumelte zurück, strauchelte und fiel in den Kies. Ihre Hände zitterten und wollten nicht zur Ruhe kommen. »Herr, vergib mir«, stammelte sie die Liturgie der Waljäger. »Ich tötete dein Geschöpf ohne Zorn, und ich verspreche dir, daß nichts von ihm vergeudet sein soll.«

Hinter sich hörte sie Schritte. Eine Hand legte sich ihr auf die Schulter. »Das hast du gut gemacht, Mädchen«, erklang die wohltönende dunkle Stimme Orlandos. »Deine Mutter wäre stolz auf dich gewesen.«

Alessandra antwortete nicht. Obwohl es ein warmer Sommerabend war, fror sie. Blutverkrustet klebten ihr die Kleider wie eine zweite Haut am Leib.

»Du siehst aus wie ein Neugeborenes, das man gerade aus dem Mutterleib geholt hat«, scherzte Orlando.

Er blieb eine ganze Zeit hinter ihr stehen und teilte mit ihr das Schweigen. Als er schließlich begriff, daß sie nicht reden wollte, zog er die Hand zurück. »Ich gehe ins Dorf und hole die Flenser und die Ölkocher. Am besten zerlegen wir die Norgas gleich hier unten am Strand.« Knirschend entfernten sich seine Schritte über den Kies.

Ungelenk mit den Flügeln schlagend, landete eine Rotkopfmöwe auf dem Rücken des kleinsten Wals und hüpfte zu der Stelle, wo Alessandras Harpune eine klaffende Wunde gerissen hatte. Prüfend blickte der Vogel in Alessandras Richtung, dann verschwand sein rotfaltiger häßlicher Kopf fast gänzlich in der blutigen Öffnung.

Krächzend landeten noch zwei weitere gierige Aasräuber bei den Walkadavern.

Alessandra warf einen flachen Stein nach ihnen, doch er verfehlte sein Ziel.

Schon kreisten neue Möwen hoch über den Steilklippen. Nicht mehr lange, und der schmale Strandstreifen würde von Rotköpfen nur so wimmeln.

Müde stemmte sich Alessandra hoch. »Weg mit euch!«

Die erste Möwe, die auf dem Walrücken gelandet war, blickte erschrocken auf. Ein faseriger Fleischfetzen hing ihr aus dem Schnabel.

Alessandra bückte sich und hob eine Handvoll Steine auf.

Als ahnte die Möwe, was nun käme, hüpfte sie eilig davon. Auch die anderen Räuber zogen sich vorerst ein Stück den Strand hinab zurück.

»Ich habe zu oft gehungert, um jetzt mit euch zu teilen!« rief die Jägerin wütend. »Keine Unze Fleisch werdet ihr mir stehlen!«

Dort, wo sie eben noch am Strand gesessen hatte, landete eine weitere Rotkopfmöwe. Alessandra wußte: Solange sie dicht bei den Walen stand, solange sie schrie und ab und zu mit Steinen warf, würden die gierigen Räuber Abstand halten.

Sie zog das lange gekrümmte Messer aus der Lederscheide an ihrem Gürtel und drehte sich zu den Walen um. Mit kräftigen Schnitten kerbte sie ihr Zeichen in die Stirn des großen Norgas. Von ferne sah es aus wie ein Kreuz. Bei genauerem Hinsehen war ein stilisiertes Jagdboot zu erkennen, das zwischen den Kiefern eines senkrecht aus dem Wasser hervorstoßenden Norgas zertrümmert wurde.

Unter den aufmerksamen Blicken der immer größer werdenden Möwenschar schnitt sie das Zeichen auch in die Haut der kleineren Wale. Jeder Harpunier kennzeichnete seine Beute mit einem solchen Symbol. Danach entwand sie ihre Lanze dem Schädel des alten Tiers.

»Seht ihr das, ihr Gesindel?« schrie Alessandra die Möwen an. »Dies ist mein Gut! Und wer immer etwas davon stiehlt, soll verflucht sein. Ich werde euch ...« Sie biß sich auf die Lippen. Was tat sie da? Sie gebärdete sich ja wie eine Wahnsinnige. Es gab keinen Grund, sich so aufzuregen. Es waren doch nur Möwen.

Mit der Linken kramte sie in einer der Taschen ihrer engen Hose, bis sie einen Brocken Kautabak fand. Zufrieden grunzend biß sie ein Stück von der zähen Masse ab und ging dann in die Hocke. Der Tabak brannte angenehm auf der Zunge. Sie streckte die Arme von sich und betrachtete ihre Hände. Sie zitterten nicht mehr. Lässig pickte sie einige runde Kiesel auf. Sollten die Möwen nur kommen. Diesmal würde sie die frechen Räuber nicht verfehlen.

Alessandra lehnte sich mit dem Rücken an den Kadaver des alten Norgas und betrachtete das Eisauge am Nachthimmel. Es hatte ihr Glück gebracht. Sie war eine reiche Frau.

Die verlorene Zunge

In der Ziegenklamm, nahe dem Fischerdorf Nantala, am 15. Tag
des Hitzemondes, im 458. Jahr der Abwesenheit Gottes

Ein breiter Streifen Sonnenlicht fiel senkrecht in die tiefe Schlucht. Wasser glitzerte auf den schroffen Felswänden, und ein winziger Regenbogen schwebte über der Gischtwolke des kleinen Wasserfalls am Ende der Schlucht.

Alessandra liebte es, zu dieser Tageszeit in die Ziegenklamm zu kommen. Sie streifte das Hemd über die nassen Schultern und betrachtete den Regenbogen. Er war stets nur für wenige Augenblicke zur Mittagszeit zu sehen.

So vieles hatte sich in den letzten zwei Tagen verändert. Eigentlich hatte sie Nantala, ihr kleines Fischerdorf, verlassen wollen. Doch plötzlich war es, als sei ein Makel von ihr gewichen.

Seit sie die Wale erlegt hatte, grüßte sie jeder. Der Fluch, der auf ihrer Familie lastete, schien vergessen. Gestern nacht hatte ihr sogar Rocco, der Sohn des Böttchers, nachgepfiffen.

Sie fühlte sich in den engen Gassen der schmutzigweiß verputzten Häuschen wieder heimisch, ja geborgen. Sie kannte hier jeden Winkel, jede Bucht und jeden Fischgrund im Umkreis vieler Meilen, und an diesen klaren Sommertagen erschien ihr das Meer in dem flachen Hafen von Nantala blauer und freundlicher als irgendwo sonst. Gestern abend hatte ihr Guillamo, der Älteste, sogar einen Platz im oktagon angeboten, dem Rat der bedeutendsten Bürger des Dorfes. Hier wurden alle wichtigen Fragen entschieden, die die Geschicke Nantalas betrafen. Nicht einmal ihre Mutter hatte man damals ins oktagon eingeladen, obwohl sie eine geachtete Harpunierin gewesen war.

Alessandra streifte sich die Hose über, zog sich die Stiefel an und schüttelte übermütig ihr strähniges, nasses Haar. Sie sollte beim Schiffsbaumeister ein schlankes Jagdboot in Auftrag geben! Im Geist sah sie sich im Bug des Bootes stehen, das durch die Wellenkämme einer aufgewühlten Wintersee schnitt, angetrieben von den sechs besten Ruderern des Dorfes.

Sie griff nach ihrer Harpune, die an einem Felsen lehnte. Seit vorgestern belächelte niemand mehr ihre Marotte, die Wallanze überallhin mitzunehmen. Pfeifend kletterte sie den Ziegenpfad hinauf; der aus der Klamm zu dem steilen Hügel mit den Agavenfeldern hinter dem Dorf führte. Lange bevor sie die Hügelkuppe erreichte, hörte sie schon das mahlende Geräusch der eisenbeschlagenen schweren Räder. Sie blieb am Wegrand stehen und sah nach Norden.

Guillamos Fuhrwerk näherte sich gemächlich. Schon von weitem war es an den safrangelben Bändern zu erkennen, die in Mähnen und Schweife der beiden schweren Kaltblüter geflochten waren, die den Lastkarren zogen. Auf der Pritsche waren sechs große Fässer festgezurrt. Jedes einzelne von ihnen faßte mehr als dreihundert Liter Öl.

Auf dem Kutschbock saßen Guillamo und sein bulliger Sohn Tormo. Während Tormo mit ausdrucksloser Miene die Zügel hielt, hatte sein Vater den Kopf in den Nacken gelegt und trank mit großen Schlucken aus einer Weinflasche. Als Guillamo die Flasche absetzte, erkannte er Alessandra und winkte ihr mit seinem löchrigen Strohhut zu. Dann nahm er Tormo die Peitsche ab und ließ sie über den Köpfen der Kaltblüter knallen. Doch trotz der wilden Flüche des Alten wurde das schwere Fuhrwerk immer langsamer, während es sich den steilen Hügel hinaufmühte. Als es schließlich die Kuppe erreicht hatte, troff den beiden Stuten weißer Schaum vom Maul.

»Gott, Mädchen!« japste der Alte aufgeregt. »Dreiundsechzig Fässer feinstes Norga-Öl haben die Sieder schon aus dem Tran gekocht, und sie haben den größten Wal noch nicht einmal angerührt!« Guillamo war kahl und sein Gesicht von Falten durchzogen, die der Seewind und die Sorgen in sein grobporiges Antlitz geschnitten hatten. Früher einmal war er Steuermann eines Jagdbootes gewesen, doch das war schon lange her. »Wenn ich nicht meine Roxana hätte, würde ich mir wahrhaftig überlegen, dir den Hof zu machen. Du bist die beste Partie im Dorf, und verdammich hübsch bist du obendrein!« Er starrte unverhohlen auf ihre Brustwarzen, die sich durch das feuchte Hemd deutlich abzeichneten. Dann brach er in schallendes Gelächter aus. »Brauchst nicht blaß zu werden, Mädchen. War nur ein Scherz.« Er versetzte Tormo einen Stoß mit dem Ellbogen. »Wenn du nicht so stumm wie ein Fisch wärst, könntest du der kleinen Alessandra den Hof machen. Bist ein stattlicher Kerl! Wenn du nur deine Zunge nicht verschluckt hättest, Junge.«

Tormo vermied es, in Alessandras Richtung zu blicken, und starrte stur auf die Hinterteile der beiden Stuten. Die Harpunierin mochte den jungen Mann. Er gehörte zu den wenigen, die sie in den letzten Jahren nicht verspottet hatten. Im Gegenteil, auch er war stets ein beliebtes Ziel derber Späße der Dorfjugend gewesen.

Alessandra konnte sich noch gut an jene Zeiten erinnern, als Tormo ein ganz gewöhnlicher Junge gewesen war. An einem Winterabend, zum Fest der Götzenschlacht, hatte er sie in einen Bootsschuppen gezogen. Der Sturmwind hatte an den Dachschindeln gerüttelt, und der ganze Schuppen war erfüllt gewesen vom Duft nach Teer und frisch geschnittenem Holz. Im Licht einer kleinen Tranlampe hatte er die Hose heruntergelassen und ihr seine Harpune gezeigt. Alessandra schmunzelte. Sie war damals sehr beeindruckt gewesen.

Im selben Winter hatte Tormo ein rätselhaftes Fieber gepackt. Er war der einzige in Nantala gewesen, der daran erkrankt war. In seinen Fieberträumen hatte er so geschrien, daß man es im ganzen Dorf hörte. Unheimliche Dinge hatte er gerufen: von einem Tag, da alles Wasser aus dem Hafen weichen und da eine zweite Sonne am Himmel stehen werde. Nach der ersten Nacht schon war seine Stimme so heiser gewesen, daß sie sich anhörte, als spräche ein alter Mann durch den Mund des Jungen. Im Dorf hatte helle Aufregung geherrscht. Niemand vermochte Tormo aus seinem unheimlichen Schlaf zu wecken, um ihn zum Schweigen zu bringen. Man hatte auch versucht, den Jungen zu knebeln. Doch was immer man unternahm, nach ein oder zwei Stunden hatten sich die Knebel gelöst.

Über das weitere Geschehen gab es zwei unterschiedliche Geschichten im Dorf. Guillamo behauptete, ein vermummter Kerl sei ins Haus gekommen und habe Tormo die Zunge herausgeschnitten. Doch er konnte niemanden im Dorf benennen, der diese blutige Tat begangen haben sollte. In dieser Zeit hatte man auch weit und breit keinen Fremden an der Küste gesehen. Die meisten glaubten deshalb, der Alte selbst habe seinen Sohn verstümmelt, um ihn endlich zum Schweigen zu bringen.

Es wurde Frühling, bis Tormo von dem Fieber genas. Von da an ging er allen aus dem Weg. Er arbeitete für zwei. Doch lachen sah man ihn nie mehr. Mit den Jahren war er stark geworden wie ein Stier, und man verspottete ihn nur dann, wenn er nicht in Hörweite war.

»Steig auf den Karren, Alessandra! Du sollst im Triumph im Dorf einziehen. Durch dich füllen sich unsere Taschen! Wenn die Flenser mit den Walen fertig sind, dann feiern wir ein Fest, wie es Nantala lange nicht mehr gesehen hat!« Er grinste breit. »Ich habe bei Philippo schon fünf Hammel bestellt. Und jetzt herauf mit dir auf den Karren! Los, Tormo, sei unserer Heldin behilflich!«

Der Junge streckte ihr die Hand hin. Noch immer vermied er es, sie anzuschauen.

Alessandra wünschte sich, sie wäre ein bißchen länger unten in der Klamm geblieben. Die ganze Sache war ihr unangenehm. Aber sie konnte dem Ältesten den Wunsch nicht abschlagen – nicht bevor er dafür gesorgt hatte, daß man sie ins oktagon aufnahm. Also griff sie nach Tormos Hand, die sich schwielig und schweißnaß anfühlte. Mit einem kräftigen Ruck zog er sie auf den Kutschbock.

»Vorwärts, ihr lahmen Schindmähren!« Guillamo ließ die Peitsche über die Köpfe der beiden Stuten hinweg knallen. Alessandra verlor das Gleichgewicht und stürzte Tormo in die Arme.

Der Älteste brach in gackerndes Gelächter aus. »Laßt euch nicht stören, ihr beiden Turteltäubchen. Ich wußte doch, daß du was für unsere Heldin übrig hast, Kleiner, so wie du immer Löcher in die Luft starrst, wenn sie in der Nähe ist. Sag nur, wenn’s nicht so ist, Junge!« Wieder brach er in wieherndes Gelächter aus.

Alessandra hatte sich inzwischen aufgerappelt und war auf die Pritsche geklettert. »Laß ihn in Ruhe, Guillamo!«

»Warum? Er ist mein Sohn. Ich will ihn doch nur gut verheiratet wissen. Laß einem alten Mann ein bißchen Spaß. Weißt du, daran, daß er still ist, gewöhnt man sich schnell. Quatscht wenigstens kein dummes Zeug. Manchmal wünschte ich, seine Mutter hätte ihre Zunge verschluckt und nicht er. Du solltest mal sehen, was er unter der Hose trägt. Ich sag dir, mein Kleiner braucht sich nicht zu verstecken. Der ist bestens ausgerüstet. Stimmt’s, Tormo?«

Tormo hielt die Zügel fest umklammert und starrte auf den Feldweg vor sich.

»Nun, dann schweigen wir eben ...« Guillamo setzte die Weinflasche an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck.

Der Weg zum Dorf war so holprig, daß sich Alessandra mit der Linken auf Tormos Schulter stützen mußte, wenn sie nicht bei jedem Schlagloch das Gleichgewicht verlieren wollte. Sie spürte, wie seine Muskeln unter dem Hemd arbeiteten, wenn er an den Zügeln zog oder die Kaltblüter mit einem kehligen Grunzen dazu brachte, in der Wegspur zu bleiben.

Wäre dieses Fieber nicht gewesen, dann wäre Tormo sicher längst ein Bootsführer geworden. Vielleicht sollte sie ihn in ihre Mannschaft aufnehmen, wenn sie erst einmal ein eigenes Jagdboot besaß. Viele waren der Meinung, er sei nicht ganz richtig im Kopf. Die anderen fanden es wahrscheinlich nicht gut, mit so einem rudern zu müssen. Besser wohl, sie überdachte die Sache noch einmal.

Alessandras Blick wanderte zu dem dünnen Lederriemen, den sich Tormo anstelle eines Rings durch das durchstoßene Ohrläppchen gezogen hatte. Das untere Ende des Riemens verschwand unter seinem Hemd. Über Tormos rechtem Brustmuskel zeichnete sich eine Beule unter dem groben Stoff ab. Es hieß, er habe immer eine kleine Maus bei sich. Angeblich hatte er das andere Ende des Riemens an ihrem Schwanz festgeknotet. Verrückt! Nein, es wäre nicht gut, einen solchen Kerl mit ins Boot zu nehmen. Auch wenn sie Tormo mochte.

Als sie den Rand des Dorfes erreichten, begann Guillamo wieder ausgelassen zu rufen. »Dreiundsechzig Fässer! Und wir haben noch einen ganzen Norga zu zerlegen. Einen riesigen alten Bullen! Feiert unsere Heldin!«

Alessandra war das Geschrei peinlich. Sie hielt den Blick gesenkt und wünschte sich zum Wasserfall in der verborgenen Klamm zurück.

»He, ihr Nichtsnutze! Laßt gefälligst unsere junge Heldin hochleben!«

Aus den Augenwinkeln sah Alessandra eine Gruppe von Frauen beieinanderstehen und aufgeregt miteinander tuscheln. Nur ein dunkelhaariges kleines Mädchen blickte zu ihr auf und winkte.

»Bei den unflätigen Götzen vom Rand der Welt, was ist denn in euch gefahren, ihr dummen Weiber? Man sollte euch alle ...«

Tormo zog an den Zügeln und brachte die schwere Kutsche zum Stehen. Sie hatten den Marktplatz im Herzen des Dörfchens erreicht, und mitten auf dem Platz befand sich ein Trupp Fremder. Es waren drei Waffenknechte, gekleidet in geschlitzte bunte Wämser, und zwei schwarzgewandete Lakaien. Der Anführer der Truppe aber war ein hochgewachsener Mann in weißer Soutane. Ihn schmückten eine purpurgefärbte Bauchbinde und ein breitkrempiger Hut aus gleichfarbenem Stoff. Die Insignien eines Gesandten des princeps von Monte Flora!

Cosimo, der Böttcher und sein Sohn Rocco kamen zum Wagen herübergelaufen. »Hochwürden ist ein collector. Wir sind vom princeps auserwählt worden. Nur drei Dörfern ist diese Ehre zuteil geworden.«

Guillamo nickte zufrieden. »Unser Schicksal steht unter einem guten Stern. Erst die Norgas – und jetzt gehören wir zu den Auserwählten des princeps.« Er strich sich die ausgefranste Hose glatt und schwang sich für sein Alter erstaunlich behende vom Wagen. »Wir werden heute abend eine große Versammlung einberufen. Rocco, lauf zum Strand und sammle weiße Kiesel. Bei Gott, man kommt nicht mehr zur Ruhe. Laß uns den Pfaffen zur Schenke bringen. Schauen wir nach, oh Rosalita ʼnen Becher schales Bier für ihn übrig hat.«

Alessandra musterte den weißgewandeten Kirchenmann mißtrauisch. Ein collector – es war lange her, daß der princeps einen ähnlich wichtigen Geistlichen in ihr Dorf geschickt hatte.

Tormo zupfte sie am Ärmel und stieß einen rauhen Laut aus. Er deutete auf den Priester und schüttelte heftig den Kopf. Dann zeigte er auf Alessandra und in Richtung der Berge. Mit Mittelfinger und Zeigefinger machte er eine Geste, die wohl soviel wie ›laufen‹ bedeuten sollte.

Die Harpunierin runzelte die Stirn. »Was meinst du? Ich soll in die Berge gehen? Du weißt doch, daß niemand das Dorf verlassen darf, wenn ein collector zugegen ist. Ich würde den Abwesenden Gott beleidigen, und das, nachdem er mir gerade ein so reiches Geschenk gemacht hat.« Sie stieg vom Wagen und sah zu den Söldnern herüber. Die Krieger trugen stattliche Pluderhosen mit grellroten Schamkapseln. Einer der Männer grinste sie frech an, und Alessandra blickte herausfordernd zurück. Dann grinste auch sie. Es war schon mehr vonnöten, als aufgebauschter Stoff, um sie zu beeindrucken. Aber vielleicht würde sie dem Kerl heute abend in der Versammlungshalle noch eine Gelegenheit geben ...

Zufrieden schritt sie auf das nahe den Bootsschuppen stehende bescheidene Häuschen zu, das sie gemeinsam mit ihrem Onkel Pietro bewohnte.

Der schwarze Kiesel

Im Fischerdorf Nantala, am 15. Tag des Hitzemondes,
im 458. Jahr der Abwesenheit Gottes

Mit Einbruch der Dämmerung verließ Alessandra das Haus. In aller Ruhe schlenderte sie an der Lagerhalle der Harpuniere entlang und dachte dabei an ihr Vermögen an Walöl, das dort lagerte. Für die Zukunft ständen ihr alle Wege offen! Der Name Paresi bekäme wieder einen guten Klang in Nantala.

Das helle Geläut von pater Tomasos Bronzeglocke schreckte sie aus ihren Gedanken auf, und sie beeilte sich, zum Gemeindehaus zu kommen. Ihr Onkel Pietro war wie stets darauf bedacht gewesen, nicht unangenehm aufzufallen, und schon vor einer Weile brav vorausgegangen. Ob er seine duckmäuserische Art ablegen würde, jetzt, da ihre Familie in Nantala wieder etwas bedeutete?

Alle sollten sich im großen Gemeindehaus am Hafen versammeln, um dem Ritual des collectors beizuwohnen. Sogar die Arbeiten in der Bucht der Türme waren unterbrochen worden, noch bevor die Flenser den letzten Norga völlig zerlegt hatten. Verärgert dachte Alessandra daran, daß die Rotkopfmöwen nun doch noch zu ihrem Festmahl kämen.

Der Nordwind trug den feuchten Atem des Meeres in das Dorf. Es roch nach Salz und Seetang. Am Nachmittag hatte Alessandra den Auftrag für ein Jagdboot erteilt und mit Jacomo, dem erfahrensten Bootsbaumeister des Dorfes, erste Einzelheiten durchgesprochen. Zehn Fässer mit Tran hatte sie angezahlt und deutlich gemacht, daß er bei seiner Arbeit nur die besten Hölzer verwenden durfte. Ihr Boot sollte an der ganzen Küste nicht seinesgleichen haben!

Als sie den Marktplatz am Hafen erreichte, standen die Portale des Gemeindehauses noch weit offen. Gelbes Licht fiel aus den schmalen Fenstern. Eine Mutter mit einem kleinen Kind auf dem Arm lief quer über den Platz, in Sorge, zu spät zu kommen. In der Tür standen Tomaso, der Priester des Dorfes und Guillamo, der sich nun auf einen Stock aus Walbein stützte.

»Du bist spät!« grummelte der Älteste streng, während Tomaso der Harpunierin freundlich auf die Schulter klopfte. Der dickliche Priester war in eine Kutte aus speckigem weißem Filz gekleidet, und dicke Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Durch das Licht der vielen Tranlampen war es an diesem ohnehin schwülen Sommerabend drückend heiß im langen Saal des Gemeindehauses.

Alessandra war von der Menge der Menschen überwältigt. Lange war es hier nicht mehr so voll gewesen. Alle Einwohner Nantalas hatten sich versammelt. Selbst die gebrechlichen und kranken! Die Ziegenhirten aus den Bergen hatten ihre Herden, die Bergbauern ihre einsamen Gehöfte verlassen. Ein collector war seit mehr als einer Generation nicht mehr im Dorf gewesen, und es bedeutete eine außerordentliche Ehre für die Gemeinde Nantala, vom princeps von Monte Flora endlich wieder auserwählt worden zu sein.

Leises Murmeln lief durch die Reihen der Versammelten. »Wir sind vollzählig«, ertönte die unverwechselbare Stimme Guillamos. Gemeinsam mit pater Tomaso schloß er die schweren Torflügel der Halle. Als letzter war der Klippenwächter Orlando eingetroffen. Der alte Mann wirkte eingeschüchtert, ja regelrecht verängstigt. Es war das erste Mal, daß Alessandra ihn ohne seine Axt sah. Er drängte sich eng an die Wand gleich neben dem Eingang und verschwand hinter dem hünenhaften Tormo.

Nantala war ein kleines, aber kein armes Dorf. Vor Jahren war das Gotteshaus, das auf einer schmalen Klippe gestanden hatte, während eines Erdbebens ins Meer abgerutscht. Damals hatte man vorübergehend die Versammlungshalle des Dorfes zur Kirche gemacht. Was zunächst als Notlösung gedacht gewesen war, hatte sich schließlich als dauerhafte Einrichtung erwiesen. Daran hatte gewiß auch pater Tomaso wesentlichen Anteil, denn indem er weltliche Feste mit kirchlichen Veranstaltungen verknüpfte, war die Bedeutung der Halle für das Dorf noch mehr gestiegen.

Man hatte die Festhalle in den Jahren mit allerlei sakralem Schmuck versehen. So war ein großer Teil der Südwand mit handgroßen Elfenbeinplatten versehen. Jede Platte trug den Namen eines Dorfbewohners, der auf See geblieben war. In Halterungen an der Wand waren kupferne Tranlampen angebracht, und es gehörte zu den Aufgaben pater Tomasos, dafür zu sorgen, daß ihr Licht niemals erlosch.

Die Halle war gut zwanzig Schritt lang, und ihre Wände bestanden aus dickem, weiß verputztem Mauerwerk. Die hohe gewölbte Decke wurde von Balken getragen, die man aus den Kieferknochen von Walen geschnitten hatte. Sie waren mit Schnitzereien geschmückt, die Jagdszenen auf hoher See oder Flenser und Transieder zeigten, die erlegte Wale weiterverarbeiteten. Hin und wieder gab es auch Darstellungen mit den Eingeborenen der nördlich gelegenen Jaguarinseln, die im Ruf standen, ausgezeichnete Ruderer und Harpuniere zu sein.

Am Ende des Gemeindesaales erhob sich ein kleines Podest, das von einem Geländer umgeben war. Auch diese Bühne, von der aus Tomaso zu seiner Gemeinde sprach, hatte man aus Walknochen gefertigt.

Durch hohe, schmale Fenster fielen tagsüber breite Bänder von Licht in die Halle. Jetzt hatte man sämtliche Tranlampen entzündet, die von der gewölbten Decke hingen. Damit das Öl weniger übel roch, war es mit Duftstoffen aus den dunklen Bergen von Ekim P’Par versetzt worden, mit Essenzen, denen man nachsagte, sie würden auf besondere Weise den Geist jedes Gläubigen für die Worte seines Priesters öffnen.

Gewöhnlich war die Halle mit zwei langen Reihen von Tischen ausgestattet, doch für den heutigen Abend hatte man die schweren Rotholzplatten von den Böcken genommen und an die Nordwand gelehnt, um für die Dorfbewohner Platz zu schaffen. Alessandra schätzte, daß sich mehr als dreihundert Menschen versammelt hatten.

Auf dem Podest am Ende der Halle stand der collector, flankiert von den Söldnern, die seine Eskorte bildeten. Der Priester aus Monte Flora war ein hochgewachsener, hagerer Mann mit einem länglichen Gesicht. Er schien kaum älter als vierzig Jahre zu sein, doch zeugten die grauen Schläfen von der schweren Last des Amtes. Seine weiße Soutane zeigte weder Stickereien noch sonstigen Schmuck, sondern war aus einfachem Stoff genäht und mit Beinknöpfen versehen. Die purpurne Bauchbinde und der breitkrempige Hut aus purpurnem Stoff dienten keiner eitlen Zurschaustellung, sondern waren die Insignien eines Gesandten des princeps von Monte Flora. Allgemein war den Priestern des Abwesenden Gottes eine Bescheidenheit zu eigen, die an Selbstauslöschung grenzte.

Wann immer sie irgendwo als Gast einkehrten, bestanden sie darauf, mit dem schlechtesten Essen bewirtet zu werden und den ungemütlichsten Schlafplatz im Haus zu erhalten. Bei aller Bescheidenheit achteten sie jedoch stets auf ein makelloses Äußeres. Sie waren immer glatt rasiert, hielten das Haupthaar kurz geschoren und achteten sorgfältig darauf, daß auf ihren weißen Soutanen kein einziges Stäubchen zu sehen war. Wenn der Priester auf dem Podest mit kostbarem Purpur prunkte, dann nur deshalb, weil er vorn princeps zu einer besonderen Mission auserwählt war.

Der Fremde runzelte abfällig die Stirn. Sein Blick ruhte auf pater Tomaso. Alessandra konnte sich nicht erinnern, den dicken Dorfpriester jemals in einem so sauberen Ordensgewand gesehen zu haben, wie es der collector trug, der nun in frommer Geste die Arme ausbreitete.

Die Dorfbewohner schätzten Tomaso dafür, daß er ein einfacher Mann war, der sich nicht scheute, in seinen Predigten deftige Metaphern zu benutzen, die den Gläubigen lange im Gedächtnis haften blieben. Er war ein Mann, der zupacken konnte, wenn die Fischer einen so reichen Fang an Land brachten, daß jede Hand im Dorf gebraucht wurde. Er stand wie ein guter Hirte mitten im Leben seiner Herde und war bekannt dafür, die Streitereien auf dem Fischmarkt gelegentlich unter Einsatz einer gußeisernen Pfanne zu schlichten, bevor er den Streithähnen mit frommen Worten den Kopf zurechtrückte.

»Liebe Brüder und Schwestern«, sprach der collector mit dunkler und eindringlicher Stimme. »Ein neuer Stern stört die seit Jahrhunderten fest gefügte Ordnung am Firmament. Als Aionar, der Abwesende Gott, uns verließ, übergab er uns seine Schöpfung zu treuen Händen. In den Sternen verschlüsselt schenkte er uns seine Weisheit. So bietet sich der Nachthimmel dem Kundigen wie ein offenes Buch dar, in dem die Gedanken Aionars geschrieben stehen. Doch dieses Buch ist nun bedroht durch die bleiche Fackel, die über den nächtlichen Himmel zieht. Und so hat der princeps Bernaldino in seiner Weisheit beschlossen, daß drei Gläubige in Endgültiger Askese die Gnade des Abwesenden Gottes erwirken sollen, damit er das eisglänzende Mahnmal vom Himmel nimmt und seine Priester wieder im Sternenbuch lesen können, um seinen Willen zu deuten. Eines der drei Lose fiel dabei auf Nantala ...«

Tormo schob sich neben Alessandra und zupfte sie aufgeregt am Ärmel. Dunkle Schweißflecke zeichneten sich auf seinem Hemd ab. Er wirkte verstört und deutete immer wieder zur Tür.

Alessandra schüttelte unwillig den Kopf. »Jetzt nicht!«

Der Duft von frisch geschnittenem Holz und von Teer haftete dem Hünen an. Er mußte am Nachmittag in einem der Bootsschuppen gewesen sein. Die Walfängerin dachte an die Winternacht vor langer Zeit.

Tormo stieß aufgeregt ein kehliges Glucksen aus und wies erneut mit heftigen Gesten auf die Tür. Unter seinem Hemdkragen kroch die Maus hervor, die er stets bei sich trug. Sie zuckte mit der Nasenspitze, so als wolle auch sie Alessandra eine geheime Botschaft übermitteln.

»Schweig, wenn der collector spricht, du hirnloser Tölpel«, zischte Cosimo, der ganz in ihrer Nähe stand.

»Nun möge das Schicksal entscheiden«, erklang die samtene Stimme des collectors