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Inhaltsverzeichnis

Chronologie der Posleen-Invasion
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Epilog
Nachwort des Autors
Anmerkung des Übersetzers
Vergleich amerikanischer und deutscher Army-(Heeres-)Dienstgrade
Die Dienstgrade und Kampffahrzeuge der Posleen
Glossar
Spezifikationen SheVa Eins
Copyright

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John Ringo versetzt uns mit seinem Romanzyklus INVASION (Band 1 Der Aufmarsch, erschienen Januar 2004; Band 2 Der Angriff, erschienen Juni 2004; ein vierter Band ist in Vorbereitung) in eine imaginäre Welt der nahen Zukunft, in der Terra einer uralten und im Lauf der Jahrtausende zu völligem Pazifismus entwickelten galaktischen Föderation, die Streitkräfte zur Verfügung stellt, die jene wackere neue Welt dringend braucht, um sich gegen eine plötzlich am Rande der Galaxis aufgetretene Bedrohung, die kriegerischen Posleen, zu verteidigen. In der aus den Streitkräften der ganzen Erde gebildeten Confederation Strike Force, der die Waffengattungen Guard (Garde), Fleet (Flotte) und Strike (Eingreiftruppe) angegliedert sind, nehmen die GKA-Einheiten, eine mit gepanzerten Kampfanzügen ausgestattete Elitetruppe, besondere Bedeutung ein.

Als Übersetzer des Zyklus stand ich vor dem Problem, Verständlichkeit und (das gibt es auch in der Science Fiction) Authentizität unter einen Hut zu bringen, und deshalb habe ich mich in der (existierenden ebenso wie der fiktiven) militärischen Nomenklatur weitgehend der englischen und der Posleen-Fachausdrücke bedient und diese – soweit sinnvoll und erforderlich  – im Glossar und diesem kurzen Anhang erklärt.

Ein kurzer Vergleich amerikanischer Rangbezeichnungen und -stufen mit den entsprechenden deutschen Begriffen schien mir sinnvoll, wobei ich mich im Wesentlichen an den Dienstgraden und Einheiten der Army (als des Heeres) beschränkt habe, um die Verwirrung einigermaßen in Grenzen zu halten. Ich darf aber darauf hinweisen, dass die anderen Waffengattungen teils davon abweichende Bezeichnungen haben, die auch in diesen Bänden auftauchen.

Die Rangstruktur der Posleen und deren wichtigste Waffensysteme sind ebenfalls in einem kurzen Glossar dargestellt. Da das Problem der Übersetzung der galaktischen Sprachen bisher noch nicht abschließend gelöst wurde – Fachleute der Konföderation und ihre AIDs arbeiten mit Hochdruck daran –, sind gewisse Vorbehalte angebracht.

Und da ich zwar Übersetzer, aber kein Soldat bin – oder je war –, bitte ich die Leser um Nachsicht, wenn mir auch noch in diesem Band bei dem Versuch, echte und fiktive Militaria ins Deutsche zu übertragen, und trotz intensiver und kollegialer Unterstützung vieler Leser, die auf meine Hinweise in den beiden ersten Bänden reagiert haben (wobei ich insbesondere »Tomcat« Franke hervorheben möchte), irgendwelche Ungenauigkeiten unterlaufen sein sollten. Für Hinweise in dieser Richtung (heinzzwack@t-online.de) bedanke ich mich schon im Voraus herzlich.

Heinz Zwack

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Cally stopfte das letzte Päckchen in den Rucksack und schickte sich an, die Höhle zu verlassen. Versteck Vier war dazu angelegt, alles Material für eine solche Flucht bereitzustellen, und nachdem sie sich die Augen aus dem Kopf geweint und dann geschlafen hatte, hatte sie sich sorgfältig auf eine lange Reise vorbereitet. Die Route schien nach Norden durch Coweeta zu führen und dann schräg hinüber zum Highway 64, immer vorausgesetzt, dass der noch begehbar war, und schließlich nach Westen zu den Verteidigungsstellungen um Chattanooga.

Jetzt war es Zeit zu gehen, aber sie zögerte dennoch. Obwohl sie Papa O’Neals Leiche gefunden hatte, konnte sie immer noch nicht recht glauben, dass er nicht mehr war. Dass jenes Leben zu Ende war. Sie hätte sich gerne nur noch einmal mit ihm gestritten, nur einen Morgen noch. Und sobald sie die Höhle verließ, würde sie damit akzeptieren, dass es keine Farm mehr gab, keinen Papa O’Neal.

Schließlich setzte sie den Rucksack ab und zog ein Buch heraus. Hier gab es genug Proviant und Wasser, um ein Jahr lang hier sitzen zu bleiben, und die Höhle war sowohl abgelegen wie auch sicher.

Sie würde morgen ans Weggehen denken.

 

Der Himmit, der sie von der Höhlendecke aus beobachtete, zuckte verblüfft die Achseln oder tat das, was Himmit in solchen Fällen tun. Sie war im Begriff gewesen wegzugehen und hatte es sich jetzt offenbar anders überlegt. Für den Himmit ergab das keinen Sinn. Aber genau das war ja der Grund, weshalb Menschen so endlos faszinierend waren; sie taten Dinge, für die es keine vernünftige Erklärung gab.

Er stellte sich auf eine lange Wartezeit ein, machte es sich bequem. Darauf verstanden sich die Himmit. Und irgendwann einmal würde das eine gute Story abgeben.

 

Mosovich blieb stehen, als Mueller die geballte Faust hob und sich dann niederkauerte. Dann legte der Master Sergeant den Kopf fragend zur Seite, und jetzt konnte Jake das Geräusch auch hören. Vor ihnen war ein größerer Fluss, ein Teil des hydrologischen Forschungsbereichs von Coweeta, und das Rauschen des Wassers übertönte die meisten anderen Geräusche. Aber auch er konnte jetzt ganz schwach etwas hören, was wie das Lachen einer Frau klang.

Wendy setzte sich prustend auf und ließ das MP-5 sinken, das sie trocken über den Strom gebracht hatte.

»Äußerst komisch, Shari«, knurrte sie fröstelnd. »Dieses verdammte Wasser ist eiskalt.«

»Ja, das habe ich gemerkt«, sagte die andere Frau und lachte wieder. »Jeder würde das merken.«

Wendy blickte an sich herab und musste schmunzeln. Ihre Kleider hatten bei ihrer überstürzten Flucht aus der Urb und anschließend bei der Auseinandersetzung mit der Vegetation der Berglandschaft einiges mitgemacht. In Anbetracht der zerfetzten Kleidung und des Wassers und des dünnen Stoffs, aus dem ihr Hemd bestand, war es daher … mehr als offenkundig, dass das Wasser kalt war.

»In mancher Hinsicht gäbe ich wohl ein ganz gutes Playboy-Foto ab«, sagte sie und schüttelte den Kopf.

»Das kann man laut sagen«, sagte Mueller und schob sich aus dem Unterholz. »Ich würde mir eine Kamera wünschen!«

»Du großer Gott!«, sagte Shari und fuhr herum. »Tu mir das nicht an!«

Mueller hob die Hände, als er die drei auf ihn gerichteten Waffen sah. »Hey, Freunde.«

»Du lieber Gott, Mueller, ich hätte nie gedacht, dass ich das sagen würde«, rief Wendy, stand auf und ließ den Lauf ihrer Maschinenpistole sinken. »Aber einen schöneren Anblick hätte ich mir nicht wünschen können.«

»Ganz meinerseits, denke ich«, erwiderte der Master Sergeant. Er sah zu Shari hinüber und schüttelte den Kopf. »Wer ist denn … Shari?«

»Das ist eine lange Geschichte«, meinte Elgars und hob die Hand. »Wir sind zu den O’Neal-Verstecken unterwegs. Und ihr?«

»Wir sollen auf der Vorderseite des Passes kundschaften«, sagte Mosovich und kam jetzt ein Stück stromaufwärts aus dem Gebüsch. »Aber wir reisen mit ziemlich leichtem Gepäck und kommen daher schnell voran.«

»Das war einmal«, sagte Elgars. »Wir kommen auch ziemlich schnell voran, aber wir könnten etwas Hilfe gebrauchen. Ihr seid hiermit engagiert.«

»Captain«, meinte der Sergeant Major mit strenger Stimme. »Wir haben unseren Einsatzbefehl vom Kommandeur der Continental Army.«

»Okay«, sagte sie und deutete auf sein AID. »Dann ruf ihn doch an. Sag ihm, ein Rudel Girls mit ihren Kindern hätten euch entführt und das passt euch nicht.«

»Ich soll kundschaften«, sagte Mosovich. »Das kann ich nicht, wenn ich ein Rudel Flüchtlinge hinter mir herschleppe.«

»Tatsächlich?«, fragte Wendy. »Pass auf, wie gut das geht.«

 

Sergeant Patrick Delf schwenkte sein AIW im Halbkreis und benutzte das Nachtsichtgerät, um Ziele zu suchen. Die Gegend um die Überführung des Blue Ridge Parkway war eine Masse von Wärmesignaturen, von denen sich aber keine bewegte. Die meisten waren nicht zu erkennen. Er trat vorsichtig ein paar Schritte vor, bewegte sich mit schlurfenden Schritten, um auf der mit Betonbrocken übersäten Straße nicht auszugleiten, und suchte nach Bedrohungen oder Zielen. Aber da war nichts. Beide Brückenbogen waren im Gegensatz zu dem, was ihnen der Nachrichtendienst gemeldet hatte, zerstört; es würde verdammte Mühe kosten, die Straße wieder frei zu bekommen.

Er rückte vor, winkte dem Rest seiner Gruppe, beiderseits auszuschwärmen. Das taten sie, suchten Posleen, fanden aber nichts. Unter den Schatten der Brücke fanden sie einen Graben, der mit toten Posleen gefüllt war. Die meisten waren vom Feuer zu geschwärzt, um erkennen zu können, was sie getötet hatte, aber an einigen waren Einschusswunden zu sehen, die auf eine großkalibrige Waffe hinwiesen, vermutlich einen Scharfschützen.

Die Mittelsäule war nur noch ein Stumpf. Es sah so aus, als wäre sie schwerem Beschuss ausgesetzt gewesen, vermutlich Plasma oder HVM aus dem Posleen-Graben. Was überhaupt keinen Sinn abgab, es sei denn, einer der Gäule hätte völlig durchgedreht. Ganz unten war ein abkühlender Schmierer zu sehen, aber er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, bis er niederkniete, mit dem Finger darüber wischte und dann am Finger roch. Der Geruch von menschlichem Blut im Gegensatz zu Posleen-Blut war deutlich.

»Sir, hier Sergeant Delf«, rief der Teamführer schließlich und tippte dabei an sein Kommgerät. »Der Pass ist frei. Irgend so ein armes Schwein hat es bis hier oben geschafft und dann hat ihn ein HVM weggeputzt. Aber das HVM hat die Brücke zum Einsturz gebracht und die Posleen mit Plasma überschüttet; die sind weg.«

»Sonst irgendwelche Überlebenden?«, fragte der Brigadekommandeur.

»Bis jetzt nicht, Sir«, erwiderte der Sergeant. »Sieht nicht gut aus. Wir sind noch nicht auf der anderen Seite der Brücke, aber wir sehen da ein paar Panzer; alle ausgebrannt, Sir. Von hier aus kann ich drei Abrams und zwei Brads erkennen, aber die sind alle hin. Der Pass ist von der eingestürzten Brücke blockiert; über die ganze Länge. Und die Panzer sind im Weg. Aber keine Posleen. Die Überlebenden haben die fertig gemacht.«

»Roger«, sagte der Colonel leise. »Ist die Gegend für Flugzeuge klar?«

»Das kann ich nicht garantieren, Sir. Ich weiß nicht, was unten im Tal ist.«

»Kommando Ost meint bloß ein SheVa, und die sind ziemlich sauer. Ich schicke Ihnen noch ein paar Leute nach zum Saubermachen, Sie erledigen das und melden sich dann bei mir. Aber seien Sie vorsichtig, bis Rabun Gap ist es weit.«

 

Cholosta’an schüttelte den Kopf, als seine Pupillen sich zu weiten begannen. Trotz des sekundären Liderpaars und der sich verengenden Pupillen war er überzeugt, dass seine Augen Schaden genommen hatten. Aber immer noch besser als das, was passiert wäre, wenn der Oolt’ondai sich nicht dazu entschieden hätte vorzurücken.

»Ich fresse ihre Brut«, knurrte Orostan verärgert. Aber selbst der wesentlich jüngere Kessentai hörte die Niedergeschlagenheit des Besiegten heraus.

»Wir haben keine Elite-Oolt mehr«, gab Cholosta’an zu bedenken. »Und keine ausgebildeten Piloten. Tenaral sind uns auch keine übrig geblieben. Besonoras Oolt’ondar ist vernichtet, und die Menschen werden Balsam Gap in Kürze wieder einnehmen. Die verdammten Pioniere haben die anderen Straßen zerstört, die aus diesem Tal herausführen. Und Torason sagt, dass er nicht imstande ist, das Tennessee-Tal hinaufzurücken. Wir müssen uns zurückziehen, solange wir noch Oolt zur Verfügung haben.«

»Nein, wir müssen vorrücken«, schnaubte Orostan. »Wir werden diesen Pass einnehmen. Und das Land dahinter. Dazu stehen uns immer noch genügend Streitkräfte zur Verfügung. Führe dein Oolt nach vorn, sammle alle versprengten Oolt’os, die du finden kannst. Rücke zu dem Pass vor! Ich werde alle sammeln, die in diesem Bereich noch übrig sind, und dir folgen.«

»Zu Befehl, Oolt’ondai«, sagte der Kessentai. »Ich gehe.«

Er winkte seinen Oolt’os, ihm zu folgen, und rückte vor. Sobald er die baufällige Brücke überquert und die Ruinen von Dillsboro erreicht hatte, bog er nach rechts ab und zog parallel zum Tuckasegee weiter.

»Soll doch Orostan bei seinem Bemühen, ›die Rasse zu retten‹, sterben«, flüsterte der Kessentai. Wenn es etwas gab, was diese Welt ihn gelehrt hatte, dann, dass es ausreichte, zu überleben. Sollten doch die Tapferen »zum Nutzen der Rasse« sterben. Cholosta’an würde bloß überleben.

 

Tulo’stenaloor schüttelte den Kopf, als er den Bericht aus Dillsboro gehört hatte. Er überlegte kurz, ob er Orostan anweisen sollte, den Angriff zurückzuhalten. Er würde Stunden brauchen, um seine Streitkräfte wieder zu sammeln, die wenigen, die ihm verblieben waren. Schließlich entschied er sich dagegen. Zuallererst würde der alte Idiot vermutlich gar nicht auf ihn hören und dennoch angreifen. Zum Zweiten war es ein lohnendes Ziel, den Vormarsch der Truppen zu verlangsamen, die zu dem Pass unterwegs waren. Wenn die Metall-Threshkreen schließlich eintrafen, würde er den Pass auf kurze Zeit an die Menschen verlieren. Aber er brauchte bloß etwas Zeit, dann konnte er ihn zurückerobern. Sie würden knapp an Munition und Energie sein, und mit der Zeit konnte er sie wieder hinausdrücken.

»Ich brauche bloß Zeit.«

 

Mike ging durch das Loch hinaus, wo früher die Hinterwand seines Büros gewesen war, und sah sich nicht um; er war ziemlich sicher, dass er es nie wieder sehen würde.

Das Bataillon war vor den Shuttles angetreten. Alle zweiundzwanzig Shuttles waren auf dem Exerzierplatz gelandet und mit Waffen und Gerät beladen worden, darunter auch den so wichtigen Power Packs und den Antimaterie-Lances. Jetzt blieb nur noch, die Truppen an Bord gehen zu lassen und ihnen vielleicht eine kleine Ansprache zu halten.

Das Problem damit war: Selbst die »Neuen« wussten, dass dies ein Selbstmordkommando war. Ein wichtiges Selbstmordkommando, absolut überlebenswichtig. Aber wenn überhaupt welche von ihnen überlebten, dann würde das einem Wunder gleichkommen.

Und hinzukam, dass selbst die Neuen jetzt schon zwischen zwei und fünf Jahre praktisch ständig im Kampfeinsatz gewesen waren. Diese Männer und Frauen waren immer wieder mit offenen Augen ins Feuer gelaufen. Und die meisten von ihnen hatten seine Ansprachen schon einmal gehört.

Aber es war eine kleine Tradition.

Mike nahm den Helm ab, schaltete das AID aber so, dass es seine Stimme verstärkte, und trat vor das versammelte Bataillon.

»Am 25. Oktober 1415 stand in der Nähe von Calais in Frankreich eine kleine Schar Engländer unter dem englischen König Heinrich V. der gesamten französischen Armee gegenüber. Diese Schlacht nannte sich ›Agincourt‹, und sie fand am Tag des Heiligen Krispin statt.

Obwohl sie sich einer fünffachen Übermacht gegenübersahen, fügten sie den besser bewaffneten und besser gepanzerten Franzosen gewaltige Verluste zu und gewannen damit den Sieg.

Eine beiläufige Bemerkung von König Henry wurde später von William Shakespeare in die berühmte »Ansprache vom St.-Krispins-Tag« umgewandelt.

Der heut’ge Tag heißt Krispianus’ Fest:
Der, so ihn überlebt und heimgelangt,
wird auf dem Sprung stehn, nennt man diesen Tag,
und sich beim Namen Krispianus rühren!
Wer heut am Leben bleibt und kommt zu Jahren,
der gibt ein Fest am Abend vorher jährlich
und sagt: »Am Krispinstag empfing ich die!«
Die Alten sind vergesslich, doch wenn alles
Vergessen ist, wird er sich noch erinnern
Mit manchem Zusatz, was er an dem Tag
Für Stücke tat; dann werden unsre Namen
Geläufig seinem Mund wie Alltagsworte:
Heinrich der König, Bedford, Exeter,
Warwick und Talbot, Salisbury und Gloster!
Bei ihren vollen Schalen frisch bedacht!
Der wackre Mann lehrt seinem Sohn die Mär,
Und nie von heute bis zum Schluss der Welt
Wird Krispin Krispian vorübergehn,
Dass man nicht uns dabei erwähnen sollte,
Uns wen’ge, uns beglücktes Häuflein Brüder;
Denn welcher heut sein Blut mit mir vergießt,
Der wird mein Bruder! Sei er noch so niedrig:
Der heut’ge Tag wird adeln seinen Stand,
Und Edelleut in England, jetzt im Bett,
Verfluchen einst, dass sie nicht hier gewesen,
Und werden kleinlaut, wenn nur jemand spricht,
Der mit uns focht am Sankt-Krispinus-Tag!

»Immer wieder in der Geschichte der Menschheit hat man sich in berühmten Liedern an kleine Verbände erinnert, die gegen überwältigende Übermacht kämpften. Die kleine griechische Truppe bei Marathon, die eine hundertfache persische Übermacht besiegt hat. Das rhodesische SAS-Team, das per Zufall auf eine Guerillatruppe von Regimentsstärke stieß und sie vernichtete. Die Helden von Thermopylae. Die Männer von Alamo. Die Siebte Kavallerie.«

Er hielt inne und ließ den Blick über die stummen Anzüge mit ihren undurchsichtigen Gesichtsplatten schweifen. Er wusste aus Erfahrung, dass mehr als die Hälfte seiner Leute jetzt gerade dabei waren, eine E-Mail zu verfassen oder Musik zu hören oder irgendwo im Web nach einem neuen oder besseren Porno zu suchen. Aber zur Hölle damit.

»In Anbetracht unserer Lage glaube ich, dass die letzten drei am bedeutsamsten sind«, fuhr er fort, holte dann einen Priem heraus und schob ihn sich in den Mund. Er spuckte aus, um Platz zu bekommen, und blickte zum Himmel auf. »Heute fliegen wir hier ab, um einen Pass zu erobern und zu halten. Wir werden das tun, bis keiner von uns mehr übrig ist oder uns die Energie oder die Munition ausgeht. Ich bin nicht sicher, was uns zuerst ausgehen wird. So, wie die Dinge liegen, wahrscheinlich die Menschen.

Wir wenigen, wir beglücktes Häuflein Brüder … In künftigen Jahren werden Menschen, die jetzt zu Hause in ihren Betten liegen, an diesen Tag denken, und wisst ihr, was sie sagen werden? ›Herrgott, bin ich froh, dass ich damals nicht bei diesen armen todgeweihten GKA-Arschlöchern war, sonst wäre ich jetzt tot.‹

Aber hol’s der Teufel; schließlich zahlt man uns deswegen so ein hohes Gehalt. Und jetzt geht an Bord.«

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Eigentlich hatte ich vor, hier jetzt eine lange, einigermaßen witzige Aufzählung von Danksagungen zu bringen. Natürlich habe ich am 11. September an diesem Roman gearbeitet. Und dann hat sich, wie »man« sagt, die Welt verändert.

Na ja, ›man‹ hat Unrecht. ›Die Welt‹ hat sich am 11. September nicht verändert, unser Land hat das. Im Nachwort zu INVASION: Der Angriff schrieb ich, dass »wir in einem Goldenen Zeitalter leben, mit all seinen Stärken und Schwächen.« Jenes goldene Zeitalter sah sich am 11. September in bisher ungeahntem Maße mit der Wirklichkeit konfrontiert. Was an jenem Tag geschah, hat viele von uns, mehr als alles andere das konnte, aufwachen lassen.

Mich hat es nicht geweckt, ich war bereits wach. Ich war wach, seit ich elf oder zwölf war und im Hafen von Beirut ein Munitionsschiff in die Luft flog. Natürlich war ich damals etwa zehn Straßen entfernt, also war es … einigermaßen auffällig. »Laut« reicht hier nicht aus. Die Welt war immer schon ein sehr feindseliger Ort, in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts für Amerikaner mehr als für irgendein anderes Volk (möglicherweise mit der Ausnahme der Juden). Die Menschen in den Entwicklungsländern zerfallen in zwei deutlich ausgeprägte Gruppen: Sie lieben Amerika oder sie hassen es. Ich bin auf all meinen Reisen nie jemandem begegnet, der in dem Punkt einfach nur gleichgültig war. Wach zu sein war einer der Gründe, dass ich Uncle Sam meinen Körper anvertraut habe. Ich wusste, dass die Barbaren an den Toren standen, selbst wenn sonst keiner hörte, wie sie daran pochten.

Was vielen Amerikanern immer so fern schien, ist für mich stets real und nahe gewesen. Ich musste mich fragen, wie viele meiner Schulfreunde in der Menge waren, die die Botschaft in Teheran stürmten. Ich musste mich fragen, ob mein bester Freund aus der fünften Klasse in Bosnien gestorben ist. Und ich habe mich immer gefragt, wie »es« sein würde. Was »es« war, das meine Landsleute schließlich aus ihrer Selbstgefälligkeit reißen würde. Würde »es« ein Nuke auf Washington sein? Die Pocken? Oder Anthrax?

Wie sich dann ergab, war »es« die Zerstörung der Türme des World Trade Center.

Im Zweiten Weltkrieg war »es« für die Briten die Invasion Polens und in noch höherem Maße die Invasion Frankreichs. Für die Vereinigten Staaten war »es« Pearl Harbor. Demokratien brauchen ein »Es«, ein untrügliches Zeichen, das den Ruf zu den Waffen so klar und eindeutig erkennen lässt, dass auch die Selbstgefälligsten die Trompeten hören.

Niemand weiß, wohin uns in der Zukunft der Weg führen wird. Vielleicht steht uns ein alles vernichtender Krieg bevor, im Vergleich zu dem meine Bücher banal erscheinen. Es kann aber auch sein, dass wir »das Paradigma wechseln« und uns auf dem Rücken unserer Eliten durchkämpfen. Ich weiß nicht, was wir in dem Tunnel finden werden, der vor uns liegt, aber dies eine weiß ich. Genau das ist es. Ein dunkler Tunnel. Es gibt ein Licht an seinem Ende; und dieses Licht ist nicht ein anderer Zug, es ist die Zukunft. Wir werden jene Zukunft schaffen, wie Amerikaner das immer getan haben: eine bessere, hellere Zukunft.

Das Einzige, was es dazu braucht, ist, dass wir als Nation nicht vor diesem Ziel innehalten.

Sie werden nicht alt werden, so, wie wir
Übriggebliebene alt werden, das Alter wird sie
nicht müde machen … und die Jahre nicht
verdammen. Beim Untergang der Sonne und
am Morgen werden wir uns ihrer erinnern!

– Lawrence Binyon

John Ringo
Commerce, Georgia
5. Oktober 2001

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»Lander« Posleen: »Po’osol«: Landungsfahrzeug. Enthält 400 bis 600 Normale und einen Gottkönig

K-Dek Kommando-Dodekaeder (Posleen: Oolt’po’oslena’ar) mit dem ranghöchsten Gottkönig eines G-Dek-Segmentschiffs – Ooltondai – und den meist am besten bewaffneten Normalen. Mit Interstellarantrieb ausgestattet. Fassungsvermögen beträgt 1400 bis 1800 Normale und 3 bis 6 Gottkönige sowie einige leichte Panzerfahrzeuge einfacher Bauart

G-Dek Gefechts-Dodekaeder. Segmentschiff der Posleen, bestehend aus einem innen angeordneten Kommandoschiff (K-Dek) und zwölf Landungsfahrzeugen (»Lander«)

Battle Globe Ein großes Posleen-Segmentschiff, das aus mehreren hundert G-Deks besteht

Dranasar Patrouillenmeister, Einsatzoffizier für Patrouillen

Kenallai Ranghoher Schlachtenmeister. Entspricht dem Colonel oder Brigadier General

Kenallurial Ableitung von Kenallai. Entspricht Lieutenant oder Captain

Kessentai Gottkönig (wörtlich »Philosoph« oder »Denker«)

Lamprey Siehe Oolt Po’osol

Oolt Gruppe oder Kompanie (wörtlich: »Rudel«)

Oolt’ondai Bataillons- oder Brigadekommandeur, Oberst, (wörtlich: »Großes-Rudel-Führer«)

Oolt’ondar Brigade (G-Dek-Einheit)/oder Bataillon (K-Dek-Einheit)

Oolt’os«Normales« (wörtlich: »Rudelmitglied«)

Oolt Po’osol Lamprey, fasst eine Kompanie Posleen mit Kessentai

Oolton Bataillon oder Brigade (wörtlich: »Großes Rudel«)

Spürmeister Kundschafterdienstgrad

Tenaral »Fliegende Tanks«

Tenar untertassenähnliches Kampffahrzeug der Gottkönige. Mit schwerer Waffe und umfangreicher Sensorik ausgestattet

 

Die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse der Föderationstruppen reichen bis zur Stunde nicht aus, die für menschliche Verhältnisse etwas verworren wirkenden Rangstufen der Posleen in ein eindeutiges Raster einzuordnen. Prinzipiell sind jedenfalls zwar alle Gottkönige der Posleen nominell unabhängig, Offiziere der unteren Rangstufen erwarten jedoch üblicherweise Anweisungen ihrer übergeordneten Offiziere.

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Höhe: 51 m, Boden bis Oberseite Turm
Ketten: vier, Kettenhöhe 8,10 m
Breite einer Einzelkette: 45 m
Gewicht einer Kette: 37 t
Gesamte Fahrzeugbreite: 127 m
Gesamte Fahrzeuglänge: 156 m
Geschützlänge: 60 m
Bohrung: 16 Zoll = 40 cm
Geschossgewicht: 16 t
(Projektil Kartusche und Treibladung)
Kartuschenlänge: 4,90 m
Kartuschendurchmesser: 81 cm
Reaktoren: 4 Johannes / Cummings
Kieselbetturan / Helium
Antriebsmotoren: 48
Gesamtenergie: 12.000 PS
Leergewicht: etwa 7.000 t

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The Commando’s Prayer

Give me, my God, what you still have;
give me what no one asks for.
I do not ask for wealth, nor success,
nor even health.

People ask you so often, God, for all that,
that you cannot have any left.

Give me, my God, what you still have.
Give me what people refuse to accept from you.
I want insecurity and disquietude;
I want turmoil and brawl.

And if you should give them to me,
my God, once and for all,
let me be sure to have them always,
for I will not always
have the courage to ask for them.

Special Air Service
– Corporal Zirnheld, 1942

Gib mir, mein Gott, was du noch hast:
Gib mir, was keiner haben will.
Nicht Reichtum will ich, nicht Erfolg,
nicht mal Gesundheit.

So oft erbitten von dir alles das die Menschen,
dass du ganz sicher davon nichts mehr hast.

Gib mir, mein Gott, was du noch hast.
Gib mir, was andre sich nicht von dir erbitten.
Unsicherheit, Unruhe wünsch ich mir,
Kampf und Tumult.

Und, solltest meinen Wunsch du mir erfüllen,
dann, mein Gott, dann sorg dafür,
dass ich sie immer habe,
denn nicht immer werde den Mut ich haben,
dies von dir zu erbitten.

Der Nachthimmel über den Ruinen von Clayton im Bundesstaat Georgia schien in Flammen zu stehen, als eine ganze Artilleriebrigade den Himmel mit Splittern füllte. Das orangegelbe Licht der unregelmäßigen Salven beleuchtete das Skelett eines ausgebrannten Burger King und die herumhastenden Zentaurengestalten der Posleen-Invasoren.

Die krokodilköpfigen Aliens stoben unter dem massiven Beschuss auseinander, während Sergeant Major Mosovich zusah, wie der Scharfschütze seines Teams mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms auf sie schoss.

Drei Gottkönige hatten das Posleen-Bataillon geführt, das, was die Invasoren ein »Oolt’ondar« nannten, eine Truppeneinheit unterschiedlicher Größe, etwa zwischen einem menschlichen Bataillon und einer Division. Zwei der drei Führungskasten waren mit zwei präzise gezielten Schüssen aus ihren untertassenförmigen Antigrav-Fahrzeugen geschleudert worden, ehe der Letzte das Tempo seines Fahrzeugs gesteigert und zugesehen hatte, außer Schussweite zu kommen. Als er verschwunden war, fing der Scharfschütze an, sich mit den Posleen-Normalen zu befassen.

Der Rest von Fernaufklärungsteam Fünf hatte das Feuer eingestellt. Im Gegensatz zu dem Scharfschützen mit seinem .50-Kaliber-Karabiner musste der Rest des Teams damit rechnen, dass ihre Leuchtspurmunition sie verraten würde. Und dann würden sie fallen wie Weizen vor der Sense des Schnitters; das Bataillon semi-intelligenter Normaler würde selbst ohne seine Führer imstande sein, das FAT einfach niederzuwalzen.

Also lenkten sie den Artilleriebeschuss, bis die restlichen Aliens das Feld geräumt hatten.

»Saubere Arbeit«, sagte Mueller mit ruhiger Stimme und ließ den Blick über Dutzende pferdegroßer Kadaver schweifen, die die Straßen bedeckten. Der große blonde Master Sergeant hatte schon gegen Posleen gekämpft, als der größte Teil der Menschheit noch gar nichts von ihrer Existenz gewusst hatte. Ähnlich Mosovich hatte er all die schlimmen Seiten dieser Invasion und die wenigen guten, die sie vielleicht auch mit sich gebracht hatte, am eigenen Leibe erlebt.

Als man ihnen befohlen hatte, auf Streife alle Posleen zu erschießen, die ihnen vor die Rohre kamen, war ihnen das gar nicht sonderlich schlau vorgekommen. Schließlich wusste er, wie es war, wenn man von Posleen gejagt wurde, und es machte absolut keinen Spaß. Die Aliens waren schneller als Menschen, hielten mehr aus, und wenn sie einmal die Verfolgung aufgenommen hatten, erforderte es unglaubliches Geschick oder weit überlegene Feuerkraft, um sie wieder loszuwerden. Aber wie es schien, setzten die Invasoren die Verfolgung nie über bestimmte Zonen hinaus fort, und die Aufklärungsteams verfügten über hinreichende Feuerkraft, um den größten Teil ihrer Verfolger auszulöschen; und deshalb nutzten sie jetzt jede Chance, die Invasoren unter Beschuss zu nehmen.

»Lang genug haben die ja gebraucht«, knurrte Sergeant Nichols. Der E-5 war kürzlich von den Zehntausend zu ihnen versetzt worden. Wie alle Spartaner war der Sergeant so hart wie der Lauf seines Scharfschützenkarabiners, aber wenn es darum ging, wie es hinter dem Wall zuging, musste er noch eine ganze Menge lernen.

»Die Ari setzt gewöhnlich ziemlich spät ein«, sagte Mueller und richtete sich auf. Ebenso wie der Scharfschütze trug auch er einen Ghillie-Anzug. Die herunterhängenden Stofffetzen, die einen Soldaten im Buschwerk fast unsichtbar machten, waren gewöhnlich recht lästig. Aber der Anzug leistete gute Dienste, wenn es darum ging, den etwas überdimensionierten Master Sergeant zu verbergen.

Die Fronten entlang der Ostküste waren jetzt seit fast zwei Jahren ziemlich stabil gewesen. Beide Seiten hatten ihre Stärken und Schwächen, und daraus hatte sich so etwas wie eine Patt-Situation entwickelt.

Die Posleen verfügten über modernste Waffen, Hunderte von Generationen besser als alles, was Menschen aufzubieten hatten. Ihre leichten Hochgeschwindigkeitsgeschosse konnten einen Kampfpanzer oder einen Bunker aufschlitzen wie eine Blechdose, und jedes zehnte »Normale« war damit ausgestattet. Die Plasmakanonen und die schweren Railguns auf den Untertassenfahrzeugen der Gottkönige waren fast ebenso wirksam, und ihre Sensorik stellte sicher, dass kein Flugzeug und keine Lenkwaffe sich über den Horizont wagen durfte.

Und zu diesem technischen Vorteil kam, dass sie gegenüber den menschlichen Verteidigern weit in der Überzahl waren. Die fünf Invasionswellen, die bisher über die Erde hereingebrochen waren, sowie die zahlreichen »kleineren« Landungen dazwischen hatten zwei Milliarden Posleen auf dem belagerten Planeten abgesetzt. Und es dauerte nur zwei Jahre, bis ein Posleen ausgereift war. Wie viele von ihnen sich im Augenblick auf der Erde befanden, war unmöglich abzuschätzen.

Natürlich waren nicht alle in Nordamerika gelandet. Tatsächlich waren die USA sogar im Vergleich mit dem Rest der Welt relativ glimpflich davongekommen. Afrika war, wenn man einmal von gewissen Guerillaaktivitäten im Dschungel und in den Weiten Südafrikas absah, als »menschlicher« Kontinent praktisch von der Landkarte gewischt worden. Asien hatte nahezu das gleiche Schicksal erlitten. In bergigem Gelände und im Dschungelterrain befanden sich die pferdeähnlichen Posleen dagegen deutlich im Nachteil, und deshalb leisteten Teile Südostasiens, insbesondere die Himalaja-Region, Burma und Teile von Indochina, noch aktiven Widerstand. China und Indien waren praktisch Posleen-Provinzen. Die Gäule hatten weniger als einen Monat gebraucht, um China zu durchqueren, damit gewissermaßen Maos »Langen Marsch« zu wiederholen und dabei fast ein Viertel der Bevölkerung der Erde hinzumetzeln. Der größte Teil Australiens und Südamerikas, mit Ausnahme der dichten Dschungelregionen im Landesinneren und der Anden-Region, waren ebenfalls gefallen.

Europa war ein einziges Schlachtfeld. Die Posleen taten sich in kalten Regionen äußerst schwer, was nicht so sehr an der Kälte lag als vielmehr daran, dass sie in kaltem Klima kaum Nahrung fanden; so kam es, dass sie die skandinavische Halbinsel und das Innere Russlands weitgehend ignoriert hatten. Aber Posleen-Streitkräfte hatten ganz Frankreich und Deutschland, mit Ausnahme gewisser Teile Bayerns, eingenommen und überfluteten inzwischen die norddeutsche Tiefebene bis an den Rand des Ural. Dort waren sie zum Stillstand gekommen, eher weil die Umweltbedingungen sie anwiderten denn wegen nennenswerten militärischen Widerstands.

Zurzeit wurde ihnen in den Alpen, auf dem Balkan und in Osteuropa Widerstand geleistet, aber die belagerten Überlebenden litten unter mangelhafter Nahrungsversorgung, unzureichender Produktionskapazität und dem Verlust jeglicher Hoffnung. Der Rest Europas, das gesamte Flachland und der größte Teil der historischen »zentralen« Zonen waren fest in der Hand der Posleen.

Amerika hatte es einer günstigen Kombination von geografischen Gegebenheiten, Glück und einer brutalen Strategie zu verdanken, dass es noch überlebte.

An beiden Küsten gab es Ebenen, die sie mit Ausnahme bestimmter Städte den Posleen überlassen hatten. Aber die Bergketten zu beiden Seiten des Kontinents hatten es im Verein mit dem Mississippi der Nation ermöglicht, ihre Streitkräfte neu zu konsolidieren und an manchen Orten sogar zum Gegenangriff überzugehen.

Im Westen schützte das gewaltige Bergmassiv der Rocky Mountains das Landesinnere und verhinderte, dass sich die auf dem schmalen Streifen Land zwischen den Bergen und dem Meer eingezwängten Posleen vereinigten. Aber jener schmale Streifen Land hatte einmal einen nennenswerten Anteil der Bevölkerung der USA enthalten, und die Verluste an Zivilisten waren gewaltig gewesen. Am Ende hatte es der größte Teil der Bewohner Kaliforniens sowie der Staaten Washington und Oregon geschafft, in den Rockys sichere Zuflucht zu finden. Die meisten von ihnen hielten sich in den immer noch im Bau befindlichen unterirdischen Städten, den »SubUrbs«, auf, die auf eine Empfehlung der Galakter zurückgingen. Dort saßen sie, arbeiteten in unterirdischen Fabriken und stellten das her, was für die Kriegführung benötigt wurde – und schickten ihre Gesunden hinaus, um die Front zu verteidigen.

In den Rocky Mountains gab es viele Bodenschätze, die alle intensiv für den Kriegseinsatz genutzt wurden, doch was fehlte, war Nahrungsproduktion. Vor der ersten Landung hatte man jegliche Zurückhaltung in der landwirtschaftlichen Produktion aufgegeben, und die enorme amerikanische landwirtschaftliche Kapazität war auch sofort angesprungen. Aber den größten Teil der so erzeugten Nahrungsmittel hatte man in die wenigen befestigen Städte in den Ebenen geschickt, von denen man erwartete, dass sie mindestens fünf Jahre durchhielten. Das größte Problem war halt die Verpflegung. Und deshalb herrschte an allen anderen Orten erheblicher Lebensmittelmangel, als die ersten Landungen erfolgten. Die Posleen hatten fast die gesamte landwirtschaftliche Produktionsfläche im Westen, mit Ausnahme des Klamath-Beckens, erobert. Und deshalb musste der größte Teil der Lebensmittelversorgung für die westlichen SubUrbs über eine lange, dünne Verbindungskette erfolgen, die quer über die nördlichen Ebenen verlief und der I-94 und der Santa-Fé-Eisenbahnlinie folgte. Wenn diese Kette abgeschnitten wurde, würden fünfundachtzig Millionen Menschen langsam verhungern.

Im Osten war es nicht viel anders. Die Appalachenfront erstreckte sich von New York bis Georgia und bildete zusammen mit dem Tennessee River eine natürliche Barriere, die vom St. Lawrence bis zum Mississippi reichte. Einem Vergleich mit den Rocky Mountains freilich hielten die Appalachen in keiner Weise stand. Nicht nur, dass sie insgesamt bei weitem nicht so hoch aufragten, es gab dort auch Pässe, die fast so offen wie das flache Land waren. So fanden die Posleen entlang der ganzen Front zahlreiche Orte, die sich für einen Angriff eigneten. Und an all diesen Stellen, Roanoke, Rochester, Chattanooga und anderen, waren die Kämpfe erbittert und blutig gewesen. In all diesen Schluchten kämpften Tag und Nacht reguläre Einheiten, unter die sich galaktische Gepanzerte Kampfanzüge und die Elitetruppe der Zehntausend mischten, gegen scheinbar endlose Angriffswellen von Posleen. Aber die Front hielt. Manchmal allerdings hielt sie nur deswegen, weil die Überlebenden eines Angriffs einfach zu müde waren, um davonzulaufen; gelegentlich schwankte der Frontverlauf etwas, aber ganz aufgerissen wurde die Front nie.

Dass es gelang, die Front im Bereich der Appalachen zu halten, war von entscheidender Wichtigkeit. Mit dem Verlust der Küstenregionen und eines Großteils des Mittleren Westens blieben für die Produktion von Nahrungsmitteln lediglich noch Zentral-Kanada, das Cumberland-Plateau und das Ohio-Tal übrig. Und obwohl Kanada Getreide von höchster Qualität produzierte, war der Ertrag pro Anbaufläche doch recht gering, zudem konnte Kanada auch nur einen beschränkten Bereich von Produkten erzeugen. Außerdem war der Anteil der Industrie in British Columbia und Quebec zwar im Laufe der Jahre angewachsen, doch die logistischen Probleme einer breit angelegten Produktion unter subarktischen Bedingungen, unter denen Kanada schon immer gelitten hatte, hielten auch angesichts der Bedrohung durch die Posleen an. Es war schlichtweg unmöglich, die gesamte überlebende Bevölkerung der USA nach Kanada hineinzuzwängen. Und selbst wenn man es geschafft hätte, wäre es ihnen dort auch nicht besser als den Indern ergangen, die sich auf engstem Raum im Gujarrat und im Himalaja-Gebiet zusammendrängten.

Ein Verlust des Cumberland-Plateaus und des Ohio-Tales würde daher praktisch dem Ende jeglicher aktiven Verteidigungsfähigkeit gleichkommen. Es würden Menschen auf dem Kontinent übrig bleiben, aber diese Menschen würden, ebenso wie dies auf allen anderen Kontinenten der Fall war, nur noch verstreute Überlebende sein, die in den Ruinen nach Nahrungsresten herumscharrten.

Aus der Erkenntnis heraus, dass der untere Bereich der Great Plains nicht verteidigt werden konnte, hatten sich die dort stationierten Streitkräfte, hauptsächlich Panzerverbände und GKA-Einheiten, zurückgezogen, ohne sich vom Feind in Kampfhandlungen verwickeln zu lassen, sofern sie nicht die Gewissheit hatten, ihm gewaltige Verluste zufügen zu können. Diese Rückzugsoperation war in der Nähe des Minnesota River zum Stillstand gekommen, und zwar weitgehend aus denselben Gründen wie die Rückzugsoperationen in Sibirien. Dabei hatten die Posleen, ob ihnen das bewusst war oder nicht, eines geschafft: Im Laufe der lang gezogenen Rückzugsoperationen war die 11th Mobile Infantry, die größte Einheit von mit GalTech-GKAs ausgestatteten Soldaten der Erde, vernichtet worden. Sämtliche Verteidigungsmaßnahmen basierten auf den bekannten Schwächen der Posleen: der Unfähigkeit, längerem Artilleriebeschuss standzuhalten, und der Unfähigkeit, nennenswerte Hindernisse im Terrain zu überwinden. Die Gottkönige konnten zwar Flugzeuge und auch Lenkwaffen mit fast hundertprozentiger Sicherheit bekämpfen, waren aber immer noch außer Stande, Artilleriebeschuss abzuwehren. Solange sie in Artillerieschussweite von Menschen waren, waren sie verletzbar. Und wegen ihrer seltsamen mentalen Blockade war es für sie buchstäblich unmöglich, moderne Verteidigungsanlagen zu überwinden. Wenn Posleen vorbereitete Stellungen mit Befestigungsanlagen angriffen, betrug die Verlustrate normalerweise hundert Posleen für jeden getöteten Menschen; und selbst mit ihrer überwältigenden Übermacht schafften sie es einfach nicht, mehr als die vorderste Linie befestigter Stellungen einzunehmen. Und praktisch alle Festungsanlagen in den Rockys und den Appalachen waren tief gestaffelt. Und deshalb rannten die Posleen gegen sie an und starben in so gewaltiger Zahl, dass es unmöglich war, ihre Verluste exakt zu erfassen. Und sie unterlagen. Jedes einzelne Mal.

Jetzt kauerten die Menschen in den meisten Bereichen hinter ihren massiven Befestigungsanlagen, während die Posleen außerhalb der Reichweite der menschlichen Artillerie eine Zivilisation aufbauten. Und dazwischen dehnte sich ein von Unkraut überwuchertes und von Geistern bevölkertes Niemandsland niedergewalzter Dörfer und zerstörter Städte aus.

Und durch diese Wildnis streiften die Fernaufklärungsteams.

»Lass uns hinausgehen«, sagte Mosovich leise und schob sein Fernglas ins Futteral zurück. Das Glas war ein Produkt alter Technik, nicht einmal lichtverstärkt, aber in Situationen wie der gegenwärtigen reichte das aus. Außerdem war es ihm ganz angenehm, sich nicht auf Elektronik verlassen zu müssen; Batterien, selbst solche, die GalTech zur Verfügung gestellt hatte, gaben schließlich den Geist auf. »Ich schätze, die Jungs waren in südlicher Richtung unterwegs, auf unser Ziel zu.«

»Kannst du mir sagen, was wir eigentlich gegen einen Globe machen sollen, Jake?«, fragte Mueller. Aber trotzdem setzte er sich hügelabwärts in Bewegung, Richtung Süden.

Vor einer Woche war einer der gigantischen »Battle Globes« der Posleen-Invasoren beim Landeanflug ausgemacht worden. Das Raumschiff war unter besserer Kontrolle gelandet, als dies bei den Posleen normal war. Üblicherweise fanden die Landungen mehr oder weniger willkürlich statt, aber dieser Globe war in einem der wenigen Bereiche der östlichen USA gelandet, wo kein massiver Artillerieschutz zur Verfügung stand; das Planetarische Verteidigungszentrum, das normalerweise die Landung behindert hätte, war schon vor seiner Fertigstellung zerstört worden.

Die Globes setzten sich aus Tausenden kleinerer Schiffe von mehreren Welten zusammen. Sie formierten sich an vorher bestimmten Treffpunkten im Tiefraum und nahmen dann Kurs auf den Zielplaneten. Sobald sie die Ausläufer der Atmosphäre erreichten, lösten sich die Globes auf, und die nachgeordneten Einheiten und Kommando-Dodekaeder schwärmten in einem riesigen Kreis rings um das Zielgebiet aus.

Einer dieser K-Deks war irgendwo in der Nähe der bereits eroberten Stadt Clarkesville, Georgia, gelandet. Das FAT hatte den Auftrag, den K-Dek zu finden und herauszubekommen, zu welchem Ziel seine Truppen unterwegs waren.

Bis jetzt sah es so aus, als würden die Posleen Truppen sammeln, nicht etwa absetzen. Und das war, gelinde gesagt, ungewöhnlich.

»Zuerst finden wir das Ding«, erklärte Mosovich, »anschließend überlegen wir uns, was zu tun ist.«

Den K-Dek zu finden würde schwierig sein. Überall in dem unzugänglichen Terrain waren Posleen-Trupps unterwegs. Da die zentauroiden Posleen in bergigem Gelände Schwierigkeiten hatten, bedeutete das, dass sie sich auf die Straßen beschränkten. Und das wiederum bedeutete, dass das Erkundungsteam bemüht sein musste, einen weiten Bogen um alle Straßen zu schlagen. Am besten würde sich das bewerkstelligen lassen, wenn sie sich in bergigem Gelände von Bergkamm zu Bergkamm bewegten. Aber bedauerlicherweise verliefen die Bergzüge im Norden Georgias von Ost nach West und nicht von Nord nach Süd. Aus diesem Grund hatte das Team eine Erhebung von vielleicht zweihundert Meter Höhe zuerst auf der einen Seite hinauf- und dann auf der anderen Seite wieder hinunterklettern müssen. Im Tal angelangt, galt es sogleich, den unvermeidlichen Fluss zu überqueren, und dann begann das Ganze wieder von vorne.

Mosovich ließ sie einen weiten Bogen um den Highway 441 schlagen und führte sie in die Wildnis um den Stone Wall Creek hinunter. Die dichten Wälder aus Fichten und Eichen überzogen das Land mit einer mittelalterlich wirkenden Dunkelheit; die Hintergrundbeleuchtung der Zivilisation war schon seit Jahren erloschen. In dem urwaldhaften Gestrüpp war immer wieder das Rascheln von Wild zu hören, und in den Hügeln südlich von Tiger Creek scheuchten sie ein Rudel Rehe auf, das vermutlich mehrere hundert Tiere umfasste.

Ein Stück weiter nördlich hielt Mueller dann an und hob die Hand. Vor ihnen war ein gedämpftes, aber stetiges Rascheln zu hören. Er kroch ein Stück nach vorn und drehte die Lichtverstärkung seiner Brille etwas hoch.

Als er sah, wie die ersten Gäule mühsam aus einem drei Meter hohen Erdhaufen geklettert kamen, nickte er bloß und zog sich zurück. Er sah Mosovich an und deutete nach Süden, gab dem anderen zu verstehen, dass sie einen Bogen schlagen mussten. Als Mosovich darauf mit einer fragenden Geste antwortete, hob er zwei Finger, die er wie ein V abspreizte, und richtete sie dann nach unten, als wollte er sie in den Boden rammen. Der Sergeant Major nickte und deutete ebenfalls nach Süden: Niemand wollte eine Abat-Wiese durchqueren.

Diese Geschöpfe waren eine der Plagen, die die Posleen mitgebracht hatten. Ebenso wie die Posleen fraßen sie alles, was ihnen in den Weg kam, und konnten sich von terranischer Vegetation ernähren. Sie waren etwa so groß wie ein Kaninchen, hatten weißes Fell und sahen wie eine Kreuzung zwischen einer Ratte und einem Pillendreher aus. Sie bewegten sich wie ein Hase, hoppelten auf einem einzelnen Hinterbein herum, das mit einem breiten, flexiblen Fuß versehen war. Wenn sie einzeln auftraten, waren sie harmlos, und im Gegensatz zu den Posleen konnten sie auch von Menschen gegessen werden. Mueller hatte welche gegessen und musste zugeben, dass sie immerhin besser als Schlange schmeckten, so ähnlich wie Capybara. Ihre Nester bauten sie unter der Erde, ähnlich Ameisen, und verteidigten diese auch heftig, schwärmten aus und griffen alles an, wobei ihnen ihr gewaltiger, schnabelartig ausgebildeter und mit rattenähnlichen Zähnen besetzter Unterkiefer sehr zustatten kam. Sie fällten Bäume, ähnlich Bibern, zerkauten sie und bauten aus dem Brei unterirdische Pilzgärten, rodeten riesige Lichtungen in die Wälder. Sie fraßen eine Vielfalt an Vegetation und waren auch schon dabei beobachtet worden, wie sie Aas fraßen.

Andererseits wurden sie von Wölfen, verwilderten Hunden und Kojoten gefressen, aber ihr einziger natürlicher Feind war ein Lebewesen, das die Posleen »Grat« nannten. Diese Grats waren wesentlich schlimmer als Abats, ein fliegendes Ungeziefer, das bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Wespen aufwies. Das einzig Gute war, dass sie in ihrer Vermehrung dadurch beeinträchtigt waren, dass sie sich ausschließlich von Abats ernähren konnten. Da es in der Nähe ein Abat-Nest gab, achtete Mueller darauf, nach Grats Ausschau zu halten; sie hatten wesentlich ausgeprägtere Territorialinstinkte als die Abats, und ihr Stich war tödlich.

Doch der Rest ihrer Reise verlief ohne Zwischenfälle, und in der Morgendämmerung lagerten sie in den Hügeln oberhalb des Lake Rabun. Sie waren nur verhältnismäßig langsam vorangekommen, aber das war schon in Ordnung. Morgen würden sie das Lager der Posleen ausspähen und Berichte zurückschicken. Clarkesville lag in Reichweite der 155-mm-Artillerie-Batterien, die am Pass in Stellung waren, und deshalb konnten die Posleen, ganz gleich was sie unternahmen, mit einem warmen Empfang rechnen.

Schwester Mary hob beide Daumen, um damit anzuzeigen, dass sie eine Verbindung hergestellt hatte. Der weibliche Fernmeldesergeant war gerade im Begriff gewesen, Nonne zu werden, als bekannt wurde, dass eine Invasion bevorstand. Daraufhin hatte man sie von ihren bereits geleisteten Gelübden entbunden, und sie war in die Army eingetreten. Die kräftig gebaute Fernmeldetechnikerin schaffte es problemlos, eine ganze Ladung Relaisgeräte zu schleppen; und zugleich musste sie sich ständig vergewissern, dass die Verbindung zur Nachhut nicht abriss.

Mueller rollte seinen Poncho aus, legte die Ghillie-Decke darüber und kroch dann darunter, nicht ohne vorher mit zwei hochgehobenen Fingern anzudeuten, dass er die zweite Wache übernehmen wollte.

Mosovich nickte, deutete auf Nichols und hob erst einen Finger und dann vier, mit denen er auf Schwester Mary deutete. Sie würden den größten Teil des Tages schlafen und sich, wenn es dann dunkel wurde, zum Fluss vorarbeiten. Am nächsten Morgen hatte er vor, auf Clarkesville hinunterzublicken.

Nichols zog sich die Ghillie-Decke hoch, um sich und seine Waffe zuzudecken, und suchte sich dann einen passenden Felsbrocken. Der Marsch war verdammt anstrengend gewesen; die Bergflanken erwiesen sich als ziemlich steil, und das Gestrüpp war höllisch dicht. Aber er kannte ein Geheimnis, das er den anderen nicht mitteilen würde. Und dieses Geheimnis lautete, dass ein anstrengender Tag in bergigem Gelände wesentlich besser als ein guter Tag bei den Zehntausend war. Und so betrachtet war er lieber hier als in Rochester.