Hermann-Josef Wagner
Was sind die Energien des 21. Jahrhunderts?
Der Wettlauf um die Lagerstätten
Sachbuch
Fischer e-books
Hermann-Josef Wagner ist Professor für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Er beschäftigt sich mit technischen und wirtschaftlichen Fragen der heutigen und zukünftigen Energieversorgung gleichermaßen.
Covergestaltung: hißmann, heilmann, hamburg
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2007
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-401024-3
Aus heutiger Sicht erscheint dieser Preis sehr niedrig. Berücksichtigt werden muss aber, dass 1974 die Relation DM / Dollar (bzw. Euro / Dollar) ungünstiger für die deutsche Währung als heute war. 1 $ entsprach 1974 2,55 DM (= 1,3 €), im Jahre 2008 dagegen nur 1,38 DM (= 0,70 €). Ein Liter Rohöl kostete somit 1974 4,8 Pfennige. Über den Inflationsindex hochgerechnet (1973 = 100, 2008 = 239) entsprächen dieses auf den Geldwert des Jahres 2008 bezogen 11,5 Pfennige pro Liter (5,8 Ct/1). Der Rohölpreis im Jahre 2008 lag im Mittel bei 92 $ pro Barrel, woraus sich ein Preis von 80 Pfennig pro Liter errechnet (41 Ct/l). Für den Käufer hat sich also der Rohölpreis in den letzten 33 Jahren real gesehen versiebenfacht, wobei allerdings das Jahr 2008 bisher die höchsten Ölpreise hatte.
Handeln – aus Einsicht und Verantwortung
»Wir waren im Begriff, Götter zu werden, mächtige Wesen, die eine zweite Welt erschaffen konnten, wobei uns die Natur nur die Bausteine für unsere neue Schöpfung zu liefern brauchte.«
Dieser mahnende Satz des Psychoanalytikers und Sozialphilosophen Erich Fromm findet sich in Haben oder Sein – die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft (1976). Das Zitat drückt treffend aus, in welches Dilemma wir durch unsere wissenschaftlich-technische Orientierung geraten sind.
Aus dem ursprünglichen Vorhaben, sich der Natur zu unterwerfen, um sie nutzen zu können (»Wissen ist Macht«), erwuchs die Möglichkeit, die Natur zu unterwerfen, um sie auszubeuten. Wir sind vom frühen Weg des Erfolges mit vielen Fortschritten abgekommen und befinden uns auf einem Irrweg der Gefährdung mit unübersehbaren Risiken. Die größte Gefahr geht dabei von dem unerschütterlichen Glauben der überwiegenden Mehrheit der Politiker und Wirtschaftsführer an ein unbegrenztes Wirtschaftswachstum aus, das im Zusammenspiel mit grenzenlosen technologischen Innovationen Antworten auf alle Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft geben werde.
Schon seit Jahrzehnten werden die Menschen aus Kreisen der Wissenschaft vor diesem Kollisionskurs mit der Natur gewarnt. Bereits 1983 gründeten die Vereinten Nationen eine Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, die sich 1987 mit dem sogenannten Brundtland-Bericht zu Wort meldete. Unter dem Titel »Our Common Future« wurde ein Konzept vorgestellt, das die Menschen vor Katastrophen bewahren will und zu einem verantwortbaren Leben zurückfinden lassen soll. Gemeint ist das Konzept einer »langfristig umweltverträglichen Ressourcennutzung« – in der deutschen Sprache als Nachhaltigkeit bezeichnet. Nachhaltigkeit meint – im Sinne des Brundtland-Berichts – »eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstandard zu wählen«.
Leider ist dieses Leitbild für ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiges Handeln trotz zahlreicher Bemühungen noch nicht zu der Realität geworden, zu der es werden kann, ja werden muss. Dies liegt meines Erachtens darin begründet, dass die Zivilgesellschaften bisher nicht ausreichend informiert und mobilisiert wurden.
Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf zunehmend warnende Stimmen und wissenschaftliche Ergebnisse habe ich mich entschlossen, mit meiner Stiftung gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Ich möchte zur Verbreitung und Vertiefung des öffentlichen Diskurses über die unabdingbar notwendige nachhaltige Entwicklung beitragen. Mein Anliegen ist es, mit dieser Initiative einer großen Zahl von Menschen Sach- und Orientierungswissen zum Thema Nachhaltigkeit zu vermitteln sowie alternative Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Denn das Leitbild »nachhaltige Entwicklung« allein reicht nicht aus, um die derzeitigen Lebens- und Wirtschaftsweisen zu verändern. Es bietet zwar eine Orientierungshilfe, muss jedoch in der Gesellschaft konkret ausgehandelt und dann in Handlungsmuster umgesetzt werden. Eine demokratische Gesellschaft, die sich ernsthaft in Richtung Zukunftsfähigkeit umorientieren will, ist auf kritische, kreative, diskussionsund handlungsfähige Individuen als gesellschaftliche Akteure angewiesen. Daher ist lebenslanges Lernen, vom Kindesalter bis ins hohe Alter, an unterschiedlichen Lernorten und unter Einbezug verschiedener Lernformen (formelles und informelles Lernen), eine unerlässliche Voraussetzung für die Realisierung einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung. Die praktische Umsetzung ökologischer, ökonomischer und sozialer Ziele einer wirtschaftspolitischen Nachhaltigkeitsstrategie verlangt nach reflexions- und innovationsfähigen Menschen, die in der Lage sind, im Strukturwandel Potenziale zu erkennen und diese für die Gesellschaft nutzen zu lernen.
Es reicht für den Einzelnen nicht aus, lediglich »betroffen« zu sein. Vielmehr ist es notwendig, die wissenschaftlichen Hintergründe und Zusammenhänge zu verstehen, um sie für sich verfügbar zu machen und mit anderen in einer zielführenden Diskussion vertiefen zu können. Nur so entsteht Urteilsfähigkeit, und Urteilsfähigkeit ist die Voraussetzung für verantwortungsvolles Handeln.
Die unablässige Bedingung hierfür ist eine zugleich sachgerechte und verständliche Aufbereitung sowohl der Fakten als auch der Denkmodelle, in deren Rahmen sich mögliche Handlungsalternativen aufzeigen lassen und an denen sich jeder orientieren und sein persönliches Verhalten ausrichten kann.
Um diesem Ziel näher zu kommen, habe ich ausgewiesene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gebeten, in der Reihe »Forum für Verantwortung« zu 13 wichtigen Themen aus dem Bereich der nachhaltigen Entwicklung den Stand der Forschung und die möglichen Optionen allgemeinverständlich darzustellen. Unsere Reihe umfasst folgende Bände:
Was verträgt unsere Erde noch? Wege in die Nachhaltigkeit (Jill Jäger)
Kann unsere Erde die Menschen noch ernähren? Bevölkerungsexplosion – Umwelt – Gentechnik (Klaus Hahlbrock)
Nutzen wir die Erde richtig? Die Leistungen der Natur und die Arbeit des Menschen (Friedrich Schmidt-Bleek)
Bringen wir das Klima aus dem Takt? Hintergründe und Prognosen (Mojib Latif)
Wie schnell wächst die Zahl der Menschen? Weltbevölkerung und weltweite Migration (Rainer Münz/Albert F. Reiterer)
Wie lange reicht die Ressource Wasser? Der Umgang mit dem blauen Gold (Wolfram Mauser)
Was sind die Energien des 21. Jahrhunderts? Der Wettlauf um die Lagerstätten (Hermann-Josef Wagner)
Wie bedroht sind die Ozeane? Biologische und physikalische Aspekte (Stefan Rahmstorf/Katherine Richardson)
Wächst die Seuchengefahr? Globale Epidemien und Armut: Strategien zur Seucheneindämmung in einer vernetzten Welt (Stefan E. Kaufmann)
Wie muss die Wirtschaft umgebaut werden? Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung (Bernd Meyer)
Wie kann eine neue Weltordnung aussehen? Wege in eine nachhaltige Politik (Harald Müller)
Ende der Artenvielfalt? Gefährdung und Vernichtung von Biodiversität (Josef H. Reichholf)
Das Kartenhaus Weltfinanzsystem. Rückblick – Analyse – Ausblick (Wolfgang Eichhorn/Dirk Solte)
Die Bände sind bei Haus Publishing auch auf Englisch erschienen.
Es wird niemanden überraschen, wenn im Hinblick auf die Bedeutung von wissenschaftlichen Methoden oder die Interpretationsbreite aktueller Messdaten unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Unabhängig davon sind sich aber alle an diesem Projekt Beteiligten darüber einig, dass es keine Alternative zu einem Weg aller Gesellschaften in die Nachhaltigkeit gibt.
Was verleiht mir den Mut zu diesem Projekt und was die Zuversicht, mit ihm die deutschsprachigen Zivilgesellschaften zu erreichen und vielleicht einen Anstoß zu bewirken?
Zum einen sehe ich, dass die Menschen durch die Häufung und das Ausmaß der Naturkatastrophen der letzten Jahre sensibler für Fragen unseres Umgangs mit der Erde geworden sind. Zum anderen gibt es im deutschsprachigen Raum bisher nur wenige allgemeinverständliche Veröffentlichungen wie Die neuen Grenzen des Wachstums (Donella und Dennis Meadows), Erdpolitik (Ernst Ulrich von Weizsäcker), Balance oder Zerstörung (Franz Josef Radermacher), Fair Future (Wuppertal Institut) und Kollaps (Jared Diamond). Insbesondere liegen keine Schriften vor, die zusammenhängend das breite Spektrum einer umfassend nachhaltigen Entwicklung abdecken.
Das vierte Kolloquium meiner Stiftung, das im März 2005 in der Europäischen Akademie Otzenhausen (Saarland) zu dem Thema »Die Zukunft der Erde – was verträgt unser Planet noch?« stattfand, zeigte deutlich, wie nachdenklich eine sachgerechte und allgemeinverständliche Darstellung der Thematik die große Mehrheit der Teilnehmer machte.
Als ich begann, meine Vorstellungen und die Voraussetzungen zu einem öffentlichen Diskurs über Nachhaltigkeit zu strukturieren, konnte ich nicht voraussehen, dass bis zum Erscheinen der ersten Bücher dieser Reihe zumindest der Klimawandel und die Energieproblematik von einer breiten Öffentlichkeit mit großer Sorge wahrgenommen würden.
Der 2007 publizierte 700-seitige Stern-Report, den der Ökonom und frühere Chefvolkswirt der Weltbank, Nicholas Stern, im Auftrag der britischen Regierung mit anderen Wirtschaftswissenschaftlern erstellt hat, schreckte Politiker wie auch Wirtschaftsführer gleichermaßen auf. Dieser Bericht macht deutlich, wie hoch weltweit der wirtschaftliche Schaden sein wird, wenn wir »business as usual« betreiben und nicht energische Maßnahmen dem Klimawandel entgegensetzen. Gleichzeitig wird dargelegt, dass wir mit nur einem Zehntel des wahrscheinlichen Schadens Gegenmaßnahmen finanzieren und die durchschnittliche Erderwärmung auf 2°C beschränken könnten – wenn wir denn handeln würden.
Besonders große Aufmerksamkeit in den Medien und damit in der öffentlichen Wahrnehmung fand der jüngste IPCC-Bericht, der Anfang 2007 deutlich wie nie zuvor den Ernst der Lage offenlegte und drastische Maßnahmen gegen den Klimawandel einforderte.
Eine wesentliche Aufgabe unserer auf 13 Bände angelegten Reihe bestand für die Autorinnen und Autoren darin, in dem jeweils beschriebenen Bereich die geeigneten Schritte zu benennen, die in eine nachhaltige Entwicklung führen können. Dabei müssen wir uns immer vergegenwärtigen, dass der erfolgreiche Übergang zu einer derartigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklung auf unserem Planeten nicht sofort gelingen kann, sondern viele Jahrzehnte dauern wird. Es gibt heute noch keine Patentrezepte für den langfristig erfolgreichsten Weg. Sehr viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und noch mehr innovationsfreudige Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Managerinnen und Manager werden weltweit ihre Kreativität und Dynamik zur Lösung der großen Herausforderungen aufbieten müssen. Dennoch sind bereits heute erste klare Ziele erkennbar, die wir erreichen müssen, um eine sich abzeichnende Katastrophe abzuwenden. Dabei können weltweit Milliarden Konsumenten mit ihren täglichen Entscheidungen beim Einkauf helfen, der Wirtschaft den Übergang in eine nachhaltige Entwicklung zu erleichtern und ihn ganz erheblich zu beschleunigen – wenn die politischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen sind. Global gesehen haben zudem Milliarden von Bürgern die Möglichkeit, in demokratischer Art und Weise über ihre Parlamente die politischen »Leitplanken« zu setzen.
Die wichtigste Erkenntnis, die von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft gegenwärtig geteilt wird, lautet, dass unser ressourcenschweres westliches Wohlstandsmodell (heute gültig für eine Milliarde Menschen) nicht auf weitere fünf oder bis zum Jahr 2050 sogar auf acht Milliarden Menschen übertragbar ist. Das würde alle biophysikalischen Grenzen unseres Systems Erde sprengen. Diese Erkenntnis ist unbestritten. Strittig sind jedoch die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind.
Wenn wir ernsthafte Konflikte zwischen den Völkern vermeiden wollen, müssen die Industrieländer ihren Ressourcenverbrauch stärker reduzieren, als die Entwicklungs- und Schwellenländer ihren Verbrauch erhöhen. In Zukunft müssen sich alle Länder auf gleichem Ressourcenverbrauchsniveau treffen. Nur so lässt sich der notwendige ökologische Spielraum schaffen, um den Entwicklungs- und Schwellenländern einen angemessenen Wohlstand zu sichern.
Um in diesem langfristigen Anpassungsprozess einen dramatischen Wohlstandsverlust des Westens zu vermeiden, muss der Übergang von einer ressourcenschweren zu einer ressourcenleichten und ökologischen Marktwirtschaft zügig in Angriff genommen werden.
Auf der anderen Seite müssen die Schwellen- und Entwicklungsländer sich verpflichten, ihre Bevölkerungsentwicklung in überschaubarer Zeit in den Griff zu bekommen. Mit stärkerer Unterstützung der Industrienationen muss das von der Weltbevölkerungskonferenz der UNO 1994 in Kairo verabschiedete 20-Jahres-Aktionsprogramm umgesetzt werden.
Die UNO prognostiziert, dass die Bevölkerungsentwicklung am Ende dieses Jahrhunderts erst bei elf bis zwölf Milliarden Menschen zum Stillstand kommen wird. Angesichts dieser Zahlen muss es der Menschheit gelingen, die Ressourcen- und Energieeffizienz drastisch zu steigern und die Bevölkerungsentwicklung nachhaltig einzudämmen, sonst laufen wir ganz konkret Gefahr, Ökodiktaturen auszubilden. In den Worten von Ernst Ulrich von Weizsäcker: »Die Versuchung für den Staat wird groß sein, die begrenzten Ressourcen zu rationieren, das Wirtschaftsgeschehen im Detail zu lenken und von oben festzulegen, was Bürger um der Umwelt willen tun und lassen müssen. Experten für ›Lebensqualität‹ könnten von oben definieren, was für Bedürfnisse befriedigt werden dürften« (Erdpolitik, 1989).
Es ist an der Zeit, dass wir zu einer grundsätzlichen, kritischen Bestandsaufnahme in unseren Köpfen bereit sind. Wir – die Zivilgesellschaften – müssen entscheiden, welche Zukunft wir wollen. Fortschritt und Lebensqualität sind nicht allein abhängig vom jährlichen Zuwachs des Pro-Kopf-Einkommens. Zur Befriedigung unserer Bedürfnisse brauchen wir auch keineswegs unaufhaltsam wachsende Gütermengen. Die kurzfristigen Zielsetzungen in unserer Wirtschaft wie Gewinnmaximierung und Kapitalakkumulierung sind eines der Haupthindernisse für eine nachhaltige Entwicklung. Wir sollten unsere Wirtschaft wieder stärker dezentralisieren und den Welthandel im Hinblick auf die mit ihm verbundene Energieverschwendung gezielt zurückfahren. Wenn Ressourcen und Energie die »wahren« Preise widerspiegeln, wird der weltweite Prozess der Rationalisierung und Freisetzung von Arbeitskräften sich umkehren, weil der Kostendruck sich auf die Bereiche Material und Energie verlagert.
Der Weg in die Nachhaltigkeit erfordert gewaltige technologische Innovationen. Aber nicht alles, was technologisch machbar ist, muss auch verwirklicht werden. Die totale Ökonomisierung unserer gesamten Lebensbereiche ist nicht erstrebenswert. Die Verwirklichung von Gerechtigkeit und Fairness für alle Menschen auf unserer Erde ist nicht nur aus moralisch-ethischen Prinzipien erforderlich, sondern auch der wichtigste Beitrag zur langfristigen Friedenssicherung. Daher ist es auch unvermeidlich, das politische Verhältnis zwischen Staaten und Völkern der Erde auf eine neue Basis zu stellen, in der sich alle, nicht nur die Mächtigsten, wiederfinden können. Ohne einvernehmliche Grundsätze »globalen Regierens« lässt sich Nachhaltigkeit in keinem einzigen der in dieser Reihe diskutierten Themenbereiche verwirklichen.
Und letztendlich müssen wir die Frage stellen, ob wir Menschen das Recht haben, uns so stark zu vermehren, dass wir zum Ende dieses Jahrhunderts womöglich eine Bevölkerung von 11 bis 12 Milliarden Menschen erreichen, jeden Quadratzentimeter unserer Erde in Beschlag nehmen und den Lebensraum und die Lebensmöglichkeiten aller übrigen Arten immer mehr einengen und zerstören.
Unsere Zukunft ist nicht determiniert. Wir selbst gestalten sie durch unser Handeln und Tun: Wir können so weitermachen wie bisher, doch dann begeben wir uns schon Mitte dieses Jahrhunderts in die biophysikalische Zwangsjacke der Natur mit möglicherweise katastrophalen politischen Verwicklungen. Wir haben aber auch die Chance, eine gerechtere und lebenswerte Zukunft für uns und die zukünftigen Generationen zu gestalten. Dies erfordert das Engagement aller Menschen auf unserem Planeten.
Es fehlt an der breiten Umsetzung in allen gesellschaftlichen Gruppen, an anwendbarem Wissen und am Übergang vom Wissen zum Handeln. Aus dieser Notwendigkeit haben wir die Bildungsinitiative »Mut zur Nachhaltigkeit« entwickelt. Es ist das Anliegen der Initiative, die Zivilgesellschaft und einzelne Akteure urteilsfähig zu machen und Handlungsoptionen zu vermitteln. Dafür hat das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie im Auftrag der mir eng verbundenen ASKO EUROPA-STIFTUNG begleitend zu unserer Buchreihe sechs didaktische Module mit den Themenschwerpunkten »Nachhaltige Entwicklung«, »Konsum«, »Ressourcen/Energie«, »Wasser/Ernährung/Bevölkerung«, »Klima/Ozeane« und »Wirtschaft/Neue Weltordnung« erarbeitet. Diese Materialien zeigen die Vernetzung der Bücher auf und vermitteln unsere Handlungsoptionen mit Hilfe zahlreicher praxisorientierter Aufgabenstellungen. Damit liegt nun qualifizierter Lehr- und Lernstoff für langfristige Bildungsprogramme zum Thema Nachhaltigkeit vor, der seit dem Jahr 2008 für ein breites Spektrum von Zielgruppen von der Jugend- bis zur Erwachsenenbildung an der Europäischen Akademie Otzenhausen erprobt und erfolgreich eingesetzt wird. In erster Linie werden Entscheidungsträger und Multiplikatoren der Zivilgesellschaft angesprochen. So umfasst das Angebot beispielsweise Lehrerfortbildungen und Schulungen für Führungskräfte von Unternehmen und Gewerkschaften. Die didaktischen Module werden auch anderen Aus- und Weiterbildungseinrichtungen zur Verfügung gestellt, die sich für die Nachhaltigkeit engagieren wollen. Ansprechpartner für die Bildungsprogramme sowie Informationen zu Bezugsbedingungen und Bestellmöglichkeiten der Materialien sind im Internet unter www.mut-zur-nachhaltigkeit. de zu finden.
Mittlerweile wurden zu der Buchreihe außerdem zwei Hörbücher produziert: »Die Erde hat Fieber« und die »Die Erde am Limit«. Diese sind ebenfalls über die obige Internetadresse zu beziehen.
»Mut zur Nachhaltigkeit« wurde als offizielles Projekt der UN-Dekade »Bildung für nachhaltige Entwicklung« 2007/2008 und 2009/2010 ausgezeichnet. Auch die Resonanz in den deutschen Medien ist überaus positiv.
Aus der Überzeugung heraus, dass es für unsere Gesellschaft nicht akzeptabel sein kann, dass unsere künftigen Führungskräfte an den Universitäten keine ausreichenden Kenntnisse über die zentralen Zukunftsthemen erwerben, haben wir an der Universität des Saarlandes eine Stiftungsprofessur zur ›Nachhaltigen Entwicklung‹ initiiert.
Mein ganz besonderer Dank gilt den Autorinnen und Autoren dieser dreizehnbändigen Reihe, die sich neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit der Mühe unterzogen haben, nicht für wissenschaftliche Kreise, sondern für eine interessierte Zivilgesellschaft das Thema Nachhaltigkeit allgemeinverständlich aufzubereiten. Für meine Hartnäckigkeit, an dieser Vorgabe weitestgehend festzuhalten, bitte ich an dieser Stelle nochmals um Nachsicht. Dankbar bin ich für die vielfältigen und anregenden Diskussionen über Wege in die Nachhaltigkeit.
Bei der umfangreichen Koordinationsarbeit hat mich von Anfang an ganz maßgeblich Ernst Peter Fischer unterstützt – dafür meinen ganz herzlichen Dank, ebenso Wolfram Huncke, der mich in Sachen Öffentlichkeitsarbeit beraten hat. Für die umfangreichen organisatorischen Arbeiten möchte ich mich ganz herzlich bei Annette Maas bedanken, ebenso bei Ulrike Holler vom S. Fischer Verlag für die nicht einfache Lektoratsarbeit.
Ganz herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Dr.Hannes Petrischak, Anne Marschner, Eva Wessela und Petra Lauermann für den Aufbau und die Umsetzung der Bildungsarbeit unserer Initiative »Mut zur Nachhaltigkeit«.
Seeheim-Jugenheim
Frühjahr 2010
Stiftung Forum für Verantwortung
Klaus Wiegandt
Noch immer vergeht keine Woche ohne Meldung in der Tagespresse zu Unsicherheiten in der Energieversorgung und zu steigenden Energiepreisen. Energie ist zum Tagesthema geworden. Es werden viele Vorschläge unterbreitet, wo Energie eingespart werden könnte oder wie zusätzlich alternative Energien einen Beitrag leisten könnten.
Was fehlt, ist eine sachbezogene Darstellung der Fakten, die eine vergleichende Einordnung von einzelnen Problemen ermöglicht. Diese Lücke soll das Buch füllen. Ausgehend von den unterschiedlichen Energieformen stellt es die Vorratsund Verbrauchssituation weltweit und in Deutschland dar. Es behandelt die Fragen des Zugangs zu den Lagerstätten und greift das Spannungsfeld zwischen Energieverbrauch und nachhaltigem Wirtschaften auf.
Dabei wird auf drei Ebenen argumentiert: Zunächst aus der Sicht des Ungleichgewichts im Energieverbrauch und Bevölkerungswachstum zwischen den reichen und armen Ländern in der Welt, dann aus dem Blickwinkel der Energieversorgung und des Energieverbrauchs in Deutschland und schließlich aus der Sicht des persönlichen Energiebedarfs. Damit soll die der Energieproblematik angemessene ganzheitliche Sicht erreicht werden.
In diesem Buch versuche ich alle wichtigen Entwicklungen und Einflüsse in ihrer Gesamtheit darzustellen und einzuordnen. Es kann aber nicht auf jede technische, wirtschaftliche oder in Zukunft denkbare Option eingegangen werden; das würde den Rahmen dieses Buches überschreiten.
Dieses Buch wie die gesamte Buchreihe zur Zukunft der Menschheit ist durch Herrn Klaus Wiegandt, Stifter und Vorstand des »Forums für Verantwortung«, angeregt worden. Dafür, dass er sich der Aufgabe stellt, die Fragen der Zukunft der Menschheit zu diskutieren, sei Herrn Wiegandt sehr herzlich gedankt.
Das Buch zu schreiben war nur möglich durch die Mithilfe von Frau Stefanie Weber und insbesondere von Frau Manuela Kötter. Ihnen sei an dieser Stelle ganz herzlich für die Ausführung von Schreibarbeiten, für Anregungen und kritische Anmerkungen zu dem einen oder anderen Themenbereich gedankt.
Hermann-Josef Wagner
Energie kennen wir aus dem Alltag: Strom, Gas und Benzin. In der Schule lernten wir, dass es elektrische, mechanische und sonstige Energieformen gibt. Energie kann in vielen Formen auftreten und genutzt werden:
potenzielle Energie durch Höhenunterschiede (genutzt z.B. im Wasserkraftwerk),
kinetische Energie durch bewegte Teilchen (z.B. Wind),
chemische Energie (z.B. die in der Kohle gespeicherte Energie),
thermische Energie (z.B. die Wärme bei der Kohleverbrennung),
elektrische Energie (elektrischer Strom),
elektromagnetische Energie (z.B. Mikrowelle),
nukleare Energie (Kernspaltung, Kernfusion).
Energie ist die Fähigkeit eines »Systems«, Arbeit zu leisten. Dabei kann Energie von einem System auf ein anderes auf drei Arten übertragen werden:
durch Verrichten von (mechanischer) Arbeit (z.B. Riemenantrieb),
durch Wärmeaustausch (z.B. beim Dampfkessel),
durch elektromagnetische Felder (z.B. im Elektromotor).
Energie kann – physikalisch gesehen – von einer Energieform in eine andere umgewandelt werden. Dabei sind von besonderer praktischer Bedeutung die thermische (Wärme) und die elektrische Energie.
Der größte Teil des Energiebedarfs der Menschen wird heute durch Energieträger gedeckt, die verbrannt werden und dabei Wärme (thermische Energie) erzeugen. In vielen Fällen wird jedoch kinetische Energie (zum Antrieb von Maschinen) benötigt, die aus thermischer Energie nicht ganz einfach gewonnen werden kann. Deshalb wurde das erste brauchbare Verfahren für diese Umwandlung erst ziemlich spät in der Technikgeschichte entwickelt. Nach den physikalischen Gesetzen kann immer nur ein Teil der Wärmeenergie in mechanische Energie umgewandelt werden. Dieser Anteil ist umso größer, je höher die obere Prozesstemperatur und je niedriger die untere ist. Die obere Prozesstemperatur ist im Allgemeinen durch die Materialeigenschaften der Anlage begrenzt, die untere durch die Umgebungstemperatur.
Die nicht umgewandelte Wärmeenergie muss als Abwärme an die Umgebung abgeführt werden, wenn man sie nicht mehr – beispielsweise für Heizzwecke – nutzen kann. Diese Zusammenhänge führen beispielsweise dazu, dass selbst im modernsten Dampfkraftwerk die eingesetzte Kohle nur zu 45 % in Elektrizität umgewandelt werden kann. Der Rest der Energie wird über den Kühlturm an die Umgebung abgeführt.
Elektrische Energie ist dagegen im Vergleich zur Wärmeenergie sehr hochwertig, weil sie ohne große Verluste in alle anderen Energieformen umgewandelt werden kann; überdies ist sie durch metallische Leiter leicht transportierbar.
Obwohl Energie nach den Gesetzen der Physik nicht »erzeugt« oder »verbraucht« werden, sondern nur von einer Form in eine andere umgewandelt werden kann, wird im Alltag und in der Energiewirtschaft von Energieerzeugung und -verbrauch gesprochen. Wirtschaftlich handelt es sich dabei in der Tat um die Beziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten. Verbrauchte Energie ist wirtschaftlich nichts mehr wert.
Auch in diesem Buch werden diese Begriffe so verwendet.
Die Energien, die der Mensch nutzt, stammen aus Primärenergieträgern. Das sind die in der Natur vorkommenden Energieträger: die fossilen Energieträger Steinkohle, Braunkohle, Erdöl, Erdgas, die Kernbrennstoffe Uran und Thorium sowie die erneuerbaren Energien Biomasse, Sonnenstrahlung, Wind, Wasserkraft, Erdwärme, Gezeitenenergie. Diese Primärenergieträger können in der vorliegenden Form in den meisten Fällen nicht direkt technisch genutzt werden. Deshalb werden sie zum großen Teil in Sekundärenergieträger umgewandelt (Abb. 1), dies sind beispielsweise Koks, Briketts, Heizöl, Benzin, Strom, Fernwärme. Sekundärenergieträger wie Heizöl und Benzine sind hinsichtlich ihrer chemischen, der elektrische Strom hinsichtlich seiner physikalischen Eigenschaften genormt. In Einzelfällen werden auch Sekundärenergieträger weiter umgewandelt, z.B. wird schweres Heizöl auch zur Stromerzeugung eingesetzt.
Die Sekundärenergien werden zu den »Verbrauchern« transportiert und von ihnen genutzt. In den Energiestatistiken werden sie in diesem Fall als Endenergieträger bezeichnet.
Die Verbraucher – Haushalte, Handel, Gewerbe, Industrie, Verkehr – benötigen letztlich Nutzenergie in Form von Raumwärme, warmem Wasser, einer heißen Herdplatte, Licht, Kälteleistung von Kühlgeräten, mechanischer Antriebskraft von Motoren, Schall usw.
Bei jeder Umwandlung treten technisch und zum Teil auch physikalisch bedingte »Verluste« auf, sodass von der eingesetzten Primärenergie in Deutschland bei den gegenwärtigen Techniken im Mittel nur rund ein Drittel der Primärenergie als Nutzenergie übrig bleibt.
Wege der Energie. Von der Primärenergie bis zu den Faktoren, die die Energienachfrage bestimmen.
Der eigentliche Motor der Energienutzung sind Menschen mit ihren Bedürfnissen nach Nahrung, warmen Räumen und Komfort, deren Umfang vom jeweiligen Lebensstandard und der wirtschaftlichen Tätigkeit abhängt. Diese Größen bestimmen die sogenannten energieverbrauchsbestimmenden Faktoren, oft auch Energiedienstleistungen genannt, wie zum Beispiel
das auf ein bestimmtes Temperaturniveau zu beheizende Raumvolumen,
die Fortbewegung mit einer bestimmten Geschwindigkeit von einem Ort zum anderen (Auto, Bahn),
die Helligkeit und Größe von Flächen, die beleuchtet werden sollen (Licht),
die Mengen von zu erschmelzendem Aluminium, Eisen, Kupfer (Fertigungsprozesse).
Die Betrachtung der Energieketten lässt bereits an dieser Stelle zwei wesentliche Handlungsmöglichkeiten zur Minderung der energiebedingten Umwelteinflüsse erkennen:
Durch eine Verringerung der energienachfragebestimmenden Faktoren – wie beispielsweise die Reduzierung der Raumtemperaturen, weniger gefahrene Kilometer oder weniger Quadratmeter zu beheizende Fläche – kann durch die kleinere benötigte Energiemenge auf allen Ebenen die damit verbundene Umweltbelastung reduziert werden.
Die Technik bietet unterschiedliche Ketten zur Befriedigung des gleichen Nutzenergiebedarfs an. Beispielsweise kann die gleiche Menge Raumwärme als Nutzenergie entweder durch Elektrospeicherheizung mit Strom aus einem Braunkohlekraftwerk (Energiekette: Braunkohle – Strom – Raumwärme) oder durch Gasheizung (Energiekette: Naturgas – Erdgas – Raumwärme) geliefert werden. Die Energieverluste sind im zweiten Fall geringer als im ersten.
Auch bestehen Möglichkeiten, bei gleichen nachfragebestimmenden Faktoren den Nutzenergiebedarf in unterschiedlicher Höhe zu befriedigen. Dies gilt insbesondere für Raumwärme und Kälte, wo schlechtere oder bessere Wärmedämmung den Wärmeabfluss durch Wärme vergrößern oder vermindern, sodass unterschiedlicher Nutzenergiebedarf erforderlich ist, um den Raum bei einem vorgegebenen Temperaturniveau zu erwärmen bzw. zu kühlen.
In der Energiewirtschaft und Energietechnik sind eine Vielzahl von Energieeinheiten gebräuchlich, die den Vergleich unterschiedlicher Angaben über Energieverbrauch, Energiebedarf und Art des verwendeten Energieträgers sehr häufig erschweren. Aus diesem Grunde enthält Tab. 1 die häufig verwendeten Einheiten, Vorsätze und Umrechnungsfaktoren.
Obwohl für die Bundesrepublik Deutschland seit 1978 als gesetzliche Einheit für Energie verbindlich das Joule (J) und die davon abgeleitete Kilowattstunde (kWh) gelten, werden in der Praxis wegen ihrer guten Anschaulichkeit noch sehr häufig die Einheiten Steinkohleeinheit (SKE) und Rohölenergie (RÖE) verwendet. Beispielsweise ist in einer Tonne SKE so viel Energie wie in einer Tonne Steinkohle enthalten. Eine Tonne Rohöleinheit ist so viel Energie, wie an Heizwert in einer Tonne Rohöl einer festgelegten Marke bei Verbrennung frei wird. In der Ölwirtschaft wird weltweit auch noch mit dem »Ölfass« Barrel (bbl oder b), einem Volumenmaß, gerechnet.
Vorsätze und Vorzeichen | |||
Kilo | k | 103 | Tausend |
Mega | M | 106 | Million |
Giga | G | 109 | Milliarde |
Tera | T | 1012 | Billion |
Peta | P | 1015 | Billiarde |
Exa | E | 1018 | Trillion |
Zur Umrechnung von Energieeinheiten (Abkürzungen siehe Text).
1 US (liquid) gallon | = | 3,7 854 118 L |
1 bbl (Öl-Barrel) | = | 159 l |
1 Mio. bld | = | 50 Mio. t/a |
1 MWa | = | 8,76 Mio. kWh |
1 t RÖE (Englisch: 1 TOE) | = | Rohöleinheit (ton of oil equivalent) |
Umrechnungsfaktoren | ||||
Einheit | kJ | kWh | kg SKE | kg RÖE |
1 Kilojoule (kJ) | – | 0,000278 | 0,000034 | 0,000024 |
1 Kilowattstunde (kWh) | 3 600 | – | 0,123 | 0,086 |
1 kg Steinkohleeinheit (SKE) | 29 308 | 8,14 | – | 0,7 |
1 kg Rohöleinheit (RÖE) | 41 868 | 11,63 | 1,429 | – |
Die gesetzlich vorgeschriebene Einheit für die Leistung ist das Watt. Die Leistung von Glühbirnen wird in Watt, die von Autos in Kilowatt (kW) – das sind 1000 Watt – und von Kraftwerken in Megawatt (MW) – das sind 1 Mio. Watt – angegeben. Bei Wärmekraftwerken unterscheidet man zwischen der thermischen Leistung, die dem Energieinhalt des Dampfes beim Eintritt in die Turbine entspricht, und der elektrischen Leistung, die vom Generator abgegeben wird. Zur Bezeichnung dieser beiden Leistungsangaben werden öfters die Einheiten MWth (thermische Leistung) und MWe (elektrische Leistung) verwendet.
Der Elektrizitätsverbrauch im Haushalt wird mit Kilowattstunden (kWh) angegeben. Beispielsweise verbraucht ein PC mit Drucker, der sieben Stunden läuft, 1 kWh, ein Haushalt verbraucht 3000–6000 kWh im Jahr. Die Elektrizitätserzeugung eines Landes wird dagegen in der Einheit Terawattstunden (TWh) angegeben. Eine Terawattstunde sind 1 Mrd. Kilowattstunden. Alle Kraftwerke zusammen erzeugen in Deutschland im Jahr 630 TWh.
Geht es um den gesamten Primärenergieverbrauch eines Landes oder der Welt, müssen noch größere Einheiten gebraucht werden, beispielsweise Petajoule (PJ) oder Exajoule (EJ). Ein Petajoule sind 1 J mit 15 Nullen, ein Exajoule sogar mit 18 Nullen. Diese unvorstellbar großen Zahlen ergeben sich dadurch, dass ein Joule eine äußerst geringe Menge Energie ist. Eine kWh Strom in Joule umgerechnet sind beispielsweise schon 3 600 000 Joule oder 3,6 Megajoule (MJ).
Die Einheit Joule kennt man im Alltag auch aus den Ernährungstabellen. Der von einem erwachsenen Menschen benötigte Tagesverbrauch an Nahrung entspricht energetisch etwa 7000 bis 10 000 Kilojoule (oft wird fälschlicherweise das Kilo weggelassen). Umgerechnet in andere Energieeinheiten entsprechen 10 000 kJ ca. 2,8 kWh oder dem Heizwert von etwa 0,28 Liter Heizöl. Natürlich geht es bei der Nahrungsaufnahme aber nicht nur um den reinen Energieumsatz, wie man weiß.
In diesem Buch werden verschiedene Energieeinheiten – teilweise gleichzeitig – verwendet. Die Energieeinheiten Joule und Kilowattstunden sind nicht anschaulich. Deshalb werden häufiger Energiemengen auch in Tonnen SKE oder in Liter Rohöl angegeben. Dann kann man sich den Energieverbrauch etwas anschaulicher vorstellen. Man möge bei den Tonnen Steinkohleeinheiten an einen dreiachsigen Lastwagen denken, der eine Ladung von etwa 15 Tonnen transportiert. Bei den Tonnen Rohöleinheiten bietet sich die Vorstellung eines Sattelzug-Tankwagens an, dessen Ladevolumen etwa 21 000 Liter Öl oder rund 18 Tonnen Ladegewicht beträgt.
Die historisch ältesten vom Menschen genutzten Energieformen sind erneuerbare Energien. Bereits weit vor Christi Geburt wurden sie zum Antrieb von Schiffen, von Windrädern und von Wasserrädern verwendet. Es wurde mechanische Energie erzeugt. Die Wärmeenergie kam entweder direkt von der Sonne oder aber durch Verbrennen von Holz, dessen Wachstum durch die Aufnahme von Sonnenenergie ermöglicht wird. Die zunehmende Zahl der Bevölkerung und ihre Sesshaftigkeit führten bereits im Mittelalter dazu, dass der Energieträger Holz in manchen Teilen Mitteleuropas knapp wurde. Steinkohle war zwar seit dem 9. Jahrhundert in England bekannt, und im Aachener Raum ist ihr Abbau seit ungefähr 1100 herum bezeugt. Die abgebauten Mengen waren jedoch produktionstechnisch bedingt gering. Gemeinsam mit bahnbrechenden Entwicklungen der Energietechnik, wie beispielsweise der Erfindung der Dampfmaschine 1769 oder später des elektrischen Generators, taten sich ganz neue Welten der Mechanisierung in der Produktion, aber auch bei der Mobilität auf. Steinkohle – aber auch Erze – ließen sich nun in großen Mengen abbauen.
Die Menschen erfuhren eine allgemeine Steigerung des Lebensstandards. Auf Erdöl wurde man erst später aufmerksam. Es entwickelte sich aufgrund seiner Eigenschaften schnell zum wichtigsten Energieträger für die Versorgung der Menschheit und ist es bis heute geblieben. Erdgas und Kernenergie sind auf der Zeitachse der Energienutzung noch jüngere Energieträger.
Holz und Torf spielen heute in der Energieversorgung der Industrieländer keine Rolle mehr. In den armen Entwicklungsländern dagegen ist Holz für die Landbevölkerung nach wie vor ein wichtiger Energieträger, der teilweise auch über Händler kommerziell gehandelt wird. Er dient insbesondere dazu, warme Mahlzeiten zuzubereiten. In den meisten Fällen wird mehr Holz genutzt als nachwächst. Dies führt zu zum Teil katastrophalen Folgen für die Umwelt: Am Rande von Wüstengebieten, beispielsweise der Sahelzone in Afrika, dehnt sich die Wüste aus, weil Sträucher abgeholzt wurden, die das Wachsen der Wüste aufhalten sollten. Auf Madagaskar beispielsweise spült der Monsunregen den Mutterboden von den Hängen, eine Wiederaufforstung ist danach nicht mehr möglich. Eine offizielle Statistik über die Holznutzung gibt es nicht. Aber Schätzungen zufolge werden etwa 5 % des weltweiten Energieverbrauchs noch durch Holz gedeckt.
Im Folgenden sollen die einzelnen in der Natur vorkommenden Energieformen, ihre Gewinnung und ihre Umwandlung zu technisch brauchbaren Energieträgern kurz beschrieben werden. Ziel der Ausführungen ist es, ein Gespür dafür zu erhalten, mit welchem technischen Aufwand, welchen Umweltauswirkungen und welchen ökonomischen und politischen Randbedingungen ihre Verfügbarkeit sichergestellt werden kann.
Kohle kommt in unterschiedlichen Qualitätsformen, je nach Alter der Lagerstätte, vor. Ganz grob können zwei große Gruppen unterschieden werden: Braunkohle und Steinkohle. Die Braunkohle, benannt nach ihrer bräunlichen Farbe, ist die erdgeschichtlich jüngere Kohle, und ihre Lagerstätten sind nur in wenigen Ländern auf der Welt zu finden. Dazu gehört Deutschland mit seinen großen Braunkohlevorkommen im rheinischen Revier zwischen Köln und Aachen, in der Lausitz und in Mitteldeutschland um Bitterfeld. Die Braunkohle liegt je nach Gebiet bis zu 150 Meter unter der Erdoberfläche. Da die Braunkohlevorkommen in dichter besiedelten Gebieten liegen, ist mit der Erschließung neuer Tagebaue auch eine Umsiedlung von Menschen verbunden. Die über der Kohle vorhandene Erde, der sogenannte Abraum, muss erst beiseitegeschafft werden, um die Braunkohle dann mit großen Baggern, die bis zu 200 Meter lang und 150 Meter hoch sind, zu fördern. Der Abraum wird entweder in einen benachbarten, ausgekohlten Braunkohlebergbau transportiert, oder aber er wird als Kunsthügel in der Nähe des Tagebaues aufgeschichtet und begrünt. So ist beispielsweise die Sophienhöhe beim größten Braunkohletagebau Europas in der Nähe von Jülich entstanden, ein stattlicher Hügel, der mit fast 200 Metern über der Umgebung aufragt. Um sicherzustellen, dass während der Betriebszeit die Tagebaue wasserfrei sind, muss das Grundwasser großflächig abgepumpt werden. Dies führt zu einem kraterförmigen Absinken des Grundwasserspiegels um den Tagebau herum. Die Braunkohle besitzt einen niedrigen Heizwert und einen hohen Anteil an Wasser, der im Winter auch Transportbänder und Ladungen, beispielsweise in Eisenbahnwaggons, einfrieren lassen kann. Ein weiter Transport ist deshalb wirtschaftlich nicht ratsam. So wird Braunkohle überwiegend auf Bandstraßen direkt aus dem Tagebau heraus zu den umliegenden Kraftwerken transportiert. Deren Standort ist dann durch den Braunkohlebergbau festgelegt. Erfreulicherweise sind die Dicken der Vorkommen, die Flöze, mit bis zu 70 Metern sehr groß. Deshalb lohnt sich der Abbau mit den großen Baggergeräten. Letztendlich ist die Braunkohle aus Kostensicht ein sehr günstiger Energieträger. Sind Teile des Tagebaus ausgekohlt, wird der über der restlichen Kohle liegende Abraum dorthin verbracht, also innerhalb des Tagebaus umgeschichtet. Ist der Tagebau vollständig ausgekohlt, verbleibt ein »Restloch«, das üblicherweise als See mit Erholungslandschaft gestaltet wird.
Braunkohle wird nicht mehr weiterveredelt, bevor sie in den Kesseln der Kraftwerke verbrannt wird. Früher wurde ein Teil zu Briketts weiterverarbeitet, die als Haus- und Industriebrand dienten. Da die Kohle heute keinen nennenswerten Anteil mehr im privaten Wärmemarkt hält, ist auch die Brikettproduktion erheblich zurückgegangen.
Steinkohle ist die ältere Form der Kohle. Sie kommt in unterschiedlichen Sorten mit unterschiedlichen Eigenschaften vor. Ihr Heizwert ist im Schnitt gesehen etwa 2,5-mal so hoch wie der von Braunkohle. Die Steinkohlevorräte der Welt sind – geologisch bedingt – hinsichtlich ihrer technischen Erschließung sehr unterschiedlich. In den USA80017501519501502008172018
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