André Meier

Letzte Losung

Kriminalroman

Wer sein eigen Haus betrübt,

der wird Wind zum Erbteil haben.

Sprüche 11.29

++++ Eickstedt schaute aus dem Fenster. Es war November, es war Sonntag, und in Deutschland fiel der erste Schnee. Im Bruch färbten sich die Wiesen weiß, und die eben noch von welkem Grün gerahmte Randow, die sich durch den feuchten, schweren Boden des Urstromtals schlängelte, wurde zu einem schmalen, dunklen Strich auf hellem Grund. Der alte Pfarrer nahm das jähe Ende des Herbstes klaglos hin. Die plötzliche Kälte und der Schnee waren für ihn kaum mehr als ein Stirnrunzeln des Herrn. Für die wenigen anderen Menschen aber, die in den kleinen Dörfern entlang des Randowbruchs wohnten und die diesen Winter später nur noch den blutigen nennen würden, kam beides viel zu früh. Eickstedts Blick verlor sich in den Flocken, die über dem Stolzenburger Forst tanzten.

Durch diesen dunklen Wald zog sich seit über einem halben Jahrhundert eine Grenze, die ihn daran gemahnte, wie schnell aus der Heimat Fremde werden konnte und wie langsam nur aus der Fremde eine Heimat. Die stattlichen grauen Buchen im Forst, über deren Äste sich nun eine weiße Decke senkte, rührte das kaum. Seit der kleine Zaun zwischen ihren Füßen das alte Pommern durchschnitt, war um sie herum alle Geschäftigkeit erloschen. Die schillernde Stadt, die einst Jahr um Jahr Tausende Festmeter Waldes verschlungen hatte, war hinter rot-weiß gestreiften Betonpfählen im fremden Dunkel verschwunden. Über Nacht an die Peripherie geschoben, war der Mensch wieder dem Wild gewichen, das er einst in seiner Hoffart verjagte, angetrieben vom aberwitzigen Glauben, die Welt gehorche dem, der noch ihre letzten Winkel zu entweihen weiß.

Imposanteste Frucht dieses Dünkels war die Bahn. Rauchschwaden spuckend, hatte sie sich fünf Jahrzehnte lang vom Haff kommend durch den Forst gedrängt. Sommers wie winters dreimal am Tag in Richtung Stettin. Und nicht minder lärmend fuhr sie genauso oft denselben Weg zurück. So lange jedenfalls, bis der letzte große Krieg die Buchen erlöste und das qualmende Ungetüm seinen Siegern schenkte.

Eickstedt war gerade fünfzehn gewesen, als sie in sein Heimatdorf kamen, mit Panzern und mit Pferden, die sie ohne Sattel zu reiten wussten. Erst waren es die Frauen, Mütter, Töchter der Tantower, die sie sich im Racherausch nahmen, dann Uhren, Räder, Pelze. Schließlich kamen die 48,7 Gleiskilometer der Randower Kleinbahn an die Reihe. Und wer von den Geschlagenen noch mit beiden Händen anpacken konnte, durfte die Schienen aus ihrem Bett holen, ein Dutzend Kalaschnikows drohend im Nacken.

Eine ganze Flasche Korn hätte der Tantower Ortsbauernführer Otto Reichert darauf gewettet, dass «der Russe es nicht packen» würde – das mit der Bahn und den Schienen im fernen Sibirien. Nur gab es damals keinen, der dagegenhalten wollte. Auch nicht, als Reichert noch einen ganzen Schinken drauflegte. Und wer von den Männern hätte nicht gewusst, dass des braunen Otto Schinken die besten waren.

Eickstedt glaubte bis heute, dass es am Holz lag. Denn während man ringsum seit jeher das Fleisch in den Rauch der Buche oder Eiche zu hängen pflegte, vertraute Reichert auf Juglans regia. Was er, wichtigtuerisch, zu erwähnen nie vergaß, wenn Gäste den besonderen Geschmack und Duft seiner Schinken lobten. Und natürlich wusste jeder längst, dass Otto damit das Walnussholz meinte, das er im Übermaß besaß, weil sich sein Hof samt Garten, von der Sonne verwöhnt und vor den späten Frösten geschützt, über den ganzen Südhang des großen Galgenbergs erstreckte.

Die Russen, die gelangweilt ihre entsicherten Waffen auf die Tantower hielten, fackelten nicht lange und nahmen nicht nur die Schienen, sondern auch gleich noch den lästernden Ortsbauernführer mit, in der irrigen Annahme, dass einer, der sein Maul bei der Arbeit so weit aufzureißen wagt, doch etwas verstehen müsse vom Eisenbahnwesen, dem deutschen. Noch heute kann seine Tochter Ida, die im Krug am Tresen steht, den Namen des Ortes nicht aussprechen, in dessen Erde ihres Vaters Gebeine seit Weihnachten 1949 verrotten. «Irgendwas mit Q und Chef», meckerte sie für gewöhnlich, wenn einer der Alten sie zu vorgerückter Stunde danach fragte.

Eickstedt, der es genau wusste, weil sein Vorgänger Sterbedatum und Sterbeort im Tantower Kirchenbuch notiert hatte, war es leid, ihr beizuspringen. Ohnehin nahmen seine Schäfchen es mit den Fakten nicht so genau. Jedenfalls dann nicht, wenn ihr Reden, vom Schnaps angefeuert, wieder um jenes Früher kreiste – je nach Jahrgang der Zecher war es mit einem «unter Adolf» oder «bei Honecker» historisch verortet –, das herhalten musste, um dem Hier und Jetzt die Stirn zu bieten. Und weil sich das Große bekanntlich im Kleinen spiegelt, wurde an den Tantower Wirtshaustischen öfter auch ein «unter Otto» oder «bei Herbert» gelallt, was die Tochter des Ortsbauernführers und Wirtin des Krugs mit einem Lächeln quittierte. Denn dieser Herbert hieß mit Nachnamen Lindner, war ihr Mann gewesen und auch der Vorsitzende der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft «Fortschritt». Er trug den Titel bis zu jenem denkwürdigen Tag im Dezember 1989, an dem man ihn, einen Strick um den Hals, baumelnd über den Färsen fand, die ob dieses absonderlichen Anblicks ganz merkwürdig muhten. Und obwohl an Herberts speckigem Sakko noch immer das Abzeichen mit den zwei Händen hing, hatte sich Eickstedt erbarmt und an des Gottlosen Grab gesprochen.

Wenn ich aber rufe und ihr euch weigert,

wenn ich meine Hand ausstrecke und niemand darauf achtet,

wenn ihr fahren lasst all meinen Rat

und meine Zurechtweisung nicht wollt:

Dann will ich auch lachen bei eurem Unglück und euer spotten,

wenn da kommt, was ihr fürchtet;

wenn über euch kommt wie ein Sturm, was ihr fürchtet,

und euer Unglück wie ein Wetter;

wenn über euch Angst und Not kommt.

Dann werden sie nach mir rufen, aber ich werde nicht antworten.

Denn den Unverständigen bringt ihre Abkehr den Tod,

und die Toren bringt ihre Sorglosigkeit um;

wer aber mir gehorcht, wird sicher wohnen

und ohne Sorge sein und kein Unglück fürchten.

Ida Lindner, geborene Reichert, konnte den Sinn seiner Worte kaum verstanden haben. Meinte sie doch damals, dass Eickstedts Rede schöner und allemal feierlicher gewesen sei als alles, was die Genossen vom Kreis am Grab des toten LPG-Vorsitzenden hätten sagen können. Die aber hatten der Witwe nur kurz am Telefon kondoliert, um dann mit Verweis auf die «angespannte Situation» und die eigene «Unabkömmlichkeit» ihr Fernbleiben, «vielen Dank für Ihr Verständnis», zu entschuldigen.

Vor dem schweren Orkan aber, der letzte Woche über das alte Pommern fegte und auf beiden Seiten der Grenze so manches Dach abhob, wäre man weder «unter» noch «bei» verschont geblieben. Darin bestand Einigkeit unter den Männern, die vor Jahren den Herbert hatten abschneiden müssen und seither bei seiner Witwe solidarisch so manches Schnitzel bestellten.

Vielleicht wäre ihnen, wenn sie ihre Gläser denn einmal stehen gelassen und den Weg hinaus in den Grenzwald gefunden hätten, Eickstedts zornige Predigt wieder in den Kopf gekommen. Sah man doch überall im Stolzenburger Forst die vom Sturm geköpften Fichten ihre Stämme wie Speere in den Himmel recken. Da aber die Wege alt und überwuchert waren und ohnehin nur bis zu jenem Zaun führten, hinter dem der Pole hockte, sah kaum einer von den Männern, die im Tantower Krug Abend für Abend ihr Bier bestellten, einen Grund, seinen Fuß in den Stolzenburger Forst zu setzen.

Und so konnte sich das Rotwild auch an jenem späten Sonntagnachmittag, als der erste Schnee fiel, ungestört am saftigen Bruchholz schadlos halten.

2 ++++ Kantor konnte das befreite Lächeln sehen, das über das Gesicht seiner Tochter huschte, als Vera wie eine Furie ins Bahnhofsrestaurant stürzte, um ihre Nina zu erlösen. Von Kantors verwahrlostem Anblick entsetzt, lief sie an dem Kind vorbei und ohrfeigte ihn mit voller Wucht. Dabei wusste sie doch, wie empfindlich seine Nase war. Natürlich fing er sofort zu bluten an. Nina schrie schrill auf, und dem Personal hinter dem Tresen klappten die Kinnladen runter. Nur Vera gab sich völlig ungerührt, warf ihm eine Packung Tempo zu und zerrte das heulende Kind zur Tür hinaus. Ach ja, «Säufer» und «Versager» hatte sie ihn vorher noch genannt und im Davongehen gebrüllt, dies sei das letzte Mal gewesen, dass sie ihn mit ihrer Tochter allein gelassen habe.

Klar war er ein Säufer und ein Versager auch, jedenfalls wenn man es mit Veras Augen sah. Aber Himmelherrgott, deshalb braucht man doch nicht gleich derart auszurasten. Kantor stieß einen traurigen Seufzer aus und ließ seinen Kopf auf die Tischplatte sinken. Er musste sich keine Mühe mehr geben, er konnte einfach hier hocken bleiben und sich ausruhen, hatte er doch seine Tochter nicht erst vor fünf Minuten verloren, sondern schon Monate vorher, weil Kantor «ihr bei seiner Tätigkeit keinen geregelten Tagesablauf garantieren konnte».

So jedenfalls hatte es der Richter ins Protokoll gegeben, an jenem Mittwoch im August, der als bislang heißester Tag in die Geschichte der deutschen Wetterbeobachtung eingehen sollte. Kantor lief der Schweiß den Rücken hinunter, was aber niemand sah, weil er sein beiges Leinenjackett angelassen hatte, in der Hoffnung, so jene Zuverlässigkeit ausstrahlen zu können, die Veras Anwalt ihm absprechen wollte. Schließlich urteilt das Auge mit. Aber den Vorsitzenden Richter interessierte Kantors Kostümierung einen Scheiß. Fast mitleidig ermunterte er ihn, das Jackett auszuziehen, schließlich habe er selbst seine Robe längst abgelegt, sechsunddreißig Grad Raumtemperatur rechtfertigten eine Lockerung der Kleiderordnung allemal. Vera, die sonst stets im Kostüm aus dem Haus ging, hatte diesmal nur eine Bluse an. Auch die war inzwischen nass und klebte an ihren Brüsten. Körbchengröße 75 C, was zwar Kantor nicht mehr interessierte, umso mehr aber den kahlköpfigen Herrn auf der Richterbank, der immer wieder zu Vera hinüberstarrte. Kantors Einwurf, er werde sich in der Neuen Zeitung nach einem anderen Posten umsehen, um seine Abende künftig mit Nina verbringen zu können, wies der Richter ab, ohne den Blick von Veras Busen zu nehmen. Vielleicht hätte Kantor es sogar wahrgemacht und in der Medienredaktion angeheuert, hätte Talkshows verrissen, vor schlechten Tatorten gewarnt und wäre ohne schlechtes Gewissen pünktlich um fünf aus dem Verlag marschiert, weil Feuilleton und Fernsehseiten schließlich zuerst in Druck gingen. Aber der Richter wollte von alldem nichts hören. «Wenn es Ihnen ernst mit dem Kind wäre, hätten Sie das längst getan», ließ er Kantor wissen, worauf Vera zum Dank für so viel Parteilichkeit ihre Brüste noch weiter nach vorne reckte und billigend in Kauf nahm, dass der gesamte im Sitzungssaal versammelte Justizapparat mit ansehen konnte, wie sich ihre makellosen Nippel gegen die inzwischen pitschnasse Seide bohrten. Auch Kantor konnte nicht anders, als zu ihr hinüberzustarren. Ein Gefühl zwischen Ohnmacht und Bewunderung bemächtigte sich seiner, von dem bald nur eine tiefe Traurigkeit blieb. Vielleicht, weil er wohl erst an diesem elend heißen Tag begriff, dass er nicht nur das Sorgerecht für Nina verspielt hatte, sondern auch die Chance, jemals wieder seine Finger in Veras Dekolleté stecken zu dürfen.

Er sei ein Opfer der Wet-Shirt-Justiz geworden, hatte er hinterher den Kollegen lachend erzählt, obwohl ihm der Sinn überhaupt nicht nach Späßen stand. Er hatte versagt und Vera wieder einmal unterschätzt. Keine Woche später stand V. & N. Aschenbach auf dem Messingschild an der weißen Wohnungstür im zweiten Stock der Chamissostraße 5. Es war dasselbe ovale Messingschild, auf dem vorher sein Name gestanden hatte, und davor der von einem oder einer A. Grünberg. Neun Buchstaben, die Kantor ebenso bedenkenlos hatte wegfräsen lassen, wie es Vera mit seinem Namen tat. Fünfzehn Jahre – einfach ausradiert.

«Wir möchten Sie bitten, unser Restaurant zu verlassen.» Aus der Ferne drang eine sanfte Stimme an sein Ohr. Er schaute hoch. Am Tisch stand ein dunkelhaariges Mädchen. Sie scheute sich, ihm in die Augen zu sehen. Vielleicht war sie auch nur von dem Blut angeekelt. Jedenfalls wanderte ihr Blick aufgeregt zwischen ihm und ihren Kollegen, die am Tresen neugierig auf Kantors Reaktion warteten, hin und her.

«Du bist neu hier, stimmt’s?» Kantor versuchte zu lächeln. Das Mädchen nickte kurz und hauchte dann schnell ein verzweifeltes «Bitte, gehen Sie jetzt, bitte!» hinterher. Er nickte. «Die Neuen müssen immer die Drecksarbeit machen, aber keine Angst, ich geh.» Er stemmte sich langsam aus seinem Stuhl empor und zog aus seiner Hosentasche einen Zehn-Euro-Schein. «Danke.» Er legte das Geld auf den Tisch und schleppte sich zur Tür. Draußen schlug ihm die Kälte entgegen. Kantor brauchte einen Wodka, es war schon dunkel, und er hatte, wie immer, wenn er sich mit Nina traf, den ganzen Tag keinen Alkohol angerührt.

Die Stadt, in der er geboren wurde und aufgewuchs, war ihm fremd geworden in den zwei Jahren, die er jetzt im Wald hauste. Es war, als hätte man ihm eine Hornhaut von den Augen gezogen. All die unzähligen Gesichter, die er früher teilnahmslos an sich vorüberziehen ließ, begann er jetzt einzeln zu betrachten. Er war zugleich abgestoßen und angezogen, jedes Geräusch, jede überraschende Bewegung registrierte er sofort. Die Gleichgültigkeit, die ihn früher vom Trubel abschirmte, war einer fast animalischen Konzentration gewichen. Und der Umstand, dass er nüchtern durch diese schrille Welt zog, machte die Sache nur noch schlimmer.

Kantor bewegte sich gerade auf einen der Kioske zu, an denen billiger Fusel in kleinen Flaschen angeboten wurde, da hörte er hinter sich eine Frauenstimme: «Halt! Warten Sie, Ihr Mantel.» Er drehte sich um. Im Schneetreiben stand die Dunkelhaarige aus dem Fastfood-Restaurant und hielt ihm seinen Mantel entgegen. Die ersten Flocken legten sich auf ihr Haar. «Sie wird frieren», dachte sich Kantor, aber schon im nächsten Augenblick war es vorbei mit der Empathie, und er stellte sich vor, wie der Körper der Kleinen ohne die McDonald’s-Uniform aussehen würde, und dieser Gedanke begann ihn zu wärmen. Er wusste nicht, ob man seinem Gesicht ansah, welche Bilder ihm durch den Kopf schossen. Vermutlich nicht, denn das Mädchen kam noch einen Schritt auf ihn zu, wenn auch mit zitternden Händen. «Bitte!» Wieder dieser flehentliche Ton und wieder dieser Hundeblick, mit dem sie ihm den Mantel hinhielt. Jetzt war es an ihm, auf sie zuzugehen. Drei Schritte nur, dann stand er vor ihr. Seine Nase hatte aufgehört zu bluten. Trotzdem, da machte Kantor sich keine Illusionen, er sah schrecklich aus. Selbst wenn man von seinem lädierten Gesicht absah, hatte Kantor der jungen Schönheit kaum etwas zu bieten. Seine Beziehungsunfähigkeit war gerade mit Veras Hilfe öffentlich zur Schau gestellt worden. Außerdem war er fast doppelt so alt wie das Mädchen und konnte nicht mal mehr einen schicken Job vorweisen, der das hätte aufwiegen können, wie damals bei der Kellnerin im Verdi. Da hatte er bloß auf die Titelseite der NZ zu tippen brauchen, wo sein Name stand. Die Haare hatte er damals kurz, und natürlich trug er Anzüge. Dabei war es nicht so, dass ihn seine Arbeit dazu zwang. Nein, Kantor genoss es. Er fand eine tiefe Befriedigung darin, morgens in saubere tiefschwarze Socken zu schlüpfen, sich eine gebügelte Hose überzustreifen und mit einem Glas Mundwasser dafür zu sorgen, dass sein Atem wenigstens bis zum Mittagessen frisch war. Irgendwann aber hatte er die Lust an all diesen Ritualen verloren. Er verkam, wie Vera es treffend formulierte.

Die Affäre mit der Kellnerin war da schon lange Geschichte – dachte er zumindest. Trotzdem fiel Kantor nun wieder ein, wie gut es ihm getan hatte, dass sie ihn nach seinem Duschgel fragte und nach dem Preis des Calvin-Klein-Slips, den sie zuvor mit ihren schönen Zähnen heruntergezogen hatte, um sich mit ihrer Zunge genüsslich dorthin vorzuarbeiten, wo Veras Mund schon seit Jahren nicht mehr gewesen war.

«Kaschmir, stimmt’s?» Kantor konnte es nicht fassen. Tatsächlich war der Mantel so ziemlich das Letzte, was er aus dieser sauberen Vergangenheit mit sich herumtrug. Und ausgerechnet daran hielt sich jetzt die Kleine fest. «Ich mag den Stoff.» Was war in das Mädchen gefahren? Wo war ihre Angst geblieben? Was zum Teufel hatte der Mantel an sich, dass er den elenden Anblick, den Kantor bot, überstrahlen konnte? Kantor schüttelte verwundert den Kopf. «Ich schenk ihn dir.» Die Dunkelhaarige, deren Vater oder Mutter vermutlich aus Indien oder Pakistan stammte, lachte. «Mir ist der doch viel zu groß. Bitte ziehen Sie ihn an, Sie müssen schon ganz durchgefroren sein.» Kantor fuhr ihr sanft übers Haar. «Schnee», flüsterte er und überlegte, ob er sie nicht doch küssen sollte, auch ohne Mundwasser und trotz der blutverkrusteten Nase. «Ich weiß», sagte sie und lächelte noch immer. Dann aber warf sie Kantor blitzschnell den Mantel über die Schulter und rannte ins Neonlicht zurück. Das alles ging so schnell, dass Kantor nicht dazu kam, noch irgendetwas zu sagen.

Kaum war das Mädchen weg, fiel Kantor wieder der Schnaps ein. Doch statt, wie eben noch geplant, den erstbesten Kiosk anzusteuern, verließ er den Bahnhofsvorplatz und lief durch das immer dichter werdende Schneetreiben in seine Vergangenheit zurück. Nach einer halben Stunde stand er vor dem Verdi und drückte seine Stirn gegen die Scheibe des Restaurants. Er hoffte tatsächlich, dass zwischen den Tischen des Italieners noch immer jene schlanke Kellnerin hasten würde, die mit ihrer rosa Tinte das Ende seiner Ehe besiegelt hatte. Vor dreißig Monaten hatte die Affäre angefangen, nach vier Wochen war sie auch schon wieder beendet. Sieben- oder achtmal hatten sie sich in ihrer kleinen Mansardenwohnung geliebt, dann war seine Neugier erloschen, gingen ihm die Worte aus.

Die McDonald’s-Inderin, die vielleicht auch eine McDonald’s-Pakistanerin gewesen sein mochte, musste in Kantor einen Schalter umgelegt haben. Denn plötzlich lechzte er nicht mehr nach Schnaps, sondern nach Nähe. Er wollte sich in die Arme einer Frau werfen, wollte ihr Haar riechen, ihre Haut schmecken, ihre Nähe spüren. Und wohl deshalb stand er jetzt hier. Hinter diesen großen Glasscheiben hatte er vor neunundzwanzig Monaten zum letzten Mal seine Hand an dem prall mit Trinkgeld gefüllten schwarzen Portemonnaie und ihrem Bauchnabel vorbei über ihre Scham geschoben, bis die Lider des Mädchens zu flackern begannen und er ihr schnell half, die Stühle hochzustellen.

Jetzt aber war hinter der beschlagenen Scheibe keine Kellnerin zu entdecken. Auch keine Stühle. Dafür standen jede Menge Hocker um einen ovalen Tresen, auf dem kleine Teller und Schüsseln kreisten. Kantor konnte es nicht fassen: Aus seinem Italiener war eine Sushibude geworden. Keine Chance, die letzten zweieinhalb Jahre wegzuwischen, keine Hoffnung auf Asyl für Kantor.

Hundeelend fühlte er sich, schlimmer noch, als gleich nach Veras Schlag. Ziellos irrte er durch den Kiez, in dem er einmal daheim gewesen war. Schließlich entdeckte er zwischen zwei Kinderboutiquen eingeklemmt eine Kneipe, die schäbig genug aussah, um ihn aufzunehmen. Noch im Mantel orderte er beim Wirt einen doppelten Wodka und ließ sich auf einen der beige gepolsterten Stahlrohrstühle fallen, die in dem kiefergetäfelten Raum herumstanden. Neben den beiden Alten, die am Nachbartisch hockten und stumm in ihr Bier starrten, war Kantor der einzige Gast. Der Wirt brachte den Wodka. «Noch einen?» Kantor nickte und leerte das Glas in einem Zug. Sollte er das Gefühl beschreiben, das ihn auch diesmal überkam, als der Alkohol sanft brennend seinen Schlund hinabglitt, er hätte nur auf Fernsehbilder verweisen können. Naturfilmer hielten ihre Kameras gern auf ausgedörrte Wüstenfelder, um dann im Zeitraffer zu zeigen, welch wundervolle Verwandlung diese scheinbar tote Landschaft erfuhr, wenn der langersehnte Regen sich über sie ergoss: In sattestem Grün schossen Pflanzen aus dem rissigen Boden empor, auf dem sich prompt Echsen und anderes Kriechgetier zu tummeln begannen.

Schon stand der zweite Wodka vor Kantor, und auch den ließ er, ohne abzusetzen, durch seine Kehle rinnen. So hätte es lange weitergehen können, wäre Kantor nicht eingefallen, dass er in dieser Stadt ohne Bleibe war. Also schüttelte er tapfer den Kopf, als der Wirt auf die Wodkaflasche zeigte, und bestellte ein großes Bier, um Zeit zu gewinnen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass er sich nach zwei, drei Schnäpsen noch hinters Steuer setzte. Aber der Schnee, der immer noch unablässig vom Himmel fiel, ließ für den Rückweg Schlimmes befürchten. Anfang November, und dann noch Sonntagnacht, das ahnte Kantor, würde jenseits der Autobahn kein Räumfahrzeug unterwegs sein, und die Aussicht, mit seinem alten Passat liegenzubleiben, war ihm nicht geheuer.

«Schöner Mantel, darf ich?» Kantor, der eben noch gedankenversunken an seinem Bier genippt hatte, schaute hoch. Vor seinem Tisch stand eine Frau, hielt den Mantel in der Hand und grinste. «Ich war nur kurz auf dem Klo, aber eigentlich ist das hier mein Platz.» Mitte, vielleicht Ende dreißig mochte sie sein, keine Schönheit, hässlich aber auch nicht. Vielleicht war sie etwas zu grell geschminkt, aber in dieser karg und lieblos möblierten Kneipe zweifellos ein Lichtblick. Kantor nickte und nahm ihr den Mantel ab.

Zwei Stunden, drei Bier und zwei Doppelte später hielt das Taxi vor ihrem Haus. Kantor gab zwanzig Euro und fand sich vor einem jener DDR-Plattenbauten wieder, die man in den letzten Jahren neu gedämmt und bunt angepinselt hatte. Die Wohnung der Blonden, die Denise hieß, als Krankenschwester arbeite und Kantor versprochen hatte, sich seine Nase genauer anzusehen, lag gleich in der ersten Etage. «Das ist ein Segen, wegen der ganzen Schlepperei und den Kindern», flüsterte sie, während sie nach dem Schlüsselbund kramte. Ein Glas war in ihrer Weißweinflasche zurückgeblieben, als sie zusammen die Kneipe verließen. Kantor wusste da schon, dass sie zwei Söhne hatte, fünf und sieben, dass sie zweimal geschieden war und – «ich komme besser ohne aus» – auch keine Männer mehr in ihr Leben lassen wollte. «Ins Bett aber schon», hatte sie lachend hinzugefügt, worauf Kantor den Wirt herangewinkt hatte. Und trotzdem fühlte er sich nicht ganz wohl, wie er nun so in ihrem Hausflur stand und die Kinderschuhe sah, die nach Größe sortiert vor der Wohnungstür aufgereiht waren. «Willkommen bei Denise, Philipp und Mirko Weißgerber» stand in Kinderschrift auf dem Keramikschild gleich unter dem Spion. Ein Herz war um die Namen gezogen, und Kantor wusste sofort, dass er sich hinter dieser Tür einsamer und fremder fühlen würde als vorher. «Ich hab Pantoffeln für dich», sagte Denise leise und bückte sich zum Schuhregal. Und als Kantor nicht gleich verstand, zeigte sie auf seine vom Schneematsch verdreckten Stiefel. «Ist wegen der Auslegeware, Eierschale, dreißig Euro der Quadratmeter.»

Als er am nächsten Morgen aufwachte, waren Denise und ihre Kinder schon fort. In der Küche fand Kantor warmen Kaffee und einen Teller mit aufgeschnittenem Obst. Seine Nase tat nicht mehr weh, die Schwellung schien abgeklungen. Denise hatte nicht zu viel versprochen. Kantor trank seine Tasse aus, aß ein paar Apfelstücke und wollte gerade in seine alten Stiefel schlüpfen, als er erstaunt bemerkte, dass sie gar nicht mehr so alt aussahen. Das Leder war frisch eingefettet und glänzte, zuvor hatte es seit Monaten weder Creme noch Bürste gesehen. In dem Laden, in dem er gestern Nina die Turnschuhe hatte kaufen müssen, die auch ihre Freundin trug, war der Blick der Verkäuferin mit unverhülltem Ekel an den Schuhen hängengeblieben. Jetzt gleißten Kantor die schäbigen Dinger tiefschwarz an, und er war gerührt. Nicht allein der geputzten Stiefel, der Apfelstücke und des Kaffees wegen. Nein, Kantors sentimentale Stimmung speiste sich auch aus der Erinnerung an die letzte Nacht, die wider Erwarten nicht in einem Fiasko geendet hatte. Denise säuberte seine Wunde, führte ihn in ihr Schlafzimmer, legte erst Kantor ins Bett, dann einen Eisbeutel auf seine Nase und schließlich sich nackt neben ihn. Mehr geschah nicht. Als Kantors Augen bereits zugefallen waren, schmiegte sich die Krankenschwester an seinen Rücken. Seltsamerweise hatte er nicht das Gefühl, ihr etwas schuldig geblieben zu sein. Möglich, dass es an den Pantoffeln lag, aber von dem Moment, als sie die Wohnungstür hinter ihnen schloss, war seine Lüsternheit erloschen. Denise musste das gespürt haben, und dafür war er ihr dankbar.

Schon wollte er die Tür hinter sich zuziehen, da fiel Kantor ein, dass sein Mantel noch über dem Handtuchtrockner hing. Er schlüpfte wieder in die Pantoffeln, ging ins Bad und warf sich das gute Stück über. Dann fiel sein Blick auf den Badewannenrand, wo Denise’ Duschgel stand. Kantor schob es in seine Manteltasche und stand keine zwei Minuten später auf der Straße. Es schneite noch immer.

3 ++++ Der alte Eickstedt stapfte durch den Schnee und ließ, das stoppelige Gesicht mit offenem Mund gen Himmel gereckt, die Flocken auf seine Zunge fallen. Das hatte er zuletzt am ersten Weihnachtstag des Jahres 1941 getan. Zwölf war er da und stand im Garten, während seine Mutter über die Gans wachte und noch immer hoffte, ihr Mann würde auch diesmal den Braten tranchieren. Nur deshalb war der Vogel – statt wie sonst gleich nach dem Frühstück – erst um zehn in den Ofen geschoben worden. Vier Stunden brauchte das Tier, zwei Kiepen Holz, vom kleinen Eickstedt am Morgen gefüllt, standen neben dem Herd. Trockene Birke zum Anfeuern, und Eiche, um die Röhre heiß zu halten.

Noch zwei Stunden musste die Gans ihr Fett ausschwitzen, so lange brauchte auch das Fleisch, um mürbe zu werden. Dann würde die Mutter das Tier auf den Rost legen, mit Vaters Selbstgebranntem bestreichen und darauf lauern, dass die Haut die richtige Konsistenz bekäme. Ein dunkles rötliches Braun musste es sein, und wenn man mit der Gabel hineinfuhr, sollte sie splittern, wie der Zuckerguss auf Mutters Apfelkuchen. So mochte es der Vater am liebsten, der seit dem Frühling Soldat war und nun in dem Urlauberzug sitzen würde, der am Mittag in Stettin eintreffen sollte. Und dann würde ihn um dreizehn Uhr sieben die Randower Kleinbahn in Lenzen absetzen, damit er Punkt zwei eine Keule der Gans auf seinen Teller legen konnte.

Weihnachten 1941 aber, als der kleine Eickstedt im Garten stand und den ersten Schnee des dritten Kriegswinters schmeckte, ahnte er bereits, dass der Vater diesmal leer ausgehen würde. Der Wehrmachtsbericht meldete seit Tagen schon heftige Gefechte an der neuen Front im Osten. Erbitterte Kämpfe auch in Kaluga, wo der Vater stand. Eickstedt selbst hat das kleine Fähnchen in die Landkarte gerammt, die sie noch vor den Sommerferien in den Klassenraum hängen durften. Eine Handbreit unterhalb von Moskau. Aber dann ist der Vormarsch eingefroren. Am dritten Advent kam ein kurzer, auf schmutzigem Papier geschriebener Brief, in dem der Vater zum Gänsebraten daheim zu sein versprach. Aber da wollte Stalin nicht mitspielen. Von «Frontbereinigungen» und «Absetzbewegungen» konnte man plötzlich in der Pommerschen Zeitung lesen. «Der überraschende Wintereinbruch», entschuldigte es der Lehrer, als die Fähnchen auf der Ostfrontkarte gar nicht mehr oder nur noch millimeterweise vorwärts wanderten. Und dann hat er sie in die Weihnachtsferien geschickt und gebeten, in den Schränken nach entbehrlichen Kleidungsstücken für die frierende Front zu schauen.

«Das sollen mal schön die Städter machen», schimpfte die Mutter, die Vaters wollene Unterwäsche längst nach Russland geschickt hatte und seit Wochen abends im Schummerlicht der Küchenlampe Socken strickte. Sogar der Pullover von Eickstedts altem Teddy hatte dran glauben müssen, war aufgeräufelt worden, auch wenn die Wolle nur für einen halben Fuß reichte. Pünktlich am Weihnachtstag kam dann der Winter aus dem Osten auch im Bruch an. Mit dem Schnee zog die Kälte übers Haff und hielt Tantow lange in eisiger Umklammerung. Dauerfrost, bis tief in den März ’42 hinein. Den Porree konnten sie am Dreikönigstag nur noch mit der Spitzhacke aus dem Boden schlagen. Später kamen die Rehe bis an die Häuser und fraßen sogar die Rosenknospen ab.

Eickstedt wunderte sich, dass er beim Schmecken des Schnees wieder an damals denken musste. An die ersten zwei Gänsekeulen, die er sich auf seinen Teller legen durfte, eine am ersten, eine am zweiten Weihnachtsfeiertag. Und auch vom Grünkohl konnte er sich zum ersten Mal so viel nehmen, wie er wollte. «Du bist jetzt der Mann im Haus», bestimmte die Mutter und drückte ihm – nachdem sie ihre Tränen getrocknet hatte – das Tranchierbesteck in die Hand.

Niemand war aus dem Zug gestiegen bis auf den Schaffner. Und der auch nur, um mit seiner Kelle das Abfahrtsignal zu geben. Als Eickstedt von ihm wissen wollte, was mit den Urlaubern wäre, hat der Schaffner ihn nur mitleidig angeschaut und mit den Schultern gezuckt: «Nach Osten geht kaum noch was, und die paar Züge, die von da kommen, sind mit Verwundeten vollgestopft. Am Freitag war einer aus Pasewalk drin, dem hat’s alle Zehen abgefroren. Sei man also froh, dass dein Vater nicht dabei gewesen ist.»

Das hat Eickstedt der Mutter erzählt, als er den Vogel auseinanderschnitt. Und dann hat er ihr ein großes Stück von der Brust auf den Teller gelegt und dazu auch die knusprige Haut, die der Vater sonst immer schon vor dem Gebet abriss und sich in den Mund stopfte. Als er, das Vaterunser murmelnd, auf die schwieligen Finger der Mutter schaute, tauchte das Bild wieder auf: Vaters seliges Grinsen, und die Lippen glänzend vom Gänsefett.

Ein Jahr später, Weihnachten 1942, war der Vater wieder da und pochte auf seine alten Rechte. «Zwei Keulen und die Haut! Wie immer, Mutter!» Wen kümmerte es, dass Eickstedt das ungerecht fand, weil der Vater schließlich nur noch ein Bein hatte und die meiste Zeit im Bett lag und lauthals über die Schmerzen klagte, die ihm der Stumpf bereitete. Selbst zum Holzhacken war er nicht mehr zu gebrauchen. Auch der Gans, die nun wieder der Vater aufteilen durfte, hatte sein Sohn den Kopf abschlagen müssen. «Halt sie an den Füßen, halt sie an den Füßen!», hat der Einbeinige gebrüllt, als ob der kleine Eickstedt nicht längst wüsste, wie man die Vögel ruhig stellte. Das Blut musste in den Kopf schießen, dann hörte das Gezappel auf und die Axt hatte leichtes Spiel.

Weit über sechzig Jahre war das alles her, aber manche Erinnerungen kleben zäh, das wusste der alte Pfarrer nur zu gut. Er machte den Mund zu und setzte seinen Weg fort, durch den Flockenwirbel nach Lenzen. Das Dorf verschwand hinter seinem Rücken. Er würde sich beeilen müssen, wollte er noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder daheim sein.

Je älter Eickstedt wurde, desto mehr haderte er mit dem Winter. Jede Stunde, die er der Finsternis abtrotzte, zehrte an seinen Kräften. Achtzig würde er im nächsten Jahr werden, und er hoffte inständig, dass auch diesmal sein Name nicht in der Liste der Jubilare auftauchte, die das Gemeindeblatt monatlich abdruckte. Gleich nach seinem Siebzigsten war er ins Amt gegangen, hatte auf den Tisch gehauen und gefordert, dass sie den Unsinn lassen sollten. Sogar die Postfrau habe sich bemüßigt gefühlt, ihm zu gratulieren. Extra geklingelt hatte sie, was sonst nur passierte, wenn bei den Quandts keiner zu Hause war und er ihre Versandhauspakete in Empfang nehmen musste. «Das müssen Sie uns aber schriftlich geben, Herr Eickstedt!», hatten die Damen im Amt gesagt. Und was er eigentlich wolle, die anderen Senioren jedenfalls wären alle glücklich, ihren Namen in der Zeitung zu lesen. Himmelherrgott, am liebsten hätte er ihre frechen Mäuler in die mit Schlümpfen verzierten Kaffeetassen gedrückt. Was wussten die schon vom Alter – was von der Mühsal des nächtlichen Wasserlassens, was von den Schmerzen, die einen morgens begrüßten, sobald man den rostenden Leib aus dem Bett wälzte.

Und trotzdem stand Eickstedt auch im Winter um halb sechs auf, heizte, frühstückte und las in der Schrift, bis es hell genug war, die Tiere zu füttern. Der sonntägliche Marsch nach Lenzen war eine weitere Stange des strengen Korsetts, in das der Pfarrer seine Tage schnürte. Auch wenn er in den letzten Jahren immer öfter schon auf Höhe des Vorwerks den Rückweg antrat.

Vielleicht hätte er doch seinen Wallach satteln sollen. Dem Pferd täte ein Ausritt gut. Obwohl der Schimmel schon Anfang zwanzig war, trug er Eickstedt noch immer anstandslos. Anders als die Stute, die es im Rücken hatte und eigentlich zu nichts mehr nütze war. Aber ein Pferd allein, das ging nicht gut, und so durfte sie auf Eickstedts Hof als Beistellgaul ihr Gnadenbrot fressen. Natürlich hätte er sich auch ein jüngeres Pferd zulegen können. Aber wozu? In zwei oder drei Jahren war es ohnehin vorbei. Schon jetzt musste sich Eickstedt einen Hocker neben das Pferd stellen, um in den Sattel zu kommen. Und wenn er im Galopp durch den Forst ritt, spürte er schmerzhaft jeden einzelnen seiner Rückenwirbel. Dazu kamen die Ruten und Blätter, die ihm immer öfter ins Gesicht schlugen, weil er längst nicht mehr so schnell und beweglich war, um sich vor jedem herabhängenden Zweig rechtzeitig abzuducken. Und trotzdem liebte Eickstedt es, auf seinem alten Gaul durch den Forst zu fliegen. Nur hier zwischen den Buchen war er vor der Zeit sicher, die das ärmliche Antlitz der alten Heimat zu einer hurenhaften Grimasse schminkte. Und das war das einzig Gute am Winter: Sein Schnee deckte all die Scheußlichkeiten zu, mit denen die Tantower ihren vermeintlichen Anschluss an die neue Zeit beweisen wollten. Sogar die gewölbten, braun getönten Scheiben in Quandts weißer Kunststofftür konnten sich des Ansturms der Flocken nicht mehr erwehren.

Mit einem zufriedenen Grinsen zog der Pfarrer am Haus seines Nachbarn vorbei in den Wald. Im Windschatten der großen Buchen war das Schneegestöber weniger heftig. Trotzdem kam der Pfarrer nur mit Mühe voran. Immer wieder versperrten ihm Äste und ganze Stämme den Weg. Bruchholz, das der Orkan hinterlassen hatte, als er am letzten Sonntag durch den Stolzenburger Forst gefegt war. Eigentlich sollten Erdmanns Männer hier für Ordnung sorgen. Seine Agrargenossenschaft zahlte die Pacht für das riesige Waldstück von Tantow bis zur Grenze. Doch jetzt war Jagdzeit und Erdmann auf der Pirsch. Krach wollte er da in seinem Wald nicht haben. Eickstedt wusste, dass es keinen Sinn machte, sich darüber aufzuregen. Er war ohnehin der Einzige, der den Weg benutzte, sah man einmal von dem Schreiberling ab, der jetzt in Alma Rengerts alter Kate hauste, und der Belgierin, die das Vorwerk ersteigert hatte.

Früher hatten sich noch die Tantower um die Strecke gekümmert. Und niemals hätten sie zugelassen, dass der Weg nach Lenzen länger als einen Tag unpassierbar blieb. Damals waren die zwei Kilometer von Tantow zum Lenzener Bahnhof die Lebensader des Dorfes. Mit Fuhrwerken waren die Leute zur Station gefahren oder mit dem Rad. Wer um sechs in Lenzen in die Bahn stieg, stand um sieben Uhr zwanzig in Stettin am Berliner Tor. Arbeit gab es in der Hafenstadt genug und Käufer für das Obst und Gemüse aus den Tantower Gärten auch. Eickstedt war noch im ersten Kriegswinter mit seinem Vater und zwei Kisten fetter Pommerngänse auf den Markt in der Mauerstraße gefahren. Und lange bevor der Ruf «Di Mark is ut» ertönte, hatten alle ihre Graugescheckten neue Herren gefunden.

Doch dann kamen die ersten Wellingtons über die Ostsee. Anfänglich trafen ihre Bomben nur die großen Betriebe, die Vulcan-Werft und das Hydrierwerk in Stettin-Pölitz. Am Ende jedoch verteilten die Engländer ihre tödliche Last großzügig. Im August 1944 traf es St. Jakobi, das alte gotische Rathaus und das Schloss der Pommernherzöge. Und zweieinhalbtausend Männer, Frauen und Kinder. «Unschuldige allesamt», hieß es später in der Zeitung, aber wer war schon wirklich ohne Schuld? Sein Vater mit Sicherheit nicht. Bis an die Wolga war er marschiert. Dort hatte ihm schließlich eine Mine das Bein abgerissen. Stalingrad blieb ihm so erspart. «Für mich ist der Krieg aus!», hatte er gelacht, als er nach Tantow zurückgehumpelt kam. War das nicht das Bein wert, das nun in Russlands Erde faulte? Eine Flasche vom neununddreißiger Holunderblütenschnaps hatte er gleich nach seiner Ankunft ausgetrunken und in den nächsten Wochen die restlichen. Geschämt hatte sich Eickstedt damals für den Vater, der nur noch durchs Dorf torkelte und so lange die Männer im Krug mit seinen Schauergeschichten aus Russland unterhielt, bis ihn Otto Reichert zur Seite nahm. «So geht das nicht weiter», hat der Ortsbauernführer gesagt, so leid es ihm persönlich tue, aber auch als Krüppel hätte der Volksgenosse Eickstedt nicht das Recht, am Endsieg zu zweifeln. Fortan ist der Vater daheim geblieben, was auch die Mutter freute. Jahre später gestand sie, dass die Standpauke des brauen Otto ihre Idee gewesen war: «Um Kopf und Kragen geredet hätte sich der am Ende noch.» Um die letzte Flasche von Vaters Selbstgebranntem war der Ortsbauernführer für den Spaß zu haben gewesen: «Na, dann mach ich mal den strengen Hund!»

Doch zu früh gefreut, Mutter. Denn just an jenem Sommertag, als die Maschinen der Royal Air Force von Hemswell aus über den Ärmelkanal aufbrachen, um eine weitere deutsche Stadt auszuradieren, hielt es den Vater nicht mehr im Haus. Nach Mittag machte er sich auf den Weg nach Stettin, um sich beim Orthopäden Dr. Kalkreuth in der Roßmarktstraße eine neue Prothese anpassen zu lassen. Die alte aus dem Wehrmachtslazarett rieb den Stumpen nur noch wund, schon die paar Meter vom Bahnhof hin zur Praxis genügten, um den Stoff seines Sonntagsanzugs vom linken Knie abwärts mit Blut zu tränken. Weshalb der Vater auch in der Stadt bleiben wollte, in der Hoffnung, Dr. Kalkreuths Salbe und ein paar Klare würden die Entzündung über Nacht lindern. Im Schatten von St. Jakobi werde schon nichts passieren, sagte er und nahm bei seiner Schwester Quartier, die dem Kirchenorganisten als Aufwartefrau zur Hand ging. 244 Jahre lang hatte dessen Orgel ihre Pflicht erfüllt, doch diese Nacht sollte ihre letzte sein, ebenso wie die der Tante und des Vaters, der, «mein Bein!», den Weg in den Luftschutzkeller nicht auf sich nehmen wollte.

«Vergiw uns unse Schuld, as wi in’n stilln, dei uns wat schülling sünd, vergäben willn! Giw, dat uns nich versöcht de Bös!» Das pommersche Stoßgebet der Mutter klingt Eickstedt bis heute in den Ohren. Sie hatte es geahnt. Aber dazu gehörte nicht viel. Erst dröhnten die Motoren der Royal Air Force über den Stolzenburger Forst, dann färbte sich im Osten der Nachthimmel rot. Vom Galgenberg aus konnte man die Flammen leuchten sehen, in denen das alte Stettin versank. Und während die Mutter an jenem Tag ihren Glauben verlor, wusste der kleine Eickstedt, frisch gekürtes Mitglied der Randower Reiter-HJ, dass Gott gar nicht anders konnte, als Beine faulen, Väter sterben und Städte in Schutt und Asche versinken zu lassen: zwei Keulen, Moskau und dann noch die knusprige Pelle von der Brust 

«Je größer die Hoffart, desto straffer die Zügel. Das Maul muss die Kandare spüren. Sonst geht der Gaul durch.» So in Gedanken versunken merkte der Pfarrer gar nicht, wie ihn seine alten Füße durch den Schnee immer tiefer in den Wald getragen hatten. Schon lag der Abzweig zum Vorwerk hinter ihm, als plötzlich ein dumpfes Röhren die Stille durchschnitt. Eickstedt blieb stehen. Niemals zuvor hatte er einen Hirsch derart eindringlich rufen hören. Das Brunftgeschrei des Rotwilds, das man im Frühherbst abends bis in Tantows Stuben hören konnte, war in der letzten Oktoberwoche verstummt. Die Hirsche, die ihr Rudel bedient hatten, schlichen nun abgemagert durch den Stolzenburger Forst, kaum fähig, so mächtige Laute von sich zu geben. Es musste also ein Einzelgänger sein. Einer jener Althirsche, die sich nicht mehr um die brunftigen Kühe balgen wollten und immer wieder der Flinte entkamen, weil sie nicht auf den ausgetretenen Pfaden an Erdmanns Hochständen vorbeizogen. «Ein Bruder also», lächelte der Pfarrer und forschte in den Baumreihen nach dem Tier. Erst jetzt merkte er, dass die Dämmerung längst hereingebrochen war. Es fiel ihm schwer, zwischen den dicken Stämmen überhaupt noch etwas zu erkennen.

Schon wollte er sich auf den Rückweg machen, da knackte es vor ihm im Geäst. Der Pfarrer riss die Augen auf. Und dann sah er ihn. Mit ruhigem Schritt bahnte sich ein stämmiger Rothirsch seinen Weg aus den dunklen Buchen. Erstaunt musterte Eickstedt das Tier. Für einen ausrangierten Althirsch hielt er sich wacker. Sein Körper war noch immer kräftig, der Rücken gerade, das Haupt erhoben. Und schließlich das Geweih! Eickstedt begann zu zählen, zwanzig, vielleicht sogar zweiundzwanzig Enden könnten es sein. So genau wusste er es nicht zu sagen, denn sein Blick blieb an einem funkelnden Etwas hängen, das sich offenbar im Gestänge verfangen hatte. Gerade wollte Eickstedt noch näher an den Hirsch heran, da kam der ihm zuvor. Der Hirsch trat aus dem Wald und blieb ohne Scheu zehn, fünfzehn Meter vor Eickstedt stehen. Gleichmäßig schickte das Tier seinen Atem in die kalte Abendluft. Eine halbe Ewigkeit, so schien es Eickstedt, starrte es ihn aus großen braunen Lichtern an. Schließlich warf der Hirsch den Kopf nach hinten und öffnete das Maul, um noch einmal seinen dumpf röhrenden Ruf durch den Forst schallen zu lassen. Im selben Moment zog ein riesiger Schwarm pechschwarzer Krähen im Tiefflug über den wie versteinert dastehenden Eickstedt hinweg. Ein kalter Schauer fuhr durch den hageren Körper des Pfarrers, der spürte, wie ihm das Wasser in die Augen trat. War es Rührung ob dieses unheimlichen Schauspiels oder lediglich die Kälte? Er wusste es nicht, er fühlte nur Tränen über sein zerfurchtes Gesicht laufen.

Der Hirsch starrte eine Weile auf den weinenden Alten und knickte dann seine Vorderläufe ein. Und als der Pfarrer sich fragte, womit er so viel Demut verdient hatte, begann der Hirsch, mit der Krone seines gewaltigen Geweihs durch den frischen Schnee vor Eickstedts Füßen zu fegen. Dann aber sprang er mit einem kräftigen Satz auf, wandte sich ab und ging gemächlichen Schritts zurück in das dunkle Labyrinth der Buchenstämme.

Jetzt endlich löste sich der Pfarrer aus seiner Erstarrung. Die Sonne war längst untergegangen, und der Wald drohte, in der Dunkelheit zu versinken. Eickstedt wühlte in den Taschen seiner schweren Joppe, bis seine klammen Finger die kleine Lampe ertasteten, die da noch vom letzten Winter war. Das Gerät funktionierte ohne Batterien, leuchtete auf, sobald er den kleinen Bügel am Griff drückte. Und obwohl die Lampe nicht viel Licht gab, würde sie Eickstedt davor bewahren, über das herumliegende Bruchholz zu stolpern.

Bevor er sich aber umdrehte, um den Rückweg anzutreten, fiel das Licht seiner Lampe auf jene Stelle, an der der Hirsch eben erst die Schneedecke aufgebrochen hatte. Irgendetwas sagte dem Pfarrer, dass dies kein Zufall gewesen sein konnte. Hatte er nicht etwas glänzen sehen? Er bückte sich, um im flackernden Lichtschein den Boden zu betrachten. Schneekristalle funkelten, an ein paar Stellen hatte die Krone des Hirsches die Erde aufgekratzt, die sich nach dem Krieg über die alte Kopfsteinpflasterstraße gelegt hatte. Und genau dort, halb verdeckt von dunklen Krumen, sah er es leuchten: eine goldene Kette. Unversehrt und, als Eickstedt sie aufhob, außergewöhnlich schwer. Doch eher der Alte dazu kam, sie genauer zu untersuchen, hörte er Motorengeräusch, und eine Sekunde später erhellte grelles Scheinwerferlicht den Wald. Hastig steckte Eickstedt seinen Fund ein und hielt sich schützend die Hand vor die Augen.

«Herr Pfarrer, was machen Sie denn noch in der Dunkelheit hier draußen, ist Ihnen was passiert?» Doktor Wittlief und der Pfarrer trafen sich oft im Wald. Mal kam der Tierarzt vom Vorwerk, mal aus Lenzen, wo seine Familie bis zum Kriegsende ein Haus besessen hatte. Und was für eins. Während die anderen Bewohner des Fleckens in ärmlichen, aus Lehm und Stroh errichteten Katen lebten, hatten die Vorfahren des Doktors gemeint, ihr Heim für die Ewigkeit bauen zu müssen. Allein die Grundmauern aus Feld- und Ziegelsteinen waren mehr als einen Meter stark. Geholfen hatte es nichts. Das große Steinhaus der Wittliefs überstand den Krieg ebenso wenig wie die meisten der windschiefen Lenzener Lehmkaten. Wenn man sich die Mühe machte und das Gestrüpp beiseiteschob, das dort seit über sechzig Jahren ungehindert wucherte, konnte man noch Reste des Wittlief’schen Anwesens finden. Und genau das tat der Doktor hier draußen. Zu oft, wie Eickstedt fand, auch wenn ihm der junge Mann versicherte, dass es ihm nur um die Flechten ging, die sich auf dem alten Gemäuer in mannigfaltiger Art ausbreiteten. Wittlief, das wusste der Pfarrer, sammelte das Zeug. Sogar die Randowpost hatte seinem seltsamen Hobby eine Seite gewidmet und die Regale gezeigt, in denen er von Flechten überzogene Gesteinsbrocken und Hölzer hortete. Eickstedt hatte den Tierarzt in Idas Krug darauf angesprochen und sich dann drei Bier lang angehört, was für bizarre Mischexistenzen diese Flechten doch wären. Doppelwesen: halb Pilz, halb Alge, Grenzgänger – nicht mehr Pflanze und doch kein Tier. Die Leidenschaft, mit der der junge Veterinär seine Passion rechtfertigte, hatte Eickstedt damals imponiert. Trotzdem hatte er nicht vor, Wittlief von seiner rätselhaften Begegnung zu erzählen, und erst recht nicht von dem kostbaren Fund in seiner Jackentasche. Er gab den schusseligen Alten, während er sich vom Doktor aus der Hocke hochziehen ließ. «Nein, mir geht es gut. Ich hab nur die Zeit vergessen. Aber wo Sie schon einmal hier sind, können Sie mich natürlich nach Tantow fahren.» Ein Lächeln glitt über das rosige Gesicht des Tierarztes. Ohne Zaudern riss er die Beifahrertür seines teuren Geländewagens auf. «Ist mir eine Ehre, Herr Pfarrer», sagte der glattrasierte junge Mann, und schon fuhren sie gemeinsam durch den Schnee.

«Was hören Sie denn da?», wunderte sich Eickstedt, als aus dem Autoradio eine Frauenstimme kam, die sich beängstigend hochschraubte und dabei irgendetwas von Engeln sang.

«Wagner, Herr Pfarrer, die Wesendonck-Lieder, das könnte Ihnen auch gefallen. Hören Sie, hier!» Der Doktor stellte lauter. Ein neues Lied begann. «Sausendes, brausendes Rad der Zeit, Messer du der Ewigkeit, leuchtende Sphären …» Den Rest konnte der Pfarrer nicht verstehen, was auch am Akzent der Sängerin lag.

«Russin?» Wittlief schüttelte den Kopf. «Vielleicht Griechin? Ist auch egal, es geht um die Musik, Wagner, das schneidet ins Fleisch, spüren Sie es, Herr Pfarrer?»

«Hm», brummte Eickstedt, «mir, mein lieber Doktor, ist das alles eine Spur zu hysterisch, zu überspannt, wenn Sie wissen, was ich meine.»

Wittlief nickte und schaltete das Radio aus. «Vielleicht haben Sie recht, vielleicht sollten Frauen wirklich die Finger vom Metaphysischen lassen.»

Eickstedt musste schmunzeln. Der Tierarzt lebte allein, Frauen gab es nicht in seinem Leben. Jedenfalls bislang nicht, weshalb sich im Dorf auch hartnäckig das Gerücht hielt, «der feine Herr Doktor» sei schwul. Das war natürlich Unsinn. Schließlich hatte auch Eickstedt nie geheiratet, und fühlte er sich deshalb zu Männern hingezogen? Aber so waren die Tantower. Trotzdem war der junge Tierarzt ganz sicher der falsche Mann, um über die vermeintliche Begrenztheit weiblichen Denkens zu philosophieren. «Lassen Sie das bloß nicht die Ida hören», sagte Eickstedt, «sonst bekommen Sie Hausverbot im Krug.»

Den Rest der Fahrt wechselten die beiden noch ein paar belanglose Sätze über den Orkan vom letzten Sonntag und den Winter, der so früh und mächtig wohl schon seit Jahren nicht mehr über das Bruch gekommen war. Eickstedt kroch die wohlige Wärme der Sitzheizung in den schmerzenden Rücken, die Augen fielen ihm zu, während Wittlief über Erdmann schimpfte, der nicht in der Lage war, den Weg freizuhalten. Der Pfarrer war eingenickt, als sie vor seinem Haus standen. Wieder hielt ihm der Tierarzt die Beifahrertür auf, und so müde, wie Eickstedt war, wehrte er sich auch nicht, als ihm Wittlief aus dem Wagen helfen wollte, und reichte ihm seine Hand. Doch statt zuzufassen, starrte Wittlief nur auf Eickstedts Rechte. «Sie bluten ja, haben Sie sich doch verletzt?»