Deutsche und Humor

Cover

Inhaltsverzeichnis

Fußnoten

  1. Danach wurde der Sonderpreis auch gleich wieder abgeschafft.

  2. Henri Bergson: Das Lachen – ein Essay über die Bedeutung des Komischen, Sammlung Luchterhand 1988, Originalausgabe 1940, Paris

  3. Waldorf: »Hat dir die Show gefallen?«

    Statler: »Ja!«

    Waldorf: »Kein Wunder, dir hat auch der Zweite Weltkrieg gefallen.« (Muppet Show, 1976)

  4. Jaak Panksepp, Jeff Burgdorf: ›Laughing rats‹ and the evolutionary antecedents of human joy?, Physiology and Behaviour 2003

  5. Marina Davila Ross, Michael J. Owren, Elke Zimmermann: Reconstructing the Evolution of Laughter in Great Apes and Humans, Current Biology 2009

  6. Ähnlich hartnäckig werden sonst wohl nur Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten verwechselt.

  7. Mitunter schon mit Spuren von Tragik.

  8. »Woher zur Hölle soll ich wissen, warum es Nazis gegeben hat? Ich weiß nicht mal, wie der Dosenöffner funktioniert!« (Woody Allen: Hannah und ihre Schwestern, 1986), oder wie Elie Wiesel aus der Hölle Auschwitz berichtet: »He Moishe, iss nicht zu viel! Denk an uns, die wir dich mal tragen müssen.« (Die Nacht)

  9. JH: Zu der Überschrift gehört eine kurze Geschichte, die schon fast alles sagt: Vollkommen unerwartet erhielt ich eine Einladung in einen Weihetempel der Literatur. Verwundert fragte ich den Veranstalter, wie er denn dazu käme, ausgerechnet mich einzuladen, das sei ihm doch in den vergangenen zehn Jahren auch nicht passiert. Ob er nicht wisse, dass ich teilweise Humorvolles schriebe?

    »Ja, das weiß ich«, antwortete er. »Aber das macht nichts. Zu der Zeit sind sowieso alle wichtigen Leute auf der Buchmesse in Frankfurt, da können Sie ruhig lesen. Das machen wir jedes Jahr so. Die Reihe heißt: ›Wo bleibt eigentlich der Humor?‹«

  10. Genannt seien Billy Wilder, Mike Nichols, Ernst Lubitsch.

  11. Auf der anderen Seite ist es tatsächlich nicht wirklich schwierig, das Buchmessenpublikum zum Lachen zu bringen. Den ganzen Tag auf intellektuell machen ist offenbar anstrengend. Jede noch so mittelmäßige Kapelle kann diese Leute zum Hopsen bringen, Alkohol spielt immer eine wichtige Rolle. Cocktails finden selbst zum Preis von Hauptgerichten reißenden Absatz, noch besser natürlich Freigetränke. Es gibt diese unglaublich teure Bar, in die am Abend »alle« gehen. Da stehen die Leute an der einen Schlange für schwer überteuerte Getränke an und an der anderen, um für die Getränke zu bezahlen. Tatsächlich stellen die sich alle auch brav an die zweite an, um das Tagessalär einer Kassiererin für einen Gin Tonic zu bezahlen.

  12. Vielleicht wird es spätestens an dieser Stelle Zeit, uns einmal vorzustellen. Wir sind die Autoren dieser Zeilen. Zusammengerechnet sind wir seit fast hundert Jahren Fans humorvoller Kunst, seit fast fünfzig Jahren schreiben wir selbst humorvolle Texte und lesen die dann unserem Publikum vor. Sie fragen sich vielleicht: »Warum schreiben die das?« Während des Verfassens haben wir uns das andauernd selbst gefragt: Warum schreiben wir das? Wir können es Ihnen nicht sagen. Aber es hat uns ungeheuren, ingrimmigen Spaß gemacht.

  13. Irgendwo auch lächerlich, dieser Selbstvergleich mit Putzfrauen. Typisch leidender Künstler: Lebt wie die Made im Speck, ohne etwas Richtiges zu tun, und vergleicht sich dabei gern mit Menschen, die um 4.30 Uhr morgens aufstehen müssen, schwere Putzwagen mit Dutzenden Chemikalien durch die Bürohochhäuser schieben, im harten Minutenakkord ihre Hände ins Putzwasser tauchen und dafür von denen, deren Dreck sie entfernen, mehr wie der Dreck selbst denn als Kollegen behandelt werden.

  14. Ist es richtig, hier diesen Begriff zu verwenden? Das Schöne ist die Beliebigkeit, die durch »Allerlei« ausgedrückt wird. Tatsächlich besteht das Zeug meist aus Möhren und Erbsen, Spargel, häufig Butter, aber wir haben darin schon so gut wie alles von Kohlrabi bis Schwarzwurzel und verschiedene scheußliche Kräuter gefunden.

    Das Problem ist der Ortsname Leipzig. Schließlich will man ja nicht als DDR-Schriftsteller gelten. Dies gilt insbesondere, da es diesen Staat nicht mehr gibt. Es ist nicht klug, für einen Herrn zu schreiben, der abgedankt hat. Wie viele Lyriker werden dem Kopf Ludwig XV. in seinem Korb unter dem Schafott noch Gedichtkränze gewunden haben? Auch gab es nach 1945 sehr wenige bekennende nationalsozialistische Schriftsteller. Andererseits: Würde nicht gerade der souveräne westdeutsche Schriftsteller auch den Begriff »Leipziger Allerlei« ohne Hintergedanken verwenden können, ist es nicht spezifisch ostdeutsch, Angst vor dem Verwenden eines ostdeutschen Städtenamens in einem literarischen Text zu haben? Wäre dann also das spezifisch Ostdeutsche die Vermeidung jeglichen ostdeutschen Themas? Und würde dann nicht die Mehrzahl der Schriftsteller auf der Welt spezifisch ostdeutsch schreiben, zum Beispiel die USA-Literaten, die ja in ihrer Mehrzahl kaum ostdeutsche Themen verhandeln? (Selbstermahnung! Der Begriff »USA-Literaten« könnte tatsächlich direkt dem Neuen Deutschland anno 1970 entnommen sein, sehr spezifisch ostdeutsch!)

  15. Thomas Nagel: The Absurd, The Journal of Philosophy 1971

  16. »Ein kluger Mann namens Engels / der sagte den Mädels und Bengels: / Du mußt was tun, Du mußt was schaffen / Denn erst durch die Arbeit erhob sich der Mensch über den Affen.« Peter Hacks, DDR-Lesebuch, ca. Klasse 2

  17. Einfügen könnte man hier: »Siehe Nationalsozialismus – ein großer Haufen geistiger Armut revoltiert erfolgreich gegen Klugheit, Witz und Wahrheit.« Aber Referenzen zum Nationalsozialismus sind immer problematisch, zu drastisch, zu plakativ, zu oft gebraucht.

  18. Frage an uns selbst: Zitate überprüfen oder ungeprüft im Text stehen lassen? Es ist doch gut möglich, dass C. G. Jung das so gesehen hat. Einerseits wirkt es seriöser, wenn die Personen selbst tatsächlich so etwas gesagt haben, aber bei Personen mit ausreichend voluminösen Werken findet man ja immer irgendeine Stelle, die in etwa das stützt, was man ohnehin behaupten wollte. Andererseits bietet die Nicht-Prüfung zwei Vorteile: Erstens Einfachheit, zweitens können Klugmeier das ganze Buch durcharbeiten und inhaltliche Fehler darin finden, mit etwas Glück daraus einen Pseudo-Skandal basteln und dann die Verkaufszahlen in die Höhe treiben. Wichtig: Vor allem verstorbene oder sehr alte Größen bei dieser Art von Zitaten verwenden, die können dem Zitat nicht mehr selbst widersprechen.

  19. Die Rede ist hier nicht von Rose und Hund, sondern von Kranich und Maiglöckchen.

  20. Cat’s cradle, Holt, Rinehart, Winston 1963; Übersetzung des Gedichts: die Autoren (also nicht der Autor Vonnegut, sondern die Autoren von dem Text hier, den Sie gerade lesen)

  1. Simon Critchley: On humour, Routledge 2002

  2. Denn Kriminalität ist ja gerade als das Überschreiten der Grenzen des Verbots definiert. Dennoch lässt sich Kriminalität sanktionieren. Ebenso sind natürlich die Autoren dieser Zeilen der Meinung, dass sich Humor wiewohl nicht erklären, dennoch begreifen lässt.

  3. E. B. White: Some remarks on humor, Vorwort zu A Subtreasury of American Humor, Coward-McCann 1941

  4. Deuticke 1905

  5. Das kann primitiv sein: »Alle Frauen sind doof« (Stammtisch) oder komplex: »Nach Demokrit gab es keine wichtigen Philosophen mehr« (Philosophenkongress) oder für Laien unverständlich:

    »Treffen sich zwei Funktionen auf einem engen Weg und kommen nicht aneinander vorbei. Sagt die eine: ›Aus dem Weg, sonst leite ich dich ab!‹

    Sagt die andere: ›Geht nicht, ich bin eine e-Funktion!‹« (Mathematikermensa)

  6. Ausführlich erläutert in: Manfred Geier: Worüber kluge Menschen lachen – Kleine Philosophie des Humors

  7. Genesis 1,27

  8. Der Gartenfreund wird wissen, von welcher Hartnäckigkeit wir sprechen. Quecke vermehrt sich noch aus kleinen Wurzelresten, die man beim Jäten im Boden zurückgelassen hat, bildet dann Netzwerke unter dem Beet und taucht plötzlich an einer vollkommen unerwarteten Stelle wieder auf. So ist der Vergleich besonders zutreffend, denn auch die Ablehnung des Humors findet man plötzlich in voller Blüte an unerwarteter Stelle wieder, wenn man gerade dachte, dass sich das Thema erledigt hätte, endlich ein vernünftiges Verständnis erzielt worden wäre. Quecke – das große Vorbild allen anderen Unkrauts.

  9. Shaftesbury: Ein Brief über den Enthusiasmus

  10. Aus: Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten, 1972

  11. Hatten hier zunächst den hoch geschätzten Helge Schneider als Beispiel, dann aber einen Rückzieher gemacht. Es gibt ja immer noch Leute, die von ihm nur zwei Lieder (eigentlich eines) kennen und daraus Rückschlüsse auf sein Gesamtwerk ziehen. Solche Kurzschlüsse gibt es wirklich auch nur auf dem Gebiet des Humors, so wie sich Leute vier Minuten lang die Simpsons ansehen und dann die Meinung vertreten, das sei geistlos. Jeden Künstler könnte man sich so schlechtmachen: ein paar schwache Werbefilme eines wichtigen Regisseurs, ein paar Talkshow-Auftritte von Schauspielern, frühe Arbeiten wichtiger Maler, Toiletten bedeutender Architekten, lahme Auftragstexte großartiger Schriftsteller.

  12. Gleichzeitig wird niemand behaupten wollen, dass die mit großem Ernst vorgetragenen Äußerungen von Fußballern nach Spielen auf satisfaktionsfähige Weise ernsthaft sind. »Das Problem ist, dass ich immer selbstkritisch bin, auch mir selbst gegenüber.«(aus dem Werk von Andreas Möller)

  13. Die wunderbaren Thomas-Mann-Tagebücher: »Am Nachmittag masturbiert, dann zwei Seconal in Wasser aufgelöst. Große Ruhe empfunden.«

  14. »Aus Spaß wurde Ernst, und Ernst lernt jetzt laufen.« Wilhelm Bendow, circa 1930

  15. Es sollte nicht so feindselig wie Gegner oder Widersacher klingen; Antipode klingt ein wenig wie centipede, jenes freundliche Wort für den Tausendfüßer, außerdem kommt die Silbe Po darin vor, die an sich lustig ist. Denn bloß weil es zwei Gegensätze gibt, müssen sich diese nicht feindselig gegenüberstehen. Zum Beispiel kann man wunderbar Wasser predigen und Wein trinken oder gleichzeitig fröhlich sein und traurig. Nichts gegen den Ernst an sich! Das ist so wie bei vegetarischer Ernährung, die vollkommen, ausgewogen und vielseitig sein kann. Aber wenn man vegetarisches Essen so versteht, dass man von einer deutschen Hauptmahlzeit die tierischen Bestandteile entfernt und sich nun dreinschicken soll, trockene Kartoffeln mit weich gekochtem Blumenkohl zu essen, dann wird das Unternehmen zu einem freudlosen Selbstzweck.

    Ernst ist in Ordnung, aber nur als gewähltes Mittel zum gewollten Zweck und nicht als Waffe gegen Humor.

  16. Und, man möchte sagen: eine etwas mutigere Art. Denn schließlich ist es immer leichter, einen Kampf ohne Gegner zu gewinnen, als sich der offenen Auseinandersetzung zu stellen.

  17. Und kommt eher der Kant’schen Auffassung von Würde als »menschlichem Gestaltungsauftrag für Individuum und Gesellschaft« nah.

  18. Thomas Nagel: The Absurd, s.o., Übersetzung: die Autoren

  19. Verlag A. Hofmann 1882

  20. Was für eine schnöde Retourkutsche, war es doch der Hanswurst, der sich ursprünglich verächtlich über die klassischen Stoffe lustig gemacht hatte.

  1. Das Lalebuch. Wunderseltsame, abenteuerliche, unerhörte und bisher unbeschriebene Geschichten und Taten der Lalen zu Laleburg, 1597

  2. Auch für das Publikum hatte er klare Vorschriften. »Man lache nicht!«, rief er ihm aus seiner Loge bei einer Uraufführung von Schlegels Alarcos zu.

  3. A German joke is no laughing matter« (Ein deutscher Witz ist nichts zum Lachen), Mark Twain zugeschrieben

  4. Franz.: »Blättchen«. Gelungene Ironie, dass ausgerechnet die Erben dieser Tradition so entschiedene Gegner lebender komischer Kunstschaffender wurden.

  5. Eigentlich Otto Pfützenreuter

  6. Ignaz Wrobel: Der Deutsche Mensch, Die Weltbühne, 30. 08. 1927, Nr. 35, S. 332

  7. Ausführlich bei Gudrun Pausewang: Erlaubter Humor im Nationalsozialismus (1933–1945), Pieterlen 2007

  8. Größter Führer aller Zeiten

  9. Uwe Naumann: Zwischen Tränen und Gelächter. Satirische Faschismuskritik 1933 bis 1945, Köln 1983

  10. Bruno Adler (Autor), Uwe Naumann (Hrsg.): Frau Wernicke: Kommentare einer ›Volksjenossin‹, Frankfurt a. M. 1990

  11. Robert Lucas: Teure Amalia, vielgeliebtes Weib! Die Briefe des Gefreiten Adolf Hirnschal an seine Frau in Zwieselsdorf, Reinbek 1984

  12. Frei erfunden, könnte etwa so stimmen, und meine absolute Verachtung für diese Person möchte ich nicht durch das Studium seiner Werke zur Findung eines gewiss vorhandenen Originalzitats für diese Stelle durchbrechen.

  13. Peter Nelken: Lachen will gelernt sein: Ein ziemlich ernsthaftes Buch über Humor u. Satire, Berlin 1964

  14. Beuys führt dazu aus: »Die Betrachtung der Berliner Mauer aus einem Gesichtswinkel, der allein die Proportion dieses Bauwerks berücksichtigt, dürfte doch wohl erlaubt sein. Entschärft sofort die Mauer. Durch inneres Lachen. Vernichtet die Mauer.«

  15. Franz Maria Feldhaus: Ka-Pi-Fu und andere verschämte Dinge. Ein fröhlich Buch für stille Orte, Friednau 1921

  16. Es sei denn, sie sind schon so gottähnlich unfehlbar, dass sie selbst ihrem Lachen trauen können: »Ich habe selten so gelacht, und ich lache nie unter meinem Niveau.« (Marcel Reich-Ranicki)

  17. Vergleichbar vielleicht mit der großen Kunst des (im Übrigen sehr komischen) Hitchcock. Seine filmischen Innovationen waren zu weiten Teilen so überzeugend, dass sie zu üblichen handwerklichen Mitteln wurden, sodass die Genialität seiner Filme heute nicht so offensichtlich ist wie zu seiner Zeit.

  18. Zahllose Beispiele sind nachzulesen in R. Gernhardt: Was gibt’s denn da zu lachen?

  19. Oder wie der große schottische Komiker Frankie Boyle es ausdrückt: »Humor criticism is why a cunt didn’t like something he didn’t understand.«

  20. Gernhardt: Letzte Ölung, Teil 1, Haffmans 1984