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Frederik Jötten • Jens Lubbadeh

Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?

Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Über Frederik Jötten / Jens Lubbadeh

Frederik Jötten ist Parasitologe, Journalist und Singer-Songwriter. Immer auf der Suche nach der gesündesten Art zu leben, hält er die Luft an, wenn jemand niest, und deckt sich am Strand mit Bettlaken zu – um Hautkrebs abzuwenden. Er sieht sich als Vorbild der rationalen Krankheitsprävention, andere halten ihn für sozial auffällig. Als Musiker Fred Erikson besingt er seine Gene, die er verantwortlich macht für Vergesslichkeit, Entscheidungsschwäche und seine beiden linken Hände. Im Ernst schreibt er u.a. für DIE ZEIT, die NZZ am Sonntag und FOCUS Gesundheit. Mehr erfahren Sie auf www.frederik-joetten.de und www.fred-erikson.de.

 

Jens Lubbadeh hält Spezialisten für speziell, vor allem, wenn sie sich nur mit Organen beschäftigen. Während seines Biologiestudiums widmete er sich zwar auch vorwiegend Gehirnen, brauchte für seines aber Abwechslung, weswegen er Journalist wurde. Ob Sharing Economy oder Scheinmedikamente, Glücksspiel oder geplante Obsoleszenz – Jens Lubbadeh schreibt über die unterschiedlichsten Themen. Er ist Redakteur bei Technology Review, seine Texte erscheinen u.a. in SPIEGEL, SPIEGEL ONLINE, ZEIT Wissen, Süddeutsche Zeitung. 2013 erhielt er den Herbert Quandt Medien-Preis für Wirtschaftsjournalismus. Wer mehr über ihn wissen möchte: www.lubbadeh.de.

 

Frederik Jötten und Jens Lubbadeh schreiben im Wechsel die wöchentliche Kolumne «Wir machen uns mal frei» auf SPIEGEL ONLINE.

Über dieses Buch

Frederik Jötten und Jens Lubbadeh kennen jeden Schmerz: im Rücken, im Knie, im Fuß. Sie gehen zum Arzt, wenn ein Muskel zuckt, probieren Zahnbleaching und tragen schon mal Operationsmasken, um die Grippesaison zu überstehen. Was dabei herauskommt? Lustige bis tragische Patientengeschichten auf der einen Seite – und gesundheitliche Aufklärung auf der anderen, denn die beiden konsultieren auch Experten. So erklärt ein Professor, warum es kein Hinweis auf Demenz sein muss, wenn man ständig seine Brille verlegt, oder ein Zahnarzt, wie man sich optimal vor Karies schützt.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, November 2013

Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München (Bildnachweis: Spiegel Online)

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.

Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.

ISBN Printausgabe 978-3-499-60152-1 (1. Auflage 2013)

ISBN E-Book 978-3-644-49211-0

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-49211-0

VORWORT

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 

natürlich geht es uns gut – objektiv betrachtet. Wir leben in einem Land mit sehr guter medizinischer Versorgung. Wir, die beiden Autoren, sind noch weit entfernt vom Rentenalter. Trotzdem leiden wir manchmal, ob unter Schnupfen, Schlafstörungen oder Gelenkknacken.

In diesem Buch wollen wir Sie mitnehmen in die Welt der irren Krankheitsängste und der Harakiri-Aktionen im Ärztehaus. Wir erzählen das Leben aus der Sicht von Nutella-Süchtigen, Koffein-Junkies und Internet-gebildeten Patienten. Und wir berichten von unseren zahlreichen Erlebnissen mit den Vertretern unseres Gesundheitssystems. Oft lustig, manchmal skurril, zuweilen aber auch schockierend: Wie reagiert man, wenn einen die Augenärztin durch eine Brille anschaut, in der ein Glas fehlt, oder der Androloge nicht aufhört, nach Potenzproblemen zu fragen? Da hilft nur Humor.

Wie ist es bei Ihnen? Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker? Unsere Antwort lautet: manchmal.

Denn Patienten werden zu unnötigen Behandlungen überredet, weil diese lukrativ für den Arzt sind. Manchmal verbringt man Stunden im Warte- und Sekunden im Sprechzimmer – um dann mit unverständlichen Diagnosen und ohne, dass die wichtigsten Fragen geklärt wären, nach Hause geschickt zu werden. Das muss besser werden, finden wir. Ja, natürlich schätzen und ehren wir euch, liebe Ärzte – aber nur, wenn ihr euch gut um uns kümmert!

Auch der Pharmaindustrie sind wir durchaus dankbar für die eine oder andere Rezeptur. Allerdings, was sie uns da manchmal so unterjubelt, ist schon bedenklich – und oft noch nicht einmal wirksam. Wir wollen aber nichts einnehmen, dessen Wirksamkeit nicht durch wissenschaftliche Studien belegt ist. Wir glauben an die Wissenschaft und die evidenzbasierte Medizin, für die nur das als hilfreich gilt, was sich in wissenschaftlichen Studien als wirksam erwiesen hat – ohne sie würden wir alle mehr Schmerzen erleiden und früher sterben. Bei Scharlatanen, ihren pseudowissenschaftlichen Erklärungen und Diagnosen aber sehen wir rot, also versuchen wir, sie mit vernünftigen Argumenten zu entkräften. Vielleicht können wir so verhindern, dass der eine oder andere ihnen auf den Leim geht.

Keine Sorge: Wir lassen Sie natürlich nicht alleine mit unseren Ängsten und Wehwehchen. Wir wollen gesund sein, deshalb haben wir uns bei Ärzten und Professoren, jeweils Koryphäen ihres Fachs, kundig gemacht, ob unsere Sorgen berechtigt sind. Lassen Sie sich also mit uns beruhigen oder auf Alarmierendes hinweisen. Und wenn Sie solche Sorgen nicht kennen, lachen Sie einfach über uns und unsere Gebrechen, das ist uns am liebsten – und sogar gesund.

 

Frederik Jötten & Jens Lubbadeh, September 2013

ECHT KRANK?

Der schmale Grat zwischen Wehwehchen und Krankheiten

In Sekunden setzt sich das Bild zusammen: Hier ein Symptom, da das Wissen um eine Krankheit – und schon ist die Angst da. Könnte das, was ich da spüre, ein Hinweis auf etwas Schlimmes, vielleicht sogar Tödliches, sein? Jetzt muss schnell Hilfe her – und wenn es Sonntag ist, dann eben rasch in die Notaufnahme. Filmemacher Woody Allen, einer der bekanntesten Leidensgenossen, hat einmal beschrieben, wie er nachts mit seiner Frau ins Krankenhaus fuhr. Er hatte am Hals einen Fleck entdeckt, der ihm verdächtig nach einem Melanom, dem bösartigen schwarzen Hautkrebs, ausgesehen hatte. Nur, um in der Notaufnahme von einem sichtlich entnervten Arzt zu hören: «Ihr Knutschfleck ist gutartig.»

Nein, so schlimm sind wir nicht, wir haben wirklich was! Zugegeben, manchmal vielleicht auch nur etwas zu viel Phantasie. Dennoch sind Menschen wie wir, die sich vor Krankheiten fürchten, keine Simulanten. Dieses Missverständnis kam wohl mit Molière in die Welt. Argan, die Hauptperson seines Theaterstücks «Der eingebildete Kranke», hat Angst vor allen möglichen Krankheiten. Der Titel suggeriert aber schon, dass Argan sich die Krankheit nur einbildet. Das Meisterwerk von 1673 ist wohl die Geburtsstunde der Hypochonder-Komödie. Man kann eben gut lachen über Menschen, die mehr Angst vor Krankheiten haben, als notwendig erscheint, ob im 17. Jahrhundert oder heute, wo Harald Schmidt und Woody Allen mit ihren Krankheitssorgen die Zuschauer erheitern.

Natürlich sind die beiden genauso wenig Hypochonder wie wir, denn Hypochondrie ist, im Gegensatz zum umgangssprachlichen Gebrauch des Begriffs, eine ernsthafte psychische Störung, die ein normales Leben unmöglich macht.

Vielleicht sind wir manchmal Schwarzseher, bestimmt aber: ziemlich sensibel. Das ist aber gar nicht schlecht. Ein Psychologe sagte einmal zu mir im Interview: «Sensibel zu sein ist auch eine Ressource.» Wir nutzen sie voll aus.

 

Frederik Jötten

FREDERIK JÖTTEN

Herr Doktor, ich habe Rücken, Fuß und Brust!

Von Ärzten abgezockt und von allen anderen ausgelacht: Wer als Hypochonder gilt, hat es schwer – aber auch Überlebensvorteile.

Ein Arzt hat mich einmal mitleidsvoll angeschaut und gesagt: «Menschen wie Sie haben es wirklich schwer.» Ich hatte ihm zuvor meine «Top fünf» der Leiden der Woche geschildert – mit seiner Antwort wollte er mir wohl sagen, dass er mich zwar für einen Hypochonder hielt, aber trotzdem gut an mir verdienen wollte. Jedenfalls nutzte er die Chance, um mir alle Untersuchungen, die sein Labor anbot, aufzuschwatzen.

Aber er hatte recht. Ich habe es schwer. Ich habe Schmerzen im Fußgelenk, ich denke: eine Knochenabsplitterung. Ich habe Kopfschmerzen, ich denke: Tumor. Ich habe ein Stechen in der Brust, ich denke: Herzinfarkt. Ständig ein Wehwehchen oder – meistens – Schlimmeres. Realistisch betrachtet, haben wohl viele Menschen die gleichen körperlichen Unzulänglichkeiten wie ich, bekommen aber davon nichts mit.

Da einige meiner Verwandten in dieser Hinsicht ganz ähnlich funktionieren, bin ich mir sicher: Es liegt in unseren Genen. Da liegt die Frage nahe: Wie konnten unsere Vorfahren damit durchkommen? Hätte die Evolution uns Schwache nicht vernichten müssen?

Ich glaube, es war so: Meine Vorfahren saßen in ihrer Hütte. Plötzlich stand der Nachbar in der Tür: «Hey, wir machen los, Bärenjagd, kommt ihr mit?» Mein Vorfahr sagte nichts und zeigte auf seinen Hals. «Was soll das heißen? Schon wieder Halsschmerzen?», fragte der Nachbar. «Nie kommst du mit zur Jagd, willst du das ganze Jahr gestampfte Hirse essen?»

Zwei Jahre später war der Nachbar bei der Treibjagd zusammengebrochen: verschleppte Erkältung, Herzmuskelentzündung, Exitus. Sein ältester Sohn war von einem Bär zerfleischt worden. Seine Tochter war nach einem Schlaganfall – zu viel fettes Bärenfleisch, Arteriosklerose, hoher Blutdruck – nicht mehr gebärfähig. Und meine Vorfahren saßen immer noch in der Hütte und mümmelten Hirse.

Manchmal, das heißt, wenn sie sicher waren, dass die Sexualpartner keine Halsschmerzen hatten, hatten sie sogar Geschlechtsverkehr. Und so kam es, dass sie sich fortpflanzten, obwohl (oder gerade weil) sie keine coolen Bärentöter waren. Von wegen Survival of the Fittest – wir Sensiblen sind die Gewinner der Evolution!

Der Arzt, der mich als Sensibelchen bezeichnet hatte, sagte mir zwei Wochen nach der Laboruntersuchung, es sei alles in Ordnung. Vielleicht war er auch von vornherein sicher, dass ich eh nichts habe – und rechnete die Untersuchungen nur ab, ohne sie wirklich zu machen.

Jahre später stellte sich jedenfalls heraus, dass ich ein Gen habe, das Rheuma begünstigt – obwohl ich es seiner Untersuchung zufolge nicht hatte. Es soll also keiner sagen, dass wir Sensibelchen uns Krankheiten einbilden – jedenfalls nicht ausschließlich. Wir haben wohl einfach ein paar andere Gene.

«Was spricht dafür, dass Sie jetzt ausgerechnet diese Erkrankung haben sollten?»

Florian Weck, Psychologe an der Universität Frankfurt, forscht über die Therapie der Krankheitsangst – hier erklärt er, was Hypochondrie wirklich ist.

 

Viele Menschen haben Angst vor Krankheiten – dieses Symptom allein ist allerdings nicht gleichzusetzen mit der Diagnose «Hypochondrie». Dafür müsste diese Befürchtung länger als ein halbes Jahr andauern und auch die Abklärung beim Arzt nicht zu nachhaltiger Beruhigung führen. Bei den Betroffenen kommen Zweifel auf, ob sie wirklich gründlich untersucht wurden, ob sie dem Arzt alles richtig erzählt haben. Entscheidend für die Diagnose Hypochondrie ist aber, ob ein Mensch sehr unter den Ängsten leidet, ob sein Leben beeinträchtigt ist, weil die Angst ihn Konzentration und Zeit kostet, weil er zum Beispiel ständig im Internet nach Diagnosen sucht und Ärzte konsultiert. Das ist bei weniger als einem Prozent der Bevölkerung der Fall.

Betroffene suchen nach Informationen, wenn sie fürchten, eine bestimmte Krankheit zu haben. Aber sonst vermeiden sie Themen wie Tod und Krankheit oft, um sich nicht weiter zu sorgen. Allerdings tauchen diese Themen ständig auf, fast in jeder Zeitschrift, nahezu in jedem Film. Die Vermeidung senkt das Angstlevel nur kurz – langfristig führt sie dazu, dass sich die Betroffenen sogar intensiver mit Tod und Krankheit beschäftigen, weil sie ständig bemüht sind, allem aus dem Wege zu gehen, was damit zu tun hat.

In der kognitiven Therapie versuchen wir diese übertriebenen Ängste in Frage zu stellen: Was spricht dafür, dass Sie jetzt ausgerechnet diese Erkrankung haben sollten? Ein zweites Verfahren ist die Konfrontationstherapie. Dabei lernen die Betroffenen, sich ihren Ängsten zu stellen und zum Beispiel wirklich mal einen Fernsehbericht über einen Krebskranken anzuschauen – und so zu erfahren: Die Angst davor ist meist schlimmer als die tatsächliche Konfrontation mit dem Fernsehbericht. Beide Methoden sind sehr gut wirksam.

JENS LUBBADEH

Mein Leben als (Nerven-)Säge

Ich habe ein Laster, das andere terrorisiert: Ich schnarche laut. Sehr laut. Gibt es Hoffnung für mich?

Ich weiß jetzt, wie Dr. Jekyll sich morgens immer gefühlt haben muss. Wenn ich aufwache, bin ich völlig ahnungslos, was ich letzte Nacht wieder verbrochen habe. Ich bringe zwar niemanden um, dafür würde mich meine Freundin aber manchmal am liebsten erwürgen – weil ich ihr mal wieder den Schlaf geraubt habe. Durch mein Schnarchen.

An vielen Frühstückstischen auf diesem Planeten herrscht schnarchbedingt eine Atmosphäre, die die Milch im Müsli gefrieren lassen könnte. Schön ist es nicht, wenn man selbst gut gelaunt den Tag angeht und das Gegenüber einem mit dunklen Augenringen gegenübersitzt und vorwurfsvoll guckt. Dann kommen Schuldgefühle auf – wegen einer Sache, über die man keinerlei Kontrolle hat. Von der man im Zweifelsfall noch nicht mal etwas weiß!

Seit Jahren bin ich auf der Suche nach einem Muster, nach dem ich abschätzen kann, wann ich schnarche. Jede Schlafstellung, jedes Kissen habe ich durchprobiert. Klar ist so weit nur: Alkohol und Schnupfen lassen Wahrscheinlichkeit und Phonzahl exponentiell in die Höhe schnellen. Auch im Winter, bei trockener Heizungsluft, schnarche ich mehr. Und im Sommer habe ich permanent Heuschnupfen. Eigentlich hört die Schnarchsaison bei mir nie auf.

Als bei mir im Laufe der Jahre das Schnarchen immer schlimmer wurde und ich manchmal sogar schon von meinem eigenen Krach aufwachte, entschloss ich mich zu handeln. Die Medizin kann Herzklappen züchten, Lungen transplantieren, aus Männern Frauen und aus Frauen Männern machen. Dann wird sie doch wohl auch gegen eine so banale Sache wie das Schnarchen etwas in ihrem Arsenal haben.

Vertrauensvoll wandte ich mich an meinen HNO-Arzt, voller Vorfreude, was er mir an Laser-, Mikrowellen- oder ähnlichen Gizmo-Therapien anbieten würde. Doch er schüttelte nur traurig den Kopf, outete sich als Leidensgenosse und sagte: «Herr Lubbadeh, es tut mir furchtbar leid, aber die Medizin steht mit leeren Händen da.» Dann gab er mir den Tipp seines Lebens: «Nähen Sie in das Rückenteil Ihres Pyjamas Tennisbälle ein.» Das hätte seine Beziehung gerettet.

Die rabiate Methode soll verhindern, dass man sich im Schlaf in die Rückenlage begibt. Was vielleicht bei Boris Becker funktioniert, klappt bei mir noch lange nicht. Zwar bin ich nicht so weit gegangen, meinen Pyjama zu ruinieren und mich in einen Quasimodo für Arme zu verwandeln (Tischtennisbälle hätte ich vielleicht noch ausprobiert). Doch versuchte ich eine ganze Weile lang, nur noch auf dem Bauch zu schlafen. Mit dem Ergebnis, dass ich Beinah-Erstickungsanfälle hatte und morgens auf dem Kissen kornkreisartige Speichelflecken vorfand. Und genauso viel schnarchte wie auf dem Rücken.

Wenn ich schon nichts gegen das Übel unternehmen konnte, wollte ich wenigstens abklären, ob mich Apnoen heimsuchten – so wie meinen Vater. Apnoen sind Atemaussetzer von einer Länge, die andere nicht mal freiwillig im Schwimmbadbecken schaffen würden. Doch nicht nur das: Sie erhöhen das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt. Sieben Jahre weniger leben Schlaf-Apnoeiker im Schnitt. Bei Kettenrauchern sind es zehn. Der Unterschied ist nur: Während Raucher womöglich noch Spaß aus ihrem Laster ziehen, haben Schlaf-Apnoeiker gar nichts davon.

Bei meinem Vater wurden die Apnoen erst nach seinen drei Schlaganfällen entdeckt. So weit wollte ich es nicht kommen lassen. Nachdem ich Monate auf den Termin im Schlaflabor gewartet hatte, ließ ich mich also eines Nachts in einem Raum, der so kuschelig wie ein Kreißsaal war, auf einer kalten Pritsche in einem lächerlichen Hemd an mindestens 20 Kabel anstöpseln und mich damit zur Bewegungslosigkeit in der verbotenen Rückenlage verdammen. Ich sah aus wie ein Internet-Server. Nur gab es nichts zu bedienen. Also begab ich mich in den Ruhemodus.

Das Ergebnis der Forscher nach einer Nacht, in der ich gefühlt durchgängig fürchtete, aufs Klo zu müssen und schon allein deshalb kaum schlafen konnte: keine Apnoen erkennbar. Ich aber hatte meine Zweifel daran, was die Wissenschaftler in diesem Anti-Schlaf-Labor gemessen hatten – wenn sie überhaupt was gemessen hatten, schließlich hatte ich doch kaum geschlafen! Also wollte ich es noch einmal wissen und nahm ein portables Apnoe-Messgerät von meinem HNO-Arzt mit nach Hause. Es war weitaus angenehmer, man musste nur eine Sonde unter die Nase kleben, die den Luftstrom während der Nacht maß. Zu meiner Beruhigung ergab auch diese Messung keinen auffälligen Befund.

Mein Vater übrigens erlebte im fortgeschritteneren Alter noch einen zweiten Frühling, als er endlich einen Atemapparat bekam. Mit diesem hörte er sich zwar an wie Darth Vader bei einem Nickerchen, aber er schnarchte nicht mehr und war tagsüber so hellwach, gut gelaunt und voller Tatendrang, wie wir ihn seit Jahren nicht mehr erlebt hatten. Die Verwandlung geschah im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht. Vielleicht könnte eine Atemmaske meine Verwandlung in Mr. Hyde ja auch unterbinden? Und meiner Freundin zur Entschädigung Star-Wars-Träume bescheren. Sie ist ein großer Fan.

Schnarchen und Apnoen

In Deutschland schnarchen etwa 50 Prozent der Menschen über 65 Jahren. Aus jedem zunächst harmlosen Schnarchen kann sich im Verlauf der Zeit eine Schlaf-Apnoe entwickeln – ein vollständiger sekunden- bis minutenlanger Verschluss der Atemwege.

Ein Schlaf-Apnoe-Syndrom liegt vor, wenn mindestens zehn Atemstillstände von mindestens zehn Sekunden Dauer innerhalb einer Stunde auftreten. Etwa drei Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, Männer weitaus häufiger als Frauen, überwiegend in der Altersgruppe der 40- bis 65-Jährigen.

Apnoeiker haben Konzentrationsschwächen, sind vergesslich und zerstreut, tagsüber müde, neigen zu Sekundenschlaf am Steuer. Ihr Unfallrisiko ist dreifach erhöht. Die Apnoe bedingt u.a. Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen. Gegen das Schnarchen hat sich die sogenannte Unterkiefer-Protrusionsschiene bewährt: eine Zahnschiene, die den Unterkiefer samt den mit ihm verbundenen Weichteilen leicht nach vorne zieht, dadurch das Atmen erleichtert und das Zurückfallen der Zunge verhindert. Die Schiene kostet rund 1000 Euro. Wenn keine diagnostizierte Schlaf-Apnoe besteht, werden die Kosten weder von den gesetzlichen noch von den meisten privaten Krankenversicherungen getragen.

Bei mittelschwerer bis schwerer Schlaf-Apnoe zeigt eine Maskenbeatmung (Continuous Positive Airway Pressure, CPAP) sehr gute Wirkung. Die Geräte kosten etwa 1500 bis 5000 Euro, die erforderlichen Masken etwa 125 bis 300 Euro. Die Kosten werden zumindest teilweise von den Kassen übernommen.

FREDERIK JÖTTEN

«Könnte das tödlich sein?»

Es wäre blöd, aus Feigheit zu sterben – es gibt keine andere Möglichkeit, als im Zug nach einem Arzt fragen.

Ich war gerade erst in den Zug gestiegen, und jetzt kam er mir vor wie ein Sarg. In zwei Stunden sollte mich eine Freundin vom Zielbahnhof abholen. Wir wollten Kanu fahren – und ich stand vor dem Spiegel auf der Bordtoilette und sah in einem Blutgefäß am Oberarm einen dicken Knubbel. Ich bekam einen Schweißausbruch. War das ein dicker Thrombus, ein Klumpen Blutplättchen, der sich bei jeder falschen Bewegung lösen könnte? Der dann ins Herz wandern und dort ein Gefäß verstopfen würde – Herzinfarkt? Oder ins Gehirn – Schlaganfall?

Ganz vorsichtig ging ich zu meinem Platz zurück. Erst mal die Zugfahrt überleben, dann Steffi anrufen, mit ihr sofort in die Notaufnahme statt auf den Fluss zum Paddeln. Die wird sich freuen. Doch was wäre, wenn ich mit meiner Diagnose – ausnahmsweise – falsch läge? Wie sauer würde Steffi sein, wenn das in meinem Oberarm doch kein Thrombus wäre und wir den Tag im Krankenhaus verbrächten statt auf dem Wasser!

Ich sitze auf meinem Platz, neben mir eine Frau mit drei Kindern. Eine Tochter von vielleicht elf Jahren denkt sich für ihre Schwester, die circa zwei Jahre jünger ist, Rechenaufgaben aus. Sie lachen, schönes Leben. Mir graut vor der einzigen vernünftigen Lösung, die mir einfällt. Ich muss aufstehen und laut in die Runde fragen: «Ist jemand von Ihnen Arzt?» Panik wird ausbrechen, es wird kein Mediziner da sein, besorgte Omis werden mich bemitleiden, Kinder mich anstarren und Männer über meine Panik lachen. Am Ende wird der Schaffner den Zug anhalten, ein Arzt wird mit dem Hubschrauber landen und mich untersuchen. Ich werde gesund sein, und alle Fahrgäste werden mich verfluchen.

Aber ich kann jetzt nicht einfach paddeln gehen, wenn ich mich so stark bewege, wird sich der Thrombus mit Sicherheit lösen! Ich werde sterben, weil ich zu feige war, in einem Zug nach einem Arzt zu fragen oder einer Freundin eine Fahrt ins Krankenhaus zuzumuten! Das wäre reif für eine Darwin-Award-Nominierung, den Preis für den dümmsten Tod der Erde. In diese Rangliste will ich nicht aufgenommen werden. Mein Herz rast, gleich werde ich aufstehen und den Satz sagen, den Stewardessen in Katastrophenfilmen sagen, wenn ein Pilot tot ist und der Co-Pilot einen Herzinfarkt hat. Nein, bevor ich diese Verzweiflungstat begehe, habe ich noch eine letzte Chance. Ich drehe mich zu meiner Nachbarin und frage: «Sind Sie zufällig Ärztin?» Sie guckt mich ungläubig an: «Woran sieht man das?» Warmes Glück steigt in mir hoch, direkt neben mir eine Medizinerin, ich bin gerettet! So ein Glück hatte ich noch nie.

«Äh, ich habe ein medizinisches Problem», sage ich. «Mein Arm, sehen Sie das? Hier sitzt, glaube ich, ein Thrombus, und wenn ich mich jetzt arg bewege, dann löst er sich, und ich bekomme einen Hirnschlag.» Die Ärztin schaut mich skeptisch an. «Erst mal ist das der Arm, und wenn sich dort ein Thrombus löst, dann bekommen Sie keinen Schlaganfall, sondern eine Lungenembolie.» – «Daran kann man aber auch sterben!», sage ich. «Ganz ruhig», sagt sie und tastet auf meinem Arm herum. «Das ist einfach eine harmlose Gefäßaussackung, ein Thrombus wäre viel fester, keine Sorge!»

Ich bin sehr erleichtert – meine Freundin Steffi übrigens auch, als ich ihr die Geschichte im Auto erzähle. «Na, da bist du ja gerade noch mal mit dem Leben davongekommen», sagt sie. Und ja, genauso fühle ich mich.

Gefährliche Blutgerinnsel – so entstehen Thrombosen

Eine Thrombose ist ein Blutgerinnsel. Blutplättchen, sogenannte Thrombozyten, lagern sich zusammen und lösen die Blutgerinnung aus – eigentlich der Prozess, mit dem Wunden verschlossen werden. Im Blutgefäß führt das jedoch dazu, dass die Vene oder Arterie sich verengt bzw. verstopft. Meistens bildet sich eine Thrombose in den Venen, selten in Arterien.

Auslöser sind Gerinnungsstörungen (etwa durch Erbkrankheiten oder Medikamente), Änderungen der Flussgeschwindigkeit (durch Bettlägerigkeit, Schwangerschaft, Sitzen mit übergeschlagenen Beinen) oder Schäden in der Gefäßwand (durch Verletzungen, Entzündungen oder Krebserkrankungen). Als weitere wichtige Risikofaktoren gelten Rauchen, Schwangerschaft, die Anti-Baby-Pille, Tumorerkrankungen, Übergewicht und Bewegungsmangel etwa bei Krankheit oder bei Flugreisen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Je nachdem, wo die Thrombose entsteht, unterscheiden sich die Folgen. Bei der tiefen Venenthrombose, die häufig in den tiefen Bein- oder Beckenvenen lokalisiert ist, droht die Gefahr einer Lungenembolie. Dabei löst sich das Blutgerinnsel von der Venenwand, gelangt mit dem sauerstoffarmen Körperblut in die rechte Herzkammer – und von dort in die Lunge. Dort behindert es die Durchblutung und damit die Aufnahme von Sauerstoff. Atemnot und Herzversagen können die Folge sein. Arterielle Thrombosen entstehen dort, wo die Gefäßwand geschädigt ist oder sich arteriosklerotische Plaques bilden. Sie können ein Gefäß komplett verschließen und damit die Organdurchblutung unterbinden. Passiert das etwa in einer Halsschlagader, droht ein ausgedehnter Schlaganfall. Bewegung und Kompressionsstrümpfe beugen einer Thrombose am besten vor.

JENS LUBBADEH

Lass knacken, Alter!

Es ist nicht schön, wenn der Körper regelmäßig unheimliche Geräusche macht.

«Hören Sie jetzt mal genau hin», sage ich, auf allen vieren, in Unterhose. Ich strecke gleichzeitig den rechten Arm und das linke Bein von mir. Langsam. Es knackt einmal, ich strecke weiter, knack, ein zweites Mal. Dann ein drittes Mal: knack. Mein Physiotherapeut runzelt die Stirn. «Machen Sie das noch mal», fordert er mich auf. Dieses Mal strecke ich den linken Arm und das rechte Bein aus. Wieder beginnt es zu knacken. Nur lauter. «Diese Seite ist noch stärker», sage ich. Er kratzt sich am Kopf. «So was habe ich tatsächlich noch nie erlebt. Ich muss mich mal mit meinem Kollegen beraten.» Der Therapeut verschwindet, hinter der Tür höre ich Stimmen. Ich sitze in meiner Unterhose auf der Liege und seufze.

In den letzten Jahren ist mein Körper zunehmend zu einem Instrument geworden – zur Gelenkbratsche. Es begann mit den Knien. Bei jeder Kniebeuge klang es, als würde jemand einen Stapel Dokumente zusammentackern. Dann ging es weiter im Nacken. Dann folgten die Schultern. Und nun also noch der Rücken.

Etwa alle 30 Minuten kann ich das Gelenkknacken reproduzieren. Ich entknacke mich regelmäßig, vor allem den Nacken und die Schultern – sonst beginnt es wehzutun (dass das regelmäßige Entknacken überhaupt nicht gut ist, weiß ich erst jetzt). Dazu muss ich komische Verrenkungen machen: Zuerst ziehe ich die Schultern zu den Ohren hoch. Das verursacht ein multiples Knacken in den Schultergelenken. Dann kippe ich den Kopf erst zur linken, dann zur rechten Seite und spanne die Nackenmuskeln an. Das knackt noch mal ordentlich in beiden Strängen. Manchmal will es nicht sofort, dann muss ich den Kopf wild hin und her rollen.

Wir Knacker erkennen uns auf der Straße. Immer häufiger fallen mir Männer auf – meistens sind es Männer, warum auch immer –, die ihren Kopf in der gleichen seltsamen Verrenkung bewegen. Es ist unser irrer Gruß: «Lass knacken, Alter.» – «Jo. Muss.»

Die Geräusche sind mir allerdings etwas unangenehm. Meine Freundin bekommt Gänsehaut, wenn ich zu Hause Gymnastik mache. Im Kino muss ich immer auf die Actionszenen warten, sonst drehen sich die Leute verstört nach mir um. Und bei der Arbeit wundern sich meine Kollegen über die vermeintlich defekte Stuhlhydraulik.

Ich nahm das Phänomen lange Zeit mit Humor, es hatte eine morbide Faszination angenommen. Doch als dann noch mein Rücken anfing zu knacken, wurde ich nervös. Hatte ich überhaupt noch Knorpelgewebe? Oder rieb schon Knochen auf Knochen? Würde ich schon bald im Rollstuhl sitzend laut vor mich hin knacken und mit dem Stock den Kindern drohen, die mir «Alter Knacker!» hinterherriefen? Ab zum Spezialisten, dachte ich mir. Und jetzt das.

Nach seiner Beratung kommt mein Physiotherapeut wieder herein. Aus seinem Gesicht spricht noch immer die Ratlosigkeit. Er stammelt ein wenig vor sich hin und sagt etwas von Verschleißerscheinungen und Gelenken und Unterdruck. Aber so richtig bringt mich das nicht weiter.

Zwei Orthopädenbesuche und drei Röntgenaufnahmen später weiß ich, dass ich tatsächlich Verschleißerscheinungen in der Wirbelsäule habe. Mit 39 Jahren will man so etwas nicht hören, auch wenn der Orthopäde betont, dass das normal und kein Grund zur Beunruhigung sei. Aber ob die Verschleißerscheinungen das Knacken verursachen, kann er mir nicht sagen. Beziehungsweise kann ich ihn das in der maximal 30-sekündigen Unterhaltung nicht fragen. Dann ist der vielbeschäftigte Weißkittel schon wieder aus dem Zimmer geeilt.

Von der Medizin alleingelassen, knacke ich weiter einsam vor mich hin. Vor einigen Monaten habe ich mit Krafttraining angefangen. Vor der Kulisse des Fitnessstudios falle ich mit meinen Körpergeräuschen glücklicherweise nicht so auf, wenn Eisen auf Eisen haut und Schnaufer auf Ächzer trifft. Ich mache viele Übungen für die Schulter- und Nackenmuskulatur, das hat die Lage etwas entspannt. Trotzdem ist das Knacken noch da. Mein einziger Trost ist, dass es im Alter vermutlich weggehen wird – weil die Gelenke dann steif werden. Das ist beknackt, aber immerhin bin ich mit dem Problem nicht allein.

«Wenn Gelenke knacken, sind sie nur eingerostet.»

Professor Bernd Kladny, Chefarzt für Orthopädie in Herzogenaurach und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, klärt auf.

 

Gelenkknacken ist in der Regel harmlos, sofern es nicht von Schmerzen begleitet ist. «Gelenke brauchen – ähnlich wie Kugellager – ein gewisses Spiel. Wenn aufgrund einer Fehlbelastung, einer andauernden Fehlhaltung oder von Muskelveränderungen eine Störung dieses Spiels vorliegt, dann läuft es nicht mehr rund. Wenn Gelenke knacken, sind sie aber meist nur ‹eingerostet› und müssen nicht beschädigt sein», so Kladny.

Was Gelenkknacken verursacht, ist noch immer nicht geklärt. Mögliche Hypothesen sind, dass sich die Gelenkflächen kurzzeitig voneinander lösen und dies wie bei einem Saugnapf Geräusche macht. Eine weitere Hypothese besagt, dass die Gelenkflüssigkeit kurzzeitig ihren Aggregatzustand in Form von Bläschenbildung ändert, bis Gelenkflächen wieder in Kontakt kommen.

Leuten mit diesen Geräuschphänomenen rät Kladny, eine Analyse der Muskulatur vornehmen und prüfen zu lassen, wo Verkürzungen oder Schwächen sind. Wenn es immer wieder knackt und wehtut, deutet das darauf hin, dass die Muskulatur nicht ausreichend stabilisiert, ein Ungleichgewicht der Muskulatur besteht oder Muskeln verkürzt sind, beispielsweise durch einseitiges Krafttraining. Jede Form der Bewegung sei hilfreich, um das Spiel der eingerosteten Gelenke wieder in Gang zu bringen.

FREDERIK JÖTTEN

«Guck mal, Mama, ein Psycho!»

Es gibt ein sicheres Rezept, Infekte zu vermeiden. Es birgt allerdings ein klitzekleines Risiko: Man könnte als wahnsinnig angesehen werden.

Ich habe ein Rezept, das hochwirksam gegen Grippe, Erkältungen und Magendarminfekte ist – und das Beste: Ich verrate es hier und heute. Ich weiß, Sie sind bestimmt skeptisch und denken: Wenn das wirklich stimmt, wieso macht sich der Typ nicht als Guru selbständig und verdient Milliarden, statt hier zu schreiben?