Rudolf Steiner

Die Welt der Bienen

Ausgewählte Texte

 

Herausgegeben und kommentiert

von Martin Dettli

Rudolf Steiner Verlag


 

 

Einleitung

Das Bienenvolk übt seit jeher eine starke Faszination auf den Menschen aus. Bilder und Schriften erzählen von seinem Mythos, von der Beziehung zu diesem Himmelswesen und dem unschätzbaren Wert von Honig und Wachs. Die enge Verbindung mit dem Schicksal des Menschen klingt darin an. Auch heute hat dieser Mythos im Sinne eines zeitlosen Seelenbildes nichts von seiner Kraft eingebüßt, wenngleich die Erklärungen der Zusammenhänge sich geändert haben.

Die Medien haben ihn in den letzten Jahren wiedererweckt. Die Berichte über das Bienensterben wurden durch das vermeintliche Einstein-Zitat dramatisiert: «Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben; keine Bienen mehr, keine Pflanzen, keine Tiere, keine Menschen mehr.» Die Wirkung war frappant. Das Dreigespann von Prophetie, Wissenschaft und Mythos hat das Bienenvolk ins Zentrum des öffentlichen Bewusstseins versetzt. In Politik, Wissenschaft und Kultur werden die Bienenvölker wahrgenommen. Sie haben diese Zuwendung nötig, denn es geht ihnen nicht gut. Das zeigt die Häufigkeit der Meldungen über große Verluste an Bienenvölkern.

Das spezielle Verhältnis von Mensch und Bienen erleben vor allem die Imkerinnen und Imker im Umgang mit dem Bienenvolk, dem «Bien», wie sie es nennen. Schon die Vorbereitungen zur Begegnung haben Ritualcharakter, wie beispielsweise das Anziehen der weißen Kleidung, das Entzünden des Rauches und der Moment, in dem man sich dem Bien zuwendet. Mit einer ruhigen Grundstimmung tauchen sie in seine Atmosphäre ein, sie erleben die Welt der Düfte, die dem Volk entströmen, und das beruhigende Summen. Wesentlich ist auch die Art und Weise, wie man sich bewegt, denn ein ruhiges und bestimmtes Vorgehen spiegelt sich im Volksverhalten wider, und so kann das Risiko eines Bienenstiches vermindert werden. Mit dem Eintauchen in die Welt der Bienen tritt man in eine andere Dimension ein, und nicht selten verliert man dabei das Zeitgefühl. Umso schmerzhafter ist das Erwachen, wenn die Bienenfreunde feststellen müssen, dass der Mangel an Blüten oder Krankheiten und Parasiten die Bienenvölker strapazieren.

Die starke Beziehung zwischen Mensch und Bienenvolk umfasst noch weit mehr. Das Bienenvolk bildet eine Gemeinschaft, die einen auf verschiedenen Ebenen in Erstaunen zu versetzen vermag. Allein schon das Leben aus der Blüte und durch die Blüte berührt den Menschen. Da schafft es ein Tier, aus dieser Farbenpracht und dem Duft zu leben, ohne etwas davon zu zerstören: Im Gegenteil, durch die Bestäubung bewirkt sie gar, dass die Blüte fruchtbar wird. Bienen, Hummeln und Schmetterlinge sind die einzigen Tiere, die sich ernähren, ohne andere Lebewesen zu zerstören oder abzubauen.

Hinzu kommen die erstaunlichen Parallelen in der körperlichen Entwicklung zwischen Bienenvolk und Wirbeltieren bis hin zum Menschen. Der Bienenschwarm bildet seinen Wabenbau als Stützorgan aus sich heraus. Die Waben werden mit körpereigener Substanz aufgebaut, was in etwa dem Knochenbau der Wirbeltiere entspricht. Das Bienenvolk kann seine Körperwärme regeln und behält eine Brutnesttemperatur von 36 Grad bei, wie die Warmblütler. Auch in der Ernährung der Brut aus körpereigenen Drüsensekreten besteht eine Entsprechung zu den Säugetieren. In der Biologie werden diese drei parallelen Entwicklungen als eine zunehmende Unabhängigkeit von unmittelbaren Umwelteinflüssen verstanden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das Bienenvolk wie der Mensch es geschafft hat, sich in nahezu alle Klimazonen einzupassen.

Das Bienenvolk zeigt in seiner Organisation verschiedene Parallelen zum Menschen, und dennoch ist es ganz anders. Das ist auch das Fruchtbare an der Auseinandersetzung mit ihm. Aus diesem Anderssein können wir wertvolle Stoffe und Ideen schöpfen; dieses ganz andere kann dem Menschen helfen, auf vielen Gebieten neue Ansätze zu finden – in der Medizin, in der Nahrungsverarbeitung wie auch in der Kommunikation bis hin zur Entscheidungsfindung. Das Bienenvolk gibt Anregungen für die Entwicklung von Arzneien, für technische Lösungen, für Inspirationen im Sozialen, und es schenkt uns Allegorien, die sich eignen, das Wirken der geistigen Welt anschaulich zu machen, zum Beispiel ein ausziehender Bienenschwarm als Gleichnis für das «Ausziehen» der Seele eines Sterbenden.

 

Das Bienenvolk bildet einen Organismus. Es entwickelt als Ganzes Organe, etwa im Bau der Waben, die als Stützorgan, als Speicherorgan und als Wiege für die Brut dienen. Andere Organfunktionen werden durch gemeinschaftliche Leistungen der Arbeiterinnen erfüllt. Im Dienste des Ganzen werden sie je nach Alter dazu befähigt, gewisse Aufgaben zu übernehmen. Die Arbeitsbienen beispielsweise durchlaufen in ihrem Leben verschiedene Aufgabengebiete: Sie beginnen ihre Tätigkeit zuinnerst im Bienenstock und beenden sie als Sammelbiene draußen in der Welt, an der Peripherie. So besteht ihre erste Aufgabe im Putzen der Zellen am Ort, wo sie geschlüpft sind. Danach pflegen sie die junge Brut in der unmittelbaren Nähe und entwickeln Futtersaftdrüsen für ihren Ammendienst. Später werden diese Drüsen zurückgebildet und die Wachsdrüsen aktiviert, die Ammen verwandeln sich in Baubienen. Den Übergang zum Außendienst vollziehen sie als Wächterinnen am Flugloch, und erst als ältere Bienen fliegen sie in die Landschaft hinaus, um die Blüten zu besuchen und die lebensnotwendigen Rohstoffe wie Nektar, Pollen und Wasser in den Bienenstock zurückzubringen. Im Sommerhalbjahr leben die Bienen kaum mehr als 30 Tage, die Bienenmassen werden so bis auf die Königin innert kurzer Frist komplett erneuert. In der Brutaufzucht geben sie ihr Leben an die jüngere Generation weiter. Nimmt die Brutpflege ab, so werden die Bienen langlebiger. Zwischen Juli und September schlüpfen Winterbienen, die ein Alter von etwa 7 Monaten erreichen können.

Nicht alle Organfunktionen des Bienenvolks werden durch die Arbeiterinnen abgedeckt. Ausgegliedert aus diesem Zusammenwirken ist das Geschlechtsleben; dieses ist die Aufgabe von spezialisierten Bienenwesen. Das einzige fortpflanzungsfähige weibliche Wesen im Stock ist die Königin, und den männlichen Part versehen die Drohnen. Das Schicksal dieser beiden Geschlechtswesen ist sehr verschieden: Die Königin ist als Organ der Einheit von zentraler Bedeutung und lebt mehrere Jahre im Volk; die Drohnen dagegen sind nur etwa zwei Monate lang im Frühsommer in größerer Zahl im Bienenvolk vorhanden.

Die komplexe Organisation der inneren Lebensprozesse im Bien können wir keinem Steuerungsorgan zuordnen. Dasselbe gilt auch für das Verhalten des Volkes im Allgemeinen. Die Reaktionen gegenüber der Umwelt und die notwendigen inneren Entscheidungsprozesse ereignen sich auf einer kommunikativen Ebene ohne bestimmendes Zentralorgan.

Ein Bienenvolk verfügt über ein breites Verhaltensspektrum. Je nach Situation reagiert das eine Volk so, das andere so; dadurch werden ihre Eigenheiten sichtbar. Es sind diese individuellen Ausprägungen, die ein Wiedererkennen ermöglichen, das Bienenvolk wird so zu einem Gegenüber mit eigenem Charakter.

 

Aus dem Staunen über das Bienenvolk gehen Fragen hervor. Und auf der Suche nach einem Verständnis, das einen anderen Umgang mit ihm ermöglicht, treten wir an die Angaben von Rudolf Steiner heran. In dessen Gesamtwerk finden sich verschiedene Hinweise zu Bienen und Bienenvolk, oft handelt es sich um bildliche Vergleiche. Innerhalb der Vorträge vor den Arbeitern am Goetheanum ist ein Zyklus entstanden, der ganz dem Wesen der Bienen gewidmet ist. Steiner ist damit auf ein Anliegen der Imker unter den Arbeitern eingegangen, die durch ihre Fragen und Schilderungen seine Ausführungen mitgeprägt haben. Sie sind deshalb auch von Inhalt, Aufbau und Wortwahl her nicht mit Texten zu vergleichen, die Rudolf Steiner schriftlich verfasst hat. Möglicherweise ist über die stenografische Mitschrift und deren Übertragung der eine oder andere Fehler in den vorliegenden Text hineingerutscht. In der Vortragsfolge ist jedoch ein Aufbau erkennbar, der hier beibehalten wird. Die Vorträge sind deshalb als Ganzes wiedergegeben, sie bilden das Gerüst des vorliegenden Buchs. Dazwischen werden einige Vortragsthemen aufgegriffen und aus heutiger Sicht kommentiert sowie zu einem besseren Verständnis mit weiteren Passagen aus Steiners Gesamtwerk ergänzt. Die Faszination, die diese Vorträge über das Wesen der Bienen ausüben, liegt nicht zuletzt in ihrer Vielschichtigkeit. Es finden sich darin Anregungen, die schwer einzuordnen sind; gerade dieses Nicht-verstehen-Können hat aber durchaus seinen Reiz, der zu einem tieferen Verständnis anspornt. Andere Inhalte lassen sich intellektuell nachvollziehen. Wieder andere können von ganzem Herzen aufgenommen werden und hinterlassen so einen tiefen Eindruck. Schön aus Sicht des Imkers ist es aber auch festzustellen, dass einige praktische Hinweise und Anstöße die Arbeit mit dem Bienenvolk tatsächlich mitprägen.

So bleibt zu hoffen, dass diese Sammlung als «Handbuch» das Interesse vieler Menschen zu wecken und ihnen zu dienen vermag. Praktische Anleitungen zum Naturbau und zur Jungvolkbildung aus dem Schwarmtrieb sind auf meiner Website www.summ-summ.ch zu finden.

 

Mein besonderer Dank gilt Johannes Wirz für seine hilfreichen Anregungen und dem verstorbenen Xaver Wirth, der als langjähriger Weggefährte die Suche nach dem Wesen des Biens geprägt hat und mit dem dieses Projekt als gemeinsames begonnen wurde.

Kapitel I: Das Bienenvolk als Organismus

Faszinierend am Bienenvolk sind das gemeinschaftliche Leben und die weisheitsvolle Zusammenarbeit. Die Bienen harmonieren miteinander, es besteht ein intensiver Kontakt und rege Kommunikation unter ihnen. Das Volksleben beruht auf einer fein abgestimmten Organisation. Die Gemeinschaft lebt im Dunkeln, in einem verborgenen Winkel, in einem Baumstamm oder einem Bienenkasten.

Einzeln fliegen die Bienen hinaus ins Licht, suchen Blumen auf oder holen Wasser. Beim Schwärmen dagegen zeigen sie sich miteinander im Licht, sie durchschwirren die Luft, um sich schließlich ruhig in einer Schwarmtraube zu versammeln.

Was ist denn das für eine Erscheinung, ein solches Bienenvolk?

Besteht es aus den einzelnen Bienen, die sich zu einer gemeinschaftlichen Organisation aufschwingen, oder ist es ein Ganzes, von dem die Bienen Teile sind? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Gerade als Imkerin oder Imker bewegt man sich zwischen beiden Ansichten hin und her.

 

Wenn man den Bienenkasten öffnet, dann sind es einzelne Tiere, die das Bienenvolk ausmachen. Es sind vor allem die Arbeiterinnen, vielleicht aber trifft man auch eine Königin und einige Drohnen. Sie leben auf Waben, in denen sie ihre Brut pflegen und ihre Vorräte einlagern. Die Waben können wir herausnehmen, alles ist einzeln handhabbar. In unsern Händen zerfällt die Einheit in ihre Teile. Wenn wir von den einzelnen Tieren ausgehen und in unseren Gedanken alles zusammenfügen zu einem Volk, dann kommen wir zum Prinzip der Selbstorganisation. Das ist der Begriff, der aus der wissenschaftlichen Sicht von heute versucht,1 dem Phänomen auf die Spur zu kommen.

Demnach sind es die vielen einzelnen Bienen, die durch ihre Zusammenarbeit und Kommunikation ein neues Ganzes bilden. Durch das Zusammenwirken entsteht das, was wir als Bienenvolk bezeichnen, mit Qualitäten, die weit über das hinausgehen, was die einzelnen Tiere mitbringen und welches als Ganzes wieder auf die Teile zurückwirkt. Diesem Begriff der Selbstorganisation kann der Ansatz von Rudolf Steiner gegenübergestellt werden.

Das Ganze ist das Bienenvolk; die Bienen, die Königin und die Drohnen sind dienende Teile des Ganzen, in einem ähnlichen Sinne wie die Körperzellen Teile des Menschen sind. Die Einheit ist übergeordnet. Die ganzheitliche Sicht findet ihre Bestätigung am offensichtlichsten in der Schwarmtraube. Der Volkskörper hängt, rund und birnenförmig; im engen Sich-aneinander-Klammern der einzelnen Bienen zeigt er seinen Willen zu einer neuen Einheit. Wenn man diesen Schwarm in einen Bienenkasten einlogiert und ihm die Möglichkeit gibt, seine Waben selber zu bauen, dann wachsen diese als weiße Ansätze, als «Organe», im Innern dieses Körpers. In diesem Moment ist die Einheit in einer berührenden Begegnung erlebbar. Im späteren Umgang mit dem Bienenvolk kann man sich dieser Ganzheit annähern, indem man dem ungestörten Volk zuhört oder das Geschehen am Flugloch beobachtet. Die Einheit lässt sich besser beim verborgenen, unbehelligten Volk im geschlossenen Bienenkasten erfahren.

Die Steuerung von Lebens- und seelischen Prozessen können wir uns bei Mensch und Wirbeltier irgendwo im Körper verborgen denken, und die Sinnesorgane verbinden diese innere Welt mit der Umwelt. Wenn wir mit irgendeinem Tier Kontakt aufnehmen, beobachten wir die Augen, seine Körpersprache, sein Verhalten. Das alles ist beim Bienenvolk nicht in derselben Weise gegeben. Der Ort, von dem die körperliche und seelische Koordination des Volkes ausgeht, lässt sich nicht physisch lokalisieren. Die Einheit ist erlebbar, physisch jedoch nicht greifbar. In der Einzelbiene ist er wohl nicht, also muss er zwischen den Tieren liegen. Das zwingt uns, ein geistiges Band um die Bienen zu ziehen. Da liegt letztlich der Kern der andern Sicht.

Rudolf Steiner hat stets auf diesen Organismus hingewiesen. Das Bienenvolk als Ganzes zu sehen, ist für die Imkerinnen und Imker nicht selbstverständlich, es stellt eine Herausforderung im alltäglichen Umgang dar. Um den Kontakt mit der Einheit zu pflegen, ist es erforderlich, die Aufmerksamkeit immer wieder gezielt darauf auszurichten. Die konsequente Sicht auf den Organismus Bienenvolk hat Folgen für die Praxis. Sie erfordert eine Betriebsweise, die sich dem Leben des Organismus anpasst. Das Bienenvolk wird mit seinen Impulsen in den Mittelpunkt gestellt.

 

Da ist es denn schon wichtig, auf so etwas wie den Bienenstock zu blicken und zu lernen, dass die einzelne Biene dumm ist. Sie hat Instinkte, aber sie ist dumm; aber der ganze Bienenstock ist außerordentlich weise. Sehen Sie, wir hatten neulich einmal ganz interessante Besprechungen oben unter den Arbeitern, die von mir, wenn regelmäßige Zeiten sind, jede Woche zwei Vorträge bekommen. Wir hatten das Reich der Bienen besprochen, da tauchte die Frage auf, die sehr interessant ist. Der Bienenzüchter kennt ganz gut ihre Bedeutung. Wenn ein beim Bienenvolk beliebter Bienenvater da ist und er krank wird oder stirbt, dann kommt tatsächlich das ganze Bienenvolk in Unordnung. Es ist so. Nun sagte einer, der nun so recht im Sinne der gegenwärtigen Anschauung dachte: Aber die Biene sieht ja nicht so genau, sie hat gar keine Vorstellung vom Bienenzüchter, vom Bienenvater, wie soll da irgendwie eine Zusammengehörigkeitsempfindung entstehen? Aber noch viel mehr. Nehmen wir an, der Bienenvater versorgt dieses Jahr den Bienenstock, im andern Jahr ist ein ganz anderes Bienenvolk darinnen, es ist ganz ausgetauscht bis auf die Bienenkönigin, es sind lauter junge Bienen drinnen. Wo soll da die Zusammengehörigkeitsempfindung entstehen? – Ich antwortete Folgendes: Derjenige, der den menschlichen Organismus kennt, weiß, dass in gewissen Perioden der menschliche Organismus alle seine Stoffe austauscht. Nehmen wir an, irgend jemand lernte heute einen Menschen kennen, der nach Amerika geht und nach zehn Jahren zurückkommt. Er findet einen ganz andern Menschen vor, als der war, den er vor zehn Jahren gekannt hat. Er findet alle Stoffe ausgetauscht, er findet eine ganz andere Zusammenfügung vor. Da liegt nichts anderes vor als beim Bienenstock, wo die Bienen ausgetauscht sind, aber es bleibt die Zusammengehörigkeit zwischen dem Bienenstock und dem Bienenvater. Diese Zusammengehörigkeit beruht darauf, dass im Bienenstock eine ungeheure Weisheit lebt, er ist nicht nur dieses Häuflein einzelner Bienen, sondern der Bienenstock hat wirklich eine konkrete eigene Seele.

Das ist dasjenige, was man wiederum in seinen Natursinn aufnehmen muss, diese Anschauung, dass der Bienenstock eine Seele hat.2

 

 

Aber wiederum lebt der Bienenstock ein ganz merkwürdiges, eigentümliches Leben. Worauf beruht denn das?

Sehen Sie, das können Sie überhaupt nicht erklären, wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, ins Geistige hineinzuschauen. Das Leben im Bienenstock ist außerordentlich weise eingerichtet. Das wird jeder sagen, der das Bienenleben betrachtet hat. Dass die Bienen eine solche Wissenschaft haben, wie die Menschen sie haben, das wird man ja natürlich nicht sagen können, denn sie haben ja wirklich einen Gehirnapparat wie der Mensch und das alles nicht. Also, den allgemeinen Weltenverstand können sie in dieser Weise nicht hereinschöpfen in ihren Körper. Aber die Einflüsse aus der ganzen Weltumgebung, die wirken ungeheuer stark auf den Bienenstock. Und man würde richtig darauf kommen können, wie eigentlich das Bienenleben ist, wenn man berücksichtigen würde, dass alles das, was in der Umgebung der Erde liegt, gerade auf so etwas, wie es im Bienenstock ist, einen ungeheuer starken Einfluss hat. Das Leben des Bienenstocks beruht ja darauf, dass die Bienen so ganz richtig, viel mehr als die Ameisen und die Wespen, zusammenwirken, dass sie alle Arbeit so verrichten, dass das alles zusammenstimmt. Und wenn man dann darauf kommen will, wovon das herrührt, dann sagt man sich: Die Bienen haben ein Leben, worin unter-drückt wird, außerordentlich stark unterdrückt wird dasjenige, was bei den übrigen Tieren im Geschlechts-leben sich äußert. Das wird bei den Bienen außerordentlich stark zurückgedrängt.

Denn sehen Sie, bei den Bienen ist es eigentlich immer so, dass die Fortpflanzung nur besorgt wird durch ganz wenige auserlesene weibliche Individuen, die Bienenköniginnen. Die anderen sind eigentlich so, dass bei ihnen das Geschlechtsleben mehr oder weniger zurückgedrängt wird. Im Geschlechtsleben aber ist dasjenige vorhanden, was eben Liebesleben ist. Das Liebesleben ist ja zunächst etwas Seelisches. Nur dadurch, dass gewisse Organe des Körpers bearbeitet werden von diesem Seelischen, dadurch werden diese Organe zur Offenbarung, zum Ausdrucke des Liebeslebens. Und indem bei den Bienen das Liebesleben zurückgedrängt wird, eigentlich nur auf die einzige Bienenkönigin, wird das Geschlechtsleben sonst im Bienenstock verwandelt zu all diesem Treiben, das die Bienen untereinander entwickeln. Daher haben schon jene älteren, weiseren Menschen, die eben auf ganz andere Art die Sache gewusst haben, als man sie heute weiß, diese weiseren Menschen haben das ganze wunderbare Treiben des Bienenstocks auf das Liebesleben zurückgewiesen, auf das Leben, das sie mit dem Planeten Venus in Zusammenhang gebracht haben.

Und so können wir sagen: Wenn man auf der einen Seite die Wespen oder die Ameisen beschreibt, dann sind das Tiere, die sich mehr dem Einfluss des Planeten Venus entziehen. Die Bienen hingegen sind ganz hingegeben dem Einfluss des Planeten Venus, entwickeln das Liebesleben in ihrem ganzen Bienenstock. Das wird ein weises Leben, denn Sie können sich ja denken, wie weise das sein muss. Ich habe Ihnen Verschiedenes von der Erzeugung der Nachkommenschaft beschrieben. Da ist unbewusste Weisheit drinnen. Diese unbewusste Weisheit entwickeln die Bienen in ihrem äußeren Tun. Und so kann man gerade dasjenige, was eigentlich nur dann in uns dargelebt wird, wenn unser Herz Liebe entwickelt, eigentlich im ganzen Bienenstock drinnen wie eine Substanz haben. Der ganze Bienenstock ist eigentlich von Liebesleben durchzogen. Die einzelnen Bienen verzichten so vielfach auf die Liebe und entwickeln die Liebe im ganzen Bienenstock. So dass man anfängt, das Bienenleben zu verstehen, wenn man sich klar darüber ist, dass die Biene wie in einer Luft lebt, die ganz von Liebe durchschwängert ist.

Nun aber, das kommt ja gerade der Biene am allermeisten zugute, dass sie eigentlich von denjenigen Bestandteilen in den Pflanzen lebt, die wiederum bei der Pflanze ganz vom Liebesleben durchzogen sind. Die Biene saugt ihre Nahrung, die sie dann zu Honig macht, ja ganz aus denjenigen Bestandteilen der Pflanzen, die im Liebesleben drinnen stehen, bringt also gewissermaßen das Liebes-leben von den Blumen in den Bienenstock hinein.

So muss man sagen, dass man das Bienenleben auf seelische Art studieren muss.

Das braucht man viel weniger bei den Ameisen und Wespen. Wenn man da das Leben verfolgt, wird man sehen, dass sie sich eigentlich dem Geschilderten entziehen, dass sie sich schon wiederum mehr dem Geschlechtsleben hingeben. Die Biene ist tatsächlich, mit Ausnahme der Bienenkönigin, eigentlich dasjenige Wesen, das, ich möchte sagen, sich sagt: Wir wollen auf das einzelne Geschlechtsleben verzichten und uns selber zu einem Träger des Liebeslebens machen. – So dass sie in der Tat in den Bienenstock dasjenige hineingetragen haben, was auf den Blumen lebt. Und wenn Sie anfangen, das so richtig durchzudenken, so haben Sie das ganze Geheimnis des Bienenstockes. Das Leben dieser sprossenden, sprießenden Liebe, das in den Blumen ausgebreitet ist, das ist dann auch im Honig drinnen.3