Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt (2008)
ISBN: 978-3-7322-0092-4

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Gibt es denn nicht wirklich schon genug Bücher über Griechenland?

Dazu lässt sich nur sagen:

Sicherlich gibt es schon viele.

Doch meistens nicht genug!

Nicht genug oder zu viele – das merkt der Griechenlandreisende dann,

... wenn der edle Kunstreiseführer sich auf neun Seiten über einen Knubbel an der Spitze einer umgekippten Säule auslässt.

... wenn im praktischen Alternativführer für Alvrakikos 143 Pensionen mit genauer Aufschlüsselung von Badewannen und Duschen beschrieben werden.

... wenn die geographische Landeskunde das Migrationsverhalten bulgarischstämmiger Landwirte anhand überfrachteter Tabellen von 1971 analysiert.

... wenn der Pflanzenführer bunte Bilder von all den bunten Gewächsen zeigt, die leider zur trockenen Sommerzeit nirgendwo zu entdecken sind.

Das vorliegende Buch ist etwas von allem für jeden: Reiseführer, Kunstführer, Landeskunde, Prüfungsvorbereitungshilfe: nicht rein naturwissenschaftlich oder gesellschaftspolitsch ausgerichtet, nicht auf Stammtischniveau oder verklausuliert mit Fachtermini, sondern klar und verständlich.

... etwas von allem für jeden: Nehmen Sie es mit nach Griechenland und lesen es vor dem Zelt oder in der Taverne. Lesen Sie es zur Vorbereitung auf eine Prüfung oder zum Erwerb von Grundkenntnissen. Sie werden ein vertieftes Grundwissen über Griechenland und in weiten Strecken auch übertragbar auf andere Bereiche im Mittelmeerraum erlangen. Jedoch: Die Autoren sind überwiegend Studenten, die sich in Seminaren und vor Ort in die Themen eingearbeitet haben, die vor Ort Theorie und Praxis zu verbinden suchten und letztendlich all diese Erkenntnisse in Buchstaben umgewandelt haben. Unterschiede im Stil und Niveau sind die natürliche Folge und auch der eine oder andere (Rechtschreib)-fehler mag sich eingeschlichen haben – wohl gemerkt, dieses Buch wurde von Interessierten, die Experten sein können oder es vielleicht noch werden ☺ geschrieben – daher sind alle Leser gebeten ggf. Nachsicht walten zu lassen, sich an Griechenland zu erfreuen und Verbesserungsvorschläge zu senden.

Vielen herzlichen Dank!

Burkard RichterMarkus Fiedler

Freiburg, im Juli 2008

Griechischer Lebensstil: Ein Nachmittag im Kafeinion

Noch leben die Traditionen: Mutter und Tochter zünden abends Kerzen in den Straßenkreuzen um das Dorf an

Mistras

Bucht bei Porto Ageranos

1 Das Mittelmeer

(Dominik Klaußner)

Das europäische Mittelmeer liegt zwischen den Kontinenten Europa, Afrika und Asien und erstreckt sich über eine Fläche von 2,5 Mio.km2. Es ist somit „das größte Binnenmeer und zugleich kleinste interkontinentale Meer der Erde“ (Rother 1993: 19). Es lässt sich in mehrere Nebenmeere untergliedern, wobei das adriatische, tyrrhenische, ligurische, ionische und ägäische Meer am bekanntesten sind. Der Golf von Genua und von Lion, die Straße von Gibraltar sowie die große und kleine Syrte, die an Libyen und an Tunesien grenzen, sind ebenfalls Teile des Mittelmeeres (Rother 1993: 19). „Die mit 5267 und 5121 m größten gemessenen Tiefen befinden sich westlich Sardiniens bzw. der Peloponnes“ (Rother 1993: 19).

KroatienSpanienFrankreichMonaco
Bosnien/HerzegowinaItalienSlowenienTürkei
Serbien/MontenegroAlbanienGriechenlandZypern
LibanonLibyenAlgerienSyrien
MarokkoMaltaÄgyptenTunesien
Israel(GB - Gibraltar)

Tabelle 1 Mittelmeeranrainerstaaten

Ligurisches Meer
Golf von Genua
Golf von Lion
Adriatisches Meer
Golf von Venedig
Golf von Triest
Golf von Manfredonia
Tyrrhenisches Meer
Golf von Gaeta
Golf von Neapel
Golf von Salerno
Ägäisches Meer
Ikarisches Meer
Thrakisches Meer
Thermaischer Golf
Golf von Maliakos
Saronischer Golf
Ionisches Meer
Golf von Tarent
Golf von Korinth
Golf von Patras
Pelagien (Libysches Meer)
Golf von Sidra (Große Syrte)
Golf von Gabès (Kleine Syrte)

Maramarameer
Levantisches Meer

Tabelle 2 Nebenmeere des Mittelmeers

1.1 Die Entstehung des Mittelmeeres

Das Mittelmeer hat seinen Ursprung im Thetis-Meer, welches vor etwa 220 Mio. Jahren entstand. Der Urkontinent Pangäa zerbrach vor ca. 150 Mio. Jahren. Durch die Kontinentaldrift bewegten sich, vereinfacht gesagt, die einzelnen Kontinente in Richtung ihrer heutigen Lage auseinander. Entscheidend war jedoch, dass sich Afrika und Südamerika früher trennten als Nordamerika und Europa. So kam es, dass sich Afrika in Europa „hineindrehte“. Das Thetis-Meer wurde zu einem abgeschlossenen Meer zwischen den beiden Kontinenten. Dadurch trocknete das Thetis-Meer fast vollständig aus, bis gegen Ende des Miozäns die Straße von Gibraltar durch tektonische Bewegungen brach und der Meeresspiegel des Thetis-Meeres dem des Atlantiks angepasst wurde. Die Straße von Gibraltar war ein riesiger Wasserfall auf einer Breite von 50-100km. Bis das Mittelmeer gefüllt war, dauerte es mehrere tausend Jahre!

1.2 Küstenmorpholgie

In der Küstenmorphologie gibt es mehrere Möglichkeiten, die einzelnen Küstentypen zu unterscheiden. So lässt sich zum Beispiel eine Küstenunterscheidung nach dem Übergang von Meer zu Land, nach der Form der Küstenlinie oder auch nach der Genese beschreiben.

Flachküsten sind die typischen Sand- und Kiesstrände, die durch eine geringe Neigung langsam ins Meer übergehen. Sie sind von Sedimentablagerungen geprägt und gliedern sich schematisch in drei Teile: Diese lauten Strand, Vorstrand und Schorre. Letztere ist auch unter dem Namen Brandungs- oder Abrasionsplattform bekannt.

Steilküsten hingegen haben keinen allmählichen Übergang vom Meer zum Festland. Ihr Aussehen ist geprägt von steilen, felsigen Hängen, die auch als Kliff bezeichnet werden. Für die charakteristische Gestalt ist zum einen die Brandung an sich verantwortlich, zum anderen aber auch das mitgeführte Brandungsgeröll. Diese beiden Aspekte beeinflussen die Küste direkt durch Brandungserosion.

Da der Wasserstand des Meeres variieren kann, ist ein Teil der Küste ganz besonders der Brandungserosion ausgeliefert. Nämlich der unterste Teil der Kliffwand: Hier entsteht eine Kerbe, die als Brandungshohlkehle bezeichnet wird. Unterhalb der Brandungsplattform sammeln sich das abgetragene Gestein des Kliffes und das Brandungsgeröll auf der Kliffhalde oder auf der tiefer im Meer gelegene Seehalde. Eindrucksvolles Kennzeichen einiger Steilküsten sind die so genannten Brandungspfeiler, oftmals hohe, im Meer stehende, vom Festland abgetrennte Felstürme, die sich durch die Brandung unter Bildung einer Brandungsgasse vom ehemaligen Kliff abgespalten haben (Holy 2003, 2004).

Dort, wo sandige Flachküsten vorkommen, kann es zur Bildung von so genannten Dünenküsten kommen: Lagert sich Sand an einer Küste ab, so ist es möglich, dass dieser, je nach Wasserstand, trocknet. Winde können nun diesen Sand landeinwärts tragen. Dünen entstehen dort, wo küstennahe Vegetation diesen festhalten kann. Sie werden nach Alter oder Bewuchs unterteilt: Weißdüne, Graudüne, Braundüne. Letztere ist von einer geschlossenen Vegetationsdecke überzogen.

Ausgleichsküste, Lagune: Eine Lagune ist ein seichtes Gewässer, das durch Sandablagerung (Nehrung) vom Meer abgetrennt ist („Lagune“, in Wikipedia). Diese Abgrenzung entsteht durch Strandversatz. Voraussetzung ist, dass die Wellen und somit auch der mitgeführte Sand seitlich/schräg auf die Küste treffen (küstenparallele Strömungen, schräg zum Strand wehende Winde). Das Wasser fließt aber aufgrund der Schwerkraft in Gefällsrichtung wieder zurück ins Meer. Der Sand wird folglich in einer Zickzackbewegung parallel entlang des Strandes verfrachtet. Durch nachlassende Strömung sedimentiert der Sand und es bildet sich ein Strandhaken (Holy 2003, 2004).

Ein generelles Phänomen an Küsten ist die Anreicherung der Luft mit Aerosolen, welche sich aus den Salzkristallen des Meerwassers bilden. In großer Konzentration kommen die Aerosole fünf Meter über dem Meeresspiegel sowie 15 bis 20m landeinwärts vor. In diesem Bereich ist die Luft somit besonders gesundheitsförderlich für die Lungen. Gezeiten spielen im Mittelmeer übrigens kaum eine Rolle, da die Straße von Gibraltar zu wenig Wasser (→ Flutberge vom Atlantik) durchlässt und das Mittelmeer an sich zu klein ist. Der maximale Tidenhub beträgt beispielsweise in Venedig ca. 50 cm.

1.3 Tsunamis im Mittelmeer

Tsunamis entstehen meist durch tektonische Aktivitäten. Erdbeben, Vulkanausbrüche aber auch Hangrutschungen sind die häufigsten Auslöser. Erschütterungen und schlagartige Entladung von Energie an Plattengrenzen setzen große Wassermassen in Bewegung. Dabei bewegt sich nicht nur das Oberflächenwasser, sondern die gesamte Wassersäule bis zum Meeresgrund. Ein Tsunami besteht meist nicht nur aus einer „Welle“, sondern aus mehreren, wobei die erste meist nicht die schwersten Schäden mit sich bringt. Die zweite oder dritte Welle ist oftmals viel verheerender, da sich ihre Energie mit der vorangegangenen vereinen kann. Tsunamis breiten sich in allen Richtungen von ihrem Entstehungsort ausgehend aus. Sie können Geschwindigkeiten von bis zu 800km/h erreichen. Doch Tsunamis sind nicht nur Erscheinungen, die nur im Pazifischen Ozean vorkommen; viel mehr ereignen sich ca. 10% aller Tsunamis weltweit im Mittelmeer. Durchschnittlich spricht man von einem schwereren Tsunami pro Jahrhundert (Tsunami Institute 2007).

Verantwortlich für das Vorkommen von Tsunamis im Mittelmeer ist die tektonisch aktive Zone im Mittelmeerraum. Dort befinden sich die Plattengrenzen der Eurasischen, Afrikanischen und Anatolischen Platte. Der letzte größere Tsunami ereignete sich am 17. 08. 1999. Das Epizentrum des Erdbebens, welches den Tsunami auslöste, lag im Golf von Izmir. 17 000 Menschen verloren dabei ihr Leben (Tsunami Institute 2007).

1.4 Salzgehalt und Meeresströmung

Im Sommer ist das Oberflächenwasser des Mittelmeeres rund 5°C wärmer als in vergleichbaren Breiten (Wagner 2001: 232). Dies hat eine hohe Verdunstung zur Folge. „Die Verdunstung von der Wasseroberfläche ist etwa dreimal so hoch wie der Niederschlag“ (Clark 1992: 202). Dass das Mittelmeer nicht austrocknet, hat folgenden Grund: Der Wasserstand des Mittelmeeres wird zu einem geringen Teil durch zuströmende Flüsse und durch das Schwarze Meer reguliert. Der größte Teil stammt jedoch aus dem Atlantik und fließt durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer.

Die Salinität nimmt im Mittelmeer von Westen mit 3,6% nach Osten hin auf fast 4% zu. Dies liegt daran, dass das zuströmende Atlantikwasser einen geringeren Salzgehalt hat, nämlich 3,5% (Wagner 2001: 233). Dieses Wasser fließt aber nicht einfach von West nach Ost durch, es verzweigt sich in getrennte Kreisläufe. Es gibt drei große Kreisläufe. Im Westen beginnend kreist das Wasser im Balearenbecken und weiter östlich im Tyrrhenischen Meer. Hier liegt der Salzgehalt noch bei 3,6%. „Ein dritter Teil des Atlantikwassers strömt entlang der nordafrikanischen Küste nach Osten, mündet in verschiedene Kreisbewegungen, wird dabei langsamer, wärmer, (…) verdunstet und steigert dadurch seinen Salzgehalt“ (Wagner 2001: 233). Das Mittelmeer wird jedoch nicht immer salzhaltiger. Da Salzwasser eine vergleichsweise hohe Dichte besitzt, fließt am Meeresboden durch die Straße von Gibraltar ein mächtiger Salzwasserstrom zurück in den Atlantik.

Die drei Kreisbögen, welche das Atlantikwasser nimmt, bilden für sich fast getrennte marine Systeme. Dies liegt daran, dass der horizontale Wasseraustausch im Mittelmeer durch die Inseln Korsika und Sardinien, vor allem aber durch Italien gehemmt ist (Huber 1993: 37). Deswegen bleiben Unfälle von Öltankern meist nur ein lokales Problem, was meint, dass sich das Öl nicht über das gesamte Mittelmeer verbreitet.

1.5 Meeresbelastung und Gegenmaßnahmen

Auslöser der Meerverschmutzung ist im Regelfall der Mensch. Im Jahr 1960 lebten ca. 40 Mio. Menschen an Küstengebieten (Litoralzonen). Im Jahr 2025 werden es bereits schon 170 Mio. sein. Es handelt sich also um eine mehr als Vervierfachung der Bevölkerung an Küstengebieten innerhalb von 65 Jahren (Wagner 2001: 233). Die daraus resultierenden Probleme und Belastungen lassen sich in fünf Gruppen zusammenfassen:

Die am stärksten belasteten Gebiete sind vor allem die Küsten bei Barcelona, Marseille, Genua, Neapel und Athen sowie die Adria.

Gegenmaßnahmen

Seit nun mehr drei Jahrzehnten wird versucht, das Mittelmeer zu schützen und seine Verschmutzung einzudämmen. „Dabei sind allerdings typisch mediterrane Koordinierungsschwierigkeiten, Korruption, das Umgehen der unterschiedlichen nationalen und neuen internationalen Rechtsvorschriften und viele Formen der Nachlässigkeit bei der praktischen Umsetzung nicht zu übersehen“ (Wagner 2001: 235).

Seit 1976 arbeiten die Mittelmeerstaaten mit der EU und der UNEP zusammen. Ihr Ziel ist die „Erhaltung der Funktionsfähigkeit des marinen Ökosystems des Mittelmeeres“ (Wagner 2001: 235). Ein erster Schritt war der so genannte Mediterranean Action Plan (MAP). Er umfasst eine ausführliche Analyse der Wasser- und Luftbelastung im Mittelmeerraum. Parallel dazu wurde der Blue Plan entworfen, welcher die sozioökonomischen Prozesse der Mittelmeerländer analysiert. Aktuell forschen mehr als 200 Institute für die Sicherung des Mittelmeeres.

Seit 1995 fördert die EU besonders 5 Bereiche, die Abwasserklärung, sichere Mülldeponien, Gefahrstoffentsorgung, umweltgerechte Reglementierung der Öltransporte auf dem Meer und die Pflege küstennaher Meeresbiotope“ (Wagner 2001: 234). Das so genannte Mediterranean Environmental Technical Assistance Program (METAP I, II) gewährt Kredite für die Beseitigung von Abfällen, das Verhindern von Verschmutzungen durch Öl und chemische Produkte sowie die Bewirtschaftung von Wasserressourcen (Wagner 2001: 234/236). Darüber hinaus werden mit zwei weiteren Projekten Meerwasserentsalzungsanlagen sowie Katastrophenpläne bei Tankerunfällen und die Nutzungsüberlastung von Küstenniederungen thematisiert (Wagner 2001: 236).

Auch wenn die Projekte gut umgesetzt werden sollten, dauert es immer noch Jahrzehnte, bis sich das Mittelmeer wieder einigermaßen rehabilitiert hat.

Ein weiteres Problem ist die so genannte Killeralge. Sie ist eine Algenart, die ursprünglich nur in tropischen Wässern vorkam, sich jedoch nun auch im Mittelmeer immer mehr ausbreitet.

Wie die Killerlage ins Mittelmeer kam, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Es gibt zwei Theorien:

Warum die Alge ein Problem darstellt, lässt sich folgendermaßen erklären: Sie ist giftig und hat deshalb keine Fressfeinde. Des Weiteren breitet sie sich sehr schnell aus, verdrängt somit andere Meerespflanzen und raubt dadurch vielen Tieren die Lebensgrundlage (Hydra-Institute). Das Tückische an ihr ist jedoch, dass sich aus jedem Teil der Pflanze eine neue Alge entwickeln kann. Dies führt zu einer starken Ausbreitung, da sie zudem anspruchslos an ihrem Standort ist. Alle Versuche zur Bekämpfung der Killeralge sind bisher gescheitert. Man hat versucht, eine bestimmte Schneckenart auszusetzen, die resistent gegen das Gift der Alge ist, der Erfolg blieb aus. Auch der Einsatz von Tauchern, die die Alge am Meeresgrund herausreißen sollten, brachte keine Besserung. Das Gegenteil war der Fall, da sich dadurch kleine Algenteile im Meer verteilten und sich daraus unzählige neue Algen bildeten („Killeralge“, in Wikipedia).

Seeigel sind im Allgemeinen ein Indikator für eine mittlere Wasserqualität. Sie brauchen freie Flächen im Meer, um sich festzuhalten. In einem gesunden Meer ist der Meeresgrund jedoch komplett mit Algen bedeckt. Seeigel werden auch als die „Ziegen des Meeres“ bezeichnet, da sie an Algen nagen und diese sich nicht regenerieren können. Die Killeralge ist hier eine Ausnahme. Doch nicht nur das Meer leidet unter den Seeigeln, auch der Tourismus. Ein von Seeigeln überwuchertes Badegebiet ist für den Badegast sicherlich keine Freude. Dennoch waren bisher alle Maßnahmen zur Beseitigung der Seeigel erfolglos. Taucher wurden ausgesandt, um die Seeigel mit Hämmern zu zerstören. Doch an die Stelle, an der ehemals ein großer Seeigel saß, haben sich mehrere kleine angesiedelt. Das Problem hat sich also verstärkt.

1.6 Regionalbeispiele

1.6.1 Der Suezkanal

„Der Kanal ist 163km lang und stellt als künstliche Wasserstraße die Verbindung zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer dar“ (Ipicture 2005). Er verbindet die beiden Hafenstädte Suez (am Roten Meer) mit Port Said (am Mittelmeer). Er wurde im Jahr 1869, nach zehnjähriger Bauzeit eröffnet. Der Konstrukteur war Alois Nigrelli, ein österreichischer Eisenbahnpionier. Die Bauleitung hatte Ferdinand de Lesseps, der bei der französischen Suezkanal-Gesellschaft angestellt war. Dieser wurde auch später mit dem Bau des Panamakanals beauftragt (Ipicture 2005). Beim Bau des Suezkanals waren rund 1,5 Mio. Arbeiter, meist Ägypter, tätig. 125 000 starben während der Bauphase an Cholera. Täglich nutzen etwa 70 bis 80 Schiffe den Kanal. „Damit ist der Suezkanal eine der wichtigsten Schiffsverbindungen zwischen Europa und Asien“ (Kindler 2007). Der Zeitfaktor spielt heute auf Grund der schnellen Tanker keine große Rolle, viel mehr fallen gesparte Arbeitskräfte und geringere Treibstoffkosten ins Gewicht.

1.6.2 Gibraltar

Gibraltar liegt an der Südspitze der iberischen Halbinsel, nördlich an der gleichnamigen Straße von Gibraltar, an der Europa und Afrika am dichtesten beieinander liegen (ca. 26km Abstand). Gibraltar ist britisches Überseegebiet und gehört somit zum Vereinten Königreich. Das Staatsoberhaupt ist König Elisabeth II, der Gouverneur Sir Francis Richards und der Regierungschef Peter Caruana, ein Sozialdemokrat. Seine Hauptstadt ist Gibraltar (Stadt). Auf einer Fläche von 6,5km2leben rund 27 000 Menschen. Hauptattraktion für Touristen sind die frei lebenden Berberaffen, die Tropfsteinhöhle, der Leuchtturm sowie die in den Fels geschlagenen Verteidigungsanlagen („Gibraltar“, in Wikipedia).

Am 4. August 1704 eroberte Prinz Georg von Hessen-Darmstadt im Spanischen Erbfolgekrieg mit seinem österreichischen Kontingent an Bord der englischen Flotte Gibraltar. 1713 wurde das Gebiet im Vertrag von Utrecht formell den Briten zugesprochen und ist seit 1830 britische Kronkolonie („Gibraltar“, in Medienarchiv). Seit langem gibt es Spannungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Spanien, da letzteres will, dass Gibraltar zu ihrem Staatsgebiet gehört. Bei einem Referendum am 7. 11. 2002 (Wahlbeteiligung fast 90%) stimmten 99% für einen Verbleib unter britischer Herrschaft. Nur 187 Einwohner Gibraltars waren für eine geteilte Souveränität. In letzter Zeit ist jedoch eine gemeinsame Verwaltung Gibraltars zwischen Spanien und dem Vereinigten Königreich im Gespräch. Grund zur Annäherung ist vor allem der gemeinsam genutzte Flughafen Gibraltars („Gibraltar“, in Wikipedia).

Das Taygetosgebirge besteht vorwiegend aus Kalken, die größtenteils horizontal gelagert sind. Es wird in Längsrichtung von einer Schicht kristallinen Schiefergesteins durchzogen. Dieses ist deutlich stärker bewachsen, da das Gestein bessere Möglichkeiten zur Wasserspeicherung bietet bzw. sich aus ihm fruchtbarere Böden entwickeln können.

Doline Dydima

„Mondlandschaft“ - Karrenfeld am Golf von Amvrakikos

Karren

Stalagnate in der Höhle Glifáda

2 Geologie, Geomorphologie, Pedologie

2.1 Geologische Szenarien

(Burkard Richter)

Das heutige geologische Bild des Mittelmeerraumes ist das Ergebnis der Kollision der afrikanischen und der eurasischen Platte. Geologisch betrachtet stellt es eines der komplexesten Gebiete konvergenter Plattengrenzen dar; das ein höchstes Maß an geotektonischer Komplexität besitzt der Bereich Griechenland - Ägäis, wo mehrere Mikroplatten aufeinandertreffen.

Dies spiegelt sich z. B. an der intensiven Erdbebentätigkeit wieder (Adam 2004).

Griechenland hat trotz der starken Verzahntheit mit dem Meer einen Gebirgsanteil von knapp 80%. Wichtige Gebirge sind das Pindos-Gebirge, der Olymp-Ossa-Pilion-Gebirgszug sowie das Rhodope-Gebirge, das Taygetosgebirge (Profitis Ilias 2407m) auf der Halbinsel von Peloponnes und darüber hinaus das Ida- und das Psiloritis-Gebirge auf der Insel Kreta. Die höchste Erhebung des Landes ist der Mytikas (2917 m), der höhere der beiden Olympgipfel.

Der südlichste Punkt ist Kap Tenaro/Tanaro auf der Peloponnes, dieser wird im Osten von der Ägäis und im Westen vom Ionischen Meer begrenzt. Geologisch betrachtet war der Peloponnes ursprünglich eine Insel, wurde jedoch dann durch die Nordwanderung der afrikanischen und arabischen Platten an das Festland herangeschoben. Die Folge sind Faltengebirge, die sich bis zu 2400m Höhe erheben, wobei die Reliefunterschiede auf kürzestem Raum erheblich sein können.

Das Gebiet des heutigen Griechenland war bis zum Paläozoikum Geosynklinalraum der Tethys und bis zum Ende des Silur überwiegend meerbedeckt. Dort entstanden mächtige Ablagerungen, aus denen sich im Zeitraum des Übergangs vom Silur zum Devon die ersten festländischen Gebirgsmassive bildeten. Unter dem Einfluss einer regionalen Metamorphose entstanden die ersten kristallinen Gesteine. Die variszische Gebirgsbildung, die im Mitteldevon ihren Höhepunkt in Mitteleuropa hatte, beeinflusste auch den Bereich Griechenlands (Adam 2004).

Am Ende des Eozäns wurde im Zuge der alpidischen Orogenese die Tethys nahezu vollständig eingeengt. An deren Stelle trat u. a. das Mittelmeer. An dessen östlichem Rand bildeten sich gefaltete Festlandsbereiche heraus. Die Entwicklung des Mittelmeeres zu seinem heutigen Erscheinungsbild fand hauptsächlich im Oligozän statt. Einen wesentlichen Einfluss darauf hatte die Orogenese der Apenninen, der Dinariden und der Helleniden (Freiberg 2003). Im adriatischen Meeresbecken wurden als Folge durch Erosion ca. 5000m mächtige Sedimente abgelagert (Jacobshagen 1986: 238). Durch einen starken Meeresspiegelrückgang wurden die Verbindungen zu Atlantik und Indischem Ozean unterbrochen, als Folge blieben die Zuflüsse unter den Verlusten durch Verdunstung und große Gebiete des Mittelmeerbeckens trockneten aus. Infolgedessen kam es in weiten Bereichen zur Bildung mächtiger Evaporitschichten (Evaporit, von lat. evaporare = verdampfen; bezeichnet Verdampfungsund Eindunstungsgesteine).

Die alpine Orogenese dauerte bis zum Miozän, besonders deutlich sind die Auswirkungen in West- und Südgriechenland sichtbar, wo Faltungen und Überschiebungen aus östlicher Richtung zur Bildung der Helleniden (Teil des Gebirgsbogens der Dinariden und Tauriden) beigetragen haben (Adam 2004).

Auf die alpidische Orogenese folgte ab dem Miozän bis zum Quartär eine starke epirogenetische Tätigkeit: Großräumige Verwerfungen, verbunden mit Hebungen und Senkungen führen zu Grabenbrüchen und Beckengräben, denen die Tiefebene

Thessaliens, die Becken von Megaloupolis, Ost-Arkadien, Theben, Böotien, Ätolien, wie viele Seen, u. a. ihre Entstehung verdanken. Zum Meer hin offene Beckengräben sind z. B. die Golfe von Chalkidiki, Korinth Amvrakikos oder die Golfe an der Peloponnes, Mesiniakos, Lakonikos, Argolikos sowie deren festländische Fortsetzungen in den Ebenen von Messinia, Lakonia und Argolis. Zu Beginn des Pliozäns setzte, ausgehend vom Atlantik, eine erneute Überflutung des Beckens ein. Dies hatte die Ablagerung mariner, pelagischer (= küstenferner, evtl. Tiefsee) Sedimente zur Folge. Im Pleistozän kam es zu neuen Verwerfungen und Senkungen im Raum der Ägäis, die eine Transgression des Meeres im südöstlichen Teil der Ägäis und die Bildung des Ägäischen Meeres zur Folge haben. Für das Quartär sind Vereisungen ab einer Höhe von 2000m nachgewiesen (Kastanis 1965: 5 ff.).

2.2 Tektonik, Petrographie

Die einzelnen Bewegungen der kontinentalen Fragmente konnten noch nicht eindeutig zugeordnet werden. Die Theorien reichen von Varianten der Subduktion (Le Pichon 1982) über verschiedene zusammenhängende Abläufe von Subduktion und Kollision (Mascle et al. 1982) bis hin zur Kontinent-Kontinent Kollision (Makris 1978). Im Zuge der nordwärts gerichteten Bewegung der Platten wurde das Mittelmeer auf sein heutiges Maß eingeengt, gleichzeitig erfolgte eine „Zersplitterung“ der Platten. Heute besteht das Mittelmeer aus kleinen Resten ehemaliger Ozeanarme sowie aus größeren kontinentalen Schelfen (wie z. B. der Adria über der adriatischen Platte). Das ostmediterrane Becken stellt den ältesten Bereich des Mittelmeeres dar. Hinzu kommen jüngere Becken wie das Tyrrhenische Meer und das Ligurische Meer (Adam 2004).

Das westliche Mittelmeer und die Ägäis stellen back-arc-Becken (= Meeresbecken, die bei der Subduktion einer ozeanischen Platte unter eine andere ozeanische Platte entstehen) dar, die sich während des Tertiärs hinter einer Subduktionszone, die vermutlich etwa unter der Linie Apennin-Atlas und den Helleniden lag, entwickelten. Die noch andauernde Subduktion am SW-Rand der Ägäischen Platte, die (gestauchten) Deformationen im Ostmediterranen Rücken und der seit dem Pliozän aktive Ägäische Vulkan-Bogen weisen auf einen andauernden orogenen Prozess hin (McKenzie 1978: 217ff.; Jacobshagen1986: 278). Die hellenische Subduktionszone wird durch diverse Tiefseegräben ("hellenic trench"; ionischer, plynischer Tiefseegraben, Strabo Tiefseebogen südlich von Kreta) und die Süd-Ägäischen Inseln ("pliny trench" und "strabo trench") markiert; hier taucht die afrikanische Platte ca. 4 cm im Jahr in nordöstlicher Richtung in einem Winkel von 30-40° unter die Eurasische Platte ab (decadevolcano 2003; Paul 2007).

Der größte Teil Griechenlands gehört dem alpidischen Teil der Helleniden an (Jacobshagen 1986: 7). Die Orogenese der Helleniden wurde im Mesozoikum und Känozoikum durch Driftbewegungen der europäischen und der afrikanischen Platten ausgelöst (Jacobshagen 1986: 274). Das Hinterland des Orogens setzt sich aus Kristallinkomplexen in Ost-Makedonien und Thrakien sowie den Rhodopen, ebenfalls im Osten Griechenlands gelegen, zusammen. Es herrschen Vergenzen (die Kipprichtung geneigter Falten; Murawski, Meyer 1998) nach Südwesten bzw. Süden vor.

Die einzelnen Bestandteile des Deckengebirges von Südwest nach Nordost:

(Paul 2007)

Die Helleniden entstandenen während vier orogenetischer Zyklen in denen Faltung, Deckenbewegung und Regionalmetamorphose stattfanden.

Miozänneohellenischer Zyklusgekennzeichnet durch Hebung
Eozänmesohellenischer Zyklus
Unterkreideeohellenischer Zyklusgekennzeichnet durch Auffaltung
Doggerkimmerischer Zyklus

(Rumpler 1992/2007, Jacobshagen 1986: 7, 20f.)

Die Gesteine, die während dieser Zeiten abgelagert wurden, bestehen vorwiegend aus karbonatischen Sedimenten aus unterschiedlichen Meerestiefen (Jacobshagen 1986: 20 f.). Griechenland kann in fünf petrographische Gebiete aufgeteilt werden:

Vulkanismus und Erdbeben

Mit der dynamischen geotektonischen Situation der Ägäis ist zwangsläufig Vulkanismus verbunden; Spuren kann man bis zum Oligozän zurückverfolgen (Jacobshagen 1986: 228). Da die Verschiebung der Platten weiterhin anhält, ist der Peloponnes zu den erdbebengefährdetsten Gebieten Europas zu zählen. Die Liste der Naturkatastrophen ist lang: Sie reicht von einem Beben auf Kreta um 2100 v. Chr. bis in die Gegenwart, z. B. zu einem Erdbeben mit der Stärke 6,2 auf der Richterskala, welches Kalamata am 13. September 1986 fast vollständig zerstörte.

Im Jahre 438 n. Chr. wurde Kreta an der Ostseite um 4 m unter den Meeresspiegel abgesenkt und an der Westseite um bis zu 8,5 m angehoben, wie man heute noch auf der Halbinsel Gramvoussa an der alten Uferlinie erkennen kann. Als Folge musste im 5. Jahrhundert der Hafen von Falassarna aufgegeben werden.

Das häufige Auftreten von Erdbeben forcierte die Minoer vor 4000 Jahren eine erdbebensichere Bauweise zu entwickeln (Sommer 2007; Wikipedia „Peloponnes“ 2008). Bekannt ist auch der Vulkanausbruch um ca. 1500 v. Chr. in der südlichen Ägäis (s. Santorini), der möglicherweise indirekt (Tsunami? Erdbeben?) beim Untergang der minoischen Kultur mitgewirkt hat.

2.3 Karstmorphologie im Mittelmeerraum

(Frauke Winter)

Etymologie des Begriffs „Karst“: Der Begriff „Karst“ leitet sich aus dem serbokroatischen „kras“ (= steiniger Boden) ab und bezeichnet eine Landschaft in Slowenien (Pfeffer 1978: 1). „Er wurde dann auf andere mediterrane Landschaften übertragen“ (Leser 2001: 380). Der 500km lange Küstenstreifen, der sich zu Füßen des Dinarischen Gebirges an der Adria erstreckt, war und ist für Forschungen so optimal, da er bis zu 80-90% verkarstet ist und einen reichen Formenschatz an Karsterscheinungen aufweist (Wilhelmy u. a. 1992: III,12).

1894 erforschte der Wiener Morphologe Penck zusammen mit seinen Schülern Cvijic und Grund einen Teil des Dinarischen Gebirges. Dadurch erweiterten sie den slowenischen Landschaftsnamen zum Typenbegriff und schufen eine eigene Terminologie (Pfeffer 1978: 1). Heutzutage gehören dem Begriff „Karst“ all jene Gebiete an, die in ihrem morphologischen Landschaftstyp lösliche Gesteine und daraus resultierende Karstformen aufweisen (Leser 2001: 380). Karstgebiete findet man u. a. …

Diese Gebirge bestehen meistens aus Kalk, Gips oder Dolomit, welche unterschiedlich stark vom Wasser verändert und ausgehöhlt werden (siehe Korrosionsformen in den weiteren Kapiteln). Aus diesen Veränderungen und Lösungen entsteht durch den Vorgang der Korrosion schließlich Karst.

Eine weitere Charakteristik des Karsts ist die sehr artenarme Kulturvegetation. Des Weiteren weisen die meisten Karstgebirge schroffe, steile Bergformen sowie starke Zertalungen auf, die von hauptsächlich unterirdisch fließenden, klaren, türkisfarbenen Gewässern durchzogen werden (Longin 2007).

Eine sehr markante Eigenschaft von Karstgebieten ist die stets hohe Versickerung des Niederschlagswassers. Von den teils durchaus starken Regenfällen läuft nur wenig Wasser oberflächlich in Flussbetten und Flussläufen ab. Grund hierfür ist das poröse Gestein, das sehr viele kleine Klüfte und Spalten aufweist, in die das Wasser einsickert, den Kalk (oder Dolomit, Marmor, Gips etc.) auf seinem Weg in die Tiefe teilweise löst und in unterirdischen Höhlensystemen zirkuliert. Nach vielen Kilometern kann es dann wieder in Form von z. B. Speilöchern an die Oberfläche kommen.

2.3.1 Entstehung von Karst

Karst bildet sich hauptsächlich in Gebieten mit Kalkstein, Dolomit, Gips, Anhydrit, Marmor oder Salzgesteinen (Wilhelmy et al.1992: III, 12). Während die Karstbildung in gipshaltigen Gesteinen schneller vonstatten geht, da Gips ein sehr lösliches Gestein ist, dauert der Prozess der Lösung in Dolomit oder Kalk mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte. Dieser Prozess der Lösung von Kalkstein wird Korrosion genannt und in der Geomorphologie auch als Lösungsverwitterung oder Kohlensäureverwitterung bezeichnet (Leser 2001: 414).

Anhand von Kalk soll nun der Vorgang der Korrosion schrittweise erklärt werden: Der Kalkspat (CaCO3) ist normalerweise sehr schwer löslich. Reagiert er jedoch mit Kohlenstoffdioxid und Wasser, die beide im Niederschlag vorhanden sind, wird aus ihm lösbares Kalziumdihydrogencarbonat [Ca(HCO3)2].

Die sogenannte Karstformel:

CaCO3 + H2O + CO2 → Ca(HCO3)2

Diese Veränderung von schwer löslichem Gestein hin zu leicht löslicher Substanz wird von freier Gleichgewichtskohlensäure hervorgerufen, die im Wasser gelöst vorhanden ist. Durch sie kann das Kalziumhydrogencarbonat in Lösung bleiben und Hohlformen ausbilden. Sobald die Lösung gesättigt ist, d. h. bei einer bestimmten Menge CO2 ein dazugehöriger Wert Kalziumhydrogencarbonat darin gelöst ist, findet keine Korrosion mehr statt. „Die Korrosion endet, wenn das Lösungsgleichgewicht hergestellt ist (gesättigte Lösung)“ (Wilhelmy et al. 1992: III, 14).

Wenn die Lösung in das Innere des Gesteins sickert, ist sie, da gesättigt, zunächst nicht mehr in der Lage zu lösen und Hohlformen auszubilden. Dennoch findet man in mehreren hundert Metern Tiefe Höhlen und Gänge. Grund für diese Lösungsfähigkeit ist der Vorgang der Mischungskorrosion. Sie tritt auf, wenn zwei schon gesättigte Lösungen mit unterschiedlichen Temperaturen im Untergrund aufeinander treffen und das Kalkgestein weiter lösen (Wilhelmy et al. 1992: III, 14). „Das Phänomen erklärt sich dadurch, dass die Mischung zweier Wässer linear ist, während zwischen dem Kalkgehalt und dem CO2-Gehalt kein lineares Verhältnis besteht“ (Leser 2001: 517). Somit ist in der Mischung mehr Gleichgewichtskohlensäure vorhanden, die aggressiv wirkt und das umliegende Gestein weiter angreift. Diese Art der Korrosion findet bevorzugt entlang von schon vorhandenen Klüften statt und erweitert diese mit der Zeit zu großen Höhlen.

Verändert sich der Kohlenstoffdioxidgehalt in der Kalklösung, kann nicht mehr die gesamte Menge an Kalziumhydrogencarbonat gelöst bleiben und fällt aus. Grund für diese Schwankungen ist einerseits der Austritt der Lösung aus dem geschlossenen Höhlensystem, bei dem ein großer Teil des Wassers verdunstet. Andererseits spielen nachlassender Druck, Erwärmung (Austritt der Lösung aus dem Gesteinskomplex und Kontakt mit der höheren Außentemperatur) und Erschütterung (hinabstürzendes Wasser an einem Wasserfall, vergrößerte Oberfläche) eine weitere wichtige Rolle bei der Umkehrung des Kalklösungsprozesses. Generell fällt Kalk aus und lagert sich an Pflanzen, Steinen und Ähnlichem ab, wenn sich der CO2 - Gehalt in der Lösung verändert (Wilhelmy et al. 1992: III, 14).

In den meist „kahlen, vegetationsarmen bis bodenfreien mediterranen“ (Leser 2001: 380) Karstgebieten fällt unter anderem auf, dass der Wasserhaushalt gesteinsgeregelt ist. Das bedeutet, dass er nur ausnahmsweise, wenn bestimmte Gesteinsschichten vorherrschen, über Oberflächengewässer verfügt, während im Untergrund stets komplizierte Karstwassersysteme existieren (Leser 2001: 380).

Während die Korrosion in den Mittelmeergebieten und gemäßigten Breiten innerhalb mehreren Jahrzehnten bis Jahrhunderten abläuft, findet der Kalklösungsprozess in den feucht-warmen Tropen in kürzerer Zeit statt.

2.3.2 Karsterscheinungen

In diesem Kapitel wird auf die unterschiedlichen Formen eingegangen, die bei der Lösungsverwitterung von Kalk oder der Ausfällung von Kalziumhydrogencarbonat entstehen. Man unterteilt diese Erscheinungen zum einen in Primäre Karsterscheinungen, jene, die sich bei Korrosion von Kalkgestein herausbilden und zum anderen in Sekundäre Karsterscheinungen, den Ablagerungsformen von Kalk, wenn die Gleichgewichtskohlensäure nicht mehr ausreicht.

Primäre Karsterscheinungen

Zu dieser Teilgruppe gehören alle Hohlformen, die bei der Lösungsverwitterung an bevorzugten Abzugsstellen des Wassers entstehen (Wilhelmy et al. 1992: III, 24). Außerdem zählt man unterschiedliche Formen wie Dolinen-, Trocken-, Kegel- und Mediterranen Karst ebenfalls diesem Bereich hinzu.

Eine typische Erscheinung für Kalkgebiete ist die Doline. Bei ihr handelt es sich um „typische trichter- oder kesselförmige Hohlformen ganz unterschiedlicher Tiefe und Durchmesser“, an deren tiefstem Punkt das Wasser in das durchlässige Gestein einsickert (Leser 2001: 144). „Dolinen entstehen durch Lösung [...], durch Einsturz unterirdischer Hohlräume [...] sowie durch lokales Ausschwemmen von Feinmaterial in Deckschichten“ (Pfeffer 1978: 71). Aufgrund dieser unterschiedlichen Entstehungsweise, unterscheidet man zwischen Ponor-, Einsturz-, Trichter- und Schüsseldolinen (Nolzen 1978: 77).

Im Folgenden soll auf die unterschiedlichen Formen eingegangen werden. Der Prototyp der Doline mit der weitesten Verbreitung ist die Trichterdoline, welche als Hohlform vorwiegend an Klüften auftritt und eine kessel- bis trichterförmige Form besitzt. An den Hängen und am Grund haben sich mit der Zeit wasserundurchlässige Sedimente (z. B. Ton, Lehm oder Schluff) angelagert, die das weitere Eintiefen der Doline verhindern“ (Wilhelmy et al. 1992: III, 25).

Die Schüsseldoline hat im Vergleich zur Trichterdoline eine wesentlich geringere Tiefe und weist einen ovalen oder rundlichen Grundriss auf, weshalb das Verhältnis Durchmesser zu Tiefe relativ groß ist (Wilhelmy et al. 1992: III, 25). Findet Korrosion statt, dann hauptsächlich an den Rändern (= Seitenkorrosion), da am Grund eine dünne Schicht wasserundurchlässiger Sedimente lagert und somit starke Tiefenkorrosion verhindert.

Die Einsturzdoline entsteht durch den Einbruch eines Höhlendaches, „wenn dieses durch Korrosion oder Nachbrüche die Tragfähigkeit“ verloren hat (Wilhelmy et al. 1992: III, 24). Diese Hohlform besitzt eine große Tiefe und kann enorme Maße im Durchmesser annehmen. So hatten beispielsweise die in Griechenland besichtigten Einsturzdolinen von Dydima einen Durchmesser von etwa 500m und waren ca. 50 - 100m tief. Bei der Ponordoline handelt es sich um eine „trichterförmige Einsenkung im Boden einer Polje, die durch allmähliche Klufterweiterung infolge der erosiven Kraft des Wassers – das in dem Ponor verschwindet – entsteht“ (Leser 2001: 642). Wie schon der Name sagt, findet sich diese Art nur in Poljen oder an Stellen, an denen eine Quelle im Untergrund verschwindet (Schluckloch = Ponor).

Weitere typische und oft in der Natur sichtbare, primäre Karsterscheinung sind Karstschlote bzw. -schächte, auch Jama genannt. „Sie führen als schlauchförmige, sich erweiternde und verengende Naturschächte senkrecht oder schräg in den Untergrund“ (Wilhelmy et al. 1992: III, 27). Ihr Durchmesser (einige Meter) ist im Vergleich zur Tiefe (bis zu mehreren Dekametern) sehr klein (Pfeffer 1978: 30). Jamas entstehen hauptsächlich entlang kleiner schmaler Klüfte oder an Stellen, an denen sich

Hauptklüfte kreuzen. Durch die ständige Lösungsverwitterung des Kalkgesteins, d. h. vor allem durch Tiefenkorrosion, verbreitern und vertiefen sie sich mit der Zeit immer mehr. Sie verweisen auf die Fließrichtung des im Untergrund verschwindenden Oberflächenwassers, da sie entlang der üblichen Fließrichtung entstehen. Man findet sie außerdem vermehrt an Stellen, an denen sich Hauptklüfte kreuzen (Leser 2001: 382).

Außer Dolinen und Karstschächten findet man in Karstgebieten auch viele verschiedene „korrosive Kleinformen des Karstphänomens“ – die Karren oder auch Schratten (Wilhelmy et al. 1992: III, 17). Sie treten in unterschiedlicher Form auf, weshalb es für sie unterschiedliche Fachbegriffe gibt. „So gibt es u. a. Rinnen-, Rillen-, Tritt-, Hohl-, Spitz-, Flach-, Brandungs- und Wandkarren. Karren können durch abfließendes Niederschlagswasser und/oder durch biogenes CO2 aus Humuspolstern entstehen. Brandungskarren sind hauptsächlich auf die Mischungskorrosion von Niederschlagswasser und Meerwasser zurückzuführen“ (AfH 2007). In Griechenland treten vor allem zwei Arten von Karren (Loch- und Rillenkarren) auf. Sie entstehen auf „verkarstungsfähigen Gesteinen bei flächenhafter Benetzung und Abfluss durch Niederschlags- und Schmelzwässer“ (Wilhelmy et al. 1992: III, 17). Rillenkarren verlaufen teilweise parallel und entlang der Felsneigung. Sie haben eine längliche, schmale Form und erstrecken sich entlang der Fließrichtung des abfließenden Niederschlagsoder Schmelzwassers. Die Felsfläche hat dabei meist eine Neigung von 40° - 80°, die dadurch die Rillenform unterstützt (Wilhelmy et al. 1992: III, 19).

Lochkarren besitzen im Gegensatz dazu eine runde bis ovale Form und formen sich mehr in die Tiefe als in die Länge oder Breite. Ausgangspunkt für einen Lochkarren

ist eine Mulde oder Senke im Gestein, die mit den auftreffenden Regentropfen auf immer ein und denselben Punkt immer weiter in die Tiefe korrodiert.

Wie schon erwähnt wurde, gehören auch Poljen zu den bekanntesten primären Karsterscheinungen der Erde. Sie weisen eine „wannen- bis kesselartige Hohlform (bis mehrere hundert Quadratkilometer groß)“ auf und sind am fast ebenen Boden mit unlöslichen Sedimenten oder Verwitterungsresten bedeckt (Leser 2001: 639). Poljen, in denen sich Menschen angesiedelt haben, weisen eine sehr markante Siedlungsform auf: An den Hängen und am Rande der Polje liegen die Dörfer und Straßen, während auf der restlichen, fruchtbaren Fläche (meist Sand- oder Lehm-Tonablagerungen) Landwirtschaft betrieben wird.

Am Übergang des flachen Poljenbodens zu den Steilhängen befinden sich tiefe Klüfte, in denen das Regenwasser unterirdisch abfließt. Diese Schlucklöcher oder Flussschwinden werden Ponore genannt und treten meist in Verbindung mit Poljen auf. Wenn die Niederschlagsmenge zu groß ist, können die Ponore das Wasser nicht ausreichend unterirdisch ableiten und „verstopfen“. So kann es vorkommen, dass Poljen sich nach starken Regenfällen in flache Seen verwandeln. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass durch viele Poljen sogar Flüsse fließen, die aus Karstquellen austreten und in Schlucklöchern wieder verschwinden“ (Wilhelmy et al. 1992: III, 28).

Ist von Poljen und Ponoren die Rede, so werden die Karstquellen automatisch erwähnt, obwohl sie nicht generell mit ihnen in Verbindung stehen müssen. Im Gegenteil, sie können in Karstgebieten an vielen verschiedenen Stellen auftreten.

Karstquellen sind Quellflüsse, die speziell in Karstgebieten auftreten, die mit Wasser gespeist werden, das aus den unterirdischen Gangsystemen stammt (Leser 2001: 381). Sie können oft unverhofft zutage treten, aber auch zeitweilig ganz versiegen, wenn längere Zeit kein Niederschlag gefallen ist. Selbst in sehr trockenen Gebieten, wo man normalerweise keinen Fluss vermutet, führen Karstquellen teilweise das gesamte Jahr über große Wassermengen. Grund für dieses Phänomen ist ihr Einzugsgebiet. Meist werden Karstquellen aus weit entfernten niederschlagsreichen Gebieten gespeist, legen einen langen unterirdischen Weg durch das Kalkgestein zurück und treten nach vielen Kilometern wieder aus dem Gestein aus.

Im Allgemeinen weisen Karstquellen große Schwankungen der Wasserführung auf, da „sich das Karstwassersystem nach der Füllung durch einen Niederschlag innerhalb weniger Tage wieder entleert“ (Leser 2001: 381). Eine weitere sehr bekannte, primäre Karsterscheinung sind die Höhlen, die weltweit zu finden sind. „Karsthöhlen sind natürliche, unterirdische und befahrbare Hohlräume in verkarstungsfähigen Gesteinen, die unter wesentlicher Mitwirkung der Korrosion entstanden sind“ (Wilhelmy et al. 1992: III, 46). Sie können sich auch in erheblichen Tiefen befinden und werden durch den Vorgang der Mischungskorrosion immer mehr ausgehöhlt. Teilweise sind sie heute noch mit Wasser gefüllt oder von unterirdisch fließenden Karstquellen durchzogen.

Der Mediterrane Karst ist eine durch Poljen, Dolinen und Trockentäler bestimmte Karstregion des adriatischen Teils des Dinarischen Gebirges (Pfeffer 1978: 38). Man kann diesen Karsttyp (Mediterraner Karst) auch als eine Mischform der anderen Typen bezeichnen, da er sowohl Dolinen und Poljen aber auch Trockentäler aufweist.

Sekundäre Karsterscheinungen

Zu den sekundären Karsterscheinungen werden alle Formen und Gebilde, die durch die Ausfällung von Kalkspat entstanden sind, gezählt. Dazu zählen in der Natur anzutreffenden Gebilde, die durch Kalkablagerungen entstanden und mit der Zeit sukzessiv anwuchsen oder sich vergrößerten. Zu ihnen gehören beispielsweise Stalagmiten, Stalaktiten und Stalagnate, die hauptsächlich im Inneren von Höhlen zu finden sind. Bei der Ablagerung von Kalk kommt es zu einer Umkehr der Lösungsgleichung. Dabei wird das gelöste Kalziumhydrogencarbonat wieder ausgefällt und bleibt an Pflanzen, Moosen und Felsvorsprüngen hängen und bildet mit der Zeit eine dicke, harte Kalkschicht.

Wenn sich die Kalziumhydrogencarbonatlösung beispielsweise durch Sonneneinstrahlung erwärmt oder verdunstet, wird Gleichgewichtskohlensäure abgegeben und somit ist das Mischungsverhältnis nicht mehr ausgeglichen. Die Folge ist, dass das Ca(HCO3)2 nicht vollständig in Lösung bleiben kann und als Kalkspat abgelagert wird. Dieser Vorgang der Ausfällung kann aber auch auftreten, wenn eine Kalklösung Erschütterungen erfährt (zum Beispiel durch Überwinden einer Stufe) oder mit Wasserpflanzen in Kontakt gerät, die für ihre Photosynthese Kohlenstoffdioxid benötigen und dieses der Kalkmischung entziehen. Somit ist das Mischungsverhältnis erneut gestört und eine Übersättigung tritt ein, die die Ausfällung von Kalk zur Folge hat (Leser 2001: 517).

Wie schon erwähnt, gehören Stalagmiten zu der Gruppe der sekundären Karsterscheinungen. Diese Tropfsteine sind hauptsächlich in Höhlen anzutreffen, wo sie vom Boden herauf wachsen und teils bizarre Formen annehmen können. Das von der Höhlendecke herabtropfende, kalkhaltige Wasser erfährt durch das Auftreffen am Höhlenboden eine Erschütterung und verliert so einen Teil der Gleichgewichtskohlensäure. Die Mischung wird unausgeglichen und ein minimaler Teil von Kalziumhydrogencarbonat kann nicht mehr gelöst bleiben und lagert sich am Punkt des Auftreffens ab. So entsteht mit der Zeit ein kleiner Hügel, der immer weiter in die Höhe wächst. Eine weitere Form von Tropfsteinen sind die Stalaktiten. Sie wachsen jedoch von der Höhlendecke gen Boden und können sowohl sehr dünne und schmale als auch massive Formen annehmen. Wenn kalkhaltige Lösung durch das Gestein sickert und in einem Hohlraum austritt, verändert sich der Gehalt der Gleichgewichtskohlensäure, da ein Teil des Wassers verdunstet. Somit kann wie auch in den anderen Beispielen nicht mehr die gesamte Menge an Kalziumhydrogencarbonat gelöst