image

image

© 2011. Aus dem Dänischen von Dieter Faßnacht

Textgrundlage: Herman Bang. Vekslende Themaer I–IV. Udgivet af Sten Rasmussen. Det Danske Sprog- og Litteraturselskab. C.A. Reitzels

© 2011. Aus dem Dänischen von Dieter Faßnacht

Herman Bang: Ti Aar – Erindringer og Hændelser. I.H. Schubothes Boghandel. København 1891.

Vordere Umschlagseite:
Photographie von Fritz Benzen. Hinterhof des Hauses Pilestræde 74 in Kopenhagen.
August 1898. Københavns Museum.

Hintere Umschlagseite:
Porträt Herman Bang, 189?. Photographie von H. Tønnies. Det Kongelige Bibliotek København

Umschlaggestaltung: Dr. Peter Stephan, Freiburg i. Br.

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-8448-7003-9

Inhaltsverzeichnis

Wechselnde Themen

 

Vorwort des Übersetzers

 

Sten Rasmussen: Der Journalist Herman Bang

28.12.1879

Drangsal

25.1.1880

[Vor und hinter den Kulissen]

21.3.1880

Unser Umgang mit den Verstorbenen

4.4.1880

Von einer einsamen Insel

11.4.1880

Aus den Pfand- und Leihhäusern

9.5.1880

Endlose Tage – Studie von Herman Bang

23.5.1880

„Magasin du Nord“

20.6.1880

Eine Mutter

11.7.1880

Zigeunerleben

18.7.1880

Leben auf dem Lande

22.8.1880

Rue de Venise, numéro vingt-six

29.8.1880

Eine Seelenmesse

5.9.1880

Eigenartige Städte. I. „Die Stadt der Irren“

12.9.1880

Eigenartige Städte. II. Die Stadt der Nonnen

26.9.1880

Eigenartige Städte. Europa zur Ansicht

10.10.1880

Jacques Offenbach

31.10.1880

„Das Haus mit den fröhlichen Gesichtern“

7.11.1880

Aus dem Abseits. I. Der Arbeiterfreidenkerverein

26.11.1880

Briefe vom Schiffbruch bei Klitmöller. I.

28.11.1880

Briefe vom Schiffbruch bei Klitmöller. II.

19.12.1880

Aus dem Abseits. II. Armenbesuche vor Weihnachten

25.12.1880

Warum der Christbaum nicht geschmückt wurde

30.1.1880

Von den Krankenhäusern

13.2.1881

Père Félix – Célestin Joseph Félix

27.2.1881

Aus dem Leichenhaus

1.5.1881

Charlottenborg

15.5.1881

Der Arbeitshort in Nörrebro

29.5.1881

Ein Besuch bei Karlsberg

3.7.1881

Auf der „Thingvalla“. I. In der Nacht

10.7.1881

Auf der „Thingvalla“. II. Am Tage

17.7.1881

In einer Festung

4.9.1881

„Deutsches Theater“

25.12.1881

Fest der Erinnerungen

22.1.1882

Thora – Eine Pfarrhofgeschichte von Herman Bang

12.2.1882

Chopin in der Darstellung Liszts u. a. Zeitgenossen

2.4.1882

Kopenhagens Verbrecherwelt. I-II.

18.6.1882

Kopenhagens Verbrecherwelt. III. Ein Muttermörder

6.8.1882

Ein merkwürdiger Mord

1.10.1882

„Das Lehrlingsheim“

5.11.1882

Der Fremde

3.12.1882

Religion auf der Richtstatt

24.12.1882

Das Kinderheim – Eine Kindheitserinnerung

7.1.1883

Was man so liest

13.5.1883

Pfingsten

10.6.1883

Im Belvedere-Garten – „Zirkus Variété“

4.11.1883

Vergnügen und Vergnügungsstätten

13.1.1884

Gespenstergeschichten. I. Die drei Schläge

17.2.1884

Josephine Gallmeyer

16.3.1884

Sitzengeblieben

30.3.1884

Gedanken über das Feuilleton

21.6.1881

(„Mosaik“) [Die Versteigerung im Bernstorff-Palais]

4.10.1884

Die Feuersbrunst. I.

5.10.1884

Die Feuersbrunst. II.

12.7.1897

Schreckliches Unglück auf der Nordbahn

Zehn Jahre – Erinnerungen und Begebenheiten

Für Erika Nissen

Wie ich Schriftsteller wurde

Eine Tournee

Der Impresario

Wie man Redner und Vorleser wird

Ferien

Kunstreise auf Bornholm

„Einakter“

Osvald in Bergen

Ausgewiesen aus Deutschland

In Kristiania

Heiligabend in der Fremde

Goldene Stadt

Vorwort des Übersetzers

Herman Bang (1857–1912) hat neben seinen großen, international bekannten Romanen eine Unzahl anderer Arbeiten geschrieben, die weithin unbekannt geblieben sind. So ist etwa seine journalistische Tätigkeit weitgehend unbeachtet geblieben. Allein in seiner Zeit als Kritiker und Korrespondent der Nationaltidende von 1879–1884 schrieb er unter verschiedenen Rubriken („Vekslende Themaer“, „Charivari“, „Mosaik“) mehr als 200 Reportagen, Skizzen, Berichte u.a. Allein die Rubrik „Vekslende Themaer“ umfaßt 210 Stücke. Sie beschäftigen sich mit den Kopenhagener Begebenheiten jener Jahre, aber auch mit Kunst, Kultur und Theater sowie Reiseberichten.

Bis zum Erscheinen der o.a. historisch-kritischen Ausgabe waren in dänischer Sprache (außerhalb der Nationaltidende) nur etwa ein Drittel erneut veröffentlicht, teils von Herman Bang selbst (Realisme og Realister, Kritiske Studier, Herhjemme og Derude, insgesamt 37 Stücke), teils von Autoren wie Woel, Lehrmann, Claes Kastholm und Knud Arne Jürgensen („Dramaturgiske Pennetegninger“).

Ins Deutsche wurden bisher nur etwa 25 Reportagen übersetzt (Perlet, Sonnenberg). Die beiden Bang-Gesamtausgaben von 1912 ff./1919 (Samuel Fischer, Berlin) und von 1926 (Samuel Fischer, Berlin) enthalten keine einzige Reportage, die „Ausgewählten Werke des VEB Hinstorff Verlags Rostock 1982“ (in Lizenz bei Hanser Klassiker 1982) beinhalten 20 Reportagen, teils jedoch nur in Auszügen (übersetzt von Gisela Perlet).

Mit dieser Auswahl liegt eine Zusammenstellung von 54 Reportagen vor, davon zwei Drittel zum ersten Mal in deutscher Sprache. Sie ist so zusammengestellt, daß der Leser einen möglichst umfassenden Eindruck der journalistischen Tätigkeit Bangs erhält; wegen ihrer Zeitgebundenheit nehmen die kulturhistorischen Berichte einen verhältnismäßig geringen Raum ein.

Das Besondere an dieser Übersetzung sind die zahlreichen Erläuterungen, deren Recherche oft mehr Zeit als die eigentliche Übersetzung erforderte. Aber bei journalistischen Ausführungen, die die Zeit von 1879–1884 behandeln und in Kopenhagen spielen, wo sich wohl nicht jeder Leser zu Hause fühlt, schien es mir nicht vertretbar, den Leser sich selbst zu überlassen. Die Anmerkungen fußen zum kleinerenTeil auf der dänischen Ausgabe von Sten Rasmussen, zum größerenTeil auf eigenen Nachforschungen.

Die „Vekslende Themaer“ sind für den Übersetzer eine schwierige Nuß zu knacken. Beliebigkeiten in der Zeichensetzung, viele abgebrochene Sätze, unzählige Auslassungszeichen, manche Redewendung oder Wörter, die sogar die dänischen Herausgeber vor schwierige Fragen stellten, erforderten viel Mühe und Nachforschung. Ohne die Hilfe des Herausgebers der „Vekslende Themaer“, Herrn Lektor Sten Rasmussen, hätte das Werk in dieser Form nicht gelingen können.

Ihm sei an dieser Stelle ganz besonderer Dank ausgesprochen, sowie den vielen auskunftsfreudigen Helfern, die in den Anmerkungen genannt sind.

Gedankt sei auch „Det Danske Sprog- og Litteraturselskab“, Kopenhagen, die mir zusammen mit Sten Rasmussen die deutschen Rechte verlieh.

Freiburg (Breisgau), im Sommer 2011

Dieter Faßnacht

Sten Rasmussen

Der Journalist Herman Bang: Ein genialer, rastloser Künstler

Vorwort zur deutschen Auswahl der „Wechselnden Themen“ von Herman Bang (1857–1912)

„Ja, ich wurde regelrecht in die Literatur hineingezwungen, und ich darf wohl sagen, daß ich die Feder erst dann aufs Papier setzte, als der Augenblick gekommen war, in dem auch das älteste Weib zu spinnen lernt. […] In Blättern zu schreiben taten nur die Leute, die gar nichts anderes konnten.“

Dies schrieb Herman Bang in einem munter-selbstironischen Rückblick von 1891 über sein Debut als Journalist im Jahre 1878. Er war nichts anderes als ein Grünschnabel, der gerade sein Studium begonnen hatte, und er hätte eigentlich Jura und Staatswissenschaften studieren sollen, um Diplomat zu werden; dies wünschte seine vornehme Familie – er selbst wollte jedoch Schauspieler werden; dies gelang jedoch nicht, weil niemand seine Begabung erkannte, ja, so blieben schließlich nur die Zeitungen übrig, auf die er zurückgreifen konnte.

Sein Durchbruch als freiberuflicher Kritiker bei der führenden Kopenhagener konservativen Zeitung „Dagbladet“ gelang ihm schnell. „Ich verfaßte gelehrte Artikel über Literatur, die dann in einem Buch veröffentlicht wurden“, erzählte er viele Jahre später. „Ich stellte mich mit Vorliebe als einen Mann von siebzig dar. Ich war gerade zwanzig Jahre alt, so daß dies nicht verwunderte.“

Aber im späten Herbst 1879 bekam er bei der „Nationaltidende“ den Fuß in die Tür, wo er mehr als vier Jahre lang der stete Sonntagsfeuilletonist der Zeitung war. Die „Nationaltidende“ bestand erst seit drei Jahren, als er dort angestellt wurde; die Zeitung wandte sich besonders an Beamte und Kaufleute. Eigentümer war Etatsrat Jens Chr. Ferslew, der noch andere Blätter herausgab und im Laufe der 1880er der Zeitungsmogul des Landes wurde. Die dänischen Zeitungen bildeten damals eine von der Männerwelt geprägte Presse, die darüber schrieb, wofür sich die Abonnenten, reife Familienväter, interessierten: Politik, Gewerbe und Wirtschaft. Christian Ferslew war jedoch konservativ genug, aber nicht so ideologisch, daß er ohne weiteres begriff, daß die neue Zeit nach einer anderen Art Zeitung fragte. Die Jüngeren wünschten sich eine freiere öffentliche Debatte und neue Stoffe, und die Frauen, für die das Stimmrecht für die Reichstagswahlen – 30 Jahre nach der Einführung des Grundgesetzes – noch in weiter Ferne lag, hatten die Lektüre in den altmodischen Zeitungen als trostlose Wüstenwanderung empfunden.

Und dann erscheint Herman Bang als der neue Komet in der dänischen Presse. „Ich war 22 Jahre alt“, schrieb er später, „und ich stürmte mit jugendlichen Plänen, mit jugendlichen Gedanken, mit einem neuen Wesen, in neuer und wirrer Weise zu schreiben, durch die Redaktion der ‚Nationaltidende‘ … vor allen anderen. […] Hatte ich eine Entschuldigung? Vielleicht. Es sind nur so wenige Jahre, in denen man voller Glück glaubt, alles zu können. Aber für die Älteren waren die Tage endlos.“

Der Etatsrat ließ ihm freie Hand zu schreiben, wie er wollte, und unter der Rubrik „Wechselnde Themen“ („Vekslende Themaer“) verfaßte er über vier Jahre lang mehr als 200 Sonntagsfeuilletons über sozusagen alles, was im Kopenhagen König Christians des IX. geschah. Die meisten seiner Artikel – oder Feuilletons, wie man damals sagte – hatten die doppelte Länge eines modernen Zeitungsfeuilletons. Aber sie wurden gelesen. Und sie erweckten umgehend Aufsicht.

Viele ihrer Themen waren nicht besonders tiefsinnig, sondern nur begabte Plaudereien über dies und das im Leben der Stadt. Herman Bang war ein unvergleichlicher Beobachter, und Kopenhagen erwachte unter seinen virtuosen Händen durch eine Fülle genau beschriebener Details zum Leben. Langweilig waren die Artikel nicht, denn der Feuilletonist wußte über alles, was man sprach und worüber man in den Foyers der Theater und den Cafés der Stadt hinter vorgehaltener Hand tuschelte, Bescheid. Und es gab für ihn kein größeres Vergnügen, als kleine Gucklöcher in die Welt der Vornehmen mit seinen elegant formulierten Indiskretionen und seiner nadelspitzen Kunst des Pointierens zu öffnen.

Das Neue an seinen Texten war der Stil, eine raffinierte, leicht dahinlaufende Intimprosa, die durch ihren kunterbunten Farbenreichtum und scharf profilierte Ironie glänzte. Mit sicherem Instinkt wählte er die Briefform als die Gattung, die zu pflegen ihm nie zuviel wurde. Diese Form paßte genau zu dem redseligen Ton und bagatellhaften Inhalt, der manchen würdigen Familienvater den Kopf schütteln ließ, ihm aber als Lohn die ungeteilte Gewogenheit der Damen sicherte.

Herman Bang liebte Kopenhagen, das sich in diesen Jahren von einer Kreisstadt zur Großstadt wandelte. Im selben Jahr, in dem er geboren wurde – 1857 –, hatte man mit dem Schleifen der Wälle begonnen, die die militärische Befestigungsanlage um die Stadt herum gebildet hatten. Damit war die Grundlage für die hektische Expansion, die folgte, geschaffen. In den Jahrzehnten bis zur Jahrhundertwende erlebte man das alte Kopenhagen innerhalb der Stadtbefestigung immer häufiger als verlorene Idylle, während inzwischen riesige Flächen besonders westlich der Seen für Fabriken und die Mietskasernen des Industrieproletariats zur Heimat wurden. Zugleich schuf die wohlbehütete Bürgerschaft ihre Villenviertel nördlich in Hellerup und Gentofte und weiter dem Strandvejen entlang.

Diese zunehmenden Entfernungen verschärften die soziale Klassenbildung, und ganz langsam, wie die neue Großstadt Form annahm, wurde sie zum Rahmen eines unpersönlichen Lebens in der Masse, das sich den Einzelnen isoliert und verloren fühlen ließ. Man trifft auf die Melancholie dieser zunehmendenVerfremdung an mehreren Stellen in den „Wechselnden Themen“, und in dieser Hinsicht sind diese Artikel auch literaturhistorisch gesehen die früheste Bekräftigung, daß Herman Bang Dänemarks erster moderner Verfasser ist.

Aber natürlich bestand die Großstadt ja nicht nur aus Melancholie und Weltschmerz. Sie war auch der Ort, wo das Geschehen spielte. Im Menschengewimmel Tivolis sich zu bewegen, faszinierte den zwanzigjährigen Studenten aus der Provinz vom Internat „Sorø Akademi“ in Südseeland, und berauschte ihn, als wäre ihm der Wein zu Kopf gestiegen:

„Ich ging hinüber ins Tivoli, wo ich mitten in die Freilichtvorstellung kam. Dieselben Lümmel beim Konzertsaal, dieselben Damen auf der Promenade, dieselben Fragen, dieselben Antworten. Gestern abend war ich hier schon spazieren gegangen: Aber ich war gar nicht weg gewesen. Herr Brix ging mit Herrn Nybölle spazieren und Mr. Green mit Mr. Red – genauso wie gestern – und sie hatten nicht einmal ihre Kleidung gewechselt. Dann wurden die Gaslaternen angezündet. Man lachte, man plauderte, man verabschiedete sich, man traf sich, man trank, man flanierte. Und über diesen flanierenden, spazieren gehenden, lachenden, kritisierenden, leichtsinnigen, leichtfertigen, träumenden und wachen, zerstörenden und zerstörten Scharen – der Schein der Gaslaternen, dieses Licht, das erfunden worden schien, das Bleiche aufzufrischen und das Häßliche schön zu machen, das mehr zu verbergen als zu offenbaren schien, mehr zuzudecken und zu verhüllen als zu erhellen. Hier war kein Sorö mehr! Wenn etwas aus mir werden soll, muß es in dieser Atmosphäre sein. Man stirbt vielleicht an dieser Atmosphäre von Gas, Schweiß, Parfümen, Geruch und Weindunst, aber man lebt darin“, schrieb er in einem Brief.

Die „Wechselnden Themen“ beinhalten zahlreiche Beschreibungen seiner unermüdlichen Rundgänge in der Stadt. Abend für Abend bewegte er sich mitten in der Menschenmenge, in Theatern, Cafés, in Tivoli und auf dem Dyrehavsbakken, während er tagsüber auf einsamen Spaziergängen die Ferienhausviertel der Reichen und die Viertel der Armen durchwanderte. Wir begegnen ihm auf dem „Strøget“, in Kongens Have, auf dem Assistens Kirkegaard und auf der Langelinie sowie dem Kurhotel Marienlyst bei Helsingör, wo er mehrmals Ferien machte, wenn Straßenstaub und Sommerhitze ihn von den gepflasterten Straßen vertrieben. Überall fand er für seine Feuilletons Stoff, und immer hatte er seinen Lesern etwas Neues zu berichten, denn zu Beginn der 1880er Jahre war Kopenhagen bereits so stark gewachsen, daß jemand aus dem einen Stadtteil kaum mehr erfuhr, was in einem anderen geschah.

Andere seiner Artikel bestanden aus Porträts, die den Lesern Berühmtheiten nahebrachten, die man sonst nur von den Bühnen der Theater oder den Schaufenstern der Buchhändler kannte. Sowohl große als auch kleine Künstlerpersönlichkeiten der damaligen Zeit werden in lebendiger Weise durch genaue Analysen und illustrierende kleine Anekdoten porträtiert. Die Politik in Schloß Christiansborg interessierte ihn dagegen nicht im entferntesten. In allen 210 Feuilletons streift er nicht ein einziges Mal die heftigen Auseinandersetzungen jener Jahre zwischen der regierenden Rechten und der Linksopposition, die im übrigen die dänische Öffentlichkeit stark erregten. Man befand sich ja in den sogenannten „provisorischen Jahren“, wo der Konseilspræsident, Kammerherr Estrup, das Land mit Hilfe parlamentarischer Finten mit fast diktatorischen Methoden regierte. Dieses politische Drama beschäftigte zu jener Zeit viele der besten Jungautoren, besonders Herman Bangs gleichaltrigen Kollegen, den späteren Nobelpreisträger Henrik Pontoppidan. Aber die Kämpfe drinnen im Reichstag interessierten den vorwärtsstürmenden Starjournalisten nicht im geringsten.

Es macht nachdenklich, daß Christiansborg, das damals sowohl Parlament und Königsschloß zugleich war, erst dann die Aufmerksamkeit des Feuilletonisten erregte, als es in einer Herbstnacht des Jahres 1884 abbrannte. Aber dann schrieb Herman Bang sein größtes journalistisches Meisterstück. Seine Zeitung hatte ihr Haus unmittelbar gegenüber dem Schloß, und er saß am Fenster und schrieb, von Angesicht zu Angesicht der Katastrophe, während die Funken dieses mächtigen Scheiterhaufens auf das Dach über seinem Kopf stoben, und viele Jahre später konnte er im Gedenken an diese Nacht, wo er sein journalistisches Meisterwerk schrieb, lächeln und in die Worte ausbrechen: „Die Ereignisse lieben mich!“

Herman Bang ist einer der großen Reisenden in der dänischen Literatur; er hielt sich mehrmals längere Zeit im Ausland auf. Im Herbst 1880 bekam er den Auftrag, als Korrespondent seiner Zeitung in Belgien die Festlichkeiten anläßlich des 50jährigen Staatsgründungsjubiläums zu begleiten. Hier zog er los und teilte mit den Lesern seine ungehemmte Heiterkeit über die verklemmte Pensionshölle, wo er während seines Aufenthalts wohnte. Die Reise verhalf ihm aber auch zu Erlebnissen, die eine grundsätzliche Bedeutung für seine künstlerische und menschliche Entwicklung hatten. Die Besuche in Geel und in der Stadt der Nonnen entsetzten ihn wegen der namenlosen Leiden und des grotesken Benehmens der Irren und verursachten ein verwundertes Kopfschütteln darüber, was er als lebensferne und sinnlose Selbstauslöschung bei den frommen Schwestern in Gent sah. Nach der Heimkehr engagierte er sich deshalb stärker als vorher gegen die unterdrückte und politisch verdrängte menschliche Zerstörung auf dem Boden der dänischen Gesellschaft und schrieb im Laufe des Herbstes und Winters einige aufsichtserregende Reportagen über die Zustände in den Kopenhagener Armenvierteln. Mit diesen ungeschminkten und redlichen Schilderungen führte er moderne, soziale Journalistik in der bürgerlichen Presse ein.

Im November 1880 schickte ihn seine Zeitung nach Klitmöller an der Westküste Jütlands, wo er in zwei hervorragenden Artikeln die näheren Umstände einer tragischen Strandung schilderte und scharfe Angriffe gegen die Gleichgültigkeit der Schiffahrtsbehörden und das zynische Schachern der Reeder um Sicherheit und Leben der ihnen anvertrauten Mannschaft richtete. Diese Artikel kommen einer politischen Meinungsäußerung noch am nächsten.

Aber nicht alle Leser der Nationaltidende fanden, daß Artikel über solche düsteren Schattenseiten der dänischen Gesellschaft in ihre Zeitung gehörten, und man kann an mehreren Stellen der „Wechselnden Themen“ erkennen, wie Bang sich mit haltlosen Beschuldigungen, er habe übertrieben und einen Elendstourismus begonnen, auseinandersetzen mußte, was durch halboder ganzprivate Kanäle zu ihm kam. Auch nach außen hin in der breiten Öffentlichkeit kam ihm dies teuer zu stehen. Als er 1880 einen harschen und gut begründeten Angriff gegen die reichlich blühende „lichtscheue“ Trivialliteratur richtete, die diese geistige Speise zurichtete, mit der Proletariat und Unterschicht damals abgespeist wurden, ließ dies die Witzbolde der gesamten Unterhaltungspresse Blut wittern: Konnte man sich seit Sören Kierkegaards Tagen überhaupt eine bessere Beute als dieses parfümierte Patrizierwesen vorstellen, dessen aparte Faszination von Armut und Schmutz jedes anständigen Bürgers Pflicht zu rügen war?

Nun verbarg der aristokratische Herman Bang selbst auch nicht seinen exklusiven und kultivierten Hintergrund, wenn er über die Elendsquartiere in Christianshavn und die Freidenkertreffen der Unterschicht schrieb oder die Morde im Schoß der Gesellschaft erforschte; immer wieder sieht man, wie seine Artikel den Abstand zwischen „denen und uns“ deutlich ausloten. Er ekelte sich offensichtlich über die Vulgarität und den Gestank, auf den er stieß, und konnte dennoch so weit gehen, sich mit Ironie und Sarkasmus dagegen zu wehren. Aber bei weitem nicht alle verstanden, daß gerade der Ekel und die Übelkeit, die er beim Anblick all dieses Elendes in einem mitmenschlichen Verantwortungsgefühl, das viele mit einem desillusionierten Blick in die Gesellschaft von sich abstreifen konnten, selbst das Wahrzeichen seiner widersprüchlichen Persönlichkeit war.

Aus tiefer Achtung gegenüber seinem Thema verfiel er nie in Übertreibung und billige Sensationshascherei, sondern blieb als der Aristokrat, der er nun einmal war, dabei, die Dinge von außen zu betrachten. Hatten die Artikel überhaupt eine Tendenz, so schrieb er 1881, war „das Mitgefühl (…) meine Tendenz“, und er faßte seine Verzweiflung mit Dantes Wort zusammen: „Ihr, die ihr herkommt, lasset alle Hoffnung, die Worte sah in dunkler Farbe ich geschrieben über einer Pforte Bogen.“

Höhere Gedanken über eine gerechtere Verteilung der materiellen Güter dieser Welt vermochte er sich in seiner desillusionierten Weltsicht, die ihm eigen war, nicht vorzustellen. Aber als Ausgleich übernahm er bereitwillig die Rolle des größten Bettler der Kopenhagener Presse, indem er regelmäßig in seinen Berichten eindringliche Appelle an die Wohlhabenden richtete, doch mindestens sein Scherflein beizutragen, um die entsetzlichen Zustände der Elenden der Gesellschaft zu lindern.

Neben den leichten Plaudereien, Reiseschilderungen und dem ungemütlichen, sozialen Gruselkabinett, wohin seine Reportagen die bürgerlichen Leser des Blattes führten, finden sich auch bei Herman Bang eine Anzahl Themen, die die wichtigsten Theater- und Literaturereignisse behandeln. Trotz ihrer hohen Qualität sind solche eher fachkritischen Artikel aus Platzgründen in dieser Auswahl nur wenig berücksichtigt. Mit ihnen aber festigte er seinen Namen als führender Kritiker seiner Generation, und diese Feuilletons sind auch heute noch für alle die, die sich in die Literatur und das Theater seiner Zeit vertiefen wollen, wichtige Quellen. So schrieb er einige glänzende Einführungen zu den großen Zeitdramen Henrik Ibsens „Nora oder Ein Puppenheim“ (1879), „Ein Volksfeind“ (1881) und „Die Wildente“ (1884), die ihre Welturaufführung alle in Kopenhagen hatten.

Sowohl als jemand, der seine Stadt beschreibt, als auch als Reisejournalist, als Kritiker und als Sozialreporter war Herman Bang der bedeutendste Journalist seiner Zeit. Seine Inspiration und sein Ausgangspunkt waren das französische Kulturfeuilleton, das in der Pariser Presse zwischen 1800 und 1870, zur Zeit der beiden napoleonischen Kaiserreiche, entwickelt worden war. Hier erlangte eine Reihe bedeutender französischer Essayisten wie zum Beispiel Sainte Beuve und Alphonse Daudet ihren Ruhm, indem sie ein buntes Gemisch im Rahmen des Feuilletons schufen, von literarischer und dramaturgischer Kritik bis zu einem umfassenden Erlebnisjournalismus, der Reisen, größere öffentliche Ereignisse, Wanderungen in der Natur oder der Großstadt und Porträts interessanter oder kurioser Personen umfaßte. Grundsatz dieser Artikel war, daß sie nicht langweilen durften, und ihr wichtigstes Merkmal waren der unpolitische Inhalt und eine stark individualistische Prägung.

Alles in allem sind die „Wechselnden Themen“ ein Hauptwerk der Autorenschaft Herman Bangs. Als journalistische Leistung bringen sie die dänische Presse den modernen Massenmedien, das heißt der Zeitung für alle, ein großes Stück näher. Einer Zeitung, die beweist, daß es auf dieser Welt anderes als Politik und Wirtschaft gibt. Herman Bang war ein bedeutender Meilenstein in dieser Entwicklung: Er war ein Journalist internationalen Zuschnitts und Formats, und hätte er nicht in einer so unscheinbaren Sprache wie dem Dänischen geschrieben, hätte er es sicher früher oder später zu einem Namen in der damaligen europäischen Presse gebracht. 1886 jedoch hatte er dieses Ziel fast erreicht. Es gelang ihm nämlich, mit Rudolf Mosse von der vornehmen liberalen Zeitung „Berliner Tageblatt“ in Verbindung zu treten, aber gerade als er hier eine Karriere als Mitarbeiter beginnen sollte, ließ ihn ein Artikel in der fernen norwegischen Zeitung „Bergens Tidende“ scheitern; dieser Artikel enthielt einige ironische und beleidigende Äußerungen über die deutsche Kaiserfamilie. Seine Bemerkungen bewirkten in Berlin Aufruhr, und er wurde unverzüglich aus Deutschland ausgewiesen. Hals über Kopf reiste er zuerst nach Meiningen, dann nach Wien und landete schließlich in Prag, wo er unter ärmlichen und kümmerlichen Verhältnissen mehrere seiner literarischen Meisterwerke schuf (u.a. die Romane „Am Wege“ (1886) und „Stuck“ (1887).

Im übrigen erhielt er sein ganzes Leben hindurch eine rastlose und vielfältige journalistische Tätigkeit aufrecht, die sich über eine große Zahl dänischer und ausländischer Zeitungen und Zeitschriften erstreckt. Dies war die feste Grundlage seiner Existenz, ohne die er nicht leben konnte. Von seinen Lesungen, Vorträgen und Inszenierungen hätte er nie leben können, und seine schöngeistigen Bücher wurden erst in den 1890ern mit wirklichem Respekt und Anerkennung bedacht, ohne daß er dadurch größere Einnahmen erzielte.

Nach den „Wechselnden Themen“ wurden Herman Bangs Artikel weniger und weniger. Vieles wurde nun mit der sicheren Routine, die er sich mit der Zeit zugelegt hatte, geschrieben. Nie mehr gab er so viel von sich selbst, wie in den Jahren bei der „Nationaltidende“, aber bis zum heutigen Tag kann man überall in fernen und vergessenen Stellen in vergilbten alten Zeitungen auf wirkliche Meisterwerke stoßen, die man zur Zeit vor dem Vergessen zu retten versucht.

Er selbst verstand seinen Journalismus als etwas, was seine literarische Tätigkeit befruchtete. „Der Feuilletonist lernt zu beobachten“, schrieb er, „und sein Gedächtnis wird zu einer Rumpelkammer, in der alles mögliche aufbewahrt wird.“ Seinerzeit sagten seine Neider über ihn, er sei ein oberflächlicher Schreiberling, der kraft seiner magischen Herrschaft über die Sprache unbegrenzt lange über alles mögliche reden könne. Die Satirepresse behauptete dasselbe. Ist man aber seine Texte Zeile für Zeile durchgegangen und hat sie kommentiert, kommt ein ganz anderes Bild zum Vorschein: Hinter all seinen gesellschaftlichen Texten und hinter all den literarischen und dramaturgischen Studien liegen überaus gründliche Nachforschungen. Er ist als Journalist diszipliniert und vertrauenswürdig, er weiß immer, wovon er spricht, und es ist äußerst selten, daß man ihn dabei ertappt, auch nur einen unbedeutenden Faktenfehler zu begehen.

Er liebte es zu posieren und die Rolle des genialen Tausendsassas zu spielen, der die Dinge nur so aus dem Ärmel schüttelte – aber die Wahrheit über ihn war, daß er wie nur wenige hart arbeitete.

image

Wenn Herman Bang einen seiner hektischen Vortragsabende beendet hatte, und schwitzend, die Kleidung in Unordnung und die obligate weiße Nelke aus dem Knopfloch hängend, von der Bühne herabgestürzt kam, lief er zum Nächstbesten hinter der Kulisse und stöhnte mit seiner heiseren Stimme: „War ich gut?“ Was der zufällig anwesende Maschinenmeister oder Theaterdirektor erwiderte, wissen wir ja nicht, aber wir, die wir heute seine journalistischen Werke lesen, können diese Frage auf jeden Fall beantworten:

Ja, das warst Du, Du warst gut!“

Holbæk, im Sommer 2009

Sten Rasmussen

Drangsal

Gedränge – Ein netter Gedanke – „Eine Kleinigkeit zum Übernachten, guter Herr!“ – „Wandergesellen“ – Schweinebraten – Das Heim „der Obdachlosen“ – Tiefpunkte eines Lebens – „Der Kandidat“ – „Das ist Humbug“ – Die Geschichte der Champagnerflaschen – Naßschnee – Die Lichter sind heruntergebrannt – Ein Blick durch das Fenster

Die Lichter unseres Weihnachtsbaumes waren erloschen.

Wie hatten sich die Kinder doch gefreut! Hänschen stand ganz ruhig, alle fünf Finger in den Mund gesteckt, unentwegt auf den Baum starrend; seine hellblauen Augen waren doppelt so groß wie sonst, doppelt so groß und strahlend. Wir waren um den Baum getanzt und hatten die alten Lieder gesungen, die uns wieder zu fröhlichen Kindern machten. Wir waren glücklich zu geben und froh zu empfangen; wir hatten Päckchen geöffnet und den Baum geplündert; wir hatten gelacht und gelächelt, bewundert und gedankt. Wie Viggo doch gejubelt hatte, als er seine Trompete bekam, und Jenny begann sofort „Den standhaften Zinnsoldaten“1 und „Das Weib“2 zu lesen. Der Baum leuchtete. Wie goldene Früchte hingen die Apfelsinen an seinen Zweigen, die großen Zuckerengel mit den gelben Flügeln schwebten auf den hohen Zweigen, mit roten Bändern festgebunden; die dunklen Zuckerkränze, mit leckerem Likör, der im Kerzenschein schimmerte, gefüllt, glühten in Licht und Glanz. Und ganz oben an der Spitze war ein großer Stern. Rundherum Kinderlachen und Singen.

Nun waren die Lichter erloschen.

Wir gingen die Straße hinab, sie war wie ausgestorben. Noch vor einigen Stunden war sie voller Menschen gewesen: Männer mit Paketen und Männer mit Körben, Jungen mit Christbäumen und arme Frauen mit Zweigen, Boten, die aneinander stießen und in der Eile ärgerlich fluchten, Herren, die aus dem Büro kamen, und Damen, die in die Kirche wollten. Die Läden waren gedrängt voll, man wurde vor der Ladentheke weggeschoben und hatte kaum Zeit, das Wechselgeld in Empfang zu nehmen, man vergaß sogar das Feilschen, und selbst ältere Damen entschlossen sich schnell. Man stieß aneinander und rief dann „Frohe Weihnachten“ anstelle von „Entschuldigung“; man lachte, man drängelte, man rief. Der arme Handlungsgehilfe war schon ganz durcheinander, so daß er demjenigen einen Fächer einpackte, der um ein Zigarrenfutteral gebeten hatte. Dann wieder auf die Straße hinaus. Ein schnelles „Frohes Fest!“ zu einem Freund, der gerade vorbeigeht, ein fröhliches vergnügtes Summen; man tastet seine Taschen ab, ob man jetzt nichts vergessen hat, ertappt sich dabei, wie man in das Pfeifen eines Straßenjungen einfällt, eilt schnell davon. Ja, und wie man sich beeilt! Und trotzdem regt es einen kaum auf, wenn ein eiliger Nebenmann einen unsanft in den Rinnstein stößt. Man nimmt es, wie es kommt: es ist so etwas merkwürdig Versöhnliches an Weihnachten, man ist nie dazu fähig zurückzuschlagen …

Aber nun waren die Straßen leer. Die erhellten Fenster in ihren langen Reihen sahen in der Dunkelheit wie die glänzend strahlenden Augen des glücklichen Zuhauses aus. Genau: Zuhause, denn dies ist das allerschönste Geschenk des Heiligen Abends, daß es eine kurze Zeit lang in jeder Familie ein Zuhause zu schaffen vermag. Für einige ist der Weihnachtsgesang auf dem Felde Bethlehems zum hübschen Mythos geworden, dem sie nur den Wert eines alten Mythos zumessen können, aber das Evangelium vom Heiland lebt doch bei ihnen allen halbwegs. Es dämmert wie der Widerschein des Lichtes ihrer Kindheit, erklingt in ihrer Seele wie das tönende Echo eines lieblichen Gesangs, den sie fast vergessen hatten …

Aber was gibt es wohl über dieses Weihnachtsfest zu berichten? Sie sind ja selbst Mutter, die den Weihnachtsbaum geschmückt hat, während Sie im voraus den Jubel und die Freude der Kinder genossen; selbst Vater, der vielleicht am Vormittag gebrummt hat, der ganze Sinn der Sache sei der, Geld auszugeben, jetzt aber abends, während der Baum im Lichterglanz erstrahlt, so unglaublich leichtsinnig ist, daß Sie gerne mehr als das Doppelte ausgegeben hätten, um all diese Freude zu sehen; selbst ein Kind oder ein Verwandter einer dieser glücklichen Familien, die Weihnachten, das Fest der Familien, doppelt so hell und fröhlich machen. Was könnte ich Ihnen Neues von all dem, was Sie so gut kennen, erzählen?

Ich wußte, ich könnte es nicht, und gerade deshalb gingen wir durch die leeren Straßen, wo wir in Schneematsch und Schlamm herumwateten, und wo das Wasser in unsere Stiefel schwappte, hinaus, um das Weihnachtsfest nicht der Glücklichen, sondern der Obdachlosen zu suchen.

Vor etlichen Jahren gingen einige junge Leute an Heiligabend hinaus auf die Straßen und Gassen und sammelten alle armen Kinder, auf die sie trafen. Sie brachten sie in einen warmen Saal, wo lange Tische bereit standen und wo man ihnen zu essen und zu trinken gab. Und es stand auch ein Christbaum da, ein wunderschöner großer Baum, wie wohl die wenigsten von ihnen jemals gesehen hatten. Er war edel gestaltet und schön geschmückt; aber es gibt mehr Obdachlose als die, die man auf der Straße trifft, und selbst mit dem besten Willen kann man keine Weihnachtslichter für sie alle anzünden.

Und es sind Obdachlose verschiedenster Art. Da gibt es alte, einsame Leute ohne Verwandtschaft und Freunde, man nennt sie Heimatlose, weil man weiß, daß selbst an Heiligabend ihr einsames Kämmerlein zu keiner Heimat werden kann. Man trifft auf einen einzelnen älteren Mann, der schläfrig und mürrisch im Winkel eines Cafés oder eines Austernkellers3 sitzt, dies ist ein solcher Heimatloser. Dann gibt es andere, die in buchstäblichem Sinn Obdachlose sind, Leute, die beim Aufstehen nicht wissen, wo sie sich abends hinlegen sollen, Leute, die nichts besitzen und die keine eigene bleibende Statt haben; deren Leben ein beständiger Kampf ist, Leute, die sozusagen die wandernden Handwerksgesellen des Lebens sind, oft aber nicht einmal Tornister oder Bündel haben. Ihr Weihnachten suchte ich.

Sie begegnen Ihnen bettelnd auf Kongens Nytorv4, wenn Sie abends vom Theater nach Hause zurückkehren. Sie haben ja so oft die übliche Bitte „Guter Herr, eine kleine Gabe für das Übernachten“ … „Guter Herr, eine kleine Unterstützung für die Nacht“ gehört. In Neapel geboren wären diese Menschen „Lazzaroni“5 geworden. Sie hatten fast kein Einkommen, und ihre Wünsche reichen nicht weiter, als für heute das Notwendigste zu erwerben und für die Nacht ein Bett zu bekommen; sie helfen auf dem Markt und bieten ihre Dienste beim Zollamt an, manche bekommen Arbeit bei den Packhäusern, aber alles nur tageweise, und derjenige, der gestern etwas hatte, hat heute so gut wie nichts mehr. Deshalb muß er, wenn der Abend naht, hinaus, um für die 25 Öre zu kämpfen, die es kostet, im Obdachlosenheim, in das er möchte, zu übernachten. Denn der Wirt schreibt nicht an. Waren Sie schon einmal in einem solchen Obdachlosenheim? Oder glauben Sie noch an die alten Londoner Märchen vom nächtlichen Stehen, wo man mit den Armen schlafend über ein gespanntes Seil hängt? Die Räume unserer Obdachlosenheime werden von unserer Gesundheitspolizei genau überwacht, und man stößt hier auf keine furchtbaren Dinge – wie man genau so wenig natürlich auf besonderen Komfort trifft. Einige große Räume, deren Raumgröße genau bemessen ist, einige Betten längs der Wände, deren Anzahl die Polizei gemäß der Raumgröße bestimmt. An der Tür hängt ein Holzbrett mit der Hausordnung, die unter anderem bestimmt, daß die Bettwäsche im Monat mindestens einmal zu wechseln ist. Es ist ja fast das Übliche – aber man muß bedenken, daß ein Monat dreißig Nächte hat und daß jedes Bett in diesen dreißig Nächten meist dreißig verschiedene Besitzer hat. Übrigens gibt es in den Betten sowohl Bettdecke als auch Leintuch und zwei Kopfkissen, auf die aufzupassen recht schwer ist, wie der Heimleiter berichtet. „Diese Kopfkissen“, sagte er, „sind ewig auf Wanderschaft. Mehrmals in der Woche muß ich aufs Polizeirevier, um sie wieder zu holen.“ Um für eine Nacht ein solches Lager zu ergattern, muß „der Kämpfer“ 35, 25 oder 15 Öre6 bezahlen, je nach dem, was es für ein Bett ist; denn es gibt verschiedene Arten von Betten und deshalb auch verschiedene Preise. Diese 25 Öre muß man sich abends oder nachts auf Kongens Nytorv verschaffen, wo es dann geschehen kann – denn es sind viele Landstreicher darunter –, daß die Polizei Nacht für Nacht einen guten Fang unter den wechselnden Bewohnern der Obdachlosenheime macht. Obdachlosigkeit führt zu Leichtsinn – dies ist eine alte Wahrheit …

Am Vormittag, als ich meine Ankunft anmeldete – es ist immer klug, dies vorher zu tun – wurde ich vom Heimleiter freundlich empfangen. „Ich hätte mir gerne einmal den ‚Heiligabend der wirklich Armen‘ angesehen“, sagte ich zu ihm, „den Heiligabend der Obdachlosen.“ „Bitte sehr, aber hier gibt es keine Obdachlosen: Sie haben hier ja ein Obdach.“ Dann erzählte er, daß er von 7 Uhr bis 10 Uhr seine Stammgäste mit Schweinebraten, Bier und Schnaps bewirte. Er erwartete etwa zweihundertfünfzig, Alte wie Junge. Dies war ein vielversprechendes Programm.

Dann gingen wir um 9 Uhr hin.

Im Speisesaal sei gedeckt, sagt die Frau des Heimleiters, die in der Küche steht und riesige Kartoffelberge auf verschiedenen Schüsseln anrichtet.

Im Speisesaal herrscht ein schrecklicher Mief. Eine Luft, die schwanger vom Tabakrauch ist – solchem Tabak, den solche Leute rauchen, – schwanger von Branntweindunst, dem Geruch der großen Schweinebraten, dem Gestank von Kautabak, Ausdünstungen und Schweiß dieser siebzig Menschen, die in qualvoller Enge an den hufeisenförmigen Tischen sitzen. Die Luft schlägt mir stickig entgegen. Anfangs versuche ich vergebens, etwas zu erkennen … Dunst legt sich wie ein dichter, alles bedeckender Qualm, wie ein Schleier über Menschen und Gegenstände. Der kleine Weihnachtsbaum mit dem großen Zwerg schimmert schläfrig durch den übelriechenden Nebel. Es wird nicht viel gesprochen, man ißt, denn nicht an jedem Tag bekommt man Schweinebraten und in Butter gebräunte Kartoffeln.

Nach und nach gewöhnt man sich an die Luft. Man gewöhnt sich so schnell daran, bei jeder Art von Luft zu atmen, und auch die Augen beginnen zu sehen. Wie gierig sie essen, sie schneiden das Fleisch in große, breite Streifen, tauchen es in Senf und schieben es in den offenen Mund, wo sich die Zähne darüber schließen. Durch die einzelnen Rufe, durch die einzelnen Flüche hört man ein unaufhörlich murmelndes Schmatzen. So langsam erkennt man im Dunst die Gesichter.

Bärtige Physiognomien, junge und alte, weiche und zerfurchte Züge; die meisten breitschultrig, muskulös, einige mit nackten Armen. Der dort mit der Bäckermütze und dem blonden Schnurrbart hat die Hemdsärmel hochgekrempelt – er hat ein Hemd an – um es bequemer zu haben. Die Muskeln längs des Armes bilden zähe, kräftige Bündel, die Hände sind groß, fleischig und drahtig. Er esse bereits die dritte Portion, sagt der Wirt. Jetzt nimmt er die Mütze ab: Er hat kräftiges, mittelblondes, leicht gelocktes Haar mit einem Mittelscheitel. „Ich habe den Beruf des Metzgers erlernt“, sagt er dann zu einem meiner Begleiter. Dies konnte man an seinen Armen und dem Scheitel sehen. Neben ihm sitzt ein pausbäckiger Kerl mit großen, aufgeblasenen Backen und ganz hellblauen Augen ohne Farbe oder Glanz. Er hat bereits genug; Leute, die so viel trinken, sind selten hungrig. Nun sitzt er an der Wand und gähnt. Kurz darauf fällt er in Schlaf, fällt mit dem Oberkörper auf den Tisch, nach rechts zum Metzger, nach links zu Petersen, erhält einen Stoß, fällt zurück an die Wand und schnarcht. Petersen ist ein gedrungener Mann, leicht gebeugt von Alter und Jahren, seine Augen sind wäßrig, gelbrot im Weißen, der Mund eingefallen, die Nase scharf … Ich werde ihn im Auge behalten …

Dann stimmt einer dröhnend ein Lied an. „Der er et yndigt land“7 … für gemischten Chor. Gebrüll, Gekreische, Geheul, Geheul nach Melodie. Jeder singt in seiner Tonart, fast jeder hat seine eigene Melodie. Der Kleine mit dem schwarzen Bart am Tischende wirft sich in die Arme des neben ihm Sitzenden, und einander eng in die Arme schließend liegen sie beide da und schreien einander ins Gesicht. Man trampelt den Takt, den es nicht gibt, wer nicht singen kann, pfeift, oder er schlägt mit dem Messerstiel Trommel auf dem umgedrehten Teller. Unten am anderen Tischende sitzt man einander auf dem Schoß und schlägt den Takt, indem man einander auf die Schenkel klatscht. Dann schreit man auf, macht Lärm, bleibt mitten im Vers stecken, fängt plötzlich mit „De sønderjyske piger“8 an, stoppt nach der dritten Strophe. Der Metzger fängt mit „Den tapre landsoldat“9 an, stößt seinem schlafenden Nebenmann in den Magen, so daß der besagte Schlafende erwacht, sich erhebt und mit einem langgezogenen Heuler hinfällt, der vom Gebrüll des Metzgers – dumpf wie der Ruf eines Nebelhorns – begleitet wird.

Man erhebt sich von den Tischen und hilft beim Aufräumen. Jetzt kann man sie richtig beobachten. Der Speisesaal gleicht einer der abgerissenen Buden in der Helliggejststræde, wo die Kleider lebendig geworden sind und als zerbrechliche Decke um einige merkwürdige Gestalten wandeln. Man prügelt sich überall, und wir bestellen noch eine Runde. Der Heimleiter stellt das Bier auf den Tisch, die Gläser zu uns. Der Lärm steigt. Draußen vor der Schenke tanzen drei, vier Kerle trampelnd einen Volkstanz mit sechs Touren; ein anderer sucht sich eine Ecke, um zu schlafen; andere scharen sich um uns und betrachten uns neugierig, vielleicht ein wenig ängstlich. Gut gekleidete Herren kommen ihnen etwas feindlich vor, etwas, das zu sehr an die Leute mit dem Schild10 erinnert … Aber das Bier beruhigt sie, und nachdem sie erst sicher sind, wen sie vor sich haben, drängen sie sich alle vor, um ihre Geschichte oder, vielleicht besser, eine Geschichte zu erzählen. Sie sind darin überaus geübt, und sie sind gute Schauspieler. Sie sprechen halblaut, jammern, erzählen von unverdientem Unglück und Leid, das sie getroffen hat, ohne daß sie schuld daran gewesen wären … Aber es liegt so viel Unglaubwürdigkeit über ihren Erzählungen …

Petersen hat sich neben mich gesetzt. Er zieht einige Empfehlungsschreiben hervor. Das erste Datum ist 1849. Da war er Soldat bei den Leibjägern, oder Krämer von Beruf. Dann wird er Unteroffizier, kehrt vom Krieg zurück, wird wieder Krämer. Einige Jahre vergehen. Das nächste Datum ist 1859. Ich frage ihn, wie diese Jahre verlaufen sind. Er schaut mich von der Seite an und sagt treuherzig: „Ich erinnere mich nicht daran.“ In jedem Leben gibt es Jahre, die man am liebsten vergäße, Zeiten, an die man sich nicht erinnert, weil man es nicht will, und weil man sich eigentlich zu gut daran erinnert. Nach dieser Zeit treffen wir ihn wieder als Bevollmächtigten des Bornholmer Landrats. Er bekommt gute Empfehlungsschreiben für Fleiß und Tüchtigkeit, auch die juristischen Angelegenheiten führt er gut durch, beginnt jedoch schnell wieder etwas Neues und wird Gehilfe bei einem Buchhändler, Angestellter bei der Ausstellung, Assistent im Alhambra11, Wächter auf dem Turm der Nikolaikirche12 und wieder Krämer. Wiederum ein toter Punkt, wo die sonst so beredte Kopie schweigt, wo der Mann aber beginnt, wortreich und überzeugend zu reden. Hätte er nicht diesen auf die Seite schielenden Blick, käme man in Versuchung, ihm zu glauben – so aber fragt man ihn, was er jetzt macht. „Er wohnt hier.“ Man sieht auf seinen ausgeblichenen Mantel, der sorgfältig gebürstet ist, auf seine Hände, die klein und so sauber sind, wie man sie ohne Seife bekommen kann; auf seine scharfen Gesichtszüge, die hübsch wären, wären sie nicht von seinem Blick verunziert, der nach unten gerichtet ist, weg, nie genau auf den, mit dem er spricht. „Möchten Sie eine Krone?“, frage ich. Er blickt schnell mit einer Art Schimmer im schielenden Auge. Dann umfaßt er hart und krampfhaft mein Knie und flüstert leise: „Danke, aber sagen Sie es nicht den anderen. Sie verstehen, es ist für einen Mann wie mich schlimm …“ Ich lasse eine Krone in seine Hand gleiten. Wenn die anderen dies sähen, hätte er mit dem Geld keine große Freude. Dann müßte er ja „eine Runde schmeißen“, das weiß er.

Draußen auf dem Fußboden prügelt man sich in aller Freundschaft – –

Ein kleiner untersetzter Bursche stößt mich an und sagt, er wolle gerne unter vier Augen mit mir reden. Er zieht mich zum Ausgang. „Was soll das heißen?“, frage ich, „was wollen Sie von mir?“ – „Ich will den Herrn nur vor den anderen warnen. Es ist Humbug – Herr, reinster Humbug von ihnen.“ – „Ja, das weiß ich“, antworte ich. „Möchten Sie 50 Öre haben?“, füge ich schnell hinzu, als ich ihn seine Hand mit einer eindeutigen Geste ausstrecken sah. „Ja, danke, Herr, es fehlt ja noch für die Nacht. Aber die anderen – es ist nur Humbug.“ Wir gehen wieder hinein. Der gute Mann trinkt ein Bier für das Geld und ruft dann einen meiner Freunde zum Ausgang, um ihm dieselbe Wahrheit – über die anderen zu erzählen.

Ich komme mit dem „Kandidaten“ ins Gespräch. Er spricht Latein, spricht von Ploug13 als Dichter gewisser Atellanen, über die Dreißigjährigen als Jungen. Er spricht auch über Philosophie. „Ja, Nielsen14 ist ein tüchtiger Repetitor“, sagt er. Ich sage ihm nicht, daß Rasmus Nielsen ein alter Professor ist. Für ihn ist er noch der tüchtige Repetitor. Es hat mit diesem Niedergang der Dreißiger etwas Entsetzliches auf sich. Und doch ist er in diesem Kreis eine Autorität, und wenn er spricht, schweigen die übrigen. Man hört sich andächtig seine hebräischen Brocken an, ruft „Er lebe hoch!“, wenn er seine alten Witze erzählt, spendiert ihm einen „Schwarzen“15, wenn man etwas zu spendieren hat. Er erzählt mir von damals, als er sich und seine Frau in Öl malen ließ. Es ist schon lange her, aber es verschafft doch Ansehen, besonders wenn man ein Studierter ist, der zu den „Vornehmen“ gehört hat. – –

Welch merkwürdiger Begriff: „Die Vornehmen“ für diese Menschen. Die Vornehmen sind alle, die auf der Oberfläche sind, alles, was sich oben hält ohne zu sinken.

Hier ist auch ein alter Mechaniker; er hat in Korups Have16 Geige gespielt, studiert und danach geforscht, um das Perpetuum mobile zu erfinden, geforscht und den Bau einer Flugmaschine ersonnen, die einen Menschen tragen konnte. Nun sitzt er da und reibt an seiner alten Fiedel, die er in besseren Tagen in Korups Have gespielt hatte, die jetzt aber nur noch zwei Saiten hat, aus herausgefummelten Bindfäden gefertigt. – –

Draußen auf dem Tanzboden tanzt man immer noch Volkstänze in sechs Touren. Ein Hüne in blauer Jacke, die offensteht, erzählt uns, daß er mindestens eine Bedingung erfüllt, um glücklich zu sein: Er hat kein Hemd, tanzt mit einem blonden Burschen von achtzehn, neunzehn Jahren, der trällert und pfeift und trampelt, und jeden Augenblick einen langen Zug aus der Champagnerflasche, die auf dem Tresen steht, nimmt. Hier drinnen sah ich nur Champagnerflaschen.

„Sie sind das Einzige, was sie bei uns hält“, sagte der Heimleiter.

So landen Witwe Clicquots17 leere Flaschen hier. Welche Geschichten könnten uns die Flaschen nicht erzählen! Erzählungen von frohen und jubelnden Stunden in den Häusern der Reichen, muntere Gastmähler, Ehrenfeste. Man schenkte aus ihnen in schlanke, geschliffene Schalen ein, wo der Wein wie spielende Perlen funkelte; lachende Frauenlippen tranken ihren feurigen Wein, Begeisterung riefen sie empor, und flüchtige Liebe, deren einzige Frucht eine sekundenlange Berührung war, ein einziger verweilender Blick, ein schweigendes, suchendes Behagen. Sehnsüchte hat ihre Traube geweckt und Begierde und errötende Freude. Man hat ihn bei lärmenden Fanfaren getrunken, man hat ihn zu den weichen Tönen des Walzers geleert, auf Bällen, auf Maskenfesten, während des Taumels wacher Nächte; der Wein dämpfte Trauer, verstärkte Freude …

Und nun stehen sie hier, mit dünnem Bier abgefüllt. Ein Dichter, der sie erblickte, hätte darüber ein Gedicht schreiben können, ein Gedicht, das abwechselnd und bunt wie die Zufälligkeiten des Lebens selbst wäre.

Oder gibt es vielleicht keine Zufälle im Leben? Ich frage nur, ich blicke auf diese Champagnerflaschen, deren Silberpapier halb abgekratzt ist, ich frage. Aber Sie dürfen weder „ja“ noch „nein“ antworten. Hier gilt ein „alles“ oder ein „nichts“.

Wie stickig doch der Mief ist. Der „Pausbäckige“ schnarcht ganz fürchterlich. Der Metzger beginnt wieder loszubrüllen. Dort am anderen Ende des Saales beginnt man Lieder zu singen; sie bringen das eine mit dem anderen durcheinander, bleiben mitten in der Strophe stecken, erzählen Witze, beginnen wieder zu singen, werden schließlich von „Dummer Peter“18 übertönt …

Petersen ist in melancholische Betrachtungen versunken, er ist fertig mit seiner Geschichte, er hat sie uns allen vieren erzählt.

Dauernd kommen Neue hinzu, die uns ihre Geschichten erzählen wollen und betteln. Der Heimleiter lädt uns zu einem Glas Punsch ein, wir dürfen Weihnachten nicht hinaustragen19. Ich erinnere mich daran, daß wirklich Weihnachten ist. Ich hatte sowohl Weihnachten als auch den Schweinebraten vergessen … Ja, es könnte nützlich sein, in reinere Luft hinauszukommen, außerdem ist es wirklich spät geworden, fast Mitternacht. Wir müssen nach Hause.

Dort in der Ecke beim Ofen sitzt der Kandidat und doziert, der alte Mechaniker traktiert die Fiedel mit den Bindfadensaiten. Der Metzger singt zum siebten Mal die vier ersten Zeilen von „De sønderjyske Piger“ … Wie Mief und Dunst sich doch in dem niedrigen Raum stauen … Sie singen entsetzlich falsch. Lieder klingen nicht gut, wenn sie falsch gesungen werden …