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Hans-Olov Öberg

Die Saga vom Esbjörn-Svensson-Trio

Aus dem Schwedischen von Ingo Kober

Edel eBooks

vorwort

Fast zwanzig Jahre lang träumte ich davon, dieses Buch zu schreiben. Dass ich es jetzt getan habe, stimmt mich allerdings nicht wirklich glücklich. Im Gegenteil, das Buch kommt mindestens zwanzig Jahre zu früh. Was eine beglückende Arbeit hätte sein sollen, ist in mancher Hinsicht Trauerarbeit gewesen. Vielleicht noch mehr für diejenigen, die in diesem Buch zu Wort kommen.

Ich muss das erklären. Esbjörn Svensson und ich wurden im selben Jahr, nämlich 1964, und im gleichen Ort in Schweden, in Skultuna, geboren. Magnus Öström kam ein Jahr später dort zur Welt. Eng befreundet waren wir nicht, andererseits war Skultuna zu klein, als dass man sich ganz aus dem Weg hätte gehen können. So erhielt Esbjörn von meinem Vater, der Musiklehrer war, Mandolinenunterricht, seine jüngere Schwester über längere Zeit Klavierstunden. Mein älterer Bruder wiederum hatte bei Esbjörns Vater Åke unter anderem Schwedischunterricht.

In Laufe der Zeit geriet unser kleiner Kreis in Skultuna in Bewegung. Einer nach dem anderen von uns landete in Stockholm. Ich zum Beispiel ging auf die Handelshochschule, widmete den größten Teil meine Freizeit allerdings weiterhin der Musik. Auf diese Weise kam ich allmählich wieder näher mit Esbjörn und Magnus in Kontakt. Die beiden befanden sich, genau wie das alle prophezeit hatten, zu dieser Zeit bereits auf dem Weg zu einer strahlenden Musikerkarriere. Ich spielte bei verschiedenen »Freizeitbands«, die Jazz in ihrem Repertoire hatten und dank guter Beziehungen auch Engagements bekamen. Mitunter kam es zu gemeinsamen Auftritten mit den angehenden Profis von der Musikhochschule, die immer auf bezahlte Gigs aus waren. Mir ist jeder dieser Auftritte als ein Höhepunkt in meiner »Karriere« als Musiker in Erinnerung geblieben.

Die Jahre vergingen, ab und an lief man sich über den Weg. Im Herbst 1992 kann ich mich an ein einschneidendes Ereignis erinnern. Eine Band mit dem Namen Stock Street B sollte im Jazzclub Fasching im Zentrum von Stockholm auftreten. Uns, die wir in Skultuna aufgewachsen waren, war natürlich sofort der Hintergrund dieses Namens bewusst: die Stockstraße, in der Esbjörn und Magnus groß geworden waren! Drittes Bandmitglied war an diesem Abend Christian Spering am Bass. Eine Band mit echten »Skultuna-Wurzeln«, dachten wir anderen aus dem Ort und gingen natürlich hin.

Noch etwas später wurde es richtig Ernst, als nämlich das Release-Konzert für das erste Album des Esbjörn Svensson Trios, When Everyone Has Gone, mit Dan Berglund am Bass als drittem Mitglied stattfand.

Das Esbjörn Svensson Trio nahm rapide an Fahrt auf. Auf ihrer magischen Reise wechselte die Band mehrfach das Plattenlabel und festigte zusehends ihren Namen. Auftritte von e. s. t. in Stockholm wurden seltener, da das Trio immer häufiger im Ausland unterwegs war. Wenn es im Fasching oder auf dem Stockholm Jazz & Blues Festival gastierte, dann spielte es mehrere Tage hintereinander vor ausverkauftem Haus.

Begegneten wir uns auf der Straße, riefen wir »Hallo«. Wir aus Skultuna waren stolz auf unsere Jungs. Wir verfolgten ihre Karriere mit Spannung und bildeten uns etwas darauf ein, wenn Esbjörn und die Band in Zeitungen wie Orkesterjournalen, Dagens Nyheter, Svenska Dagbladet und bald auch im prestigeträchtigsten Jazzmagazin der Welt, dem Down Beat, auftauchten. Ich begann davon zu träumen, eines Tages ein Buch über die großartigen Erfolge der Band aus dem kleinen Skultuna zu schreiben. Vielleicht mit dem Erscheinungsdatum 2029, wenn wir, der Jahrgang 1964, das Pensionsalter erreicht haben würden.

Doch das Schicksal wollte es anders.

Das letzte Mal, dass ich Esbjörn sah, war an einem Sonntagnachmittag im Juni 2008. Zusammen mit seiner Familie machte er einen Spaziergang in Richtung Skeppsholm. Ich sprach ihn nicht an, denn ich wollte ihn nicht stören. Ich wusste ja, dass ihm, dem Vielbeschäftigten, die Zeit mit seiner Familie heilig war.

Eine Woche später war er tot.

Die Frage treibt mich um, wie drei Burschen aus der Provinz, zwei aus Skultuna und einer aus Östersund, es geschafft haben, alle musikalischen Begriffe auf den Kopf zu stellen und sich den Titel »Die neuen Europäer, die uns nicht demonstrieren, was der Jazz war, sondern was er werden kann« zu erwerben, und das auch noch in der Heimat des Jazz, den USA? Und eigentlich ohne sich vollständig von den ersten Akkorden des Debüt-Albums zu entfernen? War es Glück, war es harte Arbeit, waren es Strategien, oder war es noch etwas anderes?

Die Erfolgsstory von e. s. t. nahm ihren Anfang 1993 in Norrland in einer Badetonne. Das letzte Kapitel ist noch immer nicht geschrieben. Aus mehreren Gründen: Im März 2012 kam ein neues Studioalbum auf den Markt und angeblich sollen mehrere Live-Alben auf ihre Veröffentlichung warten. Und das Beste von allem: Die Musik und die Einstellung gegenüber dem Jazz als etwas Entwicklungsfähigem und Lebendigem, als Entertainment im besten Sinne, leben weiter und werden nicht nur die nächste Generation von Jazzmusikern beeinflussen. Ob doch noch wahr wird, wie die Jungs gerne witzelten, dass nämlich der erste auf dem Mond gespielte Jazz einst von e. s. t. kommen wird?

 

Södermalm, 22. März 2012

Hans-Olov Öberg

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die ersten
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