Für meine Orthopäden

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Die Sonne meiner Kindheit bestrahlte mich jahraus jahrein freundlich-hell, damals standen hohe UV-Schutzfaktoren kurz vor der Ausrottung, und erst als der ungebetene Gast meinen Körper aus heiterem Himmel überfiel, zog meine Sonne Wasser, und mein Gemüt fisselte von nun an trübe und rauh.

Bis dahin wuchs ich prächtig und pummelig heran; fraß mir in den Sommerferien bei meinen Stiefgroßeltern reichlich Pfunde an, spielte oft stundenlang mit meinen wackeren Freunden, den Playmobilmännchen - denn das Vormittagsfernsehprogramm war noch nicht erfunden.

Jawohl, es war eine harte Zeit für Bildschirmkinder wie mich, denn die beiden Fernsehsender, die Dritten spielten für mich ehedem noch keine Rolle, zeigten bis nachmittags 16 Uhr nur starre Testbilder: in der ARD unterlegt mit verbalem Hörfunk („Quintessenz - Fakten für Verbraucher“) und im ZDF grundiert von einem steinerweichenden grellen Pfeifton. Später dann präsentierte das Zweite bereits zwölf Minuten vor dem eigentlichen Sendebeginn die Sendung „Videotext für alle“, die ich in meiner voyeuristischen Sucht nur selten verpaßte, und noch später ergänzte das ZDF diese Wellenübertragung mit einer bildgewordenen Reklame für den Stereound Zweikanalton.

Letztere flößt mir noch heute Grausen ein, und immer, wenn Kummerwolken meine Laune verdüstern, kommt mir diese Szene mit Maria Schell aus einer amerikanischen Science-Fiction-Fernsehfilmserie unaufgefordert in den Sinn.

In dieser steht die Schell an dem Küchenfenster einer Farm und schaut hinaus auf eine staubige Sandwüste, durch die ein Automobil langsam, aber unbeirrt auf das Landgut zufährt. Irgendwann erreicht das Fahrzeug den Bauernhof und stoppt vor dem Eingang. Ein junger Mann steigt aus dem Wagen, geht die Treppenstufen zur Tür hinauf, öffnet diese, tritt ein. Die Schell schaut ihn bestürzt an und fragt: „Bist du Frank?“