Warum Esel
so gescheit sind

Eselfreunde erzählen

Herausgegeben von Judith Schmidt

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Heinz Penndorf

Die Leihesel

Vor vielen Jahren machte die Familie Urlaub in den Pyrenäen. An einem heißen Tag wollten wir uns den Cirque de Navarre, ein Naturdenkmal, ansehen. Na ja, eigentlich wollten das nur wir Eltern, denn die Kleinen wollten bei der Hitze lieber ins Schwimmbad. Vom Parkplatz aus musste man dazu eine knappe Stunde leicht bergan wandern; die Kinder waren wenig begeistert, Wandern, wie uncool! Als sie dann aber sahen, dass man für den Anstieg auch einen Esel mieten kann, schlug ihre Unlust in freudige Erwartung um.

Wir hatten keinerlei Erfahrung, wie man einen Esel führt. Der Besitzer beruhigte uns damit, dass er die Esel ohnehin begleite und die ihren Weg schon kennen würden. Na gut, wir setzten jedes Kind auf einen Esel, die Eltern wollten selber laufen. Der Nachwuchs strahlte vor Begeisterung.

Eine sehr korpulente Dame scheute die Anstrengung, den Weg auf eigenen Beinen zu gehen, und wollte lieber reiten. Es folgte eine aufgeregte Diskussion mit dem Eselbesitzer, denn die Dame war zum Aufsitzen viel zu unbeweglich und wollte unbedingt auf das einzige Tier steigen, auf das sie hinauf kommen würde, einen Zwergesel. Das hektische Gehabe, das Gefuchtel mit den Händen und das laute Gezeter inmitten einer Pferdegruppe – die wären panisch durchgegangen. Die Esel aber störte das alles nicht, sie dösten, Gelassenheit pur. Der Halter löste schließlich das Problem, indem er der Frau eine Trittleiter gab, über die sie in den Sattel eines Maultiers steigen konnte; es ertrug sein gewichtiges Schicksal in stoischer Ruhe. Die Umstehenden aber drehten sich grinsend zur Seite, denn der Anblick, wie sich die plumpe 100-Kilo-Frau – verteilt auf ca. 1,60 m Körpergröße – schwerfällig und prustend via Leiter auf das Tier wuchtete, war wahrlich bizarr.

Der Aufstieg war völlig problemlos, die Grauen kannten ihren Weg. Der Führstrick hatte mehr symbolischen Charakter, denn dirigieren ließen sich die Tiere damit nicht. Ihnen war es auch völlig egal, dass sie Wanderergruppen beiseite drängten oder den vermeintlichen Führer in die Brombeerranken schoben. Unverdrossen trotteten sie nach oben, so wie sie es wollten, immer dieselbe Spur wie das letzte Mal. Sture Esel? Nein, selbstbewusste und sehr konsequent handelnde Wesen.

Am Ziel genossen die Erwachsenen den herrlichen Ausblick. Für die Kinder waren die Langohren die Sensation, nicht die Berge. Diese genossen die Apfel- und Brotstücke sowie die vielen Streicheleinheiten, und die hatten sie sich auch redlich verdient.

Was sollte das denn? Das Leittier hatte beschlossen, dass die Siesta jetzt lange genug gedauert habe – Äpfel gab es auch nicht mehr – und machte sich auf den Rückweg, seine kleine Herde folgte ihm nach. Wenn ein Esel beschlossen hat, zurückzugehen, dann hält ihn vielleicht ein erfahrener Treiber zurück, aber sicher kein unbedarfter Tourist. Kinder und Eltern rannten den Grauen nach – hätten wir das mit Pferden gemacht, wären die schon wieder durchgegangen. Den Langohren war das Gerenne aber völlig egal. Ich schaffte es mit Mühe, die vier Kinder im Laufen nacheinander auf ihre Reittiere zu heben, denn nach Hause liefen die viel flotter als nach oben. Hinter uns hörten wir noch das schrille, panische Gezeter der dicken Dame, denn auf dem Berg hatte niemand eine Leiter bereit und außerdem wartete ihr Maultier klugerweise auch nicht auf sie.

Einmal, nur einmal wurde die Gruppe langsamer. Wanderer hatten es sich auf einer Bank gemütlich gemacht und verspeisten ihr Schinkenbaguette. Der Führstrick hinderte den Esel meiner Tochter überhaupt nicht, einen kleinen Umweg zu machen und kräftig in das Brot zu beißen, das der Mann in der Hand hielt. Der schnappte vor Empörung nach Luft. Als dann noch ein Muli kam und ihm den Rest wegschnappte, war es mit der Geduld des armen Kerls vorbei. Er schrie, tobte, hüpfte und grimassierte wie Louis de Funes in seinen besten Filmen, beschimpfte mich und die Reittiere – die Kinder haben zum Glück das alles nicht verstanden. Den Langohren war auch das Gebrüll so was von egal. Ihr Schinkenbaguette hatten sie, warum sollte sie da die Hektik dieser Welt aus der Ruhe bringen? Esel begnügen sich mit dem Wesentlichen. Schlimm genug, wenn die Menschen so aufgeregt sind, da müssen wenigstens sie die Ruhe bewahren. Wir sollten von ihnen lernen.

Wie sagte doch die älteste Tochter am Ziel: „Echt cool, diese Esel!“ Recht hatte sie!

reitsattel

Judith Schmidt

Alle Zeit der Welt

„Komm Masl-tow, wir müssen umkehren. Ich muss gleich zur Arbeit fahren.“ Es tut mir selber in der Seele weh, dass ich jetzt den Spaziergang abbrechen muss. Das Wetter ist herrlich und so ganz alleine mit unserer neuen Eselin macht der Spaziergang richtig Laune. Mist, dass man ständig Geld verdienen gehen muss. Aber ich will mich nicht beklagen. Zum Glück habe ich diese Woche Spätdienst und kann mich den lieben langen Tag um unsere Tiere kümmern. Und da Gregor sich einen Bänderriss zugezogen hat und mit Gipsbein zu Hause rumhumpelt, ist auch den Rest des Tages jemand für unsere Tiere da.

„Na jetzt komm schon, meine Süße.“ Sie schaut in die Ferne. Ich gewähre ihr diesen Blick, denn im Grunde hat sie recht. Der Zauberpinsel des Frühlings hat in den letzten Tagen ganze Arbeit geleistet. Schön, dass mich unsere Eselstute immer wieder auf solche Kleinigkeiten aufmerksam macht. Man selber huscht ja nur so durchs Leben, doch seitdem wir sie haben, nehme ich vieles um mich herum intensiver wahr.

Gemütlichen Schrittes kehren wir um. Wir streifen den Wald, marschieren an Feldern und Kuhweiden vorbei. Schließlich kommen wir in unser Dorf. Die ersten Häuser, die ersten Autos, die kleine T-Kreuzung und nun sind wir in unserer Straße. Es sind nur noch 100 Meter, bis wir Zuhause sind. Ich klopfe mir selber auf die Schulter, wie gut ich die Zeit berechnet habe. So komme ich noch dazu, vor der Arbeit in aller Ruhe zu duschen, mich zu stylen und mir etwas von meinen kürzlich neu erworbenen Klamotten auszusuchen.

„Masl-tow, was ist nur?” Wieso bleibt sie stehen? Ich schaue mich um. Nichts, aber auch überhaupt nichts zu sehen, was einen zum Anhalten veranlassen könnte. „Nun komm schon!“ Wieso geht sie nicht? Ok, dann warte ich eben ein bisschen. Liege ja zeitlich hervorragend im Rennen. Ich drehe mit ihr eine kleine Runde auf der Stelle, auf der sie steht. Zum Glück ist sie nicht wie versteinert, sondern lässt sich in die entgegengesetzte Richtung problemlos bewegen. Aber warum verweigert sie den Weg in Richtung unseres Hauses? „Mensch, langsam ist es nicht mehr lustig. Los, Mädel!“ Ich schnalze mit der Zunge, um meinen Befehl zu verstärken, aber sie rührt sich nicht. Will sie etwa nicht nach Hause? Will sie weiter spazieren gehen? Will ich ja auch, aber die Pflicht ruft. „Nun komm schon, ich muss schließlich ein paar Möhren verdienen gehen.“ Wieso überzeugt sie das nicht? Ich habe Geduld. Dann nutze ich halt die Pause und spiele in Gedanken schon mal meine Garderobe durch. So brauche ich mir später nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, welche Bluse ich zu welcher Hose anziehen kann.

„Maaaaasl-tow, nun komm.“ Was ist nur mit ihr los? Ich ziehe meine Pupille auf Schärfe und starte einen zweiten Versuch, um zu erkennen, vor was sich der Esel fürchtet. Aber da ist weit und breit nichts. Kein Kanaldeckel, keine Pfütze und auch keine Bodengitter, welche dem Esel Angst einflößen könnten. So viel hat mir unsere trittsichere Eselin in der kurzen Zeit, die sie bei uns lebt, ja schon beigebracht: Esel betrachten die verschiedenen Bodenuntergründe sehr genau. Nicht, dass etwa der zierliche Eselhuf in einem Spalt stecken bleibt oder dass eine Pfütze tiefer ist, als es den Anschein hat. Nein, Esel sind nun wirklich nicht blöd. Aber der Boden ist völlig normal. Nichts Ausgefallenes. Mir ist es ein Rätsel.

Nun kommen auch noch zwei Kinder angelaufen. Meinetwegen, sie dürfen den Esel kurz streicheln. Oweia, da kommen ja noch mehr Menschen. Na, dann werde ich denen auch noch Rede und Antwort stehen müssen. Ich darf mir nur keine Blöße geben, dass ich Probleme habe.

„Na, will er nicht?“

„Ich weiß auch nicht so recht“, druckse ich, „die ganze Zeit ist er prima mitgegangen, aber jetzt geht er nicht mehr weiter. Der will bestimmt nur noch nicht nach Hause.“ Ich ringe mir ein gleichgültiges Lächeln ab.

„Wo müssen Sie denn hin?“

„Da vorne, Nummer 24.“

„Ach, Sie sind die neuen Mieter? Nett, Sie mal kennen zu lernen.“

„Ganz meinerseits.“

„Ich wohne gleich hier vorne. Warten Sie, ich hole etwas Brot, damit können wir den Esel locken.“

Seufz. Ich will das nicht. Ich bin doch gerade dabei, den Esel von Leckerlis zu entwöhnen. Soll ich ihm nachrufen? Aber der Mann ist schon im Haus verschwunden. Warum habe ich bloß mein Handy nicht dabei, dann könnte ich Gregor anrufen und er könnte hierher humpeln und mir helfen.

Jetzt kommt der Mann doch tatsächlich mit frischen Toastbrotscheiben an: „Na komm, Eselchen, komm, komm, komm.“

Zum Glück lässt sich Masl-tow nicht auf die Bestechung ein. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Aber wie soll es nun weitergehen?

„Ihr Esel hat bestimmt Angst vor den Fahnen.“

Fahnen? Was für Fahnen? Ach ja. Die da. Die Schützenfestfahnen. Die waren vorhin noch nicht da gewesen. Hübsch, wie die so im Wind wehen. Aber warum sollte ein Esel Angst vor Fahnen haben? So ein Unsinn. Jeder weiß doch, dass ein Esel auf dem Boden nach Gefahren Ausschau hält. Also, auf Ideen kommen die Leute heutzutage, unglaublich.

„Nein, der Esel will nur noch nicht nach Hause. Und dabei muss ich dringend weiter, weil ich noch zur Arbeit fahren muss. Nun komm Masl-tow, mach schon.“

„Wie heißt Ihr Esel? Quasselkopf?“

„Nee!” Wut bringt mich langsam, aber sicher in Rage, dennoch erkläre ich sanft: „Masl-tow. Das ist jiddisch.“

„Ach, dann sind Sie Jüdin? Interessant.“

Am besten gehe ich gar nicht auf das Gespräch ein. Ich schiebe den Esel von hinten an. Doch der stemmt sich mit aller Kraft dagegen.

„Warten Sie. Ich ziehe vorn, während Sie hinten schieben.“ Der Mann zieht ordentlich am Halfter und wir bewegen uns einen ganzen Zentimeter in meine gewünschte Richtung. Doch mehr ist einfach nicht drin. Ich gebe auf und drehe mit dem Esel noch mal eine kleine Runde auf der Stelle. Es ist wie verhext. Sobald wir in Richtung Nummer 24 gucken, bleibt sie stehen, als sei eine imaginäre Linie gezogen, über die man nicht treten kann.

Das Duschen kann ich mir inzwischen abschminken. Dafür werde ich keine Zeit mehr haben. „Masl-tow, nun komm!“ Schreien nützt auch nichts. Ach, ich könnte heulen. Jetzt kommen sogar noch mehr Menschen. Haben die nichts Besseres zu tun, als auf der Straße herumzulaufen? Was haben die denn in ihren Händen, Äpfel? Na toll, wie soll ich hier je wieder wegkommen?

Masl-tow verspeist einen Apfel nach dem anderen und schmatzt vor sich hin. Alle haben ihren Spaß, nur ich gucke dumm aus der Wäsche. Wieso lassen die mich nicht in Ruhe mein Ding durchziehen? Fehlt nur noch, dass sie ihre Campingstühle holen.

„Bitte, bitte nichts mehr füttern, der Esel ist ohnehin schon dick genug.“

„Ach, ich dachte, sie bekäme bald ein Fohlen. Das ist also Fett?“

„Ja, nun lassen Sie doch bitte das Füttern sein.“

„Och, die drei Scheiben Brot noch, dann ist es ja alle.“

Ich könnte explodieren! Warum müssen die Leute immer alles um sich herum mästen? Wozu soll das gut sein? Am liebsten möchte ich ihnen das Futter aus der Hand schlagen, aber nur nicht die Contenance verlieren. Ganz ruhig bleiben und lächeln.

Ich schiebe den Esel ein zweites Mal und gebe Masl-tow sogar einen Klaps auf den Po. Sie schaut mich erschrocken an. Ich erkenne mich selber nicht mehr wieder. Was ist nur in mich gefahren? Zwei Männer zerren zusätzlich vorne am Halfter und ich sehe die verzweifelten Eselaugen. Ich winke: „Nein, hören Sie auf, das hat keinen Sinn.“ Die Männer lassen los. „Ich gehe einen anderen Weg. Danke für Ihre Hilfe. Man sieht sich.“ Ich drehe und Masl-tow geht brav neben mir her. Wie komme ich nur am schnellsten aus der anderen Richtung in unsere Straße? Ich muss tatsächlich diesen riesigen Umweg um den Reiterhof laufen. Es nützt nichts, es gibt keine Abkürzung. „Masl-tow, terab!“ Wow, die hört ja aufs Wort. Sie sieht nun richtig glücklich aus – und sie grinst. Komisch. Wer hätte gedacht, dass Esel auch grinsen können? Ich jogge und sie trabt. Herrlich. Wenn ich nur nicht diesen Zeitdruck hätte. Und wenn ich nur etwas besser in Form wäre. Aber es ist nicht mehr weit, bald habe ich es geschafft. Da vorne ist schon die Abzweigung. Ich riskiere einen Blick in unsere Straße und prüfe, ob hier auch schon die Fahnen hängen. Die Luft ist rein, nichts Wehendes, was uns den Weg versperrt. Masl-tow geht mit, als sei es das Normalste von der Welt, in unsere Straße einzubiegen. Jipiii! Dann müssen es also tatsächlich die Fahnen gewesen sein, vor denen sie sich gefürchtet hat. Wieder ein Aha-Erlebnis. Esel schauen also auch in die Luft!

Endlich, die Haustür. Gregor empfängt mich: „Mensch, wo warst du? Hast du mal auf die Uhr geguckt? Du kommst zu spät zur Arbeit.“
„Keine Zeit.“ Ich drücke ihm den Esel in die Hand und flitze ins Haus. Meine Klamotten reiße ich mir während ich die Treppe hoch laufe vom Leib. Beim Herunterlaufen knöpfe ich mir die Jeans zu, schlüpfe in die Bluse, springe in die Stiefel, versprühe ein wenig Parfüm. Meine Kollegen sollen nicht allzu sehr unter meinem verschwitzten Nachmittag leiden müssen. Ich schwinge mich ins Auto, kurbele das Fenster runter und rufe Gregor zu: „Alles Ok. Ich rufe dich von unterwegs aus über das Handy an und erzähl dir alles.“

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Wir flitzen gemeinsam ums Dorf herum

Matthias Rottler

Feiner Geschmack

Ich bin wie immer, wenn wir unsere Langohren Oliver und Selma von der Weide in ihr Nachtquartier gebracht haben, noch mal zu den beiden in den Stall – diesmal mit einem großen, frisch für mich gekochten Becher Milchkaffee in der Hand. Auch wie fast immer, setzte ich mich noch mal vor unserem grauen Olli in die Hocke, um noch ein bisschen mit ihm zu reden und seine Laune ein wenig zu begutachten, denn er hatte den Tag ausnahmsweise mal mit etwas mehr Gebrüll als sonst begonnen. Man konnte ja nie wissen, ob er einfach nur in Brüll-Laune oder ob irgendwas anderes war.

Wie ich so da sitze und mit der einen Hand den „Schlafsand“ von seinen Augen wische, was er immer dankbar annimmt, hör ich es hinter mir schon langsam tapsen und japsen. Ganz klar, Selma möchte ihre Streicheleinheiten abholen kommen und schleicht sich von hinten an. Es kommt, über meine rechte Schulter, langsam und bedächtig wie immer, Selmas Kopf und ihre riesigen Augen schauen mich an: „Streichel mich!“, will mir der Blick sagen und ehe ich noch die Tasse abstellen kann, hat Selma sie entdeckt.

Wie immer, wenn Selma zu nahe kommt, tritt Olli den Rückzug in Richtung Heu an. Selma bleibt stehen und während ich noch Olli nachsehe, bemerke ich, wie ein kleines weißes Mehlmaul sich meiner Tasse nähert und die Zunge in dem noch recht heißen Milchkaffee mit Zucker verschwindet.

Ich dachte, na gut, die Neugier treibt die Zunge da rein und dann hört sie wieder auf. Aber, um es kurz zu machen, am Ende musste ich mir eine neue Tasse kochen, denn Selma hat sie fast ganz ausgeschlabbert. Olli, dem ich die Tasse natürlich auch „zur Prüfung“ hinhalten musste, wendete sich mit Grausen ab, – Selma aber ist seit heute unser Kaffee-Esel!

Albert Schweizer

... am liebsten im Boden versunken

Wieder einmal waren wir mit unseren Eseln und Ziegen auf dem Erlebnistag des österreichischen Freilichtmuseums vertreten. Mit den Eseln stellten wir uns zur Verfügung, um Getreide- und Mehlsäcke zwischen Druschplatz, Mühle, Backofen, Sterzkocher, geeggtem Feld usw. zu transportieren. An diesem Tag wälzten sich bei schönstem Herbstwetter gut 6000 Besucher durch dieses wunderschöne, lang gestreckte Museum.

Bei der Anfahrt sah ich neben dem Weg zwei Esel stehen, die diesen Sommer auf einer der Weiden im Museumsgelände verbringen durften. Was ich nicht gleich sah, war, dass der kleinere davon ein Hengst war. Auf unserer ersten „Sacktour“ kamen wir zuerst an zwei Norikerhengsten vorbei, die intensiv über den Zaun hinweg unseren beiden Stuten nachflehmten. Unbeirrt gingen meine Eseldamen an den aufgeregten Herren vorbei. Ich war beruhigt, war doch die letzte Rosse der beiden gerade knapp zwei Wochen vorbei. Also rechnete ich mit keinem Aufwallen ihres Begehrens.

Bald darauf marschierten wir an den beiden Museumseseln vorbei, d. h. – wir wollten vorbei! Es folgte nämlich ein Blick von Barnie in Richtung des – jetzt auch für mich erkennbaren – Hengstes, der sich wiederum flehmend an den fremden Eseldamen interessiert zeigte. Und dann erzitterte das enge Museumstal durch ein fast ohrenbetäubendes, nicht mehr enden wollendes, gleichzeitiges Geschrei aus vier Eselkehlen. Mehr Aufwand, um aufzufallen, hätten wir nicht benötigt. Sofort bildete sich ein interessierter Kreis von mehreren hundert Besuchern um unsere schreiende Eselgruppe. Irgendwie hatte ich eine dumpfe Vorahnung, dass die nächsten Minuten sich zu recht unangenehmen, peinlichen entwickeln könnten, und wollte Barnie zum Weitergehen drängen.

Dazu muss ich sagen, dass wir diesmal erfolgreich versucht hatten, unsere Esel frei, ohne Halfter, nur unserem vorausgeführten jungen Hund folgend und sonst mit Zeichen und Stimme dirigiert, durch die Menge zu führen. So legte ich meine offene Hand auf Barnies Kruppe, schob leicht und forderte sie auf: „Komm, Barnie, geh weiter!“ Mehr brauchte ich nicht. Der leichte Druck meiner Hand suggerierte den in Wallung geratenen Hormonen von Frau Esel offensichtlich, dass schon das Gewicht des aufreitenden Liebeswerbers zu spüren sei. Ich konnte gerade noch meine Schuhe zurückziehen, als ein dicker, milchig trüber Harnstrahl vor meinen Beinen eine riesige Lache bildete. Mit breit nach hinten gespreizten Beinen und erhobenen Schwanz stand Barnie blinkend und mit Rossegesicht mitten im Halbrund hunderter Zuschauer. Sie war nicht zu bewegen, sich auch nur einen Millimeter vom Fleck zu rühren. Ich bildete mir ein, wohl aus hundert Kehlen die Frage „Ist er jetzt störrisch?“ gehört und ebenso oft die Antwort „Nein, Sie erleben Eselliebe live!“ gegeben zu haben.

Wir sind dann mit Lilo, die dieser Rosse auf Kommando nicht nachkam, allein weiter und die Angst, ihre Freundin in der Menschenmasse zu verlieren, hat Barnies Hormonspiegel sinken lassen und sie zum Nachkommen bewogen.

In dieser Situation wäre ich am liebsten vom Erdboden verschluckt worden. Auf die Frage einer Dame hin, was man mit Eseln denn sonst noch machen könne, außer Streicheln, habe ich mich laut Rosi, meiner Frau, sogar zu der lakonischen Antwort hinreißen lassen:

„Salami!“ 


Der Hengst (links) flehmt, die Stute (rechts) zeigt kauend das Rossegesicht.