Mein Dank gilt

Nathalie Berude-Scott

Betriebsgeheimnis Kind

Der ultimative Denkanstoß für Menschen mit Nachwuchs

Teil 1: 0 bis 4 Jahre

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil I

1.  Ein feiner Unterschied - die Persönlichkeit und das [SELBST]

2.  Die Natur hat an alles gedacht – das epigenetische Entwicklungsmodell

3.  Drei Mann, ein Wort – Freud, Piaget, Erikson und die Entwicklungspsychologie

4.  Die Basis wird gleich am Anfang geschaffen: der Säugling

5.  Das [SELBST) zeigt sich: das frühe Kleinkindalter

6.  „Must-haves“ - was braucht der Mensch in seiner Entwicklung?

 

Teil II

1.  Licht, Schatten und Gewürzschränke – wie deine Wünsche dein Kind beeinflussen

2.  Familientheater – von Rollenspielen, Starbesetzungen und der Schwierigkeit, sich trotz starker Regisseure [SELBST] zu entwickeln

3.  Gefühlsverwirrungen – warum es so schwer ist, dem eigenen Empfinden zu trauen

4.  Hausaufgabe für Erziehende – erst mal an die eigene Nase fassen

5.  Das große Geheimnis – du entscheidest, wie es dir geht!

Vorwort

„Bei der Wahl seiner Eltern kann man nicht vorsichtig genug sein.“
(Paul Watzlawick)

Hallo!

So, du bist also die Mutter, der Vater, einer der Großeltern oder sonst wer, der künftig einem Kind bei seiner Entwicklung helfen will. Das ist ja interessant. Schön, dich kennenzulernen und zu merken, dass du dich für mich interessierst. Schließlich bin ich dir den Rest deines Lebens irgendwie ausgeliefert. Und wie Herr Watzlawick (1921-2007) es im Zitat oben auf der Seite schon so schön festgestellt hat: Man kann als Psyche eines Kindes gar nicht vorsichtig genug sein, auf wen man sich einlässt.

Schließlich sind die Mächteverhältnisse gerade am Anfang ziemlich klar verteilt. Du bist schon da, ich komme neu dazu. Und weil ich ja nun mal in diesem hilflosen, versorgungsbedürftigen und noch ziemlich wenig lebenstauglich ausgestatteten Körper deines (künftigen) Kindes gefangen bin, bin ich bei allem, was du als Entwicklungshelfer künftig so anstellst, auch mit betroffen.

Entwicklungshelfer? – „Was ist das denn für ein Begriff? Mein Kind ist doch nicht minderwertig!“ Da hast du natürlich vollkommen recht. Aber was genau macht denn so ein Entwicklungshelfer? Er hilft dem Menschen, so gut er irgendwie kann, sich zu entwickeln, einen eigenen Weg zu finden, selbstständig und unabhängig zu werden. Und genau das beabsichtigst du doch auch mit deinem Kind, oder? Du willst es unterstützen, sich in seiner Einzigartigkeit zu entfalten. Du willst ihm Wege aufzeigen, später ohne deine Hilfe im Leben zurechtzukommen. Du willst, dass es frei und selbstbestimmt leben kann. So meine ich diesen Begriff, über den du gestolpert bist. Und dann ist er toll und bezeichnet deine verantwortungsvolle Aufgabe sehr treffend, oder?

Jetzt zurück zu dir und mir. Es ist also sehr wichtig, dass wir zwei erst mal klarstellen, wer ich so bin, was ich brauche, nicht brauche und was ich gerne hätte. Ich steck in deinem Wunschkind und du könntest dich ruhig ein bisschen anstrengen, um meiner Idee von Wunscheltern recht nahe zu kommen. Glaub es mir. Es wird sich lohnen. Denn dein Wunschkind wird noch viel wundervoller und vor allem ein glücklicher und selbstsicherer Mensch, wenn du dir gelegentlich mal vor Augen führst, dass ICH auch immer mit dabei bin.

Ach, ich hatte ja bisher ganz versäumt, mich richtig vorzustellen.

Entschuldigung.

Also, ich bin das [SELBST] – mancher sagt auch die Psyche oder die Seele – deines Kindes. Ich bin schon da. Mich kriegst du sozusagen zusammen mit dem Wunschkind. Und glaub mir, ich hab mindestens genau so viel Einfluss auf dein Kind wie du. Nur subtiler. Ich zeige mich deutlich heimlicher, bin aber dennoch omnipräsent.

Meine Denkanstöße sind übrigens nicht „sortenrein“. Ich bediene mich mal der einen mal der anderen psychologischen Theorie und male dir zudem einige leicht nachvollziehbare Modelle. Wichtig ist mir, dass du mir einfach und unbeschwert folgen kannst.

Und bestimmt hast du am Ende des Buches eine gute Idee vom einzigen Begleiter bekommen, der ein Leben lang bei einem ist: vom [SELBST].

Teil I

Ein feiner Unterschied – die Persönlichkeit und das [SELBST]

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts stand es ganz schlecht um mich, man hat mich im Grunde damals verleugnet. Da war der Mensch – rein psychologisch betrachtet – nur das Ergebnis von allem, was er durch seine Umwelt erfahren und gelernt hat. Und man ging davon aus, dass man deshalb natürlich auch alles wieder verlernen könne. Diese psychologische Richtung nennt sich übrigens „Behaviorismus. Der Mensch als eine Art Lernmaschine. Auf diesen Grundlagen basiert die sogenannte Verhaltenstherapie, die man heute erfolgreich z.B. bei Phobien, Zwangshandlungen oder bei den Menschen belastenden Verhaltensweisen anwendet.

Inzwischen ist sich die psychologische Forschung allerdings sehr einig, dass der Mensch – und somit natürlich dein Kind – doch deutlich mehr ist als eine Lernmaschine. Da scheint also von Anfang an etwas in dem Mensch zu sein, das gelebt werden will.

Der erste, der an dieses „mehr“ geglaubt hat und danach geforscht hat, war Sigmund Freud. Er nannte dieses „mehr“ das ES. Das ES ist allerdings in seiner Theorie ein ziemlich ungestümer Zeitgenosse und muss deshalb dauernd vom ÜBER-ICH kontrolliert werden. Und das arme ICH in der Mitte hat die Aufgabe, zwischen diesen beiden Polen zu vermitteln, deren Konflikte auszugleichen und für den Menschen erträglich zu machen. Dabei muss sich das ICH manches Mal selbst austricksen.

Aus dem tiefenpsychologischen Ansatz von Freud hat sich viele Jahre später – vorangetrieben durch den Italiener Roberto Assagioli – eine weitere psychologische Sichtweise entwickelt.

Die Psychosynthese. Dort und in einigen anderen humanistischen Lehren habe ich mein Zuhause. Diese psychologischen Richtungen verwenden den Begriff des [SELBST], das ist das, was der Mensch IST. Und dann gibt es noch die PERSÖNLICHKEIT, das ist das, was der Mensch nach außen ZEIGT, was z.B. durch dich als Entwicklungshelfer, aber auch durch die gesamte Umwelt geprägt wurde.

Viele Menschen verwechseln diese Begrifflichkeiten und meinen, dass das, was wir als Persönlichkeit nach draußen von uns zeigen, auch automatisch wir selbst seien. Diese Menschen wundern sich dann immer, wenn ihr Gegenüber plötzlich mal eine ganz andere Seite seiner Persönlichkeit zeigt. Oder etwas tut, das angeblich gar nicht zu ihm passt, er aber unsäglichen Spaß dabei hat. Oder wenn sie an sich selbst feststellen, dass sie „irgendwie gar nicht richtig glücklich“ sind. Obwohl doch alles im Grunde perfekt ist. Meistens ist es dieses Wörtchen „irgendwie“, das deutlich darauf hinweist, dass sich hier möglicherweise das [SELBST] im Menschen regt und versucht, durch die relativ starre, äußere PERSÖNLICHKEIT hindurchzuscheinen.

Ein guter Beweis für die Existenz des [SELBST] findet sich auch kurz vor dem Tod eines Menschen. Ganz oft verändert der Sterbende sich dann noch mal, wird plötzlich milde, weniger einschüchternd, möglicherweise einsichtig und versöhnlich. Wenn die Persönlichkeit am Ende des Lebens plötzlich Kraft verliert und durchlässig wird, hat das [SELBST] endlich die Chance, sich zu zeigen!

Wäre es nicht viel schöner, wenn sich das [SELBST] – also ich! – schon mal etwas früher im Leben zeigen dürfte, eine Existenzberechtigung erhält und einen Raum zur Entfaltung bekommen könnte?

Genau deshalb sitzen wir zwei jetzt hier. Du bist auf der Leser- und Zuhörerseite; ja und ich, ICH bin der Erzähler und plaudere jetzt mal ein bisschen was aus dem Nähkästchen der kindlichen Psyche. Und dann gucken wir mal, ob dein Kind da nicht deutlich von profitieren wird, wenn du und ich uns besser kennen!