Eliot Pattison

DER
FREMDE
TIBETER

Shan ermittelt

Roman

Aus dem Amerikanischen
von Thomas Haufschild

Bild

Für Matt, Kate und Connor

Danksagung

Ohne die Unterstützung durch Natasha Kern und Michael Denneny wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Ganz besonderer Dank gebührt darüber hinaus Christina Prestia, Ed Stackler, Lesley Payne und Laura Conner.

Kapitel Eins

Sie nannten es die Viererwahl. Der hochgewachsene, hagere Mönch stand wankend am Rand der hundertfünfzig Meter hohen Klippe und wurde nur noch vom starken Himalajawind zurückgehalten. Shan Tao Yun kniff die Augen zusammen, um die Gestalt besser sehen zu können. Sein Herz zog sich zusammen. Der Mann, der dort gleich springen würde, war Trinle – sein Freund Trinle, der erst an jenem Morgen flüsternd Shans Weg gesegnet hatte, damit keiner von ihnen versehentlich ein Insekt zertreten würde.

Shan stieß seine Schubkarre beiseite und rannte los.

Als Trinle sich vorbeugte, drückte der Aufwind ihn zurück und riß ihm die khata weg, den behelfsmäßigen Gebetsschal, den er heimlich um den Hals trug. Shan lief um einige Männer herum, die Spitzhacken schwangen. Dann rutschte er auf dem Schotter aus. Hinter ihm ertönte eine Signalpfeife, gefolgt von einem wütenden Zuruf. Der Wind spielte mit dem schmutzigen Fetzen aus weißer Seide, ließ ihn für eine Sekunde außerhalb von Trinles Reichweite baumeln und hob den Schal dann in einer langsam kreisenden Bewegung zum Himmel empor. Die Blicke der Häftlinge verfolgten den Aufstieg der khata, und zwar keineswegs überrascht, sondern voller Ehrfurcht. Jedes Ereignis hatte eine Bedeutung, und die zarten, unerwarteten Werke der Natur waren oft am bedeutsamsten.

Die Wachen riefen abermals, aber keiner der Männer kehrte an seine Arbeit zurück. Es war ein Moment äußerster Schönheit. Der weiße Stoff, der in den kobaltblauen Himmel tanzte, die zweihundert ausgemergelten Gesichter, die in der Hoffnung auf eine Offenbarung nach oben schauten und den Gedanken verdrängten, daß ihnen für diese eine Minute verlorener Zeit mit Sicherheit eine Strafe bevorstand. Es war genau die Art von Moment, mit der Shan in Tibet zu rechnen gelernt hatte.

Doch Trinle, der dort an der Kante stand, schaute erneut mit ruhigem und erwartungsvollem Blick nach unten. Shan hatte andere die Viererwahl treffen sehen, und ihnen allen war dieser zuversichtliche Gesichtsausdruck gemeinsam gewesen. Es geschah immer auf die gleiche Weise, ganz plötzlich, als würde ihnen auf einmal eine Stimme, die niemand sonst zu hören vermochte, den Befehl dazu erteilen. Selbstmord war eine schwerwiegende Sünde und zog auf jeden Fall die Wiedergeburt als niedere Lebensform nach sich. Aber wenn man als Gefangener in einer chinesischen Zwangsarbeitsbrigade schuften mußte, stellte die Aussicht auf ein Dasein als Vierbeiner bisweilen eine verlockende Alternative dar.

Shan rappelte sich auf und lief weiter. Er packte Trinles Arm, gerade als der sich über den Rand beugte. Im selben Moment erkannte Shan, daß er Trinles Verhalten völlig falsch gedeutet hatte. Der Mönch schaute prüfend auf etwas herab. Keine zwei Meter unter ihnen befand sich ein Sims, das kaum breit genug war, um einem Schwalbennest Platz zu bieten. Auf diesem Sims lag ein funkelnder goldener Gegenstand. Ein Feuerzeug.

Ein aufgeregtes Murmeln wanderte wie eine Woge durch die Reihen der Häftlinge. Die khata war zurück über den Kamm getrieben worden und stürzte nun fünfzehn Meter vor der Arbeitskolonne auf den Abhang.

Mittlerweile hatten die Wachen sie erreicht, stießen Verwünschungen aus und griffen nach ihren Schlagstöcken. Als Trinle sich von der Kante abwandte und nach dem Gebetsschal Ausschau hielt, drehte Shan sich zu seiner umgestürzten Schubkarre um. Sergeant Feng, langsam und grauhaarig, aber stets wachsam, stand neben den ausgeschütteten Felsbrocken und schrieb in sein Kontrollbuch. Der Straßenbau war Dienst am Sozialismus. Wenn jemand seine Arbeit verließ, beging er damit eine weitere Sünde gegen das Volk.

Noch während Shan schwerfällig zurückstapfte, um Fengs Zorn über sich ergehen zu lassen, ertönte oberhalb am Hang ein lauter Aufschrei. Zwei der Gefangenen hatten die khata holen wollen und waren zu dem Felshaufen geeilt, neben dem der Schal lag. Jetzt ließen die beiden sich auf die Knie fallen, wichen zurück und stimmten fieberhaft eine Litanei an. Ihr Mantra traf die anderen Häftlinge wie ein plötzlicher Windstoß. Jeder der Männer kniete im selben Moment nieder, in dem es an seine Ohren drang, und nahm in schneller Folge den wiederkehrenden Sprechgesang auf, so daß kurz darauf die gesamte Brigade bis hinunter zu den Lastwagen an der Brücke im Gebet vereint war. Nur Shan und vier andere, die einzigen Han-Chinesen unter den Zwangsarbeitern dieser Brigade, blieben stehen.

Feng brüllte wütend, lief nach vorn und blies in seine Pfeife. Shan wunderte sich über den Sprechgesang, denn es hatte sich doch gar kein Selbstmord ereignet. Aber die Worte waren unverkennbar. Es handelte sich um die Anrufung Bardos, die Eröffnungsrezitation der Todeszeremonien.

Ein Soldat lief den Hügel hinauf. Seine Jacke war mit vier Taschen versehen, den verbreitetsten Rangabzeichen der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Leutnant Chang, der Offizier der Wache, flüsterte etwas in Fengs Ohr, woraufhin der Sergeant den Han-Gefangenen zurief, sie sollten den Felshaufen abtragen, den die Tibeter entdeckt hatten. Shan stolperte zu der Stelle vor, an der die khata niedergegangen war, und kniete sich neben Jilin, den langsamen, kräftigen Mandschu, den alle hier nur unter dem Namen seiner Provinz kannten. Als Shan den Schal in seinen Ärmel stopfte, nahm Jilins verdrießliches Gesicht einen erwartungsvollen Ausdruck an. Mit plötzlich anwachsendem Elan schob er die Felsen beiseite.

Die Männer der vorderen Arbeitsgruppe, deren Aufgabe darin bestand, die größten Geröllblöcke und losen Steine wegzuräumen, waren Unerwartetes gewohnt. Häufig fanden sie ausrangierte Töpfe oder den Schädel eines Yaks entlang der Routen, die von den Ingenieuren der Volksbefreiungsarmee vermessen worden waren. In einem Land, in dem die Toten nach wie vor den Geiern zum Fraß überlassen wurden, waren sogar menschliche Gebeine kein unüblicher Anblick.

Im Schotter lag eine halb aufgerauchte Zigarette. Jilin schnurrte vor Behagen und schnappte sich den Stummel. Da erschien neben ihnen ein Paar blankpolierter Stiefel. Shan richtete sich auf und sah, wie Leutnant Chang erschrak. Die Hand des Soldaten zuckte zu der Pistole an seinem Gürtel. Sein gellender Schrei erstarb ihm auf den Lippen, und er stellte sich hinter Feng.

Diesmal war die 404. Baubrigade des Volkes schneller als die Geier gewesen. Der Leichnam lag im Kreis der Steine, die ihn bedeckt hatten. Shan erkannte sofort, daß die Schuhe des Toten aus echtem Leder und von teurer westlicher Machart waren. Im V-Ausschnitt des Pullovers glänzte der frisch gebügelte Kragen eines weißen Hemds.

»Aus Amerika«, flüsterte Jilin respektvoll und meinte damit nicht die Leiche, sondern die Kleidung.

Der Mann trug neue Bluejeans – nicht etwa den fadenscheinigen chinesischen Denim, den Straßenverkäufer mit gefälschten westlichen Markenetiketten feilboten, sondern ein Original, hergestellt von einer Firma in den Vereinigten Staaten. An dem Pullover war eine Anstecknadel befestigt, die aus den beiden gekreuzten Nationalflaggen Amerikas und Chinas bestand. Die Hände des Mannes waren vor dem Bauch verschränkt, so daß er aussah, als hätte er sich in seiner Pension zur Ruhe begeben und würde darauf warten, zum Tee gerufen zu werden.

Leutnant Chang gewann seine Fassung schnell zurück. »Weiter, verdammt«, herrschte er sie an und stieß Feng nach vorn. »Ich will das Gesicht sehen.«

»Das muß genau untersucht werden«, sagte Shan, ohne nachzudenken. »Sie können nicht einfach …«

Der Leutnant verpaßte Shan einen Tritt, zwar nicht allzu fest, aber mit der Bewegung eines Mannes, der den Umgang mit lästigen Hunden gewohnt war. Neben Shan zuckte Jilin zusammen und schirmte reflexartig seinen Kopf mit den Händen ab. Leutnant Chang trat ungeduldig vor und packte die Handgelenke des Toten. Er warf Feng einen mürrischen Seitenblick zu und zerrte den Körper von den restlichen Felsbrocken weg. Im selben Moment wich sämtliche Farbe aus Changs Gesicht. Er wandte sich ab und übergab sich würgend.

Die Leiche hatte keinen Kopf.

»Götzenverehrung stellt einen Angriff auf die sozialistische Ordnung dar«, dröhnte die Stimme eines jungen Offiziers aus dem Megaphon, als die Gefangenen auf eine Reihe klappriger grauer Mannschaftstransporter zumarschierten, die schon seit Jahren nicht mehr im Dienst der Armee standen. »Jedes Gebet ist ein Schlag gegen das Volk.«

ZERREISST DIE KETTEN DES FEUDALISMUS, wettete Shan im stillen mit sich selbst, oder DIE VEREHRUNG DER VERGANGENHEIT BEDEUTET RÜCKSCHRITT.

»Der Drache hat gegessen«, rief jemand aus den Reihen der Sträflinge.

Der Ton einer Signalpfeife ließ ihn verstummen.

»Ihr habt das Soll nicht erfüllt«, setzte der Politoffizier mit schriller Stimme seine Ansprache fort. Hinter ihm stand ein roter Geländewagen, den Shan noch nie zuvor an der Baustelle gesehen hatte. MINISTERIUM FÜR GEOLOGIE stand auf der Tür. »Ihr habt das Volk beschämt. Man wird euch Oberst Tan melden.« Die elektrisch verstärkten Worte des Offiziers hallten vom Hang wider. Was hatte das Ministerium für Geologie hier verloren? fragte sich Shan. »Die Besuchserlaubnis wird vorerst aufgehoben. Während der nächsten beiden Wochen gibt es keinen heißen Tee. Zerreißt die Ketten des Feudalismus. Erfahrt den Willen des Volkes.«

»Leck mich am Arsch«, murmelte eine unbekannte Stimme hinter Shan. »Schon wieder lao gai-Kaffee.« Der Mann stolperte gegen ihn, als sie darauf warteten, auf die Ladefläche des Transporters zu steigen.

Shan drehte sich um. Das Gesicht war neu in dem Arbeitstrupp. Es gehörte einem jungen Tibeter, dessen kleine knorrige Gestalt ihn als khampa auswies, als einen Angehörigen der Hirtenstämme des Hochplateaus von Kham im Osten.

Als der Mann ihn sah, verhärtete sich sogleich seine Miene. »Wissen Euer Hoheit, was lao gai-Kaffee ist?« knurrte er. Seine wenigen verbliebenen Zähne waren schwarz vor Fäulnis. »Ein Löffel guter tibetischer Dreck. Und ein halber Becher Pisse.«

Der Mann setzte sich gegenüber von Shan auf die Bank und musterte ihn. Shan klappte seinen Hemdkragen hoch, denn die zerlumpte Plane über dem Stauraum des Wagens bedeutete kaum einen Schutz vor dem Wind, und erwiderte den Blick, ohne zu blinzeln. Er hatte gelernt, daß das Überleben einzig und allein davon abhing, wie man mit der eigenen Angst umgehen konnte. Die Angst mochte einem schwer wie ein Stein im Magen liegen. Vielleicht verbrannte sie einem das Herz, bis man merkte, daß sogar die eigene Seele zu schwelen anfing. Aber man durfte sich niemals etwas davon anmerken lassen.

Shan war zu einem Fachmann der Angst geworden. Er hatte gelernt, ihre mannigfaltige Beschaffenheit und ihre physischen Reaktionen deutlich zu erkennen. Es bestand zum Beispiel ein großer Unterschied zwischen der Angst vor den Schritten des Folterers und der Angst vor einer Lawine, die auf eine benachbarte Arbeitsgruppe niederging. Und all das war nichts im Vergleich zu der Angst, die ihn nächtelang wachhielt, wenn er sein Miasma aus Erschöpfung und Schmerz durchlebte und befürchtete, das Gesicht seines Vaters zu vergessen. Schon ganz am Anfang, während der verschwommenen Mischung aus Spritzen und politischer Therapie, hatte er begriffen, wie wertvoll die Angst sein konnte. Manchmal war nur noch die Angst real gewesen.

Am Hals hatte der khampa tiefe Narben, die von einer Klinge stammten. Als er das Wort ergriff, verzog er kalt und verächtlich den Mund. »Oberst Tan, haben die gesagt«, brummte er und schaute sich beifallheischend um. »Niemand hat mir erzählt, daß dies hier Tans Bezirk ist. Der größte Hurensohn in dieser Armee voller Hurensöhne.«

Einen Moment lang schien es, als hätte niemand ihm zugehört, dann beugte sich plötzlich eine der Wachen vor und hieb dem Mann den Schlagstock gegen die Schienbeine. Das Gesicht des khampa verwandelte sich kurz in eine schmerzverzerrte Grimasse und ging dann in ein boshaftes Lachen über, während der Mann eine kleine Drehbewegung in Shans Richtung machte, als hielte er ein Messer in der Hand. Mit einstudiertem Desinteresse schloß Shan die Augen.

Die Klappe wurde am Heck des Lasters festgezurrt, und der Wagen setzte sich in Bewegung. Auf der dunklen Ladefläche erhob sich ein leises Murmeln. Es war kaum zu hören, so wie das Rauschen eines weit entfernten Flusses. Während der dreißigminütigen Fahrt zum Lager saßen die Wachen in den Führerhäusern der Fahrzeuge, und die Häftlinge waren unter sich. Die Erschöpfung des Trupps war beinahe zu greifen. Sie glich einem müden Grauschleier, der sich wie eine dämpfende Watteschicht über die Rückfahrt legte. Aber sie entband die Männer nicht von ihren Gelübden.

Nach drei Jahren war Shan inzwischen in der Lage, die malas, die Gebetsketten der Männer, am Geräusch auseinanderzuhalten. Der Mann links von ihm ließ eine Schnur mit Knöpfen durch die Finger gleiten. Die unerlaubte mala zu seiner Rechten hatte man aus Fingernägeln gefertigt. Das Prinzip war weit verbreitet: Man ließ seine Nägel wachsen, schnitt sie ab und sammelte sie auf einem Faden, den man aus einer Decke gezogen hatte, bis die erforderliche Anzahl von hundertacht Exemplaren erreicht war. Manche Rosenkränze bestanden nur aus Knoten in einem solchen Faden und bewegten sich geräuschlos durch die schwieligen Hände. Andere Häftlinge hatten Melonenkerne benutzt und ihre malas dadurch zu begehrten Objekten gemacht, die sorgsam gehütet werden mußten, weil andere Gefangene, vor allem die Neuankömmlinge, mehr auf die Rituale des Überlebens als auf die Rituale Buddhas bedacht waren. Sie würden solche Gebetsketten einfach aufessen.

Mit jedem Kern oder Fingernagel, Knoten oder Knopf sagte ein Priester das uralte Mantra auf: Om mani padme hum. O Juwel in der Lotusblüte, die Anrufung des mitfühlenden Buddhas. Kein Geistlicher würde sich auf seine Schlafstelle niederlassen, bevor er nicht sein tägliches Soll von mindestens einhundert Umläufen hinter sich gebracht hatte.

Die Litanei wirkte wie ein Balsam auf Shans müde Seele. Die Priester und ihre Mantras hatten sein Leben verändert. Sie hatten es ihm ermöglicht, den Schmerz der Vergangenheit hinter sich zu lassen und nicht mehr zurückzublicken. Zumindest meistens. Das müsse genau untersucht werden, hatte er zu Chang gesagt. Die Worte hatten ihn selbst weitaus mehr überrascht als den Leutnant. Die Macht der Gewohnheit.

Als die Müdigkeit ihn zu übermannen drohte, stieg plötzlich ein Bild vor ihm auf. Ein kopfloser Körper saß aufrecht da und spielte mit einem goldenen Feuerzeug herum. Die Gestalt bemerkte ihn und streckte ihm zögernd das Feuerzeug entgegen. Auf einmal wurde ihm die Luft knapp. Keuchend riß er die Augen auf.

Nicht der khampa beobachtete ihn, sondern ein älterer Mann, der einzige Sträfling mit einem echten Rosenkranz, einer antiken mala aus Jadeperlen, die sie vor einigen Monaten zufällig gefunden hatten. Der Mann, der sie benutzte, saß schräg gegenüber von Shan neben Trinle auf der Bank hinter dem Führerhaus. Sein Gesicht war glatt wie ein runder Pflasterstein, abgesehen von der gezackten Narbe an der linken Schläfe, wo ihn vor dreißig Jahren ein Rotgardist mit einer Hacke angegriffen hatte. Choje Rinpoche war der kenpo, der Abt vom Kloster Nambe gewesen, einem der vielen tausend Klöster, das die Chinesen zerstört hatten. Jetzt war er kenpo der 404. Baubrigade des Volkes.

Während Choje genau wie die anderen seine Perlen abzählte, ohne das Schlingern des Wagens zu beachten, ließ Trinle ein kleines Objekt in seinen Schoß fallen, das in ein Stück Stoff gewickelt war. Choje senkte die Gebetskette und wickelte den Gegenstand langsam aus. Es handelte sich um einen Stein, auf dem ein rostfarbener Fleck zu sehen war. Der alte Lama nahm ihn ehrfurchtsvoll und musterte ihn von allen Seiten, als läge darin eine Erkenntnis verborgen. Als er das Geheimnis erkannte, legte sich eine große Traurigkeit über sein Antlitz. Der Stein war von getrocknetem Blut überzogen. Choje schaute auf und blickte abermals zu Shan herüber. Dann nickte er ernst, als wolle er Shans schlimme Vorahnung bestätigen. Der Mann mit den amerikanischen Jeans hatte dort, mitten auf ihrer Straße, seine Seele verloren. Die Buddhisten würden sich weigern, die Arbeit an diesem Berg fortzusetzen.

Als die Lastwagen im Innern des Lagers anhielten, verschwanden die Rosenkränze. Signalpfeifen ertönten, und die Planen wurden losgeschnürt. Durch das graue Licht der Abenddämmerung trotteten die Gefangenen schweigend in die flachen Holzbaracken, in denen sie untergebracht waren, und kamen gleich darauf wieder mit ihren Blechschalen zum Vorschein, die jedem der Männer zugleich als Waschbecken, Eßteller und Teetasse dienten. Sie reihten sich auf einer Seite der Kochhütte auf, um sich ihre Näpfe mit Gerstenbrei füllen zu lassen, und standen dann essend im Freien herum. Mit dem warmen Brei im Magen wurden sie wieder etwas munterer. Wortlos nickten sie einander zu und lächelten sich erschöpft an. Falls jemand ein Wort sagte, würde man ihn im Stall übernachten lassen.

Nachdem sie wieder in der Unterkunft waren, hielt Trinle den neuen Häftling auf, als dieser den Raum durchquerte. »Hier nicht«, sagte der Mönch und wies auf ein Rechteck, das man mit Kreide auf den Boden gezeichnet hatte.

Der drahtige khampa, für den die unsichtbaren Altäre der Sträflingsbaracken offenbar nichts Neues bedeuteten, zuckte die Achseln und ging um das Rechteck herum zu einem freien Bett in der Ecke des Raums.

»Neben der Tür«, sagte Trinle leise. Er sprach stets im gleichen bedächtigen Tonfall, als würde er jeden wachen Moment seines Daseins ehrfürchtig verfolgen. »Dein Bett ist neben der Tür«, wiederholte er und bot sich an, die Sachen des Mannes zu tragen.

Der Mann schien ihn nicht gehört zu haben. »Bei Buddhas heiligem Atem!« keuchte er und schaute auf Trinles Hände. »Wo sind deine Daumen?«

Trinle blickte zu seinen Händen hinunter. »Ich habe keine Ahnung«, sagte er mit einem Anflug von Neugier, als hätte er noch nie über diese Frage nachgedacht.

»Diese Schweinehunde. Die haben dir das angetan, nicht wahr? Damit du deine Gebetskette nicht benutzen kannst.«

»Ich komme dennoch zurecht«, erwiderte Trinle. »Neben der Tür.«

»Hier sind aber zwei freie Betten«, entgegnete der Mann. Er war kein Priester. Er lehnte sich auf dem Strohlager zurück, als würde er Trinle herausfordern, ihn eigenhändig von dort zu vertreiben. Die Leute aus Kham waren die entschlossensten Widerstandskämpfer gewesen, die sich je gegen die Volksbefreiungsarmee erhoben hatten. Noch immer wurden manche von ihnen in den entlegenen Gebirgsregionen wegen angeblicher Sabotageakte verhaftet. Außerhalb ihres Gebiets war es den khampas der südlichen Stämme, die sich noch lange nach der Unterwerfung des restlichen Tibets gegen die Armee gewehrt hatten, weiterhin verboten, eine Waffe zu besitzen. Sogar die Klingen ihrer Messer durften nicht länger als zwölf Zentimeter sein.

Der Mann zog einen seiner abgerissenen Stiefel aus und holte mit großer Geste ein Stück Papier aus seiner Tasche. Es war ein Blatt aus einem der Kontrollbücher der Wachen, die manchmal vom Wind aufgeschlagen wurden. Mit übertrieben breitem Grinsen hielt er es empor und schob es als zusätzliche Wärmedämmung in seinen Stiefel. Für das Leben in der 404ten waren selbst winzigste Siege von Bedeutung.

Während er sich die Lumpen, die ihm als Socke dienten, erneut um den Fuß wickelte, musterte der Neuankömmling seine Zellengenossen. Shan hatte diese gleichbleibende Prozedur schon weitaus öfter mit angesehen, als er zählen konnte. Jeder neue Gefangene hielt zuerst nach dem Oberpriester Ausschau, dann nach den Schwachen, die keinen Ärger machen würden. Er suchte nach denen, die bereits aufgegeben hatten, und nach denen, die vielleicht Spitzel waren. Der erste Punkt auf dieser Liste war schnell abgehakt. Der Blick des khampa richtete sich sofort auf Choje, der neben einem der mittleren Betten im Lotussitz auf dem Boden saß und noch immer den Stein in seiner Hand betrachtete. Niemand in der Hütte, ja sogar niemand in der gesamten lao gai-Brigade strahlte eine solche Gelassenheit aus.

Einer der jungen Mönche holte ein paar Blätter aus der Tasche. Sie stammten von dem Unkraut, das auf den Berghängen wuchs. Trinle zählte die Blätter ab und verteilte sie, so daß jeder Gefangene eines davon erhielt. Die Mönche nahmen ihr jeweiliges Blatt feierlich entgegen und flüsterten ein Mantra des Danks für den Mann, der turnusgemäß an der Reihe gewesen war, für das Sammeln der Pflanzen eine Bestrafung zu riskieren.

Trinle drehte sich wieder zu dem khampa um, der inzwischen auf seinem Blatt kaute. »Es tut mir leid«, sagte er. »Shan Tao Yun schläft dort.«

Der khampa wandte sich zur Seite und richtete seinen Blick auf Shan, der neben Choje auf dem Boden saß.

»Der Reisfresser?« stieß er verächtlich hervor. »Kein khampa läßt sich von einem verdammten Reisfresser Vorschriften machen.« Er lachte und schaute sich um. Niemand fiel in das Gelächter ein.

Das Schweigen schien ihn noch weiter anzustacheln. »Sie haben unser Land gestohlen. Sie haben unsere Klöster gestohlen. Unsere Eltern. Unsere Kinder«, rief er und musterte die Mönche mit wachsender Ungeduld.

Die Mönche sahen einander unangenehm berührt an. Der Haß in der Stimme des Mannes war wie ein ungebetener Gast in ihrer Baracke.

»Und das war erst der Anfang, um ihnen die Zeit zu verschaffen, die wirkliche Aufgabe in Angriff zu nehmen. Jetzt stehlen sie uns unsere Seelen. Sie schicken ihre Leute in unsere Städte, in unsere Täler, in unsere Berge. Sogar in unsere Gefängnisse. Um uns zu vergiften. Um uns wie sie werden zu lassen. Unsere Seelen verkümmern. Unsere Gesichter verschwinden. Jeder von uns wird zu einem Niemand.«

Er fuhr plötzlich herum und schaute zu den gegenüberliegenden Betten herüber. »In meinem letzten Lager ist es passiert. Sie haben alle ihre Mantras vergessen. Eines Tages sind sie aufgewacht, und ihr Gedächtnis war leer. Kein einziges Gebet war mehr da.«

»Sie werden die Gebete niemals aus unseren Herzen reißen können«, sagte Trinle und warf Shan einen besorgten Blick zu.

»Verdammt! Sie reißen uns das Herz gleich mit heraus. Also kann niemand weiterkommen, niemand erreicht mehr Buddha. Es geht immer nur abwärts, von einer Lebensform in eine niedere Gestalt. Im letzten Lager haben sie einen alten Mönch mit Politik vollgestopft. Eines Morgens wachte er auf und stellte fest, daß er als Ziege wiedergeboren worden war. Ich habe ihn gesehen. Die Ziege hat sich in die Warteschlange zum Essen fassen eingereiht, und zwar genau an der Stelle, an der sonst der alte Priester gestanden hat. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Es war so, wie ich euch sage. Eine Ziege. Die Wachen haben ihn mit dem Bajonett niedergestochen und ihn dann direkt vor unseren Augen auf einem Spieß gebraten. Am nächsten Tag haben sie einen Eimer Scheiße von der Latrine mitgebracht und gesagt: Seht nur, was jetzt aus ihm geworden ist.«

»Du brauchst die Chinesen gar nicht, um vom Weg abzukommen«, sagte Choje. »Allein dein Haß wird völlig dafür ausreichen.« Seine Stimme war sanft und fließend, wie Sand, der auf einen Stein rieselte.

Der khampa zuckte zurück. Aber der wilde Zorn lag weiterhin in seinem Blick. »Ich werde nicht als verdammte Ziege aufwachen. Vorher bringe ich jemanden um«, sagte er und starrte erneut wütend zu Shan herüber.

»Shan Tao Yun wurde herabgesetzt«, erklärte Trinle ruhig. »Er wird morgen in sein Bett zurückkehren.«

»Herabgesetzt?« spottete der khampa höhnisch.

»Das ist eine der Strafen«, erwiderte Trinle. »Hat dir niemand das System erläutert?«

»Die haben mich aus dem Wagen gestoßen und mir eine Schaufel in die Hand gedrückt.«

Trinle nickte einem der jungen Mönche zu, die in der Nähe saßen. Eines der Augen des Mannes war milchigweiß. Er ließ sofort seine Gebetskette sinken und nahm zu Füßen des khampa Platz.

»Wenn du eine der Regeln des Direktors brichst, schickt er dir ein sauberes Hemd«, erklärte der Mann. »Du hast vor ihm zu erscheinen. Falls du Glück hast, wirst du herabgesetzt. Das bedeutet die sofortige Aberkennung von allem, das dir Bequemlichkeit verschafft, abgesehen von den Kleidern, die du am Leib trägst. Die erste Nacht verbringst du draußen, in der Mitte des Antreteplatzes. Falls gerade Winter ist, wirst du in jener Nacht deinen Körper verlassen.«

Während seiner drei Jahre hatte Shan sechs dieser Fälle gesehen, die wie Altarstatuen weggetragen wurden, steif gefroren im Lotussitz, die provisorische Gebetskette fest umklammert.

»Falls nicht Winter ist, darfst du am nächsten Tag in den Schutz deiner Baracke zurückkehren. Am folgenden Tag bekommst du deine Stiefel wieder. Dann deinen Mantel. Danach deine Blechschale. Dann die Decke, den Strohsack und schließlich das Bett.«

»Du hast gesagt, das sind diejenigen, die Glück haben. Was ist mit den anderen?«

Der junge Priester unterdrückte ein Schaudern. »Der Direktor schickt sie zu Oberst Tan.«

»Der berühmte Oberst Tan«, murmelte der khampa und schaute unvermittelt auf. »Wieso ein sauberes Hemd?«

»Der Direktor ist ein anspruchsvoller Mann.« Der Priester blickte zu Trinle, als sei er unsicher, was er als nächstes sagen sollte. »Manchmal werden diejenigen, die gehen, an einen anderen Ort geschickt.«

Der khampa schnaubte wütend, als er die verborgene Bedeutung der Worte des Priesters erkannte, und umkreiste dann argwöhnisch Shan. »Er ist ein Spion. Ich kann es riechen.«

Trinle seufzte, nahm die Sachen des khampa und trug sie zu dem freien Bett neben der Tür. »Diese Pritsche hat einem alten Mann aus Shigatse gehört. Dank Shan ist er hier herausgekommen.«

»Vermutlich hat er sich für die Viererwahl entschieden.«

»Nein. Er wurde freigelassen. Sein Name war Lokesh. Unter der Regierung des Dalai Lama war er Steuereintreiber gewesen. Und nach fünfunddreißig Jahren rufen sie ihn plötzlich auf und öffnen das Tor.«

»Du sagst, dieser Reisfresser hat das bewirkt?«

»Shan hat einige Worte der Macht auf ein Banner geschrieben«, schaltete Choje sich ein und nickte langsam.

Der khampa starrte Shan mit offenem Mund an. »Also bist du so eine Art Zauberer?« Sein Blick war nach wie vor haßerfüllt. »Wirst du denn auch für mich ein bißchen Magie anwenden, Schamane?«

Shan beachtete ihn nicht. Sein Blick war auf Chojes Hände gerichtet. Bald würde die Abendliturgie beginnen.

Trinle drehte sich mit traurigem Lächeln um. »Für einen Zauberer kann unser Shan ganz gut Steine schleppen«, seufzte er.

Der khampa murmelte etwas Unverständliches vor sich hin und schleuderte seinen Stiefel zu dem Bett neben der Tür. Er gab nicht wegen des Chinesen nach, sondern wegen der Priester. Um keinen Zweifel daran bestehen zu lassen, wandte er sich an Shan. »Leck mich am Arsch, du Scheißkerl«, grunzte er. Als niemand davon Notiz nahm, kam ihm unversehens eine Idee. Er ging zu Shans nackter Holzpritsche, öffnete die Schleife des Stricks, der um seine Taille geschlungen war, und urinierte auf die Bretter.

Niemand sagte etwas.

Choje stand langsam auf und fing an, die Pritsche mit seiner eigenen Decke zu säubern.

Das siegessichere Strahlen verschwand vom Gesicht des khampa. Er fluchte leise, drängte dann Choje sanft beiseite, zog sein Hemd aus und beendete die Aufgabe.

Vor zwei Jahren war schon einmal ein khampa in ihrer Baracke gewesen, ein kleiner Hirte mittleren Alters, den man eingesperrt hatte, weil er sich nicht bei einer der landwirtschaftlichen Kooperativen anmelden wollte. Nachdem seine Familie einer Patrouille in die Hände gefallen war, hatte er fast fünfzehn Jahre allein gelebt und war schließlich nach dem Tod seines Hundes in eine Stadt im Tal gewandert. Shan hatte noch nie zuvor jemanden gesehen, dessen Verhalten so viel Ähnlichkeit mit dem eines eingesperrten Tiers aufwies. Unstet lief er in der Hütte umher wie ein Bär in einem Käfig. Immer wenn er Shan ansah, glich sein Gesicht einer kleinen, vor Wut geballten Faust.

Aber der kleine khampa liebte Choje wie einen Vater. Als einer der Offiziere, der wegen seiner Vorliebe für den Schlagstock nur Leutnant Knüppel genannt wurde, seinen Stock gegen Choje erhob, weil dieser eine volle Schubkarre umgeworfen hatte, sprang der khampa auf den Rücken des Offiziers, prügelte auf ihn ein und verfluchte ihn. Knüppel lachte und tat so, als würde er ihn gar nicht bemerken. Als der khampa eine Woche später aus dem Stall freigelassen wurde, hinkte er, weil sie irgend etwas mit seinem Knie angestellt hatten. Sobald er in der Baracke war, riß er Streifen von seiner Decke ab und fing an, auf der Innenseite seines Hemds Taschen anzunähen. Trinle und die anderen sagten ihm, daß der Gedanke an eine Flucht durch die Berge völlig sinnlos sei, selbst wenn es ihm gelingen würde, in seinen neuen Taschen genug Nahrung für mehrere Tage anzusammeln.

Eines Morgens, nachdem er die Arbeit an seinen Taschen beendet hatte, bat er Choje um einen besonderen Segen. An ihrer Arbeitsstätte am Berg begann er, die Taschen mit Steinen zu füllen. Er arbeitete immer weiter und sang dabei ein altes Hirtenlied, bis Leutnant Knüppel irgendwann am Rand der Klippe stand. Der khampa zögerte keine Sekunde und griff an. Er stürzte sich auf Knüppel, schlang Arme und Beine um den Offizier und schaffte es dank des zusätzlichen Gewichts, sie beide über die Kante in die Tiefe zu befördern.

Auf einmal ertönte die Nachtglocke. Die einzelne nackte Glühlampe, die den Raum erhellte, wurde ausgeschaltet. Ab jetzt waren keine Gespräche mehr erlaubt. Ganz allmählich, wie ein Grillenchor, der die Nacht für sich beansprucht, erfüllte das gleichmäßige Klicken der Gebetsketten die Hütte.

Einer der jungen Mönche schlich zur Tür, um dort Wache zu halten. Aus einem Versteck unter einem losen Brett holte Trinle zwei Kerzen hervor, zündete sie an und stellte sie zu beiden Seiten des Rechtecks aus Kreide auf. Eine dritte wurde vor Choje hingestellt, doch die Flamme war so schwach, daß sie nicht einmal das Gesicht des kenpo erhellte. Seine Hände erschienen im Licht und begannen die abendliche Unterweisung. Es war ein Gefängnisritual, das ohne Worte und ohne Musik stattfand, genau wie viele andere Prozeduren, die in den vergangenen vier Jahrzehnten von den buddhistischen Mönchen entwickelt worden waren, seit man begonnen hatte, die Priester in chinesische Gefängnisse zu stecken.

Zuerst kamen die Opfer vor dem unsichtbaren Altar. Choje legte die Handflächen aneinander und streckte sie vor. Seine Zeigefinger rollten sich unter den Daumen zusammen. Das war das Zeichen für argham, Wasser für das Gesicht. Viele der mudras, der Handsymbole zur Konzentration der inneren Kraft, kannte Shan noch immer nicht, aber Trinle hatte ihm die Opferzeichen beigebracht. Die beiden kleinen Finger von Chojes körperlosen Händen zogen sich zwischen die Handflächen zurück, und die Hände zeigten nach unten. Padyam. Wasser für die Füße. Langsam, anmutig und mit Geschick vollführte Choje die Gesten, um Weihrauch, Wohlgerüche und Nahrung zu opfern. Schließlich legte er die Fäuste aneinander und streckte die Daumen senkrecht nach oben wie Dochte, die aus einer Schale Butter ragten. Das war aloke. Die Lampen.

Von draußen unterbrach ein langgezogenes schmerzerfülltes Stöhnen die Stille. Ein Mönch in der Nachbarhütte starb an irgendeiner inneren Krankheit.

Chojes Hände deuteten auf den unsichtbaren Kreis der Gläubigen und fragten sie, was sie zur Lobpreisung der inneren Gottheit mitgebracht hatten. Ein Paar daumenloser Hände erschien im Licht. Ihre Zeigefinger berührten sich an den Spitzen, die anderen Finger waren verschränkt. Leises beifälliges Murmeln erfüllte den Raum. Das war der goldene Fisch, ein Opfer, um Glück zu erbitten. Weitere Hände tauchten auf, nachdem jeweils genug Zeit verstrichen war, um stumm das Widmungsgebet zu rezitieren, das mit der vorigen Opfergabe einherging. Die Muschelschale, das Schatzkästchen, der verschlungene Knoten, die Lotusblume. Jetzt war Shan an der Reihe. Er zögerte, dann streckte er den linken Zeigefinger nach oben und bedeckte ihn mit der flachen rechten Hand. Der weiße Schirm, ein weiteres Gebet, das um Glück bat.

Es folgte ein leises und ungewöhnliches Geräusch, das wie das Rascheln von Federn klang. Es war inzwischen fester Bestandteil von Shans Nächten geworden und stammte von einem Dutzend Männern, die mit ihren Lippen stumme Mantras formten. Chojes Hände kehrten für die Predigt in den Lichtkreis zurück. Er begann mit einer Geste, die Shan noch nicht oft gesehen hatte, und hob die rechte Hand, so daß Handfläche und Finger nach oben wiesen. Das mudra zur Vertreibung der Angst. Ein unruhiges Schweigen legte sich über den Raum. Einer der jungen Mönche schluckte vernehmlich, als sei ihm plötzlich klargeworden, daß gerade etwas äußerst Wichtiges passierte. Dann veränderten die Hände ihre Haltung und verschränkten sich, während die Mittelfinger weiter nach oben wiesen. Das mudra namens Diamant des Verstands, das Reinigung und Klarheit der Entschlußkraft erflehte. Dies war die Predigt. Die Hände veränderten sich nicht. Sie verharrten regungslos, als seien sie aus fahlem Granit gemeißelt, während die Gläubigen sie nachdenklich betrachteten. Die Botschaft hätte nicht deutlicher sein können, wenn Choje sie lauthals von einem Berggipfel verkündet hätte. Der Schmerz war irrelevant, sagten die Hände. Die Felsen, die Blasen, die gebrochenen Knochen waren belanglos. Denk an dein Ziel. Ehre deinen inneren Gott.

An Klarheit fehlte es Shan nicht. Gründlicher als alle Lehrer zuvor hatte Choje ihm beigebracht, wie man sich sammelte. Während der langen Wintertage, wenn der Direktor sie im Lager behielt – nicht etwa aus Sorge um die Gefangenen, sondern weil er befürchtete, Wachen zu verlieren –, hatte Choje ihm zu einer außergewöhnlichen Erkenntnis verholfen. Um ein Untersuchungsbeamter zu sein, was der einzige Beruf war, den Shan in der Zeit vor dem Gulag jemals ausgeübt hatte, mußte man eine gequälte Seele besitzen. Ein guter Ermittler konnte keinen Glauben haben. Alles war verdächtig, alles war vergänglich, bewegte sich von unerwiesenen Behauptungen zu Fakten zu Ursachen zu Wirkungen zu neuen Geheimnissen. Es konnte keinen Frieden geben, denn nur der Glaube brachte Frieden. Nein, an Klarheit mangelte es ihm ganz bestimmt nicht. In Augenblicken wie diesem, wenn dunkle Vorahnungen schwer auf ihm lasteten und sein früheres Leben wie eine Ankerkette an ihm zerrte, fehlte ihm vor allem eines: ein innerer Gott.

Er sah, daß dort unterhalb von Chojes Händen etwas auf dem Boden lag. Der blutige Stein. Shan erschrak, denn auf einmal wurde ihm klar, daß er und Choje an die gleiche Angelegenheit dachten. Der Abt rief seinen Priestern deren Pflicht ins Gedächtnis. Shans Mund wurde trocken. Er wollte laut protestieren und sie anflehen, sich wegen eines toten Ausländers nicht selbst zu gefährden, aber das mudra ließ ihn wie unter einem Zauberbann schweigen.

Shan schloß die Augen, es gelang ihm jedoch nicht, sich auf Chojes Botschaft zu konzentrieren. Bei jedem Versuch stieg ein anderes Bild vor ihm auf. Immer wieder sah er das goldene Feuerzeug, das dort hundertfünfzig Meter über dem Talgrund lag. Und den toten Amerikaner, der ihm in seinem düsteren Tagtraum ein Zeichen gegeben hatte.

Plötzlich ertönte von der Tür her ein leises Pfeifen. Die Kerzen wurden gelöscht, und kurz darauf ging das Deckenlicht an. Ein Wachposten riß die Tür auf und trat in die Mitte des Raums. In seiner Armbeuge lag der Stiel einer Spitzhacke. Hinter ihm folgte Leutnant Chang. Mit gespielter Feierlichkeit streckte Chang höhnisch ein Kleidungsstück vor sich aus, so daß alle Gefangenen es erkennen konnten. Es war ein sauberes Hemd. Ruckartig hielt er es nacheinander in die Richtung mehrerer Männer, als würde er einen Scheinangriff mit einer Klinge führen, und lachte dabei. Dann schleuderte er es plötzlich Shan entgegen, der auf dem Boden der Hütte lag.

»Morgen früh«, brüllte er und marschierte hinaus.

Als Sergeant Feng ihn am nächsten Morgen durch den Drahtverhau begleitete, blies Shan ein eiskalter Wind ins Gesicht. Die 404te war heftigen Wind gewohnt. Ihr Lager befand sich am Fuß der nördlichsten Kette der Drachenklauen, einer gewaltigen Felswand, die hinter den Baracken beinahe senkrecht emporstieg. Die Aufwinde rissen manchmal die Dächer von den Hütten, und die Fallwinde ließen bisweilen Geröll auf sie niederprasseln.

»Bereits herabgesetzt«, sagte Sergeant Feng leise, als er das Tor hinter ihnen abschloß. »Niemand, der bereits herabgesetzt war, hat je das Hemd erhalten.« Er war ein kleiner, massiger Stier von einem Mann, mit dickem Bauch und breiten Schultern. Die vielen Jahre als Wachposten in Sonne, Wind und Schnee hatten seine Haut so ledrig wie die der Gefangenen werden lassen. »Alle warten. Und schließen Wetten ab«, fügte Feng mit trockenem Krächzen hinzu, bei dem es sich nach Shans Ansicht wohl um ein Lachen handeln mußte.

Shan wollte sich dazu zwingen, ihm nicht zuzuhören, nicht an den Stall zu denken, sich nicht an Zhongs rasenden Zorn zu erinnern.

Diesmal hatte Zhong seine Gereiztheit unter Kontrolle. Aber das hämische Grinsen, mit dem der Direktor ihn umkreiste, ängstigte Shan mehr als der erwartete Wutanfall. Er faßte sich an den rechten Oberarm, der in Zhongs Gegenwart oft zu zucken begann. Bei einer früheren Gelegenheit hatten sie dort Batteriedrähte angebracht.

»Falls er sich die Mühe gemacht hätte, mit mir Rücksprache zu halten, hätte ich ihn gewarnt«, sagte Zhong in dem flachen nasalen Tonfall der Provinz Fujian. »Jetzt wird er selbst herausfinden müssen, was für ein verfluchter Unruhestifter du bist.« Zhong nahm ein Blatt Papier von seinem Schreibtisch, las es und schüttelte ungläubig den Kopf. »Parasit«, zischte er und hielt dann inne, um das Blatt zum Zeichen der Kenntnisnahme mit seiner Unterschrift zu versehen.

»Es wird nicht lange dauern«, sagte er und schaute erwartungsvoll auf. »Ein falscher Schritt, und du wirst mit bloßen Händen Steine brechen. Bis du tot bist.«

»Ich strebe ständig danach, das in mich gesetzte Vertrauen des Volkes zu rechtfertigen«, sagte Shan, ohne mit der Wimper zu zucken.

Die Worte schienen dem Direktor zu gefallen. Ein seltsamer Schimmer legte sich auf sein Gesicht. »Tan wird dich bei lebendigem Leibe auffressen.«

Sergeant Feng sah ganz ungewohnt aus. Er wirkte nahezu fröhlich. Eine Fahrt nach Lhadrung, dem alten Marktflecken, der als Bezirkshauptstadt diente, war für die Wachen der 404ten ein seltenes Vergnügen. Er machte Witze über die alten Frauen und Ziegen, die vom Straßenrand flüchteten, weil der Geländewagen ihnen Angst einjagte. Er schälte einen Apfel, teilte ihn sich mit dem Fahrer und ignorierte Shan, der eingezwängt zwischen den beiden saß. Mit boshaftem Grinsen beförderte er mehrmals den Schlüssel zu Shans Handschellen von einer Tasche in die nächste.

»Es heißt, der Vorsitzende persönlich habe dich hergeschickt«, sagte der Sergeant schließlich, als die niedrigen, flachen Gebäude der Stadt in Sicht kamen.

Shan antwortete nicht. Er beugte sich vor und versuchte, die Aufschläge seiner Hose hochzukrempeln. Irgend jemand hatte eine ausgebeulte, viel zu große graue Hose und eine schäbige Soldatenjacke gebracht, die er anziehen sollte. Dann hatten sie ihn sich mitten im Büro umziehen lassen. Alle hatten in ihrer Arbeit innegehalten und ihn angestarrt.

»Ich meine, warum sonst sollte man dich bei denen einsperren?«

Shan richtete sich auf. »Ich bin nicht der einzige Chinese.«

Feng grunzte, als fände er den Gedanken amüsant. »Ja, sicher. Echte Musterbürger, jeder einzelne. Jilin hat zehn Frauen ermordet. Die Öffentliche Sicherheit hätte ihm eine Kugel in den Kopf gejagt, wäre sein Onkel nicht Parteisekretär gewesen. Der Typ aus Gruppe Sechs hat die Sicherheitsausrüstung von einer Bohrinsel gestohlen, um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Es gab einen Sturm, und fünfzig Männer sind ums Leben gekommen. Für ihn wäre eine Kugel viel zu gnädig gewesen. Alles Sonderfälle, ihr aus der Heimat.«

»Jeder Gefangene ist ein Sonderfall.«

Feng grunzte erneut. »Leute wie du, Shan, werden schon aus reiner Gewohnheit eingesperrt.« Er stopfte sich zwei Scheiben Apfel in den Mund. Momo gyakpa nannte man ihn hinter seinem Rücken, Fettkloß, weil sein Bauch so rund war und er das Essen immer so gierig verschlang.

Shan wandte sich ab. Sein Blick richtete sich auf die weiten Heideflächen und Hügel, die sich wie ein wogendes Gewässer bis zum hohen, schneebedeckten Gebirge erstreckten. Bei diesem Anblick hätte man fast der Täuschung erliegen können, eine Flucht wäre tatsächlich möglich. Aber die Flucht würde immer eine Illusion bleiben, solange man keinen Ort hatte, an den man fliehen konnte.

Spatzen huschten über die Heide. Bei der 404ten gab es keine Vögel. Nicht alle Gefangenen hatten so viel Respekt vor dem Leben. Sie aßen jeden Krümel, jedes Saatkorn und beinahe jedes Insekt. Voriges Jahr war ein Kampf um ein Rebhuhn ausgebrochen, das der Wind über den Zaun getrieben hatte. Der Vogel war in letzter Sekunde entkommen und hatte zwei der Männer mit jeweils einer Handvoll Federn hinter sich gelassen. Sie hatten die Federn gegessen.

Das viergeschossige Haus, in dem die Regierung des Bezirks Lhadrung untergebracht war, hatte eine bröckelnde Fassade und dreckige Fenster, die im Wind klapperten. Feng stieß Shan die Treppe bis ins oberste Stockwerk empor, wo eine kleine grauhaarige Frau sie zu einem Warteraum brachte. Der Raum verfügte über ein einzelnes großes Fenster sowie an beiden Enden über je eine Tür. Wie ein neugieriger Vogel musterte die Frau Shan mit geneigtem Kopf und erteilte Feng eine scharfe Anweisung. Der Sergeant zuckte zusammen, nahm Shan mürrisch die Handschellen ab und zog sich dann auf den Gang zurück.

»Ein paar Minuten«, verkündete sie und nickte in Richtung der Tür am anderen Ende. »Ich könnte dir einen Tee bringen.«

Shan schaute sie verblüfft an und wußte, daß er sie eigentlich auf ihren Irrtum hinweisen sollte. Er hatte seit drei Jahren keinen echten grünen Tee mehr getrunken. Sein Mund öffnete sich, aber kein Laut drang daraus hervor. Die Frau lächelte und verschwand hinter der nahen Tür.

Plötzlich war er allein. Die unerwartete Einsamkeit überwältigte ihn. Der inhaftierte Dieb befand sich plötzlich allein in einer Schatzkammer. Denn die Einsamkeit war während der Jahre in Peking sein eigentliches Vergehen gewesen, für das ihn allerdings nie jemand angeklagt hatte. Fünfzehn Jahre Abkommandierung fern der eigenen Frau, eine eigene Wohnung im Viertel der Verheirateten, seine langen einsamen Spaziergänge durch die Parks, die Meditationszellen in seinem versteckten Tempel, sogar seine unregelmäßigen Arbeitszeiten hatten ihm zu einem Schatz an Privatsphäre verholfen, der für eine Milliarde seiner Landsleute völlig undenkbar gewesen wäre. Er hatte nie begriffen, wie süchtig er danach war, bis das Büro für Öffentliche Sicherheit ihm diesen Reichtum vor drei Jahren genommen hatte. Nicht der Verlust der Freiheit tat am meisten weh, sondern der Verlust der Privatsphäre.

Während einer tamzing-Sitzung bei der 404ten hatte er sich einst zu seiner Sucht bekannt. Sie sagten, falls er sich der sozialistischen Gemeinschaft nicht entzogen hätte, wäre rechtzeitig jemand dagewesen, um ihn aufzuhalten. Auf Freunde käme es nicht an. Ein guter Sozialist habe nur wenige Freunde, aber viele Beobachter. Nach der Sitzung war er in der Hütte geblieben und hatte eine Mahlzeit ausgelassen, nur um allein sein zu können. Direktor Zhong hatte ihn dort erwischt und in den Stall befördert, wo sie irgendeinen kleinen Knochen in seinem Fuß brachen und ihn zurück an die Arbeit zwangen, bevor die Verletzung heilen konnte.

Er schaute sich in dem Raum um. In einer der Ecken stand eine große Pflanze, die bis zur Decke reichte. Sie war abgestorben. Es gab einen kleinen Tisch mit blankpolierter Platte, auf dem ein Spitzendeckchen lag. Das Deckchen traf ihn völlig unvermutet. Er stand davor und spürte plötzlich diese Sehnsucht im Herzen. Dann riß er sich los und ging zum Fenster.

Von der obersten Etage aus hatte man einen guten Blick auf einen Großteil des nördlichen Tals, das im Osten von den Drachenklauen begrenzt wurde, den beiden riesigen symmetrischen Bergen, deren Ausläufer sich in östliche, nördliche und südliche Richtung erstreckten. Der Drache habe sich dort niedergelassen und dann in einen Schatten verwandelt, sagten die Leute. Nur seine Füße seien zu Stein geworden, um daran zu erinnern, daß er nach wie vor über das Tal wache. Was hatte einer der Männer gerufen, als die Leiche des Amerikaners gefunden wurde? Der Drache habe gegessen.

Shan ließ den Blick langsam über die Landschaft schweifen, bis er schließlich die niedrigen Dächer des wichtigsten Militärstützpunkts dieses Bezirks erkannte, des Lagers Jadefrühling. Es lag am anderen Ende einer mehrere Kilometer breiten Ebene, die aus windgepeitschtem Geröll und verkümmerter Vegetation bestand. Unmittelbar über dem Stützpunkt und unterhalb der Nordklaue erhob sich der niedrige Hügel, der Jadefrühling von dem umzäunten Lager der 404ten trennte.

Fast ohne nachzudenken, folgten Shans Augen dem Verlauf der Straßen, an denen er in den letzten drei Jahren gearbeitet hatte. In Tibet gab es zwei Arten von Straßen. Die Eisenstraßen waren immer zuerst an der Reihe. Die 404te hatte das Bett für einen breiten Makadamstreifen geschaffen, der von Lhasa hinter den westlichen Hügeln bis zum Lager Jadefrühling verlief. Mit Eisenstraßen waren nicht etwa Schienenstränge gemeint, denn die gab es in Tibet überhaupt nicht. Sie bezeichneten vielmehr die Trassen der Panzer, Lastwagen und Feldgeschütze der Volksbefreiungsarmee.

Die schmale braune Linie, die Shan von einer Kreuzung im Norden der Stadt bis zu den Klauen führen sah, war keine solche Straße. Sie war von weitaus schlechterer Qualität. Die Straße, die momentan von der 404ten gebaut wurde, war für Kolonisten gedacht, die sich in den Hochtälern hinter den Bergen ansiedeln würden. Pekings ultimative Waffe war schon immer die riesige Bevölkerung gewesen. Genau wie in der westlichen Provinz Xinjiang, in der viele Millionen Moslems aus den zentralasiatischen Kulturen lebten, machte Peking die einheimische tibetische Bevölkerung zu einer Minderheit im eigenen Land. Die Hälfte Tibets war an die chinesischen Nachbarprovinzen angegliedert worden. Die Zentren im Rest des Landes hatte man mit Immigranten überflutet. Endlose Lastwagenkolonnen hatten Lhasa in mehr als dreißig Jahren in eine Stadt der Han-Chinesen verwandelt. Die Straßen, die für diese Kolonnen gebaut wurden, hießen bei der 404ten Pfade der avichi, nach der achten Stufe der Hölle, die den Zerstörern des Buddhismus vorbehalten war.

Ein Summer ertönte. Shan drehte sich um und sah die vogelähnliche Frau mit einer Tasse Tee dastehen. Sie reichte ihm die Tasse, huschte dann durch die Tür am anderen Ende und verschwand in einem verdunkelten Zimmer.

Er stürzte die Hälfte des Tees in einem Schluck hinunter und ignorierte die Schmerzen, als er sich die Kehle verbrühte. Die Frau würde ihren Fehler bemerken und ihm die Tasse wieder wegnehmen. Er wollte sich an das Gefühl erinnern und in der Nacht auf seinem Bett noch einmal den Geschmack verspüren. Noch während er daran dachte, fühlte er sich erniedrigt und wurde wütend auf sich selbst. Das war ein verbreitetes Sträflingsspiel, vor dem Choje stets warnte: Man stahl sich kleine Stückchen der Welt, um in der Baracke darin zu schwelgen.

Die Frau tauchte wieder auf und bedeutete ihm, den Raum zu betreten.

Hinter einem ungewöhnlich langen, verzierten Schreibtisch, der vom Licht einer einzelnen Schwanenhalslampe erhellt wurde, saß ein Mann in einer makellosen Uniform. Nein, das war gar kein Schreibtisch, erkannte Shan, sondern ein Altar, den man in den Dienst der Regierung gestellt hatte.

Der Mann musterte Shan schweigend und zündete sich eine teure amerikanische Zigarette an. Loto gai. Camels.

Shan sah die vertraute Härte. Oberst Tans Gesicht wirkte, als hätte man es aus kaltem Feuerstein gemeißelt. Falls sie sich die Hände reichen sollten, würden Tans Finger ihm vermutlich die Knöchel abtrennen, dachte Shan.

Tan stieß den Rauch durch die Nase aus und schaute auf die Teetasse in Shans Händen, dann zu der grauhaarigen Frau. Sie drehte sich um und zog die Vorhänge auf.