William Shakespeare

Sämtliche Werke: Komödien, Tragödien, Historiendramen, Sonette & Epische Versdichtungen (Über 190 Titel in einem Buch)


Übersetzer: Wolf Graf Baudissin, Friedrich Gundolf, Franz Dingelstedt, Ferdinand Freiligrath, Karl Kraus, Friedrich Gundolf, August Wilhelm von Schlegel, Karl Simrock, Dorothea Tieck, Ludwig Tieck, Christoph Martin Wieland, Max Josef Wolff


e-artnow, 2016
Kontakt: info@e-artnow.org

ISBN 978-80-268-5421-0

Inhaltsverzeichnis

Komödien
Die Komödie der Irrungen
Der Widerspenstigen Zähmung
Die beiden Veroneser
Liebes Leid und Lust
Ein Sommernachtstraum
Der Kaufmann von Venedig
Die lustigen Weiber von Windsor
Viel Lärmen um nichts
Wie es euch gefällt
Was ihr wollt
Troilus und Cressida
Ende gut, alles gut
Maß für Maß
Perikles, Prinz von Tyrus
Cymbeline
Das Wintermärchen
Der Sturm
Die beiden edlen Vettern
Historiendramen
König Johann
König Richard II.
König Heinrich IV. Erster Teil
König Heinrich IV. Zweiter Teil
König Heinrich V.
König Heinrich VI. Erster Teil
König Heinrich VI. Zweiter Teil
König Heinrich VI. Dritter Teil
König Richard III.
König Heinrich VIII.
Tragödien
Titus Andronicus
Romeo und Julia
Julius Cäsar
Hamlet. Prinz von Dänemark
Othello
König Lear
Macbeth
Antonius und Cleopatra
Coriolanus
Timon von Athen
Versdichtungen
Sonette (Übersetzung von Max Josef Wolff)
Sonette (Übersetzung von Karl Kraus)
Venus und Adonis
Lucretia
Der Liebenden Klage
Der verliebte Pilger
Der Phönix und die Turteltaube

Die Komödie der Irrungen

Inhaltsverzeichnis

PERSONEN

ERSTER AUFZUG

ERSTE SCENE

ZWEYTE SCENE

DRITTE SCENE

ZWEYTER AUFZUG

ERSTE SCENE

ZWEYTE SCENE

DRITTE SCENE

VIERTE SCENE

FÜNFTE SCENE

DRITTER AUFZUG

ERSTE SCENE

ZWEYTE SCENE

DRITTE SCENE

VIERTE SCENE

VIERTER AUFZUG

ERSTE SCENE

ZWEYTE SCENE

DRITTE SCENE

VIERTE SCENE

FÜNFTE SCENE

SECHSTE SCENE

SIEBENDE SCENE

ACHTE SCENE

NEUNTE SCENE

ZEHNTE SCENE

FÜNFTER AUFZUG

ERSTE SCENE

ZWEYTE SCENE

DRITTE SCENE

VIERTE SCENE

FÜNFTE SCENE

SECHSTE SCENE

SIEBENDE SCENE

ACHTE SCENE

PERSONEN

Inhaltsverzeichnis


Salinus, Herzog von Ephesus.

Aegeon, ein Kauffmann von Syracus.

Antipholis von Ephesus und Antipholis von Syracus, Zwillings-Brüder und Söhne von Aegeon und Aemilia, aber einander unbekannt.

Dromio von Ephesus und Dromio von Syracus, Zwillings-Brüder und Sclaven der beyden Antipholis.

Balthasar, ein Kauffmann.

Angelo, ein Goldschmidt.

Zween andre Kauffleute.

Dr. Zwik, ein Schulmeister und Beschwörer.

emilia, Aegeons Weib, eine Abbtißin zu Ephesus.

Adriana, des Antipholis von Ephesus Weib.

Eine Courtisane.

Luciana, Ihre Schwester.

Kerkermeister, Gerichtsdiener, Trabanten, und andre stumme Personen.

Die Scene ist zu Ephesus.

ERSTER AUFZUG

Inhaltsverzeichnis

ERSTE SCENE

Inhaltsverzeichnis


Des Herzogs Palast.

Der Herzog von Ephesus, Aegeon, ein Kerkermeister, und einige vom Gefolge des Herzogs treten auf.

Aegeon.
Säume dich nicht länger, Salinus, durch den Ausspruch meines Urtheils, meinem unglüklichen Leben ein Ende zu machen.

Herzog.
Kauffmann von Syracus, sage nichts mehr zu deiner Verantwortung; ich kan zum Nachtheil des Gesezes nicht partheylich seyn. Das neuliche grausame Verfahren euers Herzogs gegen einige Kauffleute, unsre getreue Unterthanen, welche, weil sie nicht Gold genug hatten ihr Leben loszukaufen, sein strenges Gesez mit ihrem Blute besiegelt haben, schließt alles Erbarmen aus unsern dräuenden Bliken aus. Denn seitdem diese verderbliche Zwietracht zwischen deinen aufrührischen Landsleuten und uns ausgebrochen, ist in der allgemeinen Versammlung des Volks, sowol von den Syracusern als von uns, beschlossen worden, keine Handlung noch Gemeinschaft zwischen unsern feindseligen Städten zu erlauben; noch mehr, welcher gebohrne Epheser sich auf den Märkten und Jahrsmessen von Syracus betreten läßt, der stirbt; und hinwieder, welcher gebohrne Syracuser in der Bay von Ephesus gefunden wird, der stirbt, und seine Güter werden zu Handen des Staats eingezogen; es sey dann, daß er tausend Mark zu seinem Lösegeld bezahlen könne. Nun belauft sich alles was du hast, nach der äussersten Schazung, kaum auf hundert Mark; du bist also nach dem Geseze zum Tode verdammt.

Aegeon.
Mein Trost ist, daß die Vollziehung euers Worts noch vor Sonnen-Untergang auch meinen Unglüks-Fällen ein Ende machen wird.

Herzog.
Gut, Syracuser, erzähl' uns kürzlich die Ursache, warum du deine väterliche Heimath verlassen hast, und warum du hieher nach Ephesus gekommen bist.

Aegeon.
Eine schwerere Verrichtung könnte mir nicht auferlegt werden, als daß ich von meinem unaussprechlichen Kummer reden soll. Jedoch, damit die Welt erkenne, daß der natürliche Lauf der menschlichen Zufälle, und nicht irgend ein scheußliches, die Rache der Götter aufforderndes Verbrechen, mir dieses unglükliche Ende zuzieht; so will ich sagen, was mein Schmerz mir zu sagen Vermögen lassen wird. Zu Syracus ward ich gebohren, und mit einem Weibe vermählt, die mich glüklich machte, und es durch mich selbst gewesen wäre, wenn ein feindseliges Schiksal die Dauer unsrer Glükseligkeit gestattet hätte. Mit ihr lebt' ich vergnügt; mein Vermögen nahm durch beglükte Reisen zu, die ich häuffig nach Epidamnum machte; bis der Tod meines Factors, und die Sorge für meine Güter, die dadurch ohne Aufsicht gelassen worden, mich aus den Umarmungen meiner Gattin riß. Ich war noch nicht volle sechs Monat von ihr entfernt, als sie (obgleich zu einer Zeit, da sie unter der angenehmen Straffe ihres Geschlechts schmachtete,) Anstalten machte, mir nachzufolgen, und bald und glüklich anlangte wo ich war. Sie war nicht lange da, so wurde sie eine freudenvolle Mutter von zween hübschen Knaben, die einander so wundersam gleich sahen, daß es unmöglich war, sie anders, als durch Namen zu unterscheiden. In eben dieser Stunde und an dem nemlichen Ort, ward eine arme Frau gleichfalls von zween männlichen Zwillingen entbunden, die einander eben so gleich sahen; diese kaufte ich ihren Eltern ab, denn es waren bettelarm Leute, und zog sie auf, daß sie meinen Söhnen aufwarten sollten. Mein Weib, die auf zween solche Knaben nicht wenig stolz war, drang täglich in mich, unsre Heimreise zu beschleunigen; ich willigt' endlich, wiewol ungern ein, und wir giengen, ach allzubald! zu Schiffe. Wir hatten kaum eine Meile von Epidamnum fortgesegelt, als ein plözlicher Sturm den Tag verdunkelnd, uns nur noch so viel düstres Licht übrig ließ als nöthig war, unsern erschroknen Augen die Gewißheit des unvermeidlichen Todes zu zeigen. Ich, für meinen eignen Theil, würde mich willig darein ergeben haben; aber das herzrührende Jammern eines geliebten Weibes, und das Geschrey ihrer holdseligen Kinder, die, ohne zu wissen was sie fürchten sollten, nur weinten, weil sie ihre Mutter weinen sahen, nöthigte mich auf Rettung oder wenigstens auf einige Frist für sie und mich zu denken; und diß war es, denn kein anders Mittel hatt' ich nicht. Das Schiffs-Volk suchte seine Rettung in unserm Boot, und überließ uns das Schiff, welches schon zum Versinken reif war. Mein Weib, für ihren Erstgebohrnen am meisten besorgt, hatte ihn an einen vorräthigen dünnen Mastbaum gebunden, dergleichen die Seeleute zur Vorsorge mit sich zu nehmen pflegen; zu ihm wurde einer von den andern beyden Zwillingen gebunden, indessen daß ich mit den übrigen beyden das nemliche that. Nachdem wir nun die Kinder solchergestalt besorgt hatten, banden wir uns, mein Weib und ich, die Augen auf den Gegenstand unsrer zärtlichen Sorgen geheftet, jedes an das andere Ende des Mastbaums, und überliessen uns so den Wellen, von denen unser Schiff, wie uns däuchte, nach Corinth getrieben wurde. Endlich zerstreute die Sonne das Gewölke, und die See wurde wieder ruhiger; da entdekten wir bey ihrem wohlthätigen Licht zwey Schiffe, die auf uns zusegelten, eines von Corinth, und das andre von Epidaurus; aber eh sie zu uns kamen – – o, zwingt mich nicht fortzufahren! Errathet das Folgende aus dem Vorhergehenden.

Herzog.
Nein, fahre fort, alter Mann, brich deine Erzählung nicht so ab; wenn wir dich nicht retten können, so können wir doch Erbarmniß mit dir haben.

Aegeon.
O hätten die Götter das gethan, so hätt' ich keine Ursach, sie unbarmherzig gegen uns zu nennen. Wir waren nur wenige Meilen noch von diesen Schiffen entfernt, als unser hülfloses Schiff, durch einen plözlichen Stoß an einen im Meer verborgnen Felsen mitten entzwey geschmettert wurde. Das Glük, welches mein Weib und mich auf eine so ungerechte Weise schied, ließ einem jeden was uns zugleich Freude und Kummer machte. Ihr Theil, der armen Seele! Vermuthlich weil er leichter beladen war, wurde vom Wind schneller vorwärts getrieben, und alle drey wurden in meinem Gesicht, von Corinthischen Fischern, wie mir dauchte, aufgefangen. Endlich bemächtigte sich ein andres Schiff meiner auch; ich fand bekannte Freunde darinn, welche sich freuten, daß sie uns in einer solchen Noth hatten Hülfe leisten können; sie würden auch, mir zu lieb, die Fischer ihrer Beute gerne beraubt haben; allein da ihre Barke schlecht besegelt war, mußten sie es aufgeben, und richteten ihren Lauf der Heimat zu – – Und nun habt ihr gehört was mich meiner Glükseligkeit beraubt hat, und durch was für Unfälle mein Leben nur dazu verlängert worden ist, daß ich klägliche Geschichten erzählen kan, von denen mein eignes Unglük der Innhalt ist.

Herzog.
Um derer willen, um welche du traurest, erzeige mir die Gefälligkeit, und melde noch, wie es ihnen und dir ferner ergangen ist.

Aegeon.
Mein jüngster Sohn bekam als er achtzehn Jahre hatte, ein heftiges Verlangen, seinen Bruder aufzusuchen, und ließ nicht nach, biß ich ihm erlaubte sich auf den Weg zu machen, und seinen Diener (der in dem gleichen Fall wie er, und seines Bruders beraubt war, aber den Namen desselben, wie mein Sohn den Namen seines ältern Bruders, behalten hatte,) zu seiner Gesellschaft mitzunehmen. Ich wagte also einen geliebten Sohn, den ich hatte, um denjenigen zu finden, den ich nicht hatte; und verlohr dadurch beyde. Fünf Sommer hab' ich schon angewandt, um sie in dem fernsten Griechenland zu suchen, und nachdem ich durch alle Gegenden von Asien auf- und niedergeschwärmt, kam ich endlich nach Ephesus, zwar ohne Hoffnung sie da zu finden, aber doch entschlossen, weder diesen noch irgend einen andern von Menschen bewohnten Ort undurchsucht zu lassen. Allein hier muß ich die Geschichte meines Lebens enden, und der Tod würde mir willkommen seyn, wenn ich von allen meinen Reisen nur soviel erhalten hätte, daß ich von ihrem Leben versichert wäre.

Herzog.
Unglüklicher Aegeon, den die Göttinnen des Geschikes dazu bestimmt haben, den äussersten Grad der grausamsten Widerwärtigkeiten zu erfahren; glaube mir, wär' es nicht gegen unsre Geseze, (welche Fürsten, wenn sie auch wollten, nicht vernichten können,) wär' es nicht gegen meine Crone, meinen Eid, und meine Würde, mein Herz würde keinen Augenblik verziehen, der Regung Plaz zu geben, die darinn für dich spricht. Allein, ob dich gleich ein unwiderrufflicher Spruch zum Tode verurtheilt, so will ich doch soviel zu deiner Rettung thun, als mir Macht gelassen ist; ich schenke dir also noch diesen Tag, Kauffmann, damit du dein Leben durch andrer Beyhülfe zu erhalten suchen könnest; stelle alle Freunde, die du in Ephesus haben magst, auf die Probe; bettle oder borge soviel als du nöthig hast, um dein Lösegeld voll zu machen, und lebe; wo nicht, so bist du verurtheilt zu sterben. – – Kerkermeister, nimm ihn in deine Aufsicht.

(Der Herzog und Gefolge gehen ab.)

Kerkermeister.
Ich will, Gnädigster Herr.

Aegeon.
Hülf- und hoffnunglos geht Aegeon, um das Ende seines Lebens einen Tag später zu sehen.

(Aegeon und Kerkermeister gehen ab.)

ZWEYTE SCENE

Inhaltsverzeichnis


Antipholis von Syracus, ein Kauffmann und Dromio treten auf.

Kauffmann.
Wenn ihr nicht wollt, daß euer Geld sogleich wieder verlohren sey, so gebt aus, ihr seyd von Epidamnum. Erst diesen nemlichen Morgen ist ein Syracusischer Kauffmann hier eingezogen worden, und weil er nicht im Stande war, sein Leben loszukauffen, so muß er nach unserm Gesez noch vor Sonnen Untergang sterben. Hier ist euer Geld, das ihr bey mir hinterlegt hattet.

Antipholis.
Geh, Dromio, trag es in den Centaur, wo wir unser Quartier genommen haben; warte dort bis ich komme, in einer Stunde wird es Mittagessens-Zeit seyn. Ich will indessen die Stadt in Augenschein nehmen, mit den Kauffleuten Bekanntschaft machen, die Gebäude anschauen, und dann in mein Wirthshaus zurükkommen und schlafen; denn ich bin von langwierigen Reisen ganz steiff und müde. Geh deiner Wege.

Dromio.
Mancher würde euch beym Worte nehmen, und mit einem so hübschen Reisegeld seines Wegs gehen.

(Dromio geht ab.)

Antipholis.
Er ist ein ehrlicher Schurke, mein Herr, der mich, wenn ich niedergeschlagen und melancholisch bin, mit seinen närrischen Einfällen oft wieder aufgeräumt macht. Wie ists, wollt ihr nicht mit mir in der Stadt herum gehen, und hernach in meinem Gasthof mit mir zu Mittag essen?

Kauffmann.
Mein Herr, ich bin zu etlichen andern Kauffleuten bestellt, von denen ich einen ansehnlichen Profit zu machen hoffe; ihr werdet mich also entschuldiget halten. Sobald es fünfe geschlagen hat, will ich euch, wenn es beliebig ist, auf dem Markt wieder antreffen, und euch dann bis zur Schlafzeit Gesellschaft leisten. Dißmal ruffen mich meine Geschäfte von euch ab.

Antipholis.
Lebet wohl bisdahin; ich will indeß allein herumgehen, und die Stadt besehen.

Kauffmann.
Mein Herr, ich überlaß' euch euerm eignen Vergnügen.

(Der Kauffmann geht ab.)

DRITTE SCENE

Inhaltsverzeichnis


Antipholis.
Wer mich meinem eignen Vergnügen überläßt, überläßt mich einem Ding, daß ich nirgends finden kan. Ich bin in der Welt wie ein Tropfen Wassers, der im Ocean einen andern Tropfen suchen will, und indem er hineinfallt sich selbst verliehrt, ohne den andern zu finden. So geht es unglüklicher Weise auch mir; indem ich eine Mutter und einen Bruder suchen will, verliehr' ich mich selbst.

Dromio von Ephesus tritt auf.

Hier kommt mein Kerl wieder – – Was hat das zu bedeuten? Warum kommst du sobald wieder zurük?

Dromio von Ephesus.
Sobald wieder zurük! Sagt vielmehr: Warum findst du mich so spät? Der Capaun dorrt aus, das Spanferkel fällt vom Spieß ab, die Gloke hat zwölfe geschlagen; meine Frau machte, daß es auf meinem Baken eins wurde; sie ist so heiß, weil das Essen kalt wird; das Essen wird kalt, weil ihr nicht heim kommt; ihr kommt nicht heim, weil ihr keinen Appetit habt; ihr habt keinen Appetit, weil ihr eure Fasten gebrochen habt; und wir, welche wissen was fasten und beten ist, wir müssen nun dafür büssen, daß ihr gesündigt habt.

Antipholis.
Spare deinen Athem, junger Herr; sage mir erst, ich bitte dich, wo du das Geld gelassen hast, das ich dir gab?

Dromio von Ephesus.
Oh – – Die drey Bazen, die ich Mittwochs kriegte, um den Sattler für den Schwanz-Riemen an meiner Frauen ihrem Pferd zu bezahlen? Der Sattler hat sie, Herr; ich habe sie nicht behalten.

Antipholis.
Ich bin izt in keinem spaßhaften Humor; sag' mir ohne zu schäkern, wo ist das Geld? Wie unterstehst du dich, an einem Orte wo wir fremde sind, eine so grosse Summe aus deiner eignen Verwahrung zu geben?

Dromio von Ephesus.
Ich bitte euch Herr, scherzet wenn ihr bey Tische sizt. Meine Frau hat mich in gröster Eile geschikt euch zu suchen; wenn ihr nicht gleich kommt, wird es mein Schedel entgelten müssen; mir däucht, euer Magen sollte, wie der meinge, eure Gloke seyn, und euch ohne einen Boten heimschlagen.

Antipholis.
Komm, Dromio, komm, diese Possen sind izt zur Unzeit, spare sie auf eine lustigere Stunde. Wo ist das Gold, das ich dir aufzuheben gab?

Dromio von Ephesus.
Mir, Herr? Wie, ihr habt mir kein Gold gegeben.

Antipholis.
Hey da, Herr Spizbube, hör auf den Narren zu treiben, und sag mir, wie hast du deinen Auftrag besorgt?

Dromio von Ephesus.
Mein Auftrag war, euch von dem Markt nach Hause zu holen, in den Phönix, Herr, zum Mittag-Essen, meine Frau und ihre Schwester warten auf euch.

Antipholis.
Nun, so wahr ich ein Christ bin, antworte mir wo du mein Geld hingethan hast, oder ich werde dir diesen kurzweiligen Kragen umdrehen, der so unzeitigen Spaß treibt wenn es mir nicht gelegen ist; wo sind die tausend Mark, die du von mir empfangen hast?

Dromio von Ephesus.
Ich hab' einige Marken von euch auf meinem Kopf, und einige Marken von meiner Frauen auf meinen Schultern; aber von tausend Mark ausser diesen weiß ich nichts. Wenn ich sie Euer Gestreng wieder zurükzahlen würde, so würdet ihr's vielleicht nicht geduldig tragen.

Antipholis.
Deiner Frauen Marken? Welcher Frauen, Schurke? Was hast du für eine Frau?

Dromio von Ephesus.
Euer Gestreng eigne Frau, meine Frau zum Phönix; Sie, welche fasten muß, bis ihr nach Hause kommt, und betet, daß ihr bald kommen möget.

Antipholis.
Wie, willt du mich so ins Gesicht für deinen Narren haben, und dir's nicht wehren lassen? Da nimm das, Herr Schurke.

(Er giebt ihm Schläge.)

Dromio von Ephesus.
Was denkt ihr, Herr? Um Gottes willen, haltet eure Hände – – Nein, wenn ihr nicht wollt, Herr, so will ich meine Füsse brauchen – –

(Er geht ab.)

Antipholis.
So wahr ich lebe, der Bube ist durch irgend einen schlimmen Streich um mein Geld gebracht worden. Man sagt, diese Stadt sey voller Spizbuben-GesindelDiß war der Character, den die Alten von dieser Stadt geben. Daher das gemeine Sprüchwort: Εφεσια αλεξιφαρμακα, so auch beym Menander, wo Εφεσια γραμματα in dem nemlichen Sinn vorkommt., als, Taschenspieler, so die Augen betrügen, Zauberer, so durch magische Getränke das Gemüth zerrütten, und Hexen, so den Leib verunstalten; verkleidete Beutelschneider, geschwäzige Marktschreyer, und wer weiß was noch mehr für dergleichen Leute die sich alles erlaubt halten; wenn es so ist, so will ich desto schneller heimgehen. Ich will in den Centaur, und diesen Schurken aufsuchen, ich sorge, mein Geld ist nicht wol verwahrt.

(Er geht ab.)

ZWEYTER AUFZUG

Inhaltsverzeichnis

ERSTE SCENE

Inhaltsverzeichnis


Das Haus des Antipholis von Ephesus.

Adriana und Luciana treten auf.

Adriana.
Weder mein Mann noch mein Sclave kommt zurük, den ich doch so eilfertig seinem Herrn entgegen geschikt habe? ganz gewiß, Luciana, es ist schon zwey Uhr.

Luciana.
Vielleicht ist er vom Markte weg, mit irgend einem Kauffmann, der ihn eingeladen hat, zum Mittag-Essen gegangen; meine liebe Schwester, wir wollen essen, und uns nicht deßwegen grämen. Ein Mann ist Herr über seine Freyheit, und hat keinen andern Herrn als seine Gelegenheit; sie kommen und gehen, je nachdem es ihnen gelegen ist; und da es nun einmal so ist, so seyd geduldig, Schwester.

Adriana.
Warum sollen sie mehr Freyheit haben, als wir?

Luciana.
Weil ihre meisten Geschäfte ausser dem Hause ligen.

Adriana.
Seht, wenn ich ihn auf diesen Fuß bedienen will, nimmt er's übel.

Luciana.
Oh, ihr müßt wissen, daß er der Zaum euers Willens ist.Der Zusammenhang ligt hier in den Reimen, worinn dieser Dialogus im Original geschrieben ist.

Adriana.
Nur Esel werden sich gutwillig so zäumen lassen.

Luciana.
Es ist nichts unter dem Himmel, das nicht in der Erde, in der See, oder in der Luft einem andern unterworfen sey. Die Fische, die Thiere und die Vögel sind ihren Männlein unterworfen, und stehen unter ihrem Gebott; der göttlichere Mensch, Herr über sie alle, Beherrscher dieser weiten Welt und des Oceans, der sie umströmt, mit einer denkenden Seele begabt, die ihn über alle andern Thiere hinaufsezt, wird nicht in diesem einzigen Stük weniger als sie seyn; er ist Herr über sein Weib, und ihr rechtmäßiger Gebieter; laßt euch's also nicht verdriessen, euern Willen nach dem seinigen zu stimmen.

Adriana.
Und doch ist es bloß diese Dienstbarkeit, die euch bewegt unverheurathet zu bleiben.

Luciana.
Nicht diese Unterwürfigkeit, sondern die Unruhen und Sorgen des Ehebetts.

Adriana.
Aber wenn ihr verheurathet wäret, so wolltet ihr doch auch etwas zu befehlen haben.

Luciana.
Eh ich die Liebe kennen lerne, will ich mich in der Kunst zu gehorchen üben.

Adriana.
Aber wie, wenn euer Mann sich gerne ausser dem Hause verweilte?

Luciana.
Ich würde Geduld haben, bis er wieder heim käme.

Adriana.
Eine ungereizte Geduld kan leicht geduldig seyn; es ist keine Kunst gut zu seyn, wenn man keine Ursache zum Gegentheil hat; wir wollen haben, daß der Unglükliche, den sein Kummer quält, ruhig bleiben soll, weil uns sein Geschrey beunruhiget; aber drükte uns die nemliche Bürde, wir würden eben so viel oder noch mehr klagen als er. Du, die du keinen unzärtlichen Ehegatten hast, der dich kränkte, weißst mir keinen andern Trost zu geben, als daß du mich zu hülfloser Geduld anweisest; aber wir wollen sehen, wie lange du diese alberne Geduld behalten wirst, wenn du's erlebst, mein Schiksal zu erfahren.

Luciana.
Gut, ich will mich einmal auf einen Tag verheurathen um ein Probe zu machen. Aber hier kommt euer Sclave, sein Herr wird also nicht weit weg seyn.

ZWEYTE SCENE

Inhaltsverzeichnis


Dromio von Ephesus zu den Vorigen.

Adriana.
Sag', ist dein zaudernder Herr nun bey der Hand?

Dromio von Ephesus.
Nein, er ist mit zwo Händen bey mir, und davon sind meine zwey Ohren Zeugen.

Adriana.
Sag', redtest du mit ihm? Sagt' er dir seine Meynung?

Dromio von Ephesus.
Ja, ja, er sagte mir seine Meynung auf mein Ohr; Dank seiner Hand; es wurde mir sauer sie zu begreiffen.

Luciana.
Sprach er so zweydeutig, daß du seine Meynung nicht fassen konntest?

Dromio von Ephesus.
Nein, er schlug so gerade zu, daß ich seine Ohrfeigen nur gar zu gut faßte; und doch sprach er so zweydeutig, daß ich kaum verstehen konnte, was sie bedeuten sollten.

Adriana.
Aber sag', ich bitte dich, wird er heim kommen? Es scheint, er bekümmert sich viel darum, seinem Weib gefällig zu seyn.

Dromio.
Versichert, Frau, mein Herr ist nicht recht gescheidt; das hat seine Richtigkeit; wie ich ihn bat, er möchte heim zum Mittag-Essen kommen, so fragt' er mich nach tausend Mark an Gold; es ist Essenszeit, sagt' ich; mein Gold, sagt' er; euer Essen verdorrt, sagt' ich; mein Gold, sagt' er; wollt ihr heim kommen, sagt' ich; mein Gold, sagt' er; wo sind die tausend Mark, die ich dir gab, Galgenschwengel? Das Ferkel, sagt' ich, ist ganz verbraten; mein Gold, sagt' er. Meine Frau, sagt' ich; an den Galgen mit deiner Frau! Ich weiß nicht wer deine Frau ist; zum Henker mit deiner Frau!

Luciana.
Sagte wer?

Dromio.
Sagte mein Herr. Ich weiß nichts, sagt' er, von keinem Haus, und von keinem Weib und von keiner Frau, sagt' er; so daß ich also meine Commißion, die meiner Zunge aufgegeben werden sollte, Dank sey ihm! auf meinen Schultern heimtrage; denn mit einem Wort, er gab mir Schläge.

Adriana.
Geh wieder zurük du Sclave, und hol' ihn heim.

Dromio.
Geh wieder und laß dich noch einmal prügeln? Ich bitt' euch schönstens Frau, schikt einen andern Abgesandten.

Adriana.
Zurük, Sclave, oder ich will dir den Schädel entzweyschlagen.

Dromio.
Und er wird den Bruch mit andern Schlägen wieder ganz machen; das wird gut gehen.

Adriana.
Pake dich, du wortreicher Schlingel, hohl deinen Herrn heim.

Dromio.
Bin ich dann so rund mit euch als ihr mit mir, daß ihr mich so wie eine Kugel vor euch her stoßt? Ihr stoßt mich fort, und er wird mich wieder zurükstossen; wenn ich in einem solchen Dienst ausdauren soll, müßt ihr ein ledernes Futteral über mich machen lassen.

(Er geht ab.)

DRITTE SCENE

Inhaltsverzeichnis


Luciana.
Fy, wie entstellt diese Ungeduld euer Gesicht!

Adriana.
Er kan seinen Liebling seiner angenehmen Gesellschaft nicht berauben, und ich muß indeß daheim sizen, und zum Verhungern nach einem freundlichen Blik schmachten. Hat denn das Alter die anziehende Schönheit schon von meiner armen Wange genommen? Wenn es ist, so hat Er sie verderbt. Ist mein Gespräch troken, und mein Wiz stumpf? Seine Unfreundlichkeit ist der harte Marmor, woran er seine Schärfe verlohren hat. Gefallen ihm andre besser, weil sie schöner aufgepuzt sind? Das ist nicht mein Fehler; er ist Herr über mein Vermögen. Was für Ruinen können an mir gefunden werden, die er nicht gemacht hat? Würde nicht ein einziger sonnichter Blik von ihm, meine verwelkte Schönheit wieder herstellen? Aber ach! er verschmäht ein Weib, von der er ohne Maaß geliebt wird, und sucht, ausser seinem Haus, ein Vergnügen – –

Luciana.
Sich selbst peinigende Eifersucht! Fy, jagt sie fort.

Adriana.
Nur gefühllose alberne Tröpfe können bey solchen Beleidigungen gleichgültig bleiben; ich bin gewiß, seine Augen haben irgendwo einen andern Gegenstand den sie anbeten. Warum würd' er sonst nicht hier seyn? Schwester, ihr wißt, er versprach mir eine goldne Kette. Wollte der Himmel, es wäre nur das was er mir vorenthielte – – Ich sehe wol, ein Kleinod, so schön es immer gefaßt seyn mag, verliehrt endlich seine Schönheit, wenn wir's immer tragen; und so wie das Gold selbst, ungeachtet seiner Dauerhaftigkeit, durch beständiges Berühren sich endlich abnuzt, so ist kein Gemüth so edel, das nicht durch langwierige Untreu und Falschheit endlich seinen Glanz verliehre. Wenn meine Schönheit in seinen Augen keinen Reiz mehr hat, so will ich ihren Rest wegweinen, und weinend sterben.

Luciana.
Was für alberne Geschöpfe kan nicht die Eifersucht aus diesen verliebten Seelen machen!

(Sie gehen ab.)

VIERTE SCENE

Inhaltsverzeichnis


Verwandelt sich in eine Strasse.

Antipholis von Syracus tritt auf.

Antipholis.
Das Gold, das ich dem Dromio gab, ist im Centaur sicher verwahrt; und der allzu sorgfältige Tropf ist weggegangen, um mich zu suchen, aus Besorgniß, es möchte mir etwas zugestossen seyn. Wenn ich die Umstände der Zeit und meines Wirths Erzählung mit einander vergleiche, so kan ich den Dromio nicht gesprochen haben, seitdem ich ihn zuerst vom Markte fortschikte. Ha, hier kömmt er eben recht.

Dromio von Syracus tritt auf.

Wie gehts, junger Herr? Seyd ihr noch so spaßhaft? Wenn ihr Liebhaber von Ohrfeigen seyd, so treibt wieder den Narren mit mir. Ihr wißt nichts vom Centaur? Ihr habt kein Gold empfangen? Eure Frau schikte euch, mich zum Mittag-Essen nach Hause zu ruffen? Mein Haus war zum Phönix? Warst du toll, daß du mir so unsinnige Antworten gabst?

Dromio von Syracus.
Was für Antworten, Herr? Wenn sagt' ich dergleichen?

Antipholis.
Nur eben, nur eben, es ist noch keine halbe Stunde.

Dromio von Syracus.
Hab ich euch doch bis izt mit keinem Auge gesehen, seitdem ihr mich mit dem Golde, so ihr mir gabt, in den Centaur schiktet.

Antipholis.
Galgenschwengel, du leugnetest ja, daß du das Gold empfangen habest, und redtest mir von einer Frau, und von einem Mittag-Essen; doch ich hoffe, du hast gefühlt, wie wohl es mir gefallen hat.

Dromio von Syracus.
Es erfreut mich, euch in so gutem Humor zu sehen. Was soll dieser Scherz bedeuten, ich bitte euch, Herr, sagt mir's?

Antipholis.
Wie, du spottest mir noch ins Gesicht? denkst du ich spasse? Halt, nimm das, und das.

(Er giebt ihm Schläge.)

Dromio von Syracus.
Haltet ein, Herr, ums Himmels willen, izt fühl' ich's, daß aus euerm Spaß Ernst wird, aber warum gebt ihr mir diese Schläge, wenn man fragen darf?

Antipholis.
Weil ich zuweilen vertraulich genug mit dir umgehe, dich für meinen Lustigmacher zu gebrauchen, und Spaß mit dir treibe, so treibst du die Unverschämtheit so weit, meine Gütigkeit zu mißbrauchen, und mir deine Possen auch in meinen ernsthaften Stunden aufzudrängen. Wenn die Sonne scheint, mögen gaukelnde Müken ihre Kurzweile treiben; aber sie sollen in Spalten kriechen, wenn sie ihre Stralen verbirgt: Wenn du mit mir spassen willst, so sieh erst wie ich aussehe, und richte dein Betragen nach meinen Bliken ein; oder ich will dir diese Methode auf eine andre Art einpleuen.Hier sind im Original einige Wortspiele, die man lieber weggelassen hat, da sie an sich selbst frostig genug sind; und wenn sie auch noch das Verdienst des Doppelsinns, den sie nur in der Original-Sprache haben, verliehren, unerträglich werden. Man hat es mit dem grösten übrigen Theil dieser Scene eben so gemacht, wo Dromio alle seine ungeheure Menge Wiz in Wortspielen ausläßt, die seinen Herrn, und vermuthlich auch die Zeitgenossen unsers Poeten eben so sehr belustigten, als sie unserm verwöhnten Geschmak albern und ekelhaft vorkommen.

Dromio.
Ich will euch diese Mühe gern ersparen, wenn ihr mir nur in gutem Ernst sagen wollt, warum ihr mich geschlagen habt.

Antipholis.
Weist du's noch nicht?

Dromio.
Nichts, Herr, als daß ihr mich geschlagen habt.

Antipholis.
Soll ich dir sagen warum?

Dromio.
Ja, Herr, und weßwegen? Denn man pflegt zu sagen, jedes Warum hat sein Weßwegen.

Antipholis.
Für's erste, Warum, weil du meiner gespottet hast; und dann Weßwegen, weil du es mir das zweyte mal weggeläugnet hast.

Dromio von Syracus.
Ich begreiffe weder euer Warum noch euer Weßwegen, noch eure Ohrfeigen – – Nun gut, Herr, ich danke euch.

Antipholis.
Du dankst mir? Wofür?

Dromio von Syracus.
Mein Six, Herr, für das Etwas so ihr mir um Nichts gegeben habt.

Antipholis.
Ich will es mit nächsten wieder gut machen, und dir Nichts für etwas geben. Aber sag', ist es Mittagessens-Zeit?

Dromio von Syracus.
Nein, Herr, ich glaub', es fehlt dem Essen etwas das ich habe.

Antipholis.
Mit Erlaubniß, was mag das seyn?

Dromio von Syracus.
Daß es nicht genug beträuft ist.Der Einfall ligt im Original in der Zweydeutigkeit des Worts basting, welches zugleich eine Tracht Schläge, und das Beträuffen, dessen was am Spieß gebraten wird, bedeutet.

Antipholis.
Gut, Bursche, so wird es troken seyn.

Dromio von Syracus.
Wenn es so ist, so bitt' ich euch, esset nichts davon.

Antipholis.
Warum?

Dromio von Syracus.
Weil es euch cholerisch machen, und mir noch eine andre Tracht Schläge zuziehen würde.

Antipholis.
Gut, junger Herr, lernt eure Zeit wol in Acht nehmen, wenn ihr spassen wollt; ein jedes Ding hat seine Zeit.

FÜNFTE SCENE

Inhaltsverzeichnis


Adriana und Luciana zu den Vorigen.

Adriana.
Ja, ja, Antipholis, sieh nur fremde und verdrieslich aus, eine andre Gebieterin hat deine zärtlichen Blike: ich bin nicht mehr Adriana, noch dein Weib. Es war eine Zeit, da du ungeheissen schwurest, daß keine Worte Musik in deinem Ohr seyen, als die ich rede; daß kein Gegenstand dein Aug entzüke, als mein Anblik; daß keine andre Berührung deiner Hand willkommen sey, als die meinige – – Wie kommt es dann izt, mein Gemal, o sage wie kommt es, daß du so fremde gegen dich selbst worden bist – – Gegen dich selbst nenn' ich es, da du es gegen mich bist, die auf eine so unzertrennliche Art dir einverleibt bin, daß ich mehr bin als der größre Theil von dir selbst. Eher könntest du einen Tropfen Wassers in die tieffe See fallen lassen, und unvermengt mit andern eben diesen Tropfen wieder zurüknehmen; als dich von mir losreissen, ohne mich mitzunehmen. Wie sehr würd' es dich bis in die Seele kränken, wenn du nur hören würdest, daß ich ausgelassen sey, und daß dieser dir allein geheiligte Leib durch unkeusche Lust besudelt würde! Würdest du mich nicht anspeyen, nicht mit Füssen stossen, und mir den Namen eines Ehmanns ins Gesicht werfen, und die beflekte Haut von meiner Huren-Stirne reissen, und von meiner treulosen Hand den Trauring abhauen, und ihn mit einem auf ewig uns scheidenden Gelübde zerbrechen? Ich weiß du kanst es, also thu es auch – – ich bin mit einem ehebrecherischen Fleken beschmizt; mein Blut ist mit dem Schmuz der Unzucht vermengt; denn wenn wir beyde eins sind, und du untreu wirst, so theilst du mir das Gift mit, das in deinen Adern schäumt, und machst mich durch Anstekung zur Hure. O so kehre dann zu deiner Pflicht zurük, und bleibe deinem keuschen Bette getreu, damit ich unbeflekt lebe, und du unentehrt.

Antipholis.
Klagt ihr über mich, schönes Frauenzimmer? Ich kenne euch ja nicht. Ich bin in Ephesus kaum zwoo Stunden alt, und mit eurer Stadt so unbekannt als mit euern Reden. Ich strenge allen meinen Wiz vergeblich an, nur ein Wort von allem dem was ihr mir sagtet, zu verstehen.

Luciana.
Fy, Bruder, was für eine Veränderung ist das bey euch? Wenn wart ihr gewohnt, meiner Schwester so zu begegnen; Sie schikte den Dromio, euch zum Mittag-Essen heim zu holen.

Antipholis.
Den Dromio?

Dromio von Syracus.
Mich?

Adriana.
Ja dich, und du brachtest uns zurük, daß er dir Maulschellen gegeben, und unter den Maulschellen mein Haus und mich als sein Weib verläugnet habe.

Antipholis.
Habt ihr mit diesem Frauenzimmer gesprochen? Was für ein Verständniß habt ihr mit ihr, und was soll die Absicht davon seyn?

Dromio von Syracus.
Ich, Herr, ich habe sie meine Tage nie gesehen als izt.

Antipholis.
Du lügst, du Galgenschwengel; denn du brachtest mir ihre eigensten Worte auf den Markt.

Dromio von Syracus.
Ich habe sie in meinem Leben nie gesprochen.

Antipholis.
Woher kan sie uns denn bey unsern Namen nennen, es wäre dann, daß sie einen Wahrsager-Geist hätte?

Adriana.
Wie übel steht es euerm Character an, eine so niederträchtige Comödie mit euerm Sclaven zu spielen, um meiner auf eine grobe Art ins Gesicht zu spotten? Ich bin beleidigt genug, daß ihr so entfremdet von mir seyd; häuffet euer Unrecht nicht noch durch einen solchen Grad von Verachtung. Komm, laß mich um deine Schläfe mich winden; du bist eine Ulme, mein lieber Mann, und ich eine schwache Rebe, die mit deinem stärkern Stamm vermählt, an deiner Stärke Antheil nimmt, ohne sie zu vermindern; alles was dich von mir trennen will, ist Unkraut, diebischer Epheu und unnüzes Mooß, das sich, wenn es nicht bey Zeiten abgeschnitten wird, bis zu deinem Mark einfrißt, und von deinem Verderben seine Nahrung zieht.

Antipholis.
(bey Seite.) Sie spricht mir so ernstlich zu, daß ich nicht weiß, was ich denken oder sagen soll. Bin ich im Traum mit ihr vermählt worden? Oder schlaf ich izt, und bilde mir ein, daß ich alles diß höre? Was für ein Irrthum bethört unsre Augen und Ohren? Bis ich erfahren kan, was ich aus dieser unbegreiflichen Sache machen soll, wird das sicherste seyn, den günstigen Betrug zu unterhalten.

Luciana.
Dromio, geh, sage den Bedienten, daß sie anrichten.

Dromio von Syracus.
(bey Seite.) Nun, bey meinem Rosenkranz! Ich will das Kreuz machen; Gott sey bey uns! wir sind im Feen-Land, wir reden mit lauter Kobolten, Gespenstern und Nacht-Frauen; wenn wir nicht thun was sie haben wollen, so werden sie uns den Athem aussaugen, und uns braun und blau zwiken.

Luciana.
Was plauderst du da mit dir selber, und antwortest nicht? Dromio, du Hummel, du Schneke, du träger Kerl, du Sot!

Dromio von Syracus.
Ich bin verwandelt, Herr, nicht wahr?

Antipholis.
Ich denke du bist's am Gemüth, wie ich selbst.

Dromio von Syracus.
Nein, Herr, an beydem, an Seel und Leib.

Antipholis.
Du hast deine eigne Gestalt.

Dromio.
Nein, ich bin ein Affe.

Luciana.
Wenn du in etwas verwandelt bist, so ist's in einen Esel.

Dromio.
Das ist es; sie reitet mich, und es hungert mich nach Gras; es ist so, ich bin ein Esel, sonst könnt' es unmöglich seyn, daß ich sie nicht so gut kennte, als sie mich.

Adriana.
Kommt, kommt, ich will nicht länger ein Narr seyn, und den Finger in die Augen steken und weinen, indeß daß Herr und Knecht meines Kummers lachen. Kommt, mein Herr, zum Mittag-Essen; Dromio, hüte die Thüre. Mein lieber Mann, ich will heut oben mit euch zu Mittag essen, und ihr sollt mir alle eure kleinen Schelmereyen beichten – – Kerl, wenn jemand nach deinem Herrn fragt, so sag', er ißt ausser dem Haus, und laß keinen lebendigen Menschen herein. Kommt, Schwester; Dromio, sey du ein guter Thürhüter.

Antipholis.
Bin ich auf der Erde, im Himmel oder in der Hölle? Schlafend oder wachend, verrükt oder bey Sinnen? Diesen Leuten bekannt, und mir selbst verborgen? Ich will sagen was sie sagen, und es darauf ankommen lassen, was aus diesem Abentheuer werden mag.

Dromio von Syracus.
Herr, soll ich hier Thürhüter seyn?

Adriana.
Ja, laß niemand herein, oder ich breche dir den Hals.

Luciana.
Kommt, kommt, Antipholis, wir werden spät zu Mittag essen.

(Sie gehen ab.)

DRITTER AUFZUG

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ERSTE SCENE

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Die Strasse vor Antipholis Haus.

Antipholis von Ephesus, Dromio von Ephesus, Angelo und Balthasar treten auf.

Antipholis von Ephesus.
Mein lieber Herr Angelo, ihr müßt uns entschuldigen; meine Frau ist verdrießlich, wenn ich nicht zur gewöhnlichen Zeit nach Hause komme; sagt, ich habe mich bey euch in eurer Werkstatt aufgehalten, um der Arbeit ihrer Kette zuzusehen, und ihr wollet ihr sie morgen überbringen. Aber hier ist ein Galgenschwengel, der mir ins Gesicht behaupten will, er habe mich auf dem Markt angetroffen; und ich hab' ihm Schläge gegeben, und tausend Mark an Gold von ihm gefodert, und ich hab' ihm meine Frau und mein Haus abgeläugnet: Du besoffener Kerl, du, was meyntest du mit allem diesem Gewäsche?

Dromio von Ephesus.
Sagt was ihr wollt, Herr, ich weiß doch was ich weiß; daß ihr mich auf dem Markt geschlagen habt, das kan ich mit eurer Hand beweisen; wäre mein Fell Pergament, und die Ohrfeigen die ihr mir gegeben habt, Dinte, so würde eure eigne Handschrift sagen was ich denke.

Antipholis von Ephesus.
Ich denke, du bist ein Esel.

Dromio von Ephesus.
Mein Six, das erhellet aus den Schlägen, die ich ohne Ursache gekriegt habe.

Antipholis von Ephesus.
Ihr seyd düster, Herr Balthasar? Der Himmel gebe, daß unsre Mahlzeit meinem guten Willen entspreche. Wenn ihr nicht gut bewirthet werdet, so seyd wenigstens versichert, daß ihr nicht willkommner seyn könntet. (Er will die Thür aufmachen.) Sachte! die Thür ist verriegelt; geh', Dromio, sag' ihnen, daß sie uns einlassen.

Dromio von Ephesus.
Mathilde, Brigitte, Marian, Cäcile, Cathrine, Susanne!

Dromio von Syracus (hinter der Thür.)
Flegel, Schlingel, Bengel, Gek, Mauskopf, Frazen-Gesicht! Entweder scherr dich von der Thüre, oder siz' auf die Zaken; was für eine verzweifelte Menge Menscher beschwörst du da zusammen, da es an einer zuviel gegen einem ist; scherr dich von der Thür.

Dromio von Ephesus.
Was für ein Flegel ist Thürhüter bey uns worden? Mein Herr wartet hier auf der Strasse, mach auf.

Dromio von Syracus.
Laß ihn gehn woher er gekommen ist, oder er möchte sich die Füsse, hier erkälten.

Antipholis von Ephesus.
Wer redt da drinnen? holla; macht die Thür auf.

Dromio von Syracus.
Gleich, Herr, wenn ihr mir nur erst sagen wollt, warum?

Antipholis von Ephesus.
Warum, Schurke? Weil ich zu mittag essen will; ich habe heute noch nichts gegessen.

Dromio von Syracus.
Und werdet heute auch in diesem Hause nichts zu essen kriegen; kommt ein ander mal wieder.

Antipholis von Ephesus.
Wer bist du, der mich zu meinem eignen Hause hinausschließt?

Dromio von Syracus.
Der zeitige Thürhüter, Herr, und mein Nam ist Dromio, wenn's euch lieb ist.

Dromio von Ephesus.
O du Galgenvogel, hast du mir meinen Namen zusammt meinem Amt gestohlen? Bist du Dromio? Ich wollte du wärst es heute gewesen; es war ein Anlas, wo ich meinen Namen wohlfeil gegeben hätte.Man ist genöthiget, hier einen guten Theil von kleinen sinnreichen Reden auszulassen, die zwischen den Bedienten und einer Magd vorfallen, und in lauter Wortspielen bestehen, so sie einander zuwerfen.

(Weil man den Antipholis nicht einlassen will, fangt dieser an ungeduldig werden, und will die Thür mit Gewalt einstossen, worüber ein grosser Lerm entsteht.)

Adriana (hinter der Scene.)
Wer ist da vor der Thür, der einen solchen Lermen macht?

Dromio von Syracus.
Bey meiner Six, es giebt böse Buben in eurer Stadt.

Antipholis von Ephesus.
Seyd ihr da, Frau? Ihr hättet wol bälder kommen können.

Adriana.
Eure Frau, Herr Spizbube? Geht, pakt euch von der Thüre fort.

Angelo.
Mein Herr, ich sehe wol, hier ist weder was gutes zu essen, noch ein freundlicher Willkomm zu haben – – wir halten uns vergeblich auf.

Antipholis von Ephesus.
Geh', hole mir was, daß ich die Thür aufbrechen kan.

Dromio von Syracus.
Versuchts, und brecht hier was, wenn ihr wollt daß ich euch den Schädel zerbrechen soll.

Antipholis von Ephesus.
Geh', sag' ich, hole mir ein Stemm-Eisen – –

Balthasar.
Habt Geduld, mein Herr; ich bitte euch, fangt nichts dergleichen an; ihr würdet einen Anfall auf euren eignen guten Namen thun, und die nie verlezte Ehre eurer Frauen in Verdacht bringen. Bedenket nur das; die lange Erfahrung, die ihr von ihrer klugen Aufführung und von ihrer Tugend habt, ihre bekannte Sittsamkeit, und selbst ihr geseztes Alter rechtfertigen sie gegen allen Verdacht; es muß irgend eine gute Ursache seyn, wenn ihr sie gleich nicht wißt, warum die Thüren dißmal so vor euch verriegelt sind; und zweifelt nicht, mein Herr, daß sie sich vollkommen deßwegen wird rechtfertigen können. Folget mir, und zieht euch in Geduld zurük, und laßt uns alle in den Tyger zum Mittag-Essen gehen, auf den Abend geht dann allein nach Hause, und erkundigst euch um die Ursache dieser seltsamen Begebenheit. Wenn ihr mit Gewalt ins Haus einbrechen wolltet, am hellen Tag und da alle Strassen voller Leute sind, so würde gleich ein allgemeines Stadt-Mährchen draus werden; und das könnte, so wie die Welt alles aufs schlimmste auszudeuten pflegt, eurer Ehre einen Fleken anhängen, der euch bis ins Grab bleiben könnte.

Antipholis von Ephesus.
Ihr habt mich überzeugt; ich will in der Stille abziehen, und ich hab' im Sinn mich lustig zu machen, so wenig ich auch Ursache dazu habe. Ich kenne ein Weibsbild von unvergleichlichem Umgang, hübsch und wizig, muthwillig, und doch artig. Dort wollen wir zu Mittag essen; meine Frau hat mir sie schon oft, aber versichert ohne Ursache, vorgerupft; wir wollen geh'n und bey ihr zu Mittag essen. Geht ihr heim, Angelo, und holt die Kette; sie wird izt wol fertig seyn; bringt sie, ich bitte euch, zum Stachel-Schwein, denn das ist das Haus; ich will die Kette meiner Wirthin dort geben, und wenn es auch nur meiner Frauen zum Possen wäre. Säumt euch nicht, mein werther Herr. Weil meine eigne Thüre mich nicht einlassen will, muß ich sehen wo ich eine andre offen finde.

Angelo.
Mein Herr, ich will euch in einer oder zwo Stunden daselbst aufwarten.

Antipholis von Ephesus.
Gut, mein Herr; (für sich.) Dieser Spaß wird mich Geld kosten.

(Sie gehen ab.)