Cover

Kirsten Rick

Tapetenwechsel
1

Serial Teil 1

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Kirsten Rick

Kirsten Rick, 1969 geboren, wuchs in einem kleinen Dorf nahe Hamburg auf. Sie studierte Kulturwissenschaften in Lüneburg und arbeitet als Redakteurin für verschiedene Zeitschriften, unter anderem für das »Hamburger Abendblatt Magazin«. Kirsten Rick veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten und mehrere erfolgreiche Romane; sie lebt mit Mann und Kindern in Hamburg.

Über dieses Buch

Eine Behelfsdusche im Flur, ein einsturzgefährdeter Balkon und eine brandgefährliche Steckdose in der Küche – Katrins Wohnung in einem maroden Haus auf St. Pauli ist der Lifestyle-Redakteurin zunächst nur peinlich. Ihre Nachbarn dagegen haben hier Wurzeln geschlagen. Als der alte Kasten abgerissen werden soll, wollen sich Jan, der erfolglose Künstler, Erna mit den zierlichen Pantöffelchen und Heidi, die esoterisch angehauchte Gärtnerin, wehren. Doch der hilflose Haufen wäre ohne jede Chance, wenn nicht auch Katrin mittlerweile erkennen würde: Glück hat nichts mit Glamour zu tun – aber sehr viel mit Freundschaft!

Impressum

eBook-Ausgabe 2013

Knaur eBook

© 2013 Knaur Taschenbuch

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Albrecht Barke

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: © Image Source/Corbis; FinePic®, München

ISBN 978-3-426-42347-9

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Prolog

Man muss auch mal ins kalte Wasser springen. Meine Worte. Mein Lebensmotto. Das habe ich oft genug zu anderen gesagt, ob sie es nun hören wollten oder nicht. Natürlich war das symbolisch gemeint. Nie, nie, nie habe ich dabei an echtes Wasser gedacht. Und wenn, dann vielleicht höchstens an den Pool eines Wellness-Resorts – obwohl: Wenn dort das Wasser kalt gewesen wäre, hätte ich mich wahrscheinlich sofort bei der Geschäftsleitung beschwert.

Aber jetzt bin ich in keinem Wellness-Resort, sondern auf der »New Orleans Queen«, einer Art Schaufelraddampfer, der auf der Elbe auf und ab schippert und dabei ungefähr so deplaziert aussieht wie ein Marzipanschweinchen auf einem Matjesbrötchen. Der Chefredakteur des Lifestyle-Magazins Ancilla hat den schwimmenden Touristenmagneten gebucht, um die neueste Erfolgsmeldung angemessen zu feiern: über dreihunderttausend verkaufte Exemplare! Angemessen heißt: mit Anzeigenkunden, Clarks immens wichtigen Freunden aus dem Showbiz und dem Rotlichtmilieu und mit der Redaktion. Ich bin Redakteurin bei Ancilla. Leitende Redakteurin. Vielfache Ressortleiterin. Entertainment, Lust & Liebe, Reise, Gesundheit, Essen & Trinken – alles meins. Das klingt so, als wäre ich wichtig. Bin ich auch. Zumindest in dem Ancilla-Kosmos, dieser Welt aus Glitzer und Glamour, teuren Abendroben und noch teureren Nachtcremes, Bambi-, Echo-, Gold- und Was-weiß-ich-Verleihungen, akzentuierten Verwöhnmomenten und exklusiven Genussstrategien. Ich mache mich gut in dieser Welt. Mein Kleid schmiegt sich elegant an meinen mit kostbaren Produkten gepflegten Körper, in meinem Glas prickelt Champagner, und ich lehne mich sehr dekorativ gegen die Reling. Kate Winslet in »Titanic« ist gegen mich so unscheinbar wie ausgeleierter Doppelripp. Ich passe hierher, auf diesen aufgetakelten, bunt beleuchteten Kahn, zwischen die Mediengestalter und -gestalten. Ich bin eine von ihnen. Ich bin dort, wo ich immer sein wollte. Bin das, was ich immer sein wollte.

Aber es fühlt sich nicht mehr richtig an.

Das soll alles sein? Ist mir das hier wirklich wichtig?

Ich starre ins Elbwasser. Das sieht nicht nur kalt aus, sondern vor allem dreckig. Wer weiß, wo das herkommt und was da alles drin herumschwimmt. Fische mit drei Köpfen, vor Jahrzehnten ertrunkene und von Schiffsschrauben zerkleinerte Taucher, Lack- und Lösungsmittelreste aus den Docks der Werften …

Ach was. Soll doch inzwischen ganz gut sein, das Elbwasser. Hin und wieder wird sogar ein »Elbe-Badetag« veranstaltet. Nicht, dass ich je dabei gewesen wäre. Ich meide Volksfeste. Aber ich habe mal ein Bild in der Zeitung gesehen: ein Mann mit beeindruckendem Bauchansatz und sehr kleiner Badehose vor gigantischem Containerschiff. Animierend war das Bild nicht gerade.

Ich nehme noch einen Schluck Champagner und nicke leicht abwesend Clark, meinem Chefredakteur, zu. Wir schippern an der Hafenstraße vorbei, den ehemals besetzten Häusern. Die Kolleginnen aus dem Mode-Ressort lästern.

»Hätte man einfach abreißen sollen, diese hässlichen verfallenen Dinger. Und dann die Schmierereien! Ist ja grauenhaft! Diesen Leuten fehlt jegliches Gefühl für Stil und Ästhetik!«

Ich denke an das Haus, in dem ich wohne, ein paar Straßen dahinter. Ob es noch steht, wenn ich wiederkomme? Und wenn ja, steht es dann morgen auch noch? Und nächste Woche? Nächsten Monat? Diese Fragen sind nicht unbegründet.

Geblendet von der ganzen Glitzerwelt, im Sog der Deadlines und gesellschaftlichen Verpflichtungen, hatte ich fast vergessen, was mir wirklich wichtig ist: mein Zuhause.

Mir ist, als hinge ich zwischen zwei Welten. Eine bildschön, begehrenswert, voller Annehmlichkeiten. Diese Welt braucht mich nicht, aber ich dachte immer, ich brauche sie. Die andere Welt: unvollkommen, bröckelig, leicht angeschmuddelt. Aber auch liebenswert. Eine, zu der ich nie dazugehören wollte. Die mir egal, sogar etwas lästig war – bis sie mich in ihren Bann zog. Die echte Welt. Sie ist in höchster Not, sie braucht mich jetzt. Vielleicht kann ich sie retten. Ich muss mich entscheiden.

Probeweise lasse ich das Glas ins Wasser fallen. Das geht ganz leicht – einfach den Stiel loslassen und schwups. Es ist sofort weg. Ein Containerschiff der »Grimaldi«-Linie kommt uns entgegen, groß und hässlich wie ein Baumarkt, nur höher.

Man muss auch mal ins kalte Wasser springen. Mein Motto.

Und jetzt?

Soll ich springen?

Teil 1:


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