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Heinz Bachmann (Hrsg.)

Hochschullehre variantenreich gestalten

Kompetenzorientierte Hochschullehre – Ansätze, Methoden und Beispiele

Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung, Band 4

Eine Publikation des ZHE – Zentrum für Hochschuldidaktik

und Erwachsenenbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich

ISBN Print: 978-3-0355-0020-2

ISBN E-Book: 978-3-0355-0027-1

1. Auflage 2013

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.com

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur Reihe Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung

Heinz Bachmann Aktivierende Hochschullehre – kompetenzorientierte Hochschullehre variantenreich gestalten

Einführung – kompetenzorientierte Hochschullehre

Aktivierende Unterrichtsmethoden

Mehrwert von aktivierenden Methoden auch beim Schulen des Denkens

Literaturverzeichnis

Petra Hild Kooperatives Lernen im Hochschulbereich

1Einleitung

2Wofür steht der Begriff «Kooperatives Lernen»?

2.1Kooperatives Lernen, Kollaboratives Lernen oder Gruppenarbeit?

2.2Eine alte Idee neu verpackt?

3Merkmale Kooperativen Lernens

3.1Heterogene Gruppen und Ressourcenorientierung

3.2Jede/r kann etwas gut und niemand ist gut in allem

3.3Austausch im Dialog

3.4Direkte Interaktion

3.5Gegenseitige positive Abhängigkeit (Interdependenz)

3.6Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit

3.7Denk- und Lernprozessorientierung

3.8Die Reflexion

3.9Vier Hauptfragen der Reflexion

4Beispiele für Instruktionen

4.1Die Jigsaw- bzw. Gruppenpuzzle-Methode nach Aronson

4.2Student-Teams-Achievement-Divisions (STAD) nach Slavin

4.3Die komplexe Instruktion nach Cohen

4.4Aufbau eines Gruppenauftrags (komplexe Instruktion)

5Wo beginnen, was tun? Hinweise und Impulse für die Praxis

5.1Zur Planung

5.2Zur Beurteilung

6Schlussgedanken

Claude Müller Werder Problem-based Learning erfolgreich gestalten

1Einführung in Problem-based Learning

1.1Geschichte des Problem-based Learning

1.2Merkmale des problembasierten Lernens

1.3Lernzyklus des Problem-based Learning

1.4Ziele von Problem-based Learning

2Die Problemsituation – der Dreh- und Angelpunkt von PBL

2.1Bedeutung der Problemsituation in PBL

2.2Arten von Problemsituationen

2.3Gestaltung von Problemsituationen

3Lernen in Kleingruppen – die Achillesferse von PBL

3.1Bedeutung des Lernens in Kleingruppen in PBL

3.2Gestaltung effektiver studentischer Zusammenarbeit

4Assessment – das Steuerungselement von PBL

4.1Bedeutung der Leistungsbewertung im PBL-Lernprozess

4.2Bedingungen und Methoden der Leistungsbewertung in PBL

5Gestaltung von Lernumgebungen mit PBL

Christine Bieri Buschor, Reto Luder und Esther Kamm Elfenbeinturm ade! Forschungsorientiertes Lernen und Lehren an pädagogischen Hochschulen

1Einleitung

2Vom alten und neuen Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern

3Typen von Forschung in verschiedenen Lehr-Lern-Settings

4Beispiele für forschungsorientiertes Lernen in spezifischen Lernsettings

4.1Fallbasiertes Lernen – ein Beispiel für Forschungstyp 2b

4.2Durchführung eines Forschungsprojekts in der Ausbildung – ein Beispiel für Typus 2a

4.3Forschungsorientiertes Lernen durch ein Aktionsforschungs­projekt in der Masterarbeit – ein Beispiel für Typus 3a

5Forschungsorientiertes Lernen zwischen Kompetenzerwerb und Verunsicherung

6Konsequenzen im Hinblick auf die Begleitung forschungsorientierten Lernens

Willy Kriz Erwerb von Systemkompetenz mit Planspielmethoden

1Einleitung

2Systemkompetenz

2.1Personale Systemkompetenz

2.2Fachlich-methodische Systemkompetenz

2.3Teamkompetenz/Sozialkommunikative Handlungskompetenz

2.4Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen

2.5Reflexionskompetenz

3Planspiele

3.1Simulation – Ressourcen

3.2Spiel – Regeln

3.3Akteure – Rolle

4Lernen mit Planspielen zur Förderung von Systemkompetenz

5Evaluationsforschung zu Lerneffekten von Planspielen

6Trainerkompetenz als Erfolgsfaktor für Planspielqualitäten

7Spieldurchführung

7.1Briefing

7.2Debriefing

8Zusammenfassende Übersicht über Erfolgskriterien beim Einsatz von Planspielen

9Schlussfolgerungen aus der Planspielforschung

Roman Banzer, Pia Scherrer, Peter Staub Das Projektstudio als Grundlage der Studienganggestaltung und Fachdidaktik Architektu

1Einleitung

2Lehr- und Forschungsansätze, Architekturausbildung

2.1Lehrkonzepte des Entwerfens

2.2Institutionalisierung der Architekturausbildung

3Impulse aus der Hochschuldidaktik

3.1Hochschullehre aktuell

3.2Projektbasiertes Lehren und Lernen

3.3Disziplin und Didaktik

4Berufsbild und Studienganggestaltung

4.1Kompetenzbeschreibungen

4.2Einführung in die Studienganggestaltung

4.3Empfehlungen zur Studienganggestaltung

5Projektstudio und Fachstudio

6Fazit

Christian Adlhart Problembasiertes Chemie-Grundlagenpraktikum – verändertes Menschenbild als Ausgangspunkt zur Neugestaltung der Lehre

1Einleitung

2Theorie X von McGregor

3Hintergrund: vom Chemielaboranten zum Chemie­studenten

4Das traditionelle erklärende Chemie-Grundlagen­praktikum

5Das problembasierte Chemie-Grundlagenpraktikum

6Umsetzung eines projektbasierten Chemie-Grundlagenpraktikums

6.1Fragestellung/Projektwahl

6.2Schritt 1: Verstehen/Übersetzen

6.3Schritt 2: Konzeption

6.4Schritt 3: Umsetzung

6.5Schritt 4: Auswerten

6.6Bericht/Vortrag

7Erfahrungen bei der Umsetzung

7.1Regelmäßige Evaluationen ergeben ein heterogenes Bild

7.2Learning Outcomes

7.3Teambuilding

7.4Die Rolle der Assistierenden und Dozierenden

7.5Organisation und Ressourcen

8Zusammenfassung

Margot Tanner Non-Technical Skills for Engineers (NoTechS) – Ganzheitliche Kompetenzförderung für die reale Arbeitswelt

1Einführung – Vorbereitung auf komplexe Arbeitswelten

2Grundannahmen des NoTechS-Ansatzes

2.1Sozial- und Selbstkompetenz – alles bloß gesunder Menschenverstand?

2.2Sozial- und Selbstkompetenz – dynamisch veränderbar oder statisch gegeben?

2.3Eine kompetente Person

2.4(Selbst-)Reflektieren im ingenieurtechnischen Denk- und Handlungsmuster

2.5Kompetenzentwicklung

2.6Leistungsnachweis der Kompetenzentwicklung

3Das konsolidierte NoTechS-Konzept im konkreten Studienalltag

3.1NoTechS-Grundsätze

3.2Lernziel- und Kompetenzenkatalog NoTechS

3.3Stoßrichtung und Schwerpunkte der NoTechS-Förderung

3.4Integration des NoTechS-Ansatzes in die Projektschiene

4NoTechS-Fortbildung der Dozierenden

Johannes Breitschaft, Rita Tuggener Großgruppenveranstaltungen erfolgreich gestalten

1Einleitung

2Die Vorlesung als besondere Form des Lernens in Großgruppen

2.1Kritischer Blick auf die Vorlesung

2.2Aussagen aus der Praxis zu gelungenen Vorlesungen

2.3Grundlegende Erkenntnisse in Bezug auf das Lernen: vom Begreifen zum Behalten

2.4Das Fundament: Planung einer Vorlesungsreihe

2.5Das Detail: Planung und Durchführung einer Vorlesung

2.6Blended Dialog als Gefährte der Vorlesung

2.7Dozierendenverhalten in Vorlesungen

3Alternative Großgruppenmethoden im Kontext der Hochschuldidaktik

3.1Allgemeines zu Großgruppen in diesem Kontext

3.2Open Space Technology

3.3Das World Café

3.4Checkliste für die Vorbereitung und Durchführung einer Großgruppenveranstaltung

4Methodenkoffer im Rahmen eines Großgruppensettings

4.1Kreative Vorlesungsmethoden

4.2Kreative Kleingruppenmethoden im Rahmen eines Großgruppensettings

5Zusammenfassung

Heinz Bachmann Zündende Ideen – eine Website für Good Practices in der Hochschullehre

1Einleitung

2Warum eine Website?

3Prämierte Lehre – Nutzung in hochschuldidaktischen Veranstaltungen

4Prämierte Lehre – ein Ausgangspunkt zur Reflexion der Hochschullehre

4.1Aussagen von Studierenden zu ihren Dozierenden

5Schlussfolgerungen

Autorenspiegel

Vorwort zur Reihe Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung

Dozierende an Hochschulen lehren, prüfen, beraten, forschen, organisieren Wissens- und Technologietransfer durch Weiterbildung und Dienstleis­tungen, betreiben Projektmanagement und engagieren sich in der Qualitätsentwicklung der eigenen Hochschule.

Lehre und Unterricht an Hochschulen und die Hochschulentwicklung sind zudem durch die Umsetzung der Bologna-Deklaration besonders herausgefordert: Dozierende gestalten gemeinsam Curricula oder einzelne Module, planen Leistungsnachweise, integrieren Phasen von selbstorganisiertem Lernen oder implementieren Konzepte wie Problem-based Learning in ihren Lehrveranstaltungen.

Das ZHE Zentrum für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung wurde 2009 an der Pädagogischen Hochschule Zürich gegründet und unterstützt Hochschulen und ihre Dozierenden bei den oben beschriebenen Herausforderungen durch Weiterbildung und Beratung.

Themenschwerpunkte des ZHE sind u.a. Studierendenorientierung, Rollenvielfalt bei Dozierenden, kompetenzorientierte Lehre, erwachsenenbildnerisches Handeln in der Lehre an Hochschulen und Hochschulentwicklung.

Mit der Reihe Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung haben wir uns zum Ziel gesetzt, Diskussionen und Auseinandersetzungen um aktuelle und praxisrelevante hochschuldidaktische Fragen anzuregen sowie Dozierenden an Fachhochschulen sowie Aus-/Weiterbildungsverantwortlichen in weiteren Institutionen der Erwachsenenbildung nützliche Reflexions- und Handlungsinstrumente zur Verfügung zu stellen.

Jeweils eine Person oder ein Team aus dem ZHE oder dessen Umfeld verantwortet als Herausgeber einen Band; wir planen mindestens zwei Publikationen pro Jahr.

Wir haben uns für den vierten Band dazu entschieden, aus diversen Disziplinen verschiedene methodische Zugänge der Hochschullehre zu beleuchten und dadurch mögliche Umsetzungen von kompetenzorientierter Lehre aufzuzeigen.

Herausgeber dieses Bandes ist Heinz Bachmann, langjähriger Leiter des Lehrganges für Hochschuldidaktik am ZHE.

Als nächster Band (5) geplant ist für das Jahr 2014:

Leadership in der Hochschullehre: Denkanstösse für die Bewältigung an­spruchsvoller Aufgaben an der Schnittstelle von Didaktik und Management

Beste Grüsse

Prof. Dr. Geri Thomann, Leiter ZHE Zentrum für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung

geri.thomann@phzh.ch

http://hochschuldidaktik.phzh.ch/

Heinz Bachmann
Aktivierende Hochschullehre – kompetenzorientierte Hochschullehre variantenreich gestalten

Einführung – kompetenzorientierte Hochschullehre

Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.

Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)

Was offensichtlich schon Goethe umtrieb – die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln – ist bis heute ein Thema geblieben, das in den letzten Jahren verstärkt auch die Hochschulen beschäftigt. In der Sprache der Lernpsychologie verwendet man dafür den Begriff des trägen Wissens. Die Psychologen Gabi Reinmann und Heinz Mandl (2006) umschreiben dabei die Erfahrung, dass Studierende immer mehr wissen, aber zunehmend weniger in der Lage sind, das Gelernte in der Praxis anzuwenden. Diese Kluft zwischen Wissen und Handeln hat sich nicht zuletzt mit der Verbreitung des Internets verschärft. Die ungeheure Menge an verfügbarer Information führt zu einem Stoffdruck in der Hochschullehre, der die Studierenden zu oberflächlichem Lernen verführt. Beim Oberflächenlernen konzentrieren Lernende sich darauf, in kurzer Zeit möglichst viel Stoff auswendig zu lernen und vernachlässigen dabei das Verstehen, Anwenden und Vernetzen mit bereits gelerntem Wissen und Können. Die Überlegungen im nächsten Abschnitt sind dem Band «Kompetenz­orientierte Hochschullehre» (Bachmann 2011) entnommen.­

Die vielfach diskutierte Wissensexplosion und die damit verbundene zunehmend kürzere Halbwertszeit von Spezialwissen führen zu einer Schwerpunktverschiebung in der Hochschullehre. Zusätzlich zur reinen Informationsvermittlung, der nach wie vor noch sehr wichtigen Schulung von Fachkompetenz, geht es mehr und mehr darum, neben dem fachlichen Denken auch Problemlösefähigkeiten zu üben und das eigene Lernen zu thematisieren (überfachliche Kompetenzen). Die wachsende Komplexität in der Forschung und Arbeitswelt hat zur Folge, dass Problemstellungen immer häufiger nur in Zusammenarbeit mit Personen aus anderen Fachbereichen gelöst werden können. Team-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Ausdauer, Belastbarkeit und Selbstorganisation spielen dabei eine zunehmend wichtigere Rolle. Die genannten überfachlichen Kompetenzen können bei den Studierenden nicht einfach vorausgesetzt werden. Sie sind gezielt zu fördern. Im ECTS Users’ Guide heißt es zur Kompetenzschulung (2009, S. 15):

Kompetenzen stellen eine dynamische Kombination aus Wissen, Verständnis, Fertigkeiten und Fähigkeiten dar. Die Förderung von Kompetenzen ist das Ziel jeglicher Bildungsprogramme bzw. Studiengänge. Learning out­comes werden vom akademischen Lehrkörper verfasst. Sie geben Aufschluss über den Grad der vom Studierenden erlangten Kompetenzen.

Im Zuge der Bologna-Reform spricht man häufig von einem shift from teaching to learning. Nicht mehr der lehrende Dozent oder die Dozentin, sondern die lernende Studentin respektive der lernende Student steht im Fokus der Aufmerksamkeit. Huba und Freed (2000, S. 33) nennen sieben zentrale Merkmale für studierendenzentrierten Unterricht:

Learners are actively involved and receive feedback.

Learners apply knowledge to enduring and emerging issues and problems.

Learners integrate discipline-based knowledge and general skills.

Learners understand the characteristics of excellent work.

Learners become increasingly sophisticated learners and knowers.

Professors coach and facilitate intertwining teaching and assessing.

Professors reveal that they are learners too.

Studierendenzentriertes Lernen war auch ein Thema der Bildungsminister anlässlich der Bologna-Ministerkonferenz im Jahre 2009. Im Abschlusscommuniqué steht:

Wir bekräftigen die Bedeutung des Lehrauftrags der Hochschulen und die Notwendigkeit einer fortlaufenden Reform der Studienpläne, die auf eine Weiterentwicklung der Lernergebnisse abzielt. Studierendenzentriertes Lernen erfordert eine Befähigung der einzelnen Lernenden sowie neue Lehr- und Lernansätze, wirksame Unterstützungs- und Beratungsstrukturen und auf allen drei Stufen Curricula [bachelor, master, doctorate], die verstärkt auf die Lernenden ausgerichtet sind … Wir fordern die Hochschulen auf, der Verbesserung der Qualität der Lehre in den Programmen aller Stufen besondere Beachtung zu schenken (S. 3).

Dieser Forderung nach neuen Lehr- und Lernansätzen sowie der Förderung der Qualität der Lehre will dieses Buch nachkommen. Kompetenzorientierte Hochschullehre zu gestalten, bedeutet, dass die Studierenden immer wieder Gelegenheit erhalten müssen, ihr Wissen anwenden zu können. Das bedingt eine Neuausrichtung in der Hochschullehre. Das Format der traditionellen Vorlesung wird mehr und mehr ergänzt durch Lernarrangements, die den Studierenden erlauben, sich aktiv ins Unterrichtsgeschehen einzubringen. Wie solche Lernarrangements aussehen können, wird in diesem Buch diskutiert. Die Autoren und Autorinnen versuchen dabei immer wieder, auch Bezüge zwischen der beschriebenen Methode und lerntheoretischen Überlegungen herzustellen.

Aktivierende Unterrichtsmethoden

Ich höre und vergesse. Ich sehe und erinnere. Ich tue und verstehe.

Konfuzius (551–479 v. Chr.)

Im Hauptteil dieses Bandes stellen verschiedene Autorinnen und Autoren Methoden vor, wie die oben genannten Forderungen nach Handlungsfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Forschungsorientierung, Arbeitsweltorientierung, Wissensorientierung und Kooperationsfähigkeit eingelöst werden können. Zur Sprache kommen dabei:

Kooperatives Lernen

Problem-Based Learning

Forschungsorientiertes Lernen

Simulation Games

Projektstudio

Problembasiertes Praktikum

Überfachliche Kompetenzschulung

Großgruppenveranstaltungen

Best-practice-Beispiele

Der zweitletzte Punkt mag erstaunen – Großgruppenveranstaltungen oder, allgemeiner formuliert, Vorlesungen sind in der letzten Zeit etwas in Verruf geraten. Sie gelten gerade nicht als handlungsorientiert. Tatsache aber ist, dass noch viele Dozierende vor der Herausforderung stehen, große Gruppen von Studierenden gleichzeitig zu unterrichten. Des Weiteren gilt, dass Fachwissen durchaus in Vorlesungen effizient einer größeren Anzahl von Studierenden nähergebracht werden kann. Großgruppenveranstaltungen eignen sich auch, den Studierenden einen Überblick über ein Fachgebiet zu geben oder sie für ein Fach zu begeistern durch einen mitreißenden Experten, der von seinem Fach überzeugt ist. Die Vorlesung hat als eine Methode unter anderen nach wie vor ihre Berechtigung. Darum wurde ganz bewusst auch dieses Lehrformat in diesen Band integriert (Beitrag von Johannes Breitschaft und Rita Tuggener zu Großgruppenveranstaltungen).

Gegen den Schluss des Buches zeigt der Herausgeber dieses Bandes, wie Preisvergaben für gute Lehre an Hochschulen vermehrt auch als Ressource genutzt werden können, den Unterricht variantenreicher zu gestalten. Dozierende können sich inspirieren lassen von spannenden Lernarrangements anderer Dozierenden. Unter der Überschrift «Zündende Ideen» wird eine Website des Zentrums für Hochschuldidaktik an der Pädagogischen Hochschule Zürich vorgestellt, die prämierte Lehrveranstaltungen an verschiedenen schweizerischen Hochschulen einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht. Hier wird auch aufgezeigt, was aus Sicht von Studierenden und der Forschung einen guten Dozenten oder eine gute Dozentin ausmacht. Aus diesen Erwartungen lassen sich direkt Rückschlüsse für die Gestaltung von Lernarrangements an Hochschulen ziehen.

Im Beitrag von Christian Adlhart zum problembasierten Chemie-Grundlagenpraktikum wird das Menschenbild der Dozierenden über die Studierenden thematisiert. Dieses Beispiel illustriert eindrücklich, dass es bei der Neuausrichtung in der Lehre nicht nur um methodisches Handwerk geht, sondern zentral eben auch um Einstellungsänderungen bei Dozierenden und Studierenden. Das Resultat der Bemühungen darf sich sehen lassen: ­Orientiert sich die Lehre an den Bloom’schen Taxonomiestufen (siehe hier), erbringen die Studierenden plötzlich viel anspruchsvollere Leistungen als im herkömmlichen Laborpraktikum. Dieser Mehrwert hat allerdings auch seinen Preis: Statt zwei Dozierenden sind nun plötzlich sieben in das Unterrichtsgeschehen involviert. Dies ist übrigens nicht untypisch für diese neuen Lernformen. Die Dozierenden haben oft nicht weniger, sondern eher mehr zu tun, was ja auch vertretbar ist, wenn dadurch ein Mehrwert erzeugt wird. Dabei verschiebt sich die traditionelle Rolle des Dozierenden vom Stoffvermittler in Richtung eines Coachs, Beraters und Organisators von Lern­arrange­ments. Für Interessierte sei an dieser Stelle auf «Zwischen Beraten und Dozieren» (Thomann et al. 2011), den zweiten Band dieser Buchreihe, hingewiesen.

Mehrwert von aktivierenden Methoden auch beim Schulen des Denkens

Es ist nicht genug, einen guten Kopf zu haben; die Hauptsache ist, ihn richtig anzuwenden.

René Descartes (1596–1650)

Ein zentrales Anliegen in jedem Studienfach ist die Fähigkeit, das kritische Denken zu schulen. Neugier, die Dinge zu hinterfragen, Sachverhalte zu analysieren und kreativ neue Ideen zu entwickeln, gehören zu den Kernkompetenzen jeder Fachrichtung. In der Sprache des Erziehungswissenschaftlers Benjamin Bloom (1913–1999) geht es dabei um das Rezipieren, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Erschaffen und Beurteilen von Sachverhalten. In Abbildung 1 sind mögliche verschiedene Ebenen des Denkens beim Lernen illustriert, so wie Bloom sie in seiner berühmt gewordenen Taxonomie beschrieben hat.

In Vorlesungen wird oft nur das Denken auf den untersten Ebenen der Taxonomie – Memorieren und Verstehen – geschult. Bei den in diesem Buch vorgestellten Methoden können, wenn richtig angewendet, zusätzlich die oberen Ebenen der Taxonomie involviert werden.

Die Autorin Petra Hild geht der Frage nach, wie Kooperatives Lernen an Hochschulen aussehen kann. Sie zeigt, dass die Anwendung dieser Methode weit über die allgemein praktizierte Gruppenarbeit hinausgeht. «Jede/r kann etwas gut und niemand ist gut in allem» ist eine zentrale Prämisse. In der gemeinsamen Arbeit wird auch das lerntheoretisch begründete Aushandeln und Abgleichen individueller Lernkonstruktionen gefördert.

Der Autor Claude Müller Werder thematisiert das problembasierte Lernen (PBL). Studierende bearbeiten authentische Fragestellungen und erhalten so die Möglichkeit, Problemlösestrategien und Wissenserwerb in möglichst realen Kontexten zu erarbeiten und damit die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu verringern.

Die Autorinnen Christine Bieri und Esther Kamm sowie der Autor Reto Luder zeigen, wie forschungsorientiertes Lernen an einer pädagogischen Hochschule aussehen kann. Abhängig vom gewählten Forschungstyp werden die verschiedenen Stufen der Bloom’schen Taxonomie abgedeckt. Erfahrungen zeigen, dass dieses Lernsetting vermehrt auf Autonomie und Selbstverantwortung bei den Studierenden setzt. Zusätzlich wird klar, dass ein solches Vorgehen auf Kosten der Breite in die Tiefe geht. Nicht das oberflächlich-additive «Abarbeiten» vereinzelter und als kleine Einheiten konzipierter «Module» ist gefragt, sondern eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem Thema über einen längeren Zeitraum.

Bei der Planspielmethode geht es zum Beispiel darum, vernetztes Denken mit mehreren Variablen im System zu üben. Dabei werden Systeme analysiert und relevante Variablen identifiziert und evaluiert. Neben dem Spielen entsprechender Spiele können Studierende auch angehalten werden, selbst Planspiele zu entwerfen. Geschieht das, haben wir die höchste Stufe der Bloom’schen Taxonomie – das Gestalten – erreicht. Ein zusätzlicher Gewinn resultiert aus der Tatsache, dass beim Spielen auch Gefühle angesprochen werden, was für nachhaltiges Lernen von zentraler Bedeutung ist (Beitrag von Willy Kriz).

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Abbildung 1: Bloom’sche Taxonomie für den kognitiven Bereich – verschiedene Ebenen des Denkens beim Lernen (übernommen von der Louisiana State University, Center for Academic Studies)

In der zweiten Hälfte des Buches kommen vor allem Autoren von technischen Fachrichtungen zu Wort. Das Projektstudio im Architekturstudium an der Universität Liechtenstein oder das problembasierte Grundlagenpraktikum für angehende Chemiker an der Fachhochschule Wädenswil in der Schweiz sind ganz auf Handlungsorientierung und employability ausgerichtet. Banzer, Scherrer und Staub zeigen in ihrem Beitrag anhand des Architekturstudiums auf, wie eine kompetenzorientierte Studiengangentwicklung aussehen kann. Dabei gehen sie unter anderem der Frage nach, inwieweit neben der Fachdisziplin auch didaktische Gesichtspunkte bei der Studiengangsgestaltung eine Rolle zu spielen haben.

Die Autorinnen und Autoren der verschiedenen Hochschulen und Fachrichtungen demonstrieren überzeugend, dass die Kompetenzorientierung nichts mit der Fachrichtung oder der Institution zu tun haben muss. Dass das Schulen überfachlicher Kompetenzen – oft auch soft skills genannt – durchaus auch ein Thema in den sogenannten harten Wissenschaften ist, zeigt der Beitrag von Margot Tanner. Als verantwortliche Leiterin des Projektes No-TechS (non technical skills) an der School of Engineering der Zürcher Fachhochschule ist sie verantwortlich für die Planung und Umsetzung entsprechender Lehr-und Lernformate in den Ingenieurwissenschaften (Beitrag von Tanner in diesem Buch).

Sowohl bei ihrem Beispiel wie auch beim Beispiel von Banzer et. al wird klar, dass ein systemischer Ansatz, bei dem die ganze Institution in die «Kompetenzorientierung» einbezogen wird, erfolgversprechender ist als nur eine punktuelle Veränderung auf Modulebene von einzelnen Dozierenden. Diese Erkenntnis deckt sich mit vergleichbaren Erfahrungen aus dem angelsächsischen Raum (Cullen et al. 2012).

We believe that relying on individual classroom efforts to change the learning environment on a programmatic, college, or institutional scale is not strategic and does nothing to link and integrate those individual experiences. We believe that for graduates to develop the skills we have referred to in this chapter, curricular coherence, repeated experiences, and reflection on learning across courses are necessary (S. 13).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit den vorgestellten Methoden

höhere Ebenen des Denkens (nach Bloom) aktiviert werden;

die Verarbeitungstiefe des vermittelten Wissens und Könnens zunimmt; die Transferwirksamkeit (Stichwort employability) der in den Lehrveranstaltungen vermittelten Inhalte verbessert wird;

die Kluft zwischen Wissen und Handeln verkleinert wird (Stichwort ­träges Wissen);

die Transdisziplinarität und das Arbeiten in Teams gefördert werden.

Literaturverzeichnis

Bachmann, H. (2011) (Hrsg.). Kompetenzorientierte Hochschullehre. Bern: hep.

Bologna (2009). Abschlusskommuniqué der Ministerkonferenz. Quelle: Internet (Zugriff 12.02.2012) http://www.ond.vlaanderen.be/hogeronderwijs/bologna/conference/documents/Leuven_Louvain-la-Neuve_Communiqué_April_2009.pdf

Cullen, R. & Harris, M. & Hill, R. R. (2012). The Learner-centered Curriculum. San Francisco: The Jossey-Bass.

ECTS Users’ guide (2009). Quelle: Internet (Zugriff 12.02.2012) http://www.oead.at/fileadmin/lll/dateien/lebenslanges_lernen_pdf_word_xls/erasmus/bologna/ects_users_guide2009_de.pdf

Huba, M. & Freed, J. (2000). Learner-Centered Assessment on College Campuses. London: Ally and Bacon.

Mandel, H. & Reinmann, G. (2006). Unterrichten und Lernumgebungen gestalten. In: Krapp, A., Weidenmann, B. (Hrsg.). Pädagogische Psychologie. Weinheim: Beltz, S. 613–658

Thomann et al. (2011). Zwischen Beraten und Dozieren. Bern: hep.