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Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

1.

Nil, in der Nähe von Abydos, Mitte März 1592.

In den heißen Ländern nannte man es Tropenkoller, in den Eisregionen Polarkoller. Zwar sprach keiner von einem Nilkoller, aber viel fehlte daran wohl nicht an Bord der „Isabella“.

Sie waren für vierundzwanzig Stunden zur Untätigkeit verdammt, diese Seewölfe, und sie hingen an Deck herum wie abgeschlaffte Flögel, durch die kein Wind pustet.

Sie gammelten.

Die Gammelei hing damit zusammen, daß sie sich – Gäste in einem fremden Land – einem alten Brauch beugten, der besagte, daß der Nil nach einer Totenzeremonie für einen verstorbenen Hohepriester vierundzwanzig Stunden lang weder talnoch bergwärts befahren werden dürfte, um nicht die Ruhe des Toten zu stören, der brennend auf dem Fluß beigesetzt und dann versunken war.

Darum gammelten sie also und traten sich gegenseitig auf die Füße.

Sehr entzückend war das Land zu beiden Seiten des Nils auch nicht. Zwar wuchsen drüben am Ostufer ein paar Palmen, aber so schön waren die nun auch wieder nicht, um sie stundenlang zu betrachten. Und im Westen starrte man auf bergige Wüstenlandschaft, das heißt, auf zerrissene, teils geborstene Felsen und Steintrümmer – und Sand in jeder Menge.

Außerdem wehte seit ein paar Tagen ein heißer, trockener Wind von der östlichen Wüste herüber, und der brachte etwas mit, was sie keineswegs lustig fanden, nämlich rötlichen Staub.

Sie konnten im wahrsten Sinne des Wortes mit den Zähnen knirschen, und das taten sie auch, vor allem Edwin Carberry, dem es ganz gewaltig stank, daß die „Isabella“ allmählich rötlich überpudert wurde.

„Sie schämt sich, die alte Tante“, meinte Pete Ballie, der Rudergänger der „Isabella“, tiefsinnig, „und darum wird sie rot.“ Er lümmelte auf der Back am Steuerbordschanzkleid, die Ellbogen aufgestützt, das Kinn auf den Händen.

In der gleichen Pose verharrte Gary Andrews rechts neben ihm, während zu Pete Ballies Linken Smoky lehnte, ebenfalls abgestützt vom Schanzkleid.

Es war gut, daß es dieses Schanzkleid gab – nicht nur als Deckungsmöglichkeit im Gefecht oder als Wellenbrecher im Seegang, nein, auch für gammelnde Männer war dieses Schanzkleid vorzüglich geeignet, und es sorgte dafür, daß sie nicht außenbords fielen, wenn sie sich dagegenflegelten.

„Ha-ha“, sagte Smoky lustlos nach Petes Feststellung über das Rotwerden „der alten Tante“.

Von hinten schlich Carberry heran, blieb hinter Smoky stehen und räusperte sich drohend.

Der stämmige Decksälteste drehte sich gelangweilt um, musterte den Profos und fragte: „Ist was?“

„Ich seh nur noch rot“, sagte Carberry grimmig.

Pete Ballie und Gary bequemten sich dazu, sich ebenfalls umzudrehen. Jetzt lehnten sie alle drei mit dem Rücken am Schanzkleid, so richtig lässig, Denkmäler der Gammelei, wie sie seit Ende der Totenzeremonie an Bord Einzug gehalten hatte – ein rotes Tuch für Carberry, den Stier, der sowieso nur noch rot sah.

„Was du nicht sagst“, meinte Pete Ballie und gähnte. Dann kratzte er sich das Blondhaar, und eine rötliche Staubwolke stieg auf.

Gary Andrews hustete ein bißchen und wedelte den Staub mit der rechten Hand weg.

„Habt ihr nichts zu tun?“ fauchte der Profos.

„Frag mich was anderes“, erklärte Smoky.

„Mich auch“, sagte Pete Ballie.

„Mich auch“, sagte Gary Andrews.

„Außerdem“, fuhr Smoky fort, „liegen wir vor Anker, und das, was unser Kapitän ist, hat gesagt, die Freiwache könne der Ruhe pflegen. Also pflegen wir, da wir Freiwächter sind. Deine Frage, ob wir nichts zu tun hätten, Mister Carberry, war völlig überflüssig und stört außerdem unsere Ruhe, die wir laut Kapitän pflegen sollen. Und wenn wir nicht der Ruhe pflegen, ist das Verweigerung eines Befehls, Mister Carberry.“

„Jawohl“, sagte Pete Ballie.

„Jawohl“, sagte Gary Andrews, „und Verweigerung eines Befehls wird mit der Neunschwänzigen geahndet.“

„Ihr habt wohl ’n Vogel!“ stieß Carberry wütend hervor. Sein massiger Schädel ruckte zu Smoky. „Bist du Decksältester, Mister Smoky? Dann schau dir mal das Schiff an! Das sieht zum Kotzen aus, Sir! Rotbekotzt, von vorn bis achtern und von achtern bis vorn.“

„Logisch“, murmelte Smoky unbeeindruckt.

„Was?“

„Ich meinte: logisch“, sagte Smoky und gähnte wie vorhin Pete Ballie. „Wenn ein Schiff von vorn bis achtern rotbekotzt ist, dann ist es auch von achtern bis vorn ein solches. Oder? Es ist also nur einmal rotbekotzt, nicht zweimal.“

„Logisch“, sagte Pete Ballie.

„Völlig logisch“, sagte Gary Andrews und nickte.

Der Profos schien jetzt mehr als rot zu sehen, wahrscheinlich so eine Art von Knallrot. Er hatte auch schon so ganz dicke Backen, weil er sich mit Luft vollgepumpt hatte.

Mit aufreizender Gelassenheit – bevor der Profos platzen konnte – sagte indessen Smoky: „Das Nilwasser ist auch rotbekotzt, Mister Carberry. Woraus logisch folgert, daß es zum Abspülen und Reinschiff der ‚Isabella‘ als ungeeignet abzulehnen ist.“

„Logisch“, sagte Pete Ballie.

„Völlig logisch.“ Gary Andrews nickte gewichtig. „Nicht mal waschen kann man sich mit der rotbekotzten Brühe. Ein Schweinkram wär das.“

„Eine einzige Sauerei“, sagte Pete Ballie.

„Ein schweinisches Blutbad“, sagte Smoky so richtig mit Genuß. „Stell dir das mal vor, Ed!“ Er beschrieb mit dem rechten Arm einen Bogen – „von vorn bis achtern“. „Überall suppt die rote Brühe über die Decks, tropft in die Niedergänge, fließt in die Luken und Laderäume.“ Er nickte. „Jawohl, das Rotbekotzte wird überall sinnig verteilt, wie ich das seh. Und dann? Dann sind wir die rote ‚Isabella‘, ein Piratenschiff übelster Sorte!“ Er klatschte die rechte Faust in die linke Handfläche. „Nein, da spiel ich nicht mit!“

„Ich auch nicht“, erklärte Pete Ballie.

„Niemals!“ sagte Gary Andrews und schüttelte den Kopf.

Und grimmig starrten sie ihren Profos an – Smoky, bullig und narbenbedeckt, Pete Ballie, stämmig und mit Pranken wie Ankerklüsen, Gary Andrews, hager, zäh und so stark wie eine Raubkatze.

Carberry starrte zurück, und dann seufzte er und sagte: „Das ist vielleicht eine miese Scheiße.“

„Genau das“, bestätigte Smoky. „Nur in rot, nicht in braun oder so. Mir stinkt das auch, Ed.“ Er grinste und deutete mit dem Kopf hinter sich. „Da soll irgendwo dieses verdammte Abydos liegen – ’ne halbe Stunde landeinwärts. Ich dachte da an Schleiertänze und so. Und du?“

Carberry schüttelte den Kopf und brummte: „Kein Landgang. Hat Hasard so angeordnet. Wir warten auf den Lotsen, den uns der Sohn von diesem Kameltreiber Yussuf angekündigt hat. Außerdem trauern die wegen ihres Heiligen, den sie hier auf dem Nil wie’n Schinken geräuchert haben. Da kriegen wir in Abydos bestimmt keine Schleiertänze zu sehen.“ Er knirschte mit den Zähnen, der Profos, und war sehr geknickt. Außerdem hatte er eingesehen, daß es tatsächlich unsinnig war, der „Isabella“ mit Nilwasser zu Leibe zu rükken, um den roten Staub wegzuspülen.

Dafür tauchte jetzt Philip junior auf der Back auf und meldete: „Mister Tucker will die Schreine, die wir von den Dons erbeutet haben, aufknacken, Mister Carberry, Sir. Der Kapitän läßt fragen, ob die Gentlemen daran interessiert seien, zuzusehen. Dann sei jeder herzlich eingeladen.“

„Klar bin ich interessiert“, sagte Carberry. „Endlich mal ’ne Abwechslung von dieser Rotkotze.“

„Was in den Dingern wohl drin sein mag“, orakelte Pete Ballie. „Was meinst du, Ed?“

„Hm, drin ist bestimmt was.“

„Logisch“, sagte Gary Andrews.

„Hör bloß mit diesem dämlichen ‚Logisch‘ auf“, brummte Carberry. „Wenn in den Dingern rote Farbe ist, geh ich ins Kloster.“

„Ich auch, wenn’s ein Nonnenkloster ist“, sagte Smoky.

Pete Ballie tippte sich an die Stirn. „Da lassen sie euch erst gar nicht rein.“

„Wir verkleiden uns“, sagte Smoky. „Wetten, daß sie uns dann reinlassen?“

Philip junior, der diesem sinnigen Dialog gelauscht hatte, kicherte.

„Ich weiß nicht, was es da zu kichern gibt“, sagte Carberry brummig.

„Ich versuchte, Sie mir als Nonne vorzustellen, Mister Carberry, Sir“, erklärte das Bürschchen feixend, „mit einer Kopfhaube und einem langen Gewand.“

„Und Puder auf der Visage“, sagte Gary Andrews. Er begann zu grinsen.

„Da rennt jede Nonne weg“, sagte Pete Ballie. „Da würde ich sogar die Flucht ergreifen.“

„Wir treten eben verschleiert auf“, erklärte Smoky. „Da merkt keine Nonne was. Wetten?“

„Mit dir wette ich nicht“, sagte Pete Ballie etwas wütend. „Und Nonnenkloster hab ich hier auch nicht gesehen, also wäre eine Wette sowieso Quatsch.“ Er spähte zur Kuhl, wo Big Old Shane dabei war, die Luke zum mittleren Laderaum zu öffnen. Darunter hatten sie die Schreine verstaut.

„Ich schau mir das jetzt an“, sagte er. „Ihr redet heute doch bloß Stuß.“ Und damit enterte er zur Kuhl ab.

„So was Stures“, knurrte Smoky, der stets und gern wettete – und waren die Wetten auch noch so unmöglich.

Daß ihre Gespräche weit davon entfernt waren, geistreich zu sein, wurde ihnen kaum bewußt. Sie schrammten bereits ein bißchen am Nilkoller entlang – oder am Wüstenkoller. Der heiße, trockene Wind ging ihnen mächtig unter die Haut – und darüber sammelte sich der rötliche Staub an.

Es waren zwei Schreine, und sie sahen recht hübsch aus, wenn auch merkwürdig geformt. Sie waren aus Holz und mit Blattgold belegt. Nicht zu entziffernde Schriftzeichen – der Kutscher nannte sie Hieroglyphen – bedeckten diese Behältnisse.

Im Laderaum befanden sich Hasard, Ferris Tucker, der Kutscher, Dan O’Flynn und Old O’Flynn. Bis auf die Ankerwache und den Ausguck im Mars war der gesamte Rest der Crew um das Luk versammelt, das Ferris Tucker hatte öffnen lassen, um mehr Licht im Laderaum zu haben. Gespannt oder auch mit gemischten Gefühlen sahen sie zu, wie der Schiffszimmermann an dem einen Schrein herumhantierte.

Es mangelte nicht an Vorschlägen oder Bemerkungen.

Carberry sagte: „Nimm doch die Axt, Ferris!“

Der hünenhafte Schiffszimmermann hob kurz den Kopf und schaute schief zu Carberry hoch.

„Barbar“, murmelte er, „typisch Profos.“

„Ha“, sagte Carberry, „da fummelst du noch übermorgen dran rum. Wenn du mich fragst, war das früher mal ’ne Waschbalje für die Königsfamilie.“

„Mit Deckel, wie?“ fragte Ferris Tucker höhnisch.

„Klar“, sagte Carberry, „damit’s nicht reinstaubt in die Balje.“

Ferris Tucker schüttelte nur den Kopf über soviel Unverstand und widmete sich wieder dem Schrein.

„Klopf doch mal gegen“, schlug Old O’Flynn vor.

Oben an der Luke sagte daraufhin Al Conroy, der Stückmeister der „Isabella“: „Bloß nicht! Da werden nur die Holzwürmer verschreckt.“

Jetzt war es Hasard, der den Kopf schüttelte und sagte: „Gentlemen, ich bitte mir doch etwas mehr Respekt für diesen Gegenstand aus, der nach des Kutschers Ansicht ein Kunstwerk allerersten Ranges darstellt, aber bestimmt keine Waschbalje, wie Mister Carberry meinte, bemerken zu müssen. Wenn man, wie wir, überhaupt nichts weiß, sollte man besser schweigen, statt dumme Sprüche zu klopfen.“

„Aye, Sir“, brummte Carberry.

Sir John flatterte über die Luke weg und ließ was fallen. Es klatschte auf den Schrein, den Ferris Tucker vorsichtig abtastete. Jetzt aber fuhr er wütend hoch und raunzte den Profos an, ob er nicht, verdammt noch mal, besser auf seine „Mistkrähe“ aufpassen könne!

Wie bekannt, hatte der Papagei eine besondere Zuneigung zu dem Profos entwickelt und von dem auch eine Menge gelernt, was den Sprachschatz betraf. In dieser Beziehung war Sir John unerhört begabt. Manchmal gelang es ihm sogar, Stimm- und Tonlage Carberrys genau zu treffen. Der wiederum behandelte Sir John mal ruppig, mal liebevoll, haßte es allerdings, wenn die „Mistkrähe“ das Deck der „Isabella“ verunreinigte.

Daß ihm Ferris Tucker jetzt aber noch die Schuld an Sir Johns Zielwurf zuschob, wurmte den Profos mächtig.

So röhrte er in den Laderaum hinunter: „Soll ich vielleicht den ganzen Tag neben dem Piephahn herfliegen und ihm dabei ein Töpfchen unter den Hintern halten, was, wie? Ich bin doch nicht sein Kindermädchen, verflucht und zugeteert!“

„Liebling!“ verkündete Sir John. Er war auf der Großrah gelandet und äugte mit schiefem Kopf auf den Profos hinunter.

Die Männer begannen zu grinsen.

Und aus dem Laderaum dröhnte Ferris Tuckers Stimme: „Jetzt reicht’s mir aber, Mister Carberry! Vorhin hast du dich über das bißchen roten Staub aufgeregt, aber wenn dein Liebling einen Haufen aufs Deck setzte – und jetzt sogar auf den Schrein hier –, da findest du das ganz in Ordnung, was, wie?“

„Da kann ich doch nichts für!“ brüllte Carberry in den Laderaum.

„Gentlemen“, mahnte Hasard, obwohl er selbst Mühe hatte, ernst zu bleiben.

„Ist doch wahr“, maulte Ferris Tucker. „Scheißt mir dieses Mistvieh genau vor die Hände und mitten auf das herrliche Gold. Und wer wischt es weg? Ich vielleicht? Ich bin Schiffszimmermann, aber nicht Vogeldreckreiniger!“

Der Kutscher zog ein Tuch, beugte sich über den Schrein und wischte unter dezentem Hüsteln das Häufchen weg.

„Danke, Kutscher“, brummte Ferris Tucker, „lieber wäre mir gewesen, dieser Mister Carberry hätte den Kram weggewischt. Schließlich ist er für dieses Untier verantwortlich.“

„Sehr wahr gesprochen“, sagte der Kutscher und warf zu Carberry einen vernichtenden Blick hoch. „Neulich bin ich sogar in meiner Kombüse in Vogeldreck getreten. Es ist wirklich eine Schande. Dabei brauchte man Sir John nur zur Reinlichkeit zu erziehen und dahin zu bringen, daß er seine Verdauung wie jeder von uns auf der Galion erledigt. Aber es mangelt dem betreffenden Vogelhüter eben an pädagogischen Fähigkeiten. Daran liegt es.“

„Genau“, sagte Ferris Tucker grinsend. „Du hast es erfaßt, Kutscher. Sehr gut hast du das formuliert: es mangelt bei diesem betreffenden Vogelhüter an pädagogischen Fähigkeiten. Aber wo soll er die auch herhaben, nicht wahr?“

Carberry oben an der Luke kriegte fast einen Schreikrampf.

Sir John blieb nicht untätig und würzte die Situation mit einem rasselnden Trommelfeuer von Ausdrücken und Sprüchen seines Lehrmeisters, was den Kutscher wiederum veranlaßte, dozierend zu erklären: „Da hört man’s wieder! Nichts anderes hat dieses Tier gelernt als Unrat und fäkalische Ausdrücke. Und von wem? Von einem Menschen, der dieses goldene Kunstwerk hier mit einer Axt zertrümmern will!“

Smoky mußte den vor Wut zitternden Profos festhalten, sonst wäre der in den Laderaum gekippt.

Carberry gurgelte: „Warte nur, Kutscher, wenn ich dich allein in der Kombüse erwische! Da wirst du gepfeffert und gesalzen und in kleine Speckwürfel geschnippelt – und dann unterhalten wir uns über Pädagogik, du verrunzelte Seegurke …“

„Schnapphähne!“ plärrte Sir John erregt und ruckte mit dem Kopf. „Halsabschneider! Fier weg, das Ding, hopp-hopp, und hoch mit dem Lappen, hart Steuerbord, Pete, sinnig-sinnig, holt durch die Lose …“ Und Sir John stieß ein gellendes Gelächter aus, plusterte sich auf und entließ eine rötliche Staubwolke aus seinem Gefieder. Eine Folge unflätiger Ausdrücke schloß sich an.

„Ruhe!“ brüllte Ferris Tucker aus dem Laderaum. „Das ist ja nicht mehr auszuhalten, dieses krakeelende Vieh!“

Ein Stiefel flog zur Rah hoch, von Luke Morgan abgefeuert, und Sir John flatterte hinüber zur Fockrah, schwer beleidigt, denn es hatte ihm die Sprache verschlagen. Nur empörte Schnarrlaute waren noch vernehmbar, dann wurden die Federn einer Säuberung unterzogen, und es kehrte Ruhe an Bord ein.

Fünf Minuten später grinsten die Seewölfe nicht mehr, sondern hatten verstörte Gesichter.

Da hatte Ferris Tucker an der rechten Kante des Schreins – mehr aus Zufall – an einer schmalen Goldleiste geschoben, dem ein metallisches Knacken folgte. Und rings um den Schrein war plötzlich ein winziger Spalt sichtbar, der verriet, daß man das Oberteil abheben konnte.

Das tat Ferris Tucker, sehr vorsichtig und sehr behutsam. Es war eine Art Deckel, den er abhob. Damit war der Blick in den Schrein frei.

Old O’Flynn ächzte laut und bekreuzigte sich hastig.

Und Ferris Tucker murmelte: „Verdammt!“

Hasard, Dan O’Flynn und der Kutscher hatten glänzende Augen, als sie sich vorbeugten und in den Schrein schauten.

Die Männer oben an der Luke starrten entsetzt.

In dem Schrein, der sich als Sarkophag entpuppt hatte, lag eine Mumie mit über der Brust gekreuzten Armen und einer Totenmaske.

Old O’Flynn verließ fluchtartig den Laderaum, stolperte natürlich und schlug lang hin. Seine Flüche vermischten sich seltsam mit Prophezeiungen, Spuksalbader und der Behauptung, „diese eingewickelte Leiche“ habe ihm ein Bein gestellt.

Und als er humpelnd und grau im Gesicht auf der Kuhl erschien, verkündete er: „Weh, wehe! Verdammnis liegt über uns – ein Fluch! Das Schiff ist dem Untergang geweiht. Wir segeln in die Hölle hinunter – alle, denn wir sind Verdammte der Hölle …“

„Mister O’Flynn!“ erklang Hasards Stimme aus dem Laderaum, und zwar in einer Tonlage, die aufziehendes Gewitter verkündete. „Dürfte ich darum bitten, hier nicht verrückt zu spielen!“