Der Selbstmord einer jungen Frau führt Inspektor Héctor Salgado in die Zentrale eines Kosmetikherstellers. Ist sie wirklich aus freiem Willen auf die Gleise gesprungen? Fast alles deutet darauf hin, doch die Geschäftsführerin von Alemany Kosmetik begegnet ihm ausweichend, und die jungen Kollegen kriegen kein gerades Wort heraus. Niemandem in dieser Firma ist zu trauen, und dann erfährt Salgado von einer weiteren Tragödie: Ein anderer Mitarbeiter hat sich eine Kugel in den Kopf gejagt – nachdem er seine Frau und seine kleine Tochter regelrecht hingerichtet hatte …

Antonio Hill, geboren 1966 in Barcelona, hat Psychologie studiert und arbeitet als Übersetzer. Der einzige Ausweg ist sein zweiter Barcelona-Krimi und der nächste Fall für Inspektor Héctor Salgado.

Thomas Brovot lebt als Übersetzer (u. a. Mario Vargas Llosa, Juan Goytisolo, Federico García Lorca) in Berlin.

Antonio Hill

DER EINZIGE AUSWEG

EIN BARCELONA-KRIMI

Aus dem Spanischen von
Thomas Brovot

Suhrkamp

Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel

Los buenos suicidas

bei Random House Mondadori, Barcelona.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuchs 4487

Deutsche Erstausgabe

© Suhrkamp Verlag Berlin 2013

© Antonio Hill Gumbao, 2012

© Random House Mondadori S.A., 2012

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

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Umschlaggestaltung: cornelia niere, münchen

Umschlagfoto: Samuel Aranda/Corbis

eISBN 978-3-518-73484-1

www.suhrkamp.de

DER EINZIGE AUSWEG

Für Jan, den Jüngsten der Familie

PROLOG

Eine ganz normale Familie

Lola Martínez Rueda / Die Stimme der Anderen

Donnerstag, 9. September 2010

»Sie waren ein richtig nettes Paar«, sagen die Nachbarn. »Ihn habe ich nicht so oft gesehen, aber er war immer sehr höflich und hat freundlich gegrüßt. Sie war etwas distanzierter … Nur ihre Tochter, die hat sie nie aus den Augen gelassen, nicht eine Minute.« »Ein reizendes kleines Mädchen«, bemerkt die Besitzerin eines Cafés ganz in der Nähe der Wohnung, im Viertel El Clot von Barcelona. Noch vor wenigen Tagen hat Gaspar Ródenas dort mit seiner Frau Susana und der vierzehn Monate alten Alba gefrühstückt. »Sie kamen oft am Wochenende«, fügt sie hinzu. Und ohne dass ich sie gefragt hätte, erzählt sie, was sie üblicherweise bestellten – er einen Espresso, sie einen Milchkaffee – und wie drollig das Mädchen gewesen sei. Kleinigkeiten am Rande, gewiss, belanglose Details, die uns heute, angesichts des Geschehenen, irritieren.

Denn am frühen Morgen des 5. September, während seine Frau noch schlief, erhob sich dieser »schüchterne, aber liebenswürdige« Vater aus dem Ehebett, trat ins Zimmer seiner Tochter, legte ihr ein Kissen auf das Gesicht und drückte mit aller Kraft zu. Wir wissen nicht, ob Susana aufwachte, geweckt vielleicht von jenem sechsten Sinn, der seit Urzeiten den Schlaf der Mütter begleitet. Jedenfalls wollte Gaspar Ródenas, dieser »so höfliche« Ehemann, auch sie nicht am Leben lassen. Sie starb kurz darauf, an einem Schuss ins Herz. Und wie es sich für einen machistischen Mörder gehört, erschoss Gaspar sich danach selbst.

Die Namen von Susana und ihrer Tochter verlängern die Liste der Frauen, die Männern zum Opfer fielen, Menschen, die sie eigentlich lieben, respektieren und, wenn wir an das kleine Mädchen denken, beschützen sollten. Vierundvierzig Frauen wurden im Laufe dieses Jahres bereits von ihren Partnern umgebracht. Jetzt sind es fünfundvierzig, auf makabre Weise gekrönt vom Tod eines Kleinkinds. Vielleicht passt der Fall nicht in das Muster, das uns mittlerweile so geläufig ist: Trennung oder Scheidung, häusliche Gewalt. Gaspar Ródenas war, Ironie des Schicksals, kein gewalttätiger Mann.

So können die Behörden endlich einmal glaubhaft versichern, nichts habe darauf hingedeutet, dass Susana und Alba in Gefahr waren. Aber das macht ihren Tod nur umso schrecklicher. Denn wir Frauen, viele von uns, wissen längst, dass es Mittel und Wege gibt, uns zu wehren gegen gewalttätige Machos, die denken, sie hätten das Recht, über unser Leben und unseren Tod zu bestimmen. Gegen Typen, die uns verachten, anbrüllen und schlagen. Nur gegen diesen heimlichen Groll, der sich im Stillen ansammelt, diesen stummen Hass, der eines Nachts explodiert und alles hinwegfegt, gegen den können wir uns nicht schützen.

Es gibt ein Foto von den dreien, aufgenommen wenige Wochen zuvor an einem Strand von Menorca. Darauf ist Alba zu sehen, wie sie mit einer roten Schaufel im Sand sitzt, auf dem Kopf ein weißes Mützchen zum Schutz vor der Augustsonne. Dahinter, auf Knien, Susana. Sie lächelt glücklich in die Kamera. Neben ihr, den Arm um sie gelegt, ihr Mann. Wenn man ihn so sieht, ganz entspannt, die Augen im Sonnenlicht leicht zusammengekniffen, scheint es unvorstellbar, dass Gaspar Ródenas kaum einen Monat später mit denselben Händen, die Susana sanft umfassen, die beiden töten sollte.

Warum hat dieser zweiunddreißigjährige Mann, fest angestellt bei einem bekannten Kosmetikunternehmen, ohne nennenswerte finanzielle Belastungen und ohne jede Vorgeschichte, warum hat er zwei Morde begangen, Taten, die sich dem Verstand entziehen? Wann kam es ihm in den Sinn, dem Leben seiner Frau und seiner Tochter ein Ende zu setzen? In welchem Moment überkam ihn der Wahn und verzerrte die tägliche Wirklichkeit, bis er davon überzeugt war, der Tod sei der einzige Ausweg?

Auch wenn sie selber nicht mehr glauben können, was sie hartnäckig behaupten, ist die Antwort der Angehörigen, Freunde und Kollegen immer die gleiche: Gaspar, Susana und Alba waren eine ganz normale Familie.

HÉCTOR

1

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten schaut Inspektor Héctor Salgado sich plötzlich um, fest davon überzeugt, dass ihm jemand folgt. Aber er sieht nur namenlose und gleichgültige Gesichter, Menschen, die wie er durch das Gedränge an der Gran Vía gehen und ab und zu vor einem der traditionellen Stände mit Spielzeug und Süßigkeiten stehen bleiben. Es ist der Abend vor dem Dreikönigstag, auch wenn man es kaum glauben mag, so angenehm sind die Temperaturen. Einigen Passanten ist das offenbar egal, sie haben sich der Jahreszeit entsprechend warm eingepackt, manche sogar mit Handschuhen und Schal, gleichwohl froh darüber, einen Scheinwinter zu erleben, dem die Hauptzutat fehlt: die Kälte.

Der Umzug hat schon stattgefunden, und unter den Girlanden aus glitzernden Lichtern wälzt sich der Verkehr wieder über die Fahrbahn. Menschen, Autos, dampfende Churros und heißes Fett, alles überwölbt von den ach so fröhlichen Weihnachtsliedern, deren Texte fast surrealistisch anmuten. Wie es scheint, hat sich niemand die Mühe gemacht, neue Lieder zu schreiben, so dass im Gedröhne der Lautsprecher die lieben Fischlein ein weiteres Jahr aus demselben verdammten Fluss trinken. Genau das ist es, was an Weihnachten so nervt, denkt Héctor: dass alles immer gleich abläuft, während wir uns verändern und älter werden. Für ihn grenzt es schon an Grausamkeit, dass diese Weihnachtsstimmung das Einzige ist, was sich Jahr um Jahr ohne Ausnahme wiederholt und unseren Verfall nur umso deutlicher zu Tage treten lässt. Und zum x-ten Mal in den letzten beiden Wochen wünschte er sich, er wäre vor dem ganzen Rummel in ein buddhistisches oder radikal atheistisches Land geflohen. Nächstes Jahr, sagt er sich, nächstes Jahr, immer wieder, wie ein Mantra. Und was sein Sohn dazu sagt, kann ihm gestohlen bleiben.

Er ist so mit sich beschäftigt, dass er nicht merkt, wie der langsam fließende Fußgängerstrom innehält. Héctor steht vor einem Stand mit Tüten voller Plastikfigürchen: Cowboys und Indianer, Soldaten in Tarnanzügen, bereit, aus dem Schützengraben zu feuern. Seit Jahren hat er diese Figürchen nicht mehr gesehen, und er erinnert sich, wie er ein paar für Guillermo gekauft hat, als der noch ein kleiner Junge war. Der Verkäufer jedenfalls, ein alter Mann mit arthritischen Händen, hat es geschafft, bis ins Detail eine grandiose Kriegsszene nachzustellen, die einem Film aus den Fünfzigern alle Ehre gemacht hätte. Es sind nicht die einzigen Figürchen, die er verkauft. Weitere Soldaten, die klassischen aus Zinn, größer und mit glänzenden roten Uniformen, marschieren auf der einen Seite; auf der anderen, historisch etwas desorientiert, eine Gruppe römischer Gladiatoren.

Der Alte winkt ihn heran, ermuntert ihn, die Ware in die Hand zu nehmen, und Héctor folgt der Aufforderung, mehr aus Höflichkeit denn aus wirklichem Interesse. Der Soldat ist weicher, als er dachte, fast wie menschliches Fleisch, und die Berührung ekelt ihn. Plötzlich nimmt er wahr, dass die Musik verstummt ist. Alle Passanten sind stehen geblieben. Die Wagen haben die Scheinwerfer ausgemacht, und die Weihnachtslichter, die nur noch matt flimmern, sind die einzige Straßenbeleuchtung. Héctor schließt die Augen und öffnet sie wieder. Die Menge um ihn herum löst sich auf, die Körper verschwinden, einfach so, verflüchtigen sich, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Nur der Verkäufer steht noch vor ihm. Mit einem Lächeln in seinem runzligen Gesicht holt er unter dem Verkaufstisch eine Schneekugel hervor.

»Für Ihre Frau«, sagt er. Und Héctor will gerade antworten, nein, Ruth hasst diese Glaskugeln, schon als Kind haben die sie nervös gemacht, genau wie die Clowns. Da sinken die aufgewirbelten Flocken zu Boden, und er sieht sich selbst vor einem Stand mit Plastiksoldaten, gefangen unter dem Glas.

»Papa. Papa …«

Scheiße.

Der Bildschirm des Fernsehers ein grauer Nebel. Die Stimme seines Sohns. Der Schmerz im Nacken, weil er in der ungünstigsten Haltung eingeschlafen war. Der Traum an diesem Dreikönigsabend war so wirklich gewesen.

»Du hast geschrien.«

Scheiße. Wenn dein eigener Sohn dich aus einem Albtraum weckt, ist der Zeitpunkt gekommen, als Vater abzudanken, dachte Héctor, während er sich stöhnend und mit einer Hundelaune aufrichtete.

»Ich bin auf dem Sofa eingeschlafen. Und du, wieso bist du um diese Zeit noch wach?« Es war der absurde Versuch, seine väterliche Würde wiederherzustellen. Er rieb sich die linke Seite seines Halses.

Guillermo zuckte die Achseln und sagte nichts. Genau wie Ruth es gemacht hätte. Wie Ruth es so oft gemacht hatte. Unwillkürlich griff Héctor nach einer Zigarette und zündete sie an. Der Aschenbecher quoll über von Kippen.

»Keine Sorge, ich schlafe hier nicht noch mal ein. Geh ins Bett. Und denk dran, morgen müssen wir früh los.«

Sein Sohn nickte. Während er ihm nachsah, wie er barfuß in sein Zimmer ging, dachte er daran, wie schwer es war, ohne Ruth Vater zu sein. Guillermo war noch keine fünfzehn, aber manchmal hätte man meinen können, er sei viel älter. In seinem Gesicht lag eine verfrühte Ernsthaftigkeit, die Héctor mehr wehtat, als er sich eingestehen mochte. Er nahm einen tiefen Zug an der Zigarette, und ohne dass er wusste, warum, drückte er die Fernbedienung. Er konnte sich nicht mal erinnern, was er am Abend eingelegt hatte. Bei den ersten Bildern, diesem schwarz-weißen Standfoto von Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg, wusste er es wieder: Außer Atem. Ruths Lieblingsfilm. Ihm war nicht danach, ihn noch einmal zu sehen.

Zehn Stunden vorher, im Sprechzimmer des Psychologen, hatte Héctor die weißen Wände angestarrt, Wände eines Raums, den er gut kannte, und ihm war ein wenig unbehaglich gewesen. Wie üblich nahm der Typ sich Zeit, bevor er mit der Sitzung begann, und Héctor hatte immer noch nicht herausgefunden, ob diese schweigsamen Minuten dazu dienten, seinen Gemütszustand einzuschätzen, oder ob sein Gegenüber einfach nur schwer in die Gänge kam. An diesem Morgen jedenfalls, sechs Monate nach seinem ersten Besuch, war Inspektor Salgado nicht in Wartelaune. Er räusperte sich, schlug die Beine übereinander und nahm sie wieder herunter, bis er sich schließlich vorbeugte und sagte:

»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir anfangen?«

»Natürlich nicht.« Und er sah von seinen Unterlagen auf, auch wenn er nichts weiter hinzufügte.

Er saß schweigend da, befragte den Inspektor mit dem Blick. Er machte einen zerstreuten Eindruck, und zusammen mit seinem jugendlichen Gesicht erinnerte er an eins dieser Wunderkinder, die mit sechs Jahren komplizierte Gleichungen lösen, aber keinen Ball treten können, ohne auf die Nase zu fallen. Ein falscher Eindruck, das wusste Héctor. Der Junge war ein müder Schütze, gewiss, aber wenn er mal schoss, traf er ins Schwarze. Die Therapie jedenfalls, die als dienstliche Auflage begonnen hatte, war für ihn zu einem Routinetermin geworden, zuerst wöchentlich, dann alle vierzehn Tage, danach hatte er sie aus freien Stücken fortgesetzt. So dass er an diesem Morgen, genau wie er es gelernt hatte, tief durchatmete, bevor er antwortete:

»Entschuldigen Sie. Der Tag hat nicht besonders gut angefangen.« Er lehnte sich zurück und sah in eine Ecke. »Und ich glaube nicht, dass er viel besser endet.«

»Schwierigkeiten zu Hause?«

»Sie haben keine halbwüchsigen Kinder, oder?« Es war eine absurde Frage. Um einen Sohn in Guillermos Alter zu haben, hätte sein Therapeut mit fünfzehn Jahren Vater werden müssen. Er schwieg, dachte nach, und in mattem Ton fuhr er fort: »Aber das ist es nicht. Guillermo ist ein guter Junge. Das Problem ist, glaube ich, dass er nie Probleme gemacht hat.«

Das stimmte. Und auch wenn viele Eltern über einen solchen äußerlichen Gehorsam froh gewesen wären, beunruhigte Héctor, was sich dahinter verbarg, denn was im Kopf seines Sohnes vorging, war ein Geheimnis. Nie beklagte er sich, seine Schulnoten waren leidlich, und seine Ernsthaftigkeit hätte Jungs, die verrückter oder verantwortungsloser waren als er, ein Beispiel sein können. Héctor merkte jedoch, besser gesagt, er ahnte, dass hinter dieser völligen Normalität etwas Trauriges steckte. Guillermo war immer ein ruhiges Kind gewesen, doch jetzt, voll in der Pubertät, war er zu einem introvertierten Jungen geworden, dessen Leben sich, wenn er nicht in der Schule war, hauptsächlich in den vier Wänden seines Zimmers abspielte. Er sprach wenig, hatte nicht allzu viele Freunde. Letzten Endes, dachte Héctor, ist er gar nicht so anders als ich.

»Und Sie, Inspektor, wie geht es Ihnen? Können Sie immer noch nicht schlafen?«

Héctor zögerte, bevor er es zugab. Bei diesem Thema waren sie sich nicht einig geworden. Nach mehreren Monaten der Schlaflosigkeit hatte der Psychologe ihm leichte Schlafmittel empfohlen, die zu nehmen er sich jedoch weigerte. Zum Teil, weil er sich nicht an sie gewöhnen wollte; zum Teil, weil sein Kopf gerade in den frühen Morgenstunden auf Hochtouren lief, und er wollte nicht auf seine produktivsten Stunden verzichten. Außerdem zog ihn der Schlaf in ungewisse Bereiche, und das waren nicht immer die angenehmsten.

Der junge Mann ahnte, was es mit seinem Schweigen auf sich hatte.

»Sie machen sich unnötigen Stress, Inspektor. Und ohne es zu wollen auch den Menschen in Ihrer Umgebung.«

Héctor hob den Kopf. Nur wenige Male wandte er sich ihm direkt zu. Der junge Mann hielt dem Blick gelassen stand.

»Sie wissen, dass ich recht habe. Am Anfang, als Sie in die Sprechstunde kamen, haben wir ein ganz anderes Thema behandelt. Ein Thema, das wir nach dem Vorfall mit Ihrer ehemaligen Frau beiseitegeschoben haben.« Er sprach mit festem Ton, ohne zu schwanken. »Ich verstehe, dass es eine schwierige Situation ist, aber sich zu quälen bringt Sie nicht weiter.«

»Sie glauben, ich quäle mich?«

»Etwa nicht?«

Héctor lächelte bitter.

»Und was raten Sie mir? Dass ich Ruth vergesse? Dass ich akzeptiere, die Wahrheit nie zu erfahren?«

»Sie müssen es nicht akzeptieren. Nur damit leben, ohne sich jeden Tag gegen die Welt aufzulehnen. Hören Sie zu, und jetzt frage ich Sie als den Polizisten, der Sie sind: Wie viele Fälle bleiben zunächst ungelöst? Wie viele werden erst Jahre später aufgeklärt?«

»Ich verstehe Sie nicht«, antwortete Héctor und zögerte, ehe er weitersprach. »Manchmal … gelingt es mir, alles zu vergessen, ein paar Stunden lang, während der Arbeit oder beim Laufen, aber dann ist es wieder da. Plötzlich. Wie ein Gespenst. Wartet ab. Nicht wirklich schlimm, denn es klagt nicht an, fragt auch nicht, und trotzdem ist es da. Und geht so leicht nicht wieder weg.«

»Was genau ist da?« Die Frage hatte er in demselben neutralen Tonfall gestellt, der jeden Beitrag des Therapeuten begleitete, auch wenn Héctor etwas Bestimmtes herauszuhören glaubte.

»Keine Sorge.« Er lächelte. »Nicht dass ich manchmal Tote sähe. Es ist nur das Gefühl, dass du …«, er machte eine Pause, suchte nach Worten, »dass du, wenn du lange mit einer Person zusammengelebt hast, manchmal einfach weißt, dass sie zu Hause ist. Du legst dich nachmittags hin, wachst auf und spürst, dass sie da ist, du musst sie gar nicht sehen. Verstehen Sie? So etwas war mir nicht mehr passiert. Ich meine, in der Zeit, als ich von Ruth getrennt war. Erst danach … nach ihrem Verschwinden.«

Für Sekunden wurde es still. Der Psychologe kritzelte etwas in sein Heft. Dann sprach er wieder, langsam, freundlich, fast vorsichtig.

»Ist Ihnen etwas aufgefallen, Inspektor? Zum ersten Mal räumen Sie ein, wenn auch nur nebenbei, dass Ruth tot sein könnte.«

»Wir Argentinier wissen sehr gut, was ›verschwunden‹ bedeutet«, sagte Héctor. »Vergessen Sie das nicht.« Er räusperte sich. »Trotzdem gibt es keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass Ruth tot ist. Nur …«

»Nur: Sie selbst glauben es, nicht wahr?«

Bevor Héctor antwortete, blickte er über die Schulter, als fürchtete er, jemand könnte ihn hören.

»Tatsache ist, wir haben keine Ahnung, was mit Ruth passiert ist. Und das macht einen am meisten fertig.« Er hatte die Stimme gesenkt, sprach mehr zu sich selbst. »Du kannst nicht mal um sie trauern, denn du fühlst dich wie ein Verräter, wie einer, der zu früh das Handtuch geworfen hat.« Er seufzte. »Entschuldigen Sie, aber die Weihnachtstage waren ein bisschen zu viel für mich. Ich dachte, mir bliebe Zeit, um in der Sache weiterzukommen, aber … Ich musste aufgeben. Es gibt nichts. Ich habe nichts gefunden. Es ist verflucht, als hätte sie jemand aus dem Bild gewischt, ohne jede Spur.«

»Ich dachte, Sie hätten den Fall ohnehin nicht mehr in der Hand.«

Héctor lächelte.

»Ich habe ihn im Kopf.«

»Tun Sie mir einen Gefallen.« Das war immer der Auftakt zum Ende. »Versuchen Sie bis zur nächsten Sitzung, sich jeden Tag, und sei es nur kurz, auf die Dinge zu konzentrieren, die ihr Leben ausmachen, im Guten wie im Schlechten. Nicht auf die, die Ihnen fehlen.«

Es war fast zwei Uhr nachts, und Héctor wusste, dass er nicht wieder einschlafen würde. Er nahm Zigaretten und Handy, verließ die Wohnung und ging zur Dachterrasse hinauf. Dort würde er zumindest Guillermo nicht wecken. In drei Punkten hatte der Therapeut recht. Erstens sollte er anfangen, diese blöden Schlaftabletten zu nehmen, auch wenn es ihn nervte. Zweitens hatte er den Fall tatsächlich nicht mehr in der Hand. Und drittens, ja, im Grunde war er längst davon überzeugt, dass Ruth tot war. Seinetwegen.

Es war eine schöne Nacht. Eine dieser Nächte, die einen mit der Welt versöhnen, wenn man es nur zulässt. Die Stadtküste erstreckte sich vor seinen Augen, und etwas in dem strahlenden Glanz der Gebäude, in diesem dunklen, aber ruhigen Meer vermochte es, die Dämonen zu vertreiben, die Héctor in sich trug. So dass er sich nun auf der Terrasse, umgeben von Blumentöpfen mit vertrockneten Pflanzen, in aller Aufrichtigkeit fragte, was er im Leben hatte.

Guillermo. Seinen Job bei den Mossos d’Esquadra, als Inspektor der katalanischen Polizei, intensiv und frustrierend zugleich. Einen Kopf, der anständig zu funktionieren schien, und Lungen, die vom Tabak schon fast schwarz sein mussten. Carmen – seine Vermieterin, seine Nachbarin; seine Mutter in Barcelona, wie sie sagte. Diese Dachterrasse, von der aus das Meer zu sehen war. Einen nervigen Therapeuten, der ihn dazu brachte, um drei Uhr nachts einen solchen Stuss zu denken. Wenige Freunde, aber gute. Eine riesige Filmsammlung. Einen Körper, der es schaffte, dreimal in der Woche sechs Kilometer zu laufen (trotz der malträtierten Lungen). Was noch? Albträume. Die Erinnerung an Ruth. Die Erinnerungen mit Ruth. Die Leere ohne Ruth. Nicht zu wissen, was mit ihr passiert war, war ein Verrat an allem, was ihm etwas bedeutete: an seinen Versprechungen von früher, an seinem Sohn, selbst an seiner Arbeit. An dieser Wohnung, wo er und Ruth gelebt, sich geliebt und gestritten hatten; der Wohnung, aus der sie abgehauen war, um ein neues Leben anzufangen, in dem er nur ein Nebendarsteller war. Und trotzdem liebte sie ihn, liebten sie sich immer noch, nur anders. Er hatte gerade gelernt, mit all dem zu leben, als Ruth verschwand, sich in Luft auflöste und ihm nur dieses Schuldgefühl ließ, gegen das er seither ankämpfte.

Schluss jetzt, sagte er sich. Das bringt doch nichts. Als wärst du der Hauptdarsteller in einem französischen Film: um die vierzig, larmoyant, Mittelmaß. So einer, der zehn Filmminuten lang von einer Klippe aufs Meer schaut, bedrängt von existentialistischen Fragen, um sich dann wie ein Volldepp in die Fesseln eines jungen Mädchens zu verlieben. Er musste an das letzte Gespräch denken, vielleicht sollte man es auch besser Streit nennen, das er just vor Weihnachten mit seiner Kollegin geführt hatte, der Unterinspektorin Martina Andreu. Der Grund für ihre Auseinandersetzung war nicht der Rede wert, aber keiner schien imstande, sie zu beenden. Bis Martina ihn mit ihrer entwaffnenden Offenheit anschaute und ihm geradeheraus ins Gesicht sagte: »Héctor, mal ehrlich, wie lange hast du schon nicht mehr gebumst?«

Bevor die klägliche Antwort in seinem Kopf widerhallte, klingelte das Handy.

2

Das Blaulicht der Streifenwagen erhellte die Plaza Urquinaona, sehr zur Verwunderung der vier betrunkenen Penner, die die Holzbänke als Matratze benutzten und in dieser Nacht um ihren Schlaf gebracht wurden.

Héctor wies sich aus und stieg, nicht frei von einem mulmigen Gefühl, die Treppe zur Metro hinunter. Die Selbstmörder, die dieses Mittel wählten, waren zahlreicher als in den Medien erwähnt und von den Statistiken erfasst, wenn auch nicht so zahlreich, wie die Legenden es erzählten. In einigen war gar von »schwarzen Stationen« die Rede, von U-Bahnhöfen, wo die Anzahl der Personen, die ihrem Leben ein Ende setzten, ungleich höher war als anderswo. Um zu verhindern, was man als Nachahmereffekt kannte, wurden diese Todesfälle der Öffentlichkeit verschwiegen. Héctor konnte es zwar nicht beweisen, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass solche Selbstmorde mehr einem Augenblick der Verzweiflung entsprangen als einem bewussten Plan. Die Bahnsteigkante vor einem, die Möglichkeit, mit einem einzigen Schritt alle Probleme aus der Welt zu schaffen, diese Aussicht setzte sich durch gegen die natürliche Angst vor einem schmerzhaften Tod, vor dem Bild des eigenen zerstückelten Körpers.

Das Vorgehen der Polizei zeichnete sich jedenfalls aus durch Schnelligkeit im Handeln: den Leichnam so rasch wie möglich bergen und den Betrieb wieder aufnehmen, auch wenn diesmal, angesichts der Uhrzeit, zur Eile kein Grund war; den Vorfall kaschieren mit einer angeblichen technischen Störung oder einem sonstigen Vorkommnis, solange der Zugverkehr unterbrochen blieb. Weshalb es ihn wunderte, dass der Beamte Roger Fort sich die Mühe gemacht hatte, ihn um diese Zeit zu Hause anzurufen und zu informieren.

Ebenjener Roger Fort, der ihn mit unschlüssiger Miene anschaute, als Inspektor Salgado gerade den zweiten Treppenabschnitt hinab in Richtung Bahnsteig lief.

»Inspektor, gut, dass Sie gekommen sind, ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt.«

Der Junge hatte etwas, eine respektvolle Förmlichkeit, die Héctor schätzte und zugleich beargwöhnte. Als Ersatz für die junge, effiziente und recht freche Leire Castro war er jedenfalls eine Zumutung. Héctor war überzeugt, dass es der Kollegin Castro unter diesen Umständen wohl als Letztes eingefallen wäre, sich an höhere Stellen zu wenden; ohne Zweifel hätte sie sich befähigt gefühlt, die Sache allein zu regeln. Was auch der einzige Einwand war, der Héctor zu ihrer Arbeit einfiel: Leire konnte einfach nicht warten, bis die anderen zu ihren Schlussfolgerungen gelangt waren, sie griff vor und unternahm etwas auf eigene Faust, ohne sich wem auch immer anzuvertrauen. Ein Charakterzug, der nicht immer gut angesehen war in einem Job, bei dem man Ordnung und Disziplin nach wie vor mit Leistung gleichsetzte.

Doch zu seinem Leidwesen war Castro in Mutterschaftsurlaub, und Kommissar Savall hatte ihm diesen gerade aus Lleida gekommenen Polizisten ins Team gesetzt. Mit seinem dunklen Teint und dem ewigen Bartschatten, dem keine Rasur etwas anhaben konnte, seiner mittelgroßen Statur und dem Körperbau eines Rugbyspielers schien der kräftige Nachname perfekt zu ihm zu passen. Genau wie Leire war er noch keine dreißig. Beide gehörten zu dem neuen Jahrgang von Kriminalbeamten, die in die Mannschaft der Mossos d’Esquadra drängten und die Héctor allzu jung vorkamen. Vielleicht weil er sich mit seinen dreiundvierzig Jahren manchmal fühlte wie ein alter Mann.

»Geweckt nicht. Aber ich weiß nicht, ob ich mich über deinen Anruf freuen soll.«

Fort wurde rot.

»Die Leiche ist schon zugedeckt, der Abtransport erfolgt gleich …«

»Warte.« Salgado hasste dieses förmliche Gerede, meist war es die Zuflucht der Unfähigen, wenn sie nicht wussten, was sie sagen sollten. Und dann wiederholte er etwas, was man auch zu ihm gesagt hatte, als er anfing, einen Satz, der ihm damals lächerlich erschien, der ihm aber jetzt, Jahre später, einleuchtete. »Das hier ist keine Fernsehserie. Die ›Leiche‹ ist eine Person.«

Forts Wangen glühten jetzt noch mehr.

»Entschuldigung. Ja, es ist eine Frau. Um die dreißig. Nach der Handtasche wird noch gesucht.«

»Ist sie damit vor den Zug gesprungen?«

Fort antwortete nicht auf die Frage und hielt sich an sein Drehbuch.

»Sehen Sie sich die Bilder an. Die Überwachungskameras haben einen Teil des Vorfalls aufgenommen.«

Stimmenlärm auf dem Bahnsteig war zu hören.

»Wer ist noch da unten?«

»Zwei Jugendliche. Die von der Streife sind bei ihnen.«

»Jugendliche?« Salgado wappnete sich mit Geduld, aber aus seinem Tonfall sprach Unmut. »Hast du nicht am Telefon gesagt, der Selbstmord wäre kurz vor zwei passiert? Ich denke, ihr hattet Zeit genug, ihre Aussagen aufzunehmen und sie nach Hause zu schicken.«

»Das haben wir. Aber sie sind zurückgekommen.«

Bevor Fort Gelegenheit hatte, weitere Erklärungen zu geben, trat jemand vom Sicherheitspersonal auf sie zu, ein Mann mittleren Alters mit Ringen unter den Augen und müder Miene.

»Wollen Sie die Aufnahme hier sehen oder lieber mitnehmen?«

Was für Héctor im Klartext so viel hieß wie: Darf ich meine verdammte Schicht jetzt endlich beenden? Fort wollte schon etwas sagen, aber der Inspektor kam ihm zuvor.

»Hier«, entschied Héctor, ohne seinen Untergebenen anzusehen. »Das mit den Jugendlichen erklärst du mir später.«

Die Kabine, wo die Videos von den Bahnsteigen aufgezeichnet wurden, war klein, es roch streng, nach Schweiß und Eingesperrtsein.

»Bitte sehr«, sagte der Sicherheitsmann nur. »Aber viel dürfen Sie nicht erwarten.«

Die Kamera erfasste den Bahnsteig von dem Ende an, wo die Züge einfuhren, und Salgado, Fort und der Sicherheitsmann beobachteten stumm die Ankunft einer Metro um genau 01:49 Uhr. Héctor erinnerte sich sofort an seinen Traum, und vielleicht wegen des diffusen, grauen Bilds schienen die Menschen, die auf dem Bahnsteig warteten – Körper mit verwischtem Gesicht und abgehackten Bewegungen –, wie urbane Zombies. Gerade als die Türen sich schlossen, kam eine Gruppe Jungs mit Baseballkappen, in Sweatshirts und weiten Jeans auf den Bahnsteig gerannt; sie sahen, dass sie den Zug verpassten, und trommelten vor lauter Wut gegen die Scheiben. Als die Metro anfuhr und sie in der Station zurückließ, machte einer vor der Kamera ein eindeutiges Zeichen mit dem Finger.

»Sie mussten sechs Minuten warten, weil …«, sagte der Sicherheitsmann, und in seiner Stimme schwang endlich so etwas wie Befriedigung.

»Da, Inspektor«, unterbrach ihn Fort.

Tatsächlich, auf der gegenüberliegenden Treppe kam eine Frau herunter. Es war nicht zu erkennen, ob sie groß war oder klein. Dunkelhaarig, mit schwarzem Mantel und etwas in der Hand. Sie war so weit von der Kamera entfernt, dass ihr Gesicht kaum zu sehen war, noch dazu drehte sie den Kopf immer wieder zu der Stelle, wo sie auf den Bahnsteig getreten war.

»Sehen Sie, Inspektor? Sie schaut sich die ganze Zeit um. Als ob ihr jemand folgt.«

Héctor sagte nichts. Er behielt den Bildschirm fest im Blick. Nach der Uhr, die rückwärts zählend die Zeit bis zur nächsten Bahn anzeigte, blieben der Frau kaum mehr als drei Minuten Leben.

Sie hielt sich abseits der Gleise, mit dem Profil zur Kamera. Im Vordergrund hatten sich zwei der vier Jugendlichen auf die Bänke gesetzt oder vielmehr hingelegt. Héctor erkannte ein Mädchen unter ihnen. Vorher hatte er sie nicht gesehen. Sehr kurze schwarze Shorts und irre hohe Absätze, ein weißer Anorak. Neben ihr versuchte einer der Jungs sie um die Taille zu fassen, aber sie löste sich schroff und sagte etwas zu ihm, worauf die beiden anderen in Gelächter ausbrachen. Der Junge wandte sich ihnen drohend zu, aber die beiden machten sich weiter lustig.

Héctor behielt die Frau im Auge. Ihr war nicht wohl in ihrer Haut, so viel war klar. Zuerst schien sie zu den Jugendlichen gehen zu wollen, doch als sie sie lachen sah, blieb sie stehen und drückte ihre Handtasche fest an sich. Niemand sonst hatte den Bahnsteig betreten, trotzdem schaute sie sich ständig um. Vielleicht versuchte sie so die Jugendlichen, die ganz offensichtlich aus Lateinamerika stammten, zu ignorieren. Schließlich richtete sich ihr Blick auf etwas in ihrer Hand. Nachdenklich machte sie ein paar Schritte und stellte sich an den gelben Sicherheitsstreifen, als wollte sie noch ein paar Sekunden herausschlagen.

»Sie hat auf ihr Handy geschaut«, bemerkte Fort.

Und dann schien alles auf einmal zu passieren. Die Jungs sprangen auf, nahmen das ganze Bild ein, während der Zug in die Station einfuhr.

»Sie muss genau in dem Moment gesprungen sein«, sagte der Sicherheitsmann, während auf dem Bildschirm der Zug anhielt, die Türen aufgingen und Neugierige auf den Bahnsteig strömten. »Aber wegen dieser Latinos kann man nichts sehen. Der Zugführer selbst hat Alarm gegeben. Armer Kerl.«

Schon merkwürdig, dachte Héctor, der Zugführer rührt ihn mehr als die tote Frau. Als hätte sie es bei ihrem letzten Akt an Rücksicht vermissen lassen.

»Und es gibt keine Kameras, die das Bild aus einem weiteren Winkel aufzeichnen?«, fragte Salgado.

Der Sicherheitsmann schüttelte den Kopf:

»Die Drehkreuze am Eingang werden kontrolliert, damit die Leute sich nicht durchschmuggeln, aber in dem Moment ist niemand gekommen.«

»Na denn. Hätten wir das geklärt«, urteilte Salgado. Und wenn Fort ihn besser gekannt hätte, hätte er gewusst, dass dieser trockene Tonfall ein Gewitter verhieß. »Wir nehmen die Aufnahme mit, dann kann der Herr schließen und nach Hause gehen.«

Der Sicherheitsmann hatte keine Einwände.

»Mensch, Fort, sag nicht, du hast mich um diese Uhrzeit herkommen lassen, um mir eine Aufnahme zu zeigen, auf der nichts zu erkennen ist.« Er war ihm erst seit ein paar Wochen unterstellt, so dass der Inspektor auf dem kurzen Weg zum Bahnsteig seinen Unmut so höflich wie möglich zum Ausdruck brachte, auch wenn seine leise Stimme es nicht schaffte, die schlechte Laune zu verbergen. Er holte tief Luft, wollte nicht allzu streng sein, so spät war es leicht, sich gehenzulassen. Noch dazu machte Fort ein derart zerknirschtes Gesicht, dass Salgado Mitleid mit ihm hatte. »Aber egal, wir besprechen das in Ruhe. Und wo ich schon mal hier bin, klären wir die Sache mit den Jugendlichen.«

Worauf er die Treppe hinuntereilte, ohne etwas auf seinen Kollegen zu geben.

Die Jugendlichen, zwei von ihnen, saßen auf derselben Bank, auf der sie vorhin gesessen hatten. Denen ist das Lachen vergangen, dachte Héctor, als er sie vollkommen steif dasitzen sah. Während er auf sie zuging, versuchte er die schwarzen Plastiksäcke zu ignorieren, die auf dem Bahnsteig verstreut lagen.

»Frag nach, ob sie fertig sind«, sagte er zu Fort, »und bringt den Leichnam endlich weg.«

Im trüben Licht der Station machten die Typen keinen besonders seriösen Eindruck. Zwei uniformierte Beamte standen vor ihnen. Sie unterhielten sich, als hätten sie nichts mit den beiden zu tun, behielten sie aber im Auge. Als Salgado hinzukam, grüßten die Polizisten ihn und traten einen Schritt zurück. Der Inspektor blieb stehen und sah die beiden fest an. Aus der Dominikanischen Republik, ganz bestimmt. Einer von ihnen war etwa achtzehn oder neunzehn, der andere, vom Aussehen her sein kleiner Bruder, war jünger als Guillermo. Dreizehn, höchstens vierzehn.

»Also dann, Jungs, es ist schon spät und wir alle wollen so bald wie möglich fertig sein. Ich bin Inspektor Salgado. Ihr sagt mir eure Namen und erzählt mir, was ihr gesehen habt.« Und als er sich an Forts Bemerkung erinnerte: »Und dann erklärt ihr mir, wieso ihr zurückgekommen seid. Danach gehen wir alle schlafen, einverstanden?«

»Wir haben nichts gesehen«, sprudelte der Jüngere los und schaute grimmig zu seinem Bruder. »Wir haben einen draufgemacht und wollten von Port Olímpic nach Hause. Wir sind von der gelben Linie auf die rote umgestiegen, aber die Bahn ist uns vor der Nase weggefahren.«

»Name?«, fragte der Inspektor noch einmal.

»Jorge Ribera. Und das ist mein Bruder Nelson.«

»Nelson, du hast auch nicht auf die Frau geachtet?«

Der ältere Junge hatte sehr dunkle Augen, seine Miene war hart, misstrauisch.

»Nein, Señor.« Er schaute geradeaus, ohne jemanden anzusehen. Seine Antwort klang martialisch.

»Aber ihr habt sie gesehen?«

Der Kleine lächelte.

»Nelson hat nur Augen für sein Mädchen. Auch wenn die sauer auf ihn war …«

Salgado erkannte in ihm jetzt den, der das Mädchen im weißen Anorak belästigt hatte. Nelson warf seinem Bruder einen wütenden Blick zu. Doch Jorge musste daran gewöhnt sein, denn er reagierte nicht.

»Na schön. War noch jemand im Bahnhof?« Héctor wusste die Antwort, aber es gab immer noch die Möglichkeit, dass jemand im letzten Moment gekommen war. Doch beide zuckten nur die Achseln. Es war klar, dass der Streit zwischen Nelson und dem Mädchen sie abgelenkt hatte. »Okay. Was habt ihr dann gemacht?«

»Man hat uns hier rausgeworfen, also sind wir losgerannt, um den Nachtbus zu kriegen. Und als wir an der Haltestelle waren, meinte Nelson, wir gehen zurück.«

Sein Bruder gab ihm einen Stups mit dem Ellbogen, und Jorge senkte den Kopf. Alle Forschheit schien sich verflüchtigt zu haben.

»Erzähl es ihm«, sagte Nelson, aber Jorge schaute nur weg. »Oder soll ich es ihm sagen?«

Der jüngere Bruder schnaubte.

»Scheiße, ich habe es auf dem Bahnsteig gesehen. Bevor die Türen aufgingen. Der Zug hat plötzlich gebremst, er war noch nicht ganz in der Station, und da ist mir aufgefallen, dass etwas auf dem Boden lag. Ich habe es einfach genommen, hat keiner gesehen.«

»Was denn?«

»Ein Mobiltelefon, Inspektor«, antwortete Roger Fort, der wieder zu ihnen gekommen war, nachdem er die Anweisung ausgeführt hatte. »Ein neues iPhone. Hier ist es.«

Jorge schaute frustriert auf den Plastikbeutel in Forts Händen.

»Hast du deinem Bruder gesagt, er soll es zurückbringen?«, fragte Héctor.

»Wir Riberas klauen nicht«, sagte Nelson bitterernst. »Außerdem gibt es Dinge, die man besser nicht sieht.«

Der Jüngere verdrehte die Augen, als wäre er es leid, albernes Zeug zu hören. Héctor bemerkte es, und nachdem er dem älteren Bruder zugezwinkert hatte, wandte er sich in strengem Ton an Jorge.

»Also dann, Junge. Wir beide gehen jetzt aufs Kommissariat. Fort, nehmen Sie ihn mit.«

»He, ich habe nichts getan! Sie können mich nicht …«

»Diebstahl, Behinderung der Ermittlungsarbeit. Und Widerstand gegen die Staatsgewalt, das füge ich auf eigene Rechnung hinzu, denn das kommt bestimmt noch. Außerdem … wie alt bist du? Dreizehn? Dem Jugendrichter wird es gar nicht gefallen, dass ein kleiner Junge wie du mitten in der Nacht ›einen draufmacht‹, wie du sagst.«

Jorge sah so erschrocken aus, dass Héctor an sich hielt.

»Es sei denn … Es sei denn, dein Bruder, und der macht mir einen vernünftigen Eindruck, verspricht, dass er sich um dich kümmert. Und du, dass du auf ihn hörst.«

Jorge nickte, mit der Inbrunst eines Hirtenknaben, dem die Jungfrau erscheint. Nelson legte ihm den Arm um die Schulter, und ohne dass sein Bruder es sah, zwinkerte auch er dem Inspektor zu.

»Ich kümmere mich um ihn, versprochen.«

Der Bahnhof war fast leer, nur noch Salgado und Fort waren da, außerdem zwei Frauen der Putzkolonne, die, nachdem sie sich bekreuzigt hatten, an die Arbeit gingen und bald vergessen hatten, dass die Station der Schauplatz eines gewaltsamen Todes gewesen war. Die Welt muss sich weiterdrehen, dachte Héctor und verfiel ungewollt in einen Gemeinplatz. Unheimlich war es trotzdem, dass alles so normal seinen Gang ging. In ein paar Stunden würden die Linien wieder den Betrieb aufnehmen, die Menschen sich auf dem Bahnsteig drängen, und von der jungen Frau blieben nur einzelne Stücke, verwahrt in schwarzen Plastiksäcken.

»Wir haben die Handtasche gefunden, Inspektor«, sagte Fort. »Die Frau hieß Sara Mahler.«

»Ausländerin?«

»Laut Pass geboren in Österreich. Aber sie lebte hier, keine Touristin. In ihrer Brieftasche ist auch eine dieser Firmenchipkarten. Sie arbeitete bei einem Kosmetikhersteller. ›Alemany Kosmetik‹«, las er.

»Jemand muss die Familie benachrichtigen, aber das hat Zeit. Geh zum Kommissariat, füll den Bericht aus und fang an, die Angehörigen ausfindig zu machen. Und ruf sie erst am Morgen an. Lassen wir sie noch die Nacht schlafen.«

Héctor war erschöpft. Vor lauter Müdigkeit wurden ihm die Lider schwer, und ihm war nicht einmal danach zumute, Fort zurechtzustauchen, weil er ihn hatte kommen lassen. Er wollte nach Hause, sich ins Bett legen, ohne Albträume schlafen. Er würde dieses verdammte Schlafmittel ausprobieren.

»Ich möchte Ihnen noch etwas zeigen, Inspektor.«

»Nur zu. Du hast fünf Minuten.« Und ihm fiel ein, dass er in wenigen Stunden mit seinem Sohn verreiste, die Schlaftabletten mussten also warten. »Nicht eine Minute länger.«

Héctor ließ sich auf die Bank fallen und nahm eine Zigarette.

»Sag bloß keinem, dass ich hier geraucht habe, oder ich falte dich zusammen.«

Fort antwortete nicht. Er hielt seinem Vorgesetzten nur das Smartphone hin und sagte:

»Das ist die einzige Nachricht, die drauf ist. Merkwürdig, das Telefonbuch ist leer, und kein einziger Anruf. Das heißt, das hatte sie auf dem Bahnsteig gerade gelesen, bevor …«

»Zeig her.«

Héctor schaute auf das Display. Die Nachricht bestand nur aus drei Wörtern, in Großbuchstaben, mit einem Foto im Anhang.

VERGISS DAS NICHT

Als er das Foto öffnete, begriff Salgado, warum Fort ihn gerufen hatte und warum dieser Junge aus der Dominikanischen Republik seinen Bruder an den Ohren gepackt und hergeschleift hatte, damit er das verdammte Ding ablieferte.

Zuerst dachte er, es seien in einem Baum verhedderte Drachen. Doch nachdem er das Bild vergrößert hatte und die Details erkennen konnte, sah er, dass es etwas anderes war. Ein Baum war es, das schon, mit dicken, kräftigen Ästen. Aber was da hing, diese an Stricke geknüpfte Gestalten, waren Tiere. Die steifen Körper von drei erhängten Hunden.

LEIRE

3

Neues Jahr, neues Leben … Wenn auch fürs Erste dem alten ziemlich ähnlich, dachte Leire, während sie sich von der Seite im Spiegel ansah. Der gehörte zu den neuen trügerischen Requisiten ihres gegenwärtigen Daseins. Die Leute vom Laden hatten ihn hochgebracht, und sofort hatte sie sich gewünscht, dass er den Eingangsbereich der Wohnung schmückte, in die sie vor kurzem gezogen war und die sie noch nicht als ihr Zuhause bezeichnen konnte. Dummerweise sah sie in dem Spiegel weiterhin aus wie ein Ballon.

Aber sie hatte großes Glück gehabt. Alle sagten es, so dass sie schließlich den Mund gehalten und eingeschlagen hatte. Diese Wohnung mit hohen Decken, fast ohne Flur, mit zwei großen Zimmern und Morgensonne war ohne Zweifel die beste von allen, die sie besichtigt hatte, und auch wenn die Preise in letzter Zeit gesunken waren, war die Miete genau das, was sie sich mit ihrem Gehalt noch leisten konnte. »Blick auf die Sagrada Familia« hatte es in der Anzeige geheißen, und genau genommen war es nicht gelogen. Zu sehen war sie schon, von der Fenstertür aus und von dem winzigen Balkon davor. Aber wer wollte schon den ganzen Tag auf diese Kirchturmspitzen schauen, die zwischen den Häusern hervorstachen, so schön sie auch sein mochten. Leider hatten weder die Anzeige noch die Dame von der Maklerfirma gesagt, dass die Rohre in der Wand hundert Jahre alt waren und dauernd verstopften; dass die Fliesen im Badezimmer, von einem Quietschorange, das die Dame mit einem »die fröhlichen Siebziger« feierte, wegen der Feuchtigkeit zum Klippensprung neigten und dass die Heizkörper eher futuristische Schmuckstücke waren und so viel Wärme abstrahlten wie eine chinesische Vase. Wie es aussah, musste man sich mit Feuchtigkeit, Kälte und einem Teich im Waschbecken abfinden, wo es manchmal blubberte, als käme gleich ein Alien aus dem Abfluss. Dafür durfte man auf den Balkon hinaustreten und die Sagrada Familia bewundern. Für Japaner ein echter Luxus.

Sie fühlte sich hier fremd, nicht wegen der Mängel, erst recht nicht wegen des Ausblicks, sondern weil die Wohnung ihr, zum ersten Mal seit Jahren, nicht ganz zu gehören schien. In einem der beiden Zimmer gab es eine Wiege, einen Buchenholzschrank und eine umlaufende Tapetenbordüre mit gelben Entlein als Trennung zwischen den beiden Grüntönen, die ihre Freundin María als ideale Farbe für das Babyzimmer ausgewählt hatte. Noch dazu hatten sich in einen Teil ihres Kleiderschranks ein paar maskuline Wäschestücke eingeschmuggelt.

Bedrückt ging Leire zum Balkon, und sie war froh, dass sie wenigstens durch die Wohnung laufen konnte, ohne über Umzugskartons zu stolpern. Aber eine Veränderung war es schon. »Nicht die letzte, oder?«, sagte sie zu dem Kind in ihrem Bauch. Manchmal antwortete es mit ruckartigen Bewegungen, andere Male schien es sich nicht angesprochen zu fühlen. Sie versuchte sich die Gesichtszüge des Babys vorzustellen, aber sie schaffte es nur, ihm das zerknitterte Gesichtchen eines schlafenden Kobolds zu geben. Ob Abel mehr ihr ähnelte oder Tomás? Egal, falls ihm, wäre es nicht das Schlechteste, dachte sie mit einem Lächeln. »Nur sollten sich die Ähnlichkeiten dann aufs Körperliche beschränken, nicht wahr, Kleiner? Sonst kriegen wir beide noch Ärger …«

Tomás war eine Geschichte für eine Nacht gewesen, ausgedehnt auf drei Nächte und später auf irgendein sporadisches Wochenende. Sex ohne Verpflichtung. Sex ohne Tabus. Und einmal, ein einziges Mal, auch wenn niemand es glaubte, Sex ohne Kondom. Aber Volltreffer. Tomás’ Reaktion nach einem Teller aufgewärmter Kroketten, für beide schon geradezu legendär – »Ich brauche ein bisschen, um mich an den Gedanken zu gewöhnen« –, hatte für Leire geklungen wie das übliche Vorspiel zu einem »nicht mit mir«. Doch Tomás überraschte sie, denn nur ein paar Tage später stand er in der Tür, um »ernsthaft« mit ihr zu sprechen.

Und das hatten sie, lang und breit, hatten Für und Wider abgewogen, als wäre das Ganze eine Frage der Vernunft, wo beide genau wussten, dass es das nicht war. Am Ende hatten sie sich über verschiedene Punkte geeinigt. Erstens, sie waren nicht verliebt, zumindest nicht auf diese romantische Art, die es einem verbietet, sich ein Leben ohne den anderen vorzustellen. Zweitens, sie lebten weiter in verschiedenen Städten, wenn auch nur getrennt durch knapp drei Zugstunden mit dem AVE. Drittens, das Kind war Sache beider. So dass die Schlussfolgerung, die schöner klang, als es das Kleingedruckte verhieß, gewesen war: Nein, sie würden kein Paar sein – zumindest vorerst nicht –, aber Eltern. »Eltern mit gewissen Vorzügen«, wie María es nannte.

Sie waren froh über diesen Entschluss, und tatsächlich setzten sie alles daran, ihn zu verwirklichen. Tomás verbrachte ein paar Wochenenden bei Leire, kümmerte sich um den Umzug und solche Dinge wie das Anbringen von Steckdosen; von Abel schwärmte er geradezu und drohte damit, ihn bei Real Madrid als Mitglied anzumelden. Das Thema Geld hatten sie nicht angeschnitten. María hatte ihnen die paar Sachen für das Kinderzimmer geschenkt, und was die Wohnung betraf, gedachte Leire nicht, auch nur einen Euro von Tomás anzunehmen. Bis zur Geburt des Kleinen, sagte sie sich, kann man nicht mehr von ihm verlangen. Obwohl sie schon gerne jemanden an ihrer Seite gehabt hätte, wenn sie zum Geburtsvorbereitungskurs oder zur Ultraschalluntersuchung ging und ihr der Anblick dessen, was da heranwuchs, Tränen entlockte, die sie nicht begreifen konnte; genauso an den Freitagabenden, wenn sie zu müde war, um auszugehen, aber noch zu fit, um allein zu sein. Oder an so einem endlosen Brückentag, dachte sie, während sie die Sagrada Familia betrachtete, diese unvollendete Zeugin ihrer Langeweile, die sie schon zu hassen begann. Tomás aber war mit ein paar Freunden zum Skilaufen in der Sierra, in einem Ort, dessen Name Leire an Widerstandskämpfer oder Banditen erinnerte. Dass sie nichts zu tun hatte und María, ihre beste Freundin, fürs Wochenende weggefahren war, war nicht Tomás’ Schuld, aber es ermunterte sie auch nicht gerade, liebevoll an ihn zu denken. Leires Mutter, eine Asturierin, die kein Blatt vor den Mund nahm, hatte das Ganze bei einem Küchengespräch in Sätze gefasst, die sich langsam als prophetisch erwiesen: »Du wirst allein sein. Wenn das Kind auf die Welt kommt, wirst du allein sein. Wenn es nachts schreit, wirst du allein sein. Und an dem Tag, an dem es lernt, Papa zu sagen, wirst du ihm ein Foto zeigen. Wenn du denn eins hast«, worauf sie mit ungewohnter Vehemenz ein Hähnchen zerteilte. Und Leire, die sich nicht traute, es laut zu sagen, hatte so etwas gegrummelt wie: »Darum kümmere ich mich, wenn es so weit ist.«

Tatsache war, dass sie sich manchmal einsam fühlte, und die vorzeitige Beurlaubung wegen heftiger Frühwehen Mitte Dezember trug das Ihre dazu bei. Seit Monaten schon war sie zum Innendienst verdammt gewesen, aber wenigstens war sie im Kommissariat, konnte die Fälle mit bearbeiten, hatte Menschen um sich. Anderthalb Monate waren es noch bis zu Abels Geburt. Sechs Wochen, in denen ihr Leben – sie sah es genau vor sich – nur darin bestehen würde, dicker zu werden, zum Arzt zu gehen, andere Schwangere zu sehen und Babysachen auszusuchen. Sie kannte die Zeitschriftenartikel schon auswendig, die erklärten, wie man das Baby am besten badet, wickelt und seine Sinne stimuliert, ein Stapel weiser Ratschläge, der bis auf halbe Sofahöhe reichte.