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PIM VAN VLIET

JAN DE KONING

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PIM VAN VLIET

JAN DE KONING

High Returns
from
Low Risk

Der Weg zum eigenen stabilen Aktien-Portfolio

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

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3. Auflage 2022

© 2017 by FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Übersetzung: Sascha Mattke

Korrektorat: Silvia Kinkel

Covergestaltung: Maria Wittek

Coverabbildung: Shutterstock/Urheberrecht: yyang; Shutterstock/Urheberrecht: KatarinaF

Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de); Andreas Linnemann, München

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-95972-020-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-022-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-023-6

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Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

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Inhalt

Stimmen zum Buch

Vorwort zur deutschen Übersetzung

Einleitung

Kapitel 1: Das Gegenteil von dem, was man anstrebt

Kapitel 2: Herr Sparsam geht an die Börse

Kapitel 3: Die Schildkröte schlägt den Hasen

Kapitel 4: Ein kleines bisschen ist genug

Kapitel 5: Das achte Weltwunder

Kapitel 6: Alles ist eine Frage der Perspektive

Kapitel 7: Die verführerische Seite von Risiko

Kapitel 8: Billig kaufen und der Trend ist dein Freund

Kapitel 9: Aller guten Dinge sind drei

Kapitel 10: Schildkröten und Hasen erkennen

Kapitel 11: Alles in feine Scheiben schneiden

Kapitel 12: Zurücklehnen und entspannen

Kapitel 13: Handle wenig, sei geduldig

Kapitel 14: Der größte Sieg von allen

Kapitel 15: Die goldene Regel

Kapitel 16: Das Paradox ist überall

Kapitel 17: Wird das Paradox bestehen bleiben?

Kapitel 18: Abschließende Überlegungen

Epilog: Die Sicht von Jan de Koning

Anhang: ParadoxInvesting.com

Danksagungen

Literaturverzeichnis

Stimmen zum Buch

»Ich habe es geliebt, dieses Buch zu lesen. Es ist lehrreich, bescheiden, lustig und philosophisch – ziemlich seltene Eigenschaften für ein Finanzbuch. In der heutigen Welt, in der die Menschen immer mehr Verantwortung für ihre Ersparnisse übernehmen müssen, gibt dieses Buch mit seinen soliden und pragmatischen Empfehlungen eine Hilfestellung. Zudem enthält es eine unbequeme Wahrheit über Geldanlage, die mir selbst am Herzen liegt: Mehr Risiko bedeutet nicht unbedingt mehr Rendite. Die Grundlage für nachhaltige langfristige Renditen von Anlageportfolios liegt ganz im Gegenteil in solidem und proaktivem Risikomanagement.«

Fiona Frick, CEO Unigestion, Schweiz

»Das ›Low-Risk‹ Phänomen gehört für mich zu den faszinierendsten Renditemustern am Aktienmarkt. Denn es widerspricht vermeintlich fundamentalen Zusammenhängen: Höhere Gewinnchancen gehen nicht unbedingt mit höheren Risiken einher. Pim van Vliet hat das Renditemuster in den vergangenen mehr als zehn Jahren in einer Vielzahl von hochkarätigen Veröffentlichungen tiefgehend untersucht. Sein ganzes Wissen fasst er in diesem Buch leicht und unterhaltsam – und trotzdem tiefgehend – zusammen.«

Dr. Marc-Gregor Czaja, CFA, Global Head of Equities, Allianz Investment Management SE, Deutschland

»Die moderne Kapitalmarktforschung untersucht derzeit das faszinierende Rätsel, ob der Low-Risk Faktor mehr als eine Anomalie in einem Multi-Faktor CAPM darstellt. Es ist daher ein sehr glücklicher Umstand, dass Pim van Vliet dieser Frage mit einer umfassenden und hoch qualitativen Analyse nachgeht, die er in diesem Buch publiziert.«

Dr. Andreas Beck, Gründer und Vorstandssprecher, Institut für Vermögensaufbau (IVA) AG, Deutschland

»Pim van Vliet greift in seinem Buch eine der bemerkenswertesten Anomalien heraus, die in den vergangenen Jahren an den Finanzmärkten zu beobachten war. Mit seiner profunden Analyse von Aktienportfolios, die auf Basis niedriger Volatilität konstruiert wurden und letztlich zu überlegenen Renditen führten, verlässt er die konventionelle akademische Welt und gewährt einen Blick auf die Märkte, wie er sonst nur Praktikern vorbehalten ist. Dabei gerät die theoretische Fundierung nie aus dem Blickfeld. Pim van Vliet gelingt es durch seinen unterhaltsamen und teilweise sogar amüsanten Stil, den Leser durch die verschiedensten Ebenen des Low-Risk-Paradoxons zu führen. Ein außerordentlich empfehlenswertes Buch für Praktiker und Akademiker gleichermaßen.«

Dr. Lars Edler, Co-Chief Investment Officer Sal. Oppenheim, Deutschland

»Der Low-Risk-Effekt – also das Phänomen, dass die Durchschnittsrendite von Aktien entgegen vielen bekannten Theorien offenbar nicht positiv mit den meisten Standard-Kennzahlen für Risiko zusammenhängt – ist eine der wichtigsten Anomalien der modernen Finanztheorie. Pim van Vliet gehört zu den Pionieren unter den Personen, die diesen Effekt untersucht und genutzt haben, um bessere Portfolios für Anleger zu realisieren. Jeder, der sich für systematische Aktienanlagestrategien interessiert, sollte dieses wichtige Buch sorgfältig lesen.«

Clifford S. Asness, Gründer, Managing Principal und Chief Investment Officer bei AQR Capital Management, USA

»Pim van Vliet ist ein Pionier darin, aus wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Niedrigrisiko-Anomalie ein Anlageportfolio mit Milliarden an Volumen zu machen. Dieses Buch erklärt sein bedeutendes Werk auf eine klare und deutliche Weise. Es bringt Licht ins Dunkel der risikoarmen Geldanlage für jeden, der sich für das Investieren in Aktien interessiert, ohne dass Fachwissen über quantitative Finanzforschung benötigt wird. Das Buch ist definitiv lesenswert.«

Gerben de Zwart, Leiter Quantitative Equities, APG Asset Management, Niederlande

»Pim van Vliets Erfahrung als einer der Pioniere des Low Volatility Investing gibt ihm einzigartige Einblicke in eine der faszinierendsten Anomalien unserer Zeit. Die Vorstellung, dass Risiko, wenn man es richtig definiert, eine positive Rendite erbringt, gehört zu denjenigen, die noch tiefgründiger werden, wenn man erfährt, dass sie gar nicht stimmen. Es gibt kein kosmisches Risikokarma, das Menschen belohnt, wenn sie Risiken eingehen. Dieses Buch wird Ihnen dabei helfen, zu verstehen, welche Geldanlagen wirklich Risikoprämien generieren und welche Sie in Wirklichkeit Geld kosten.«

Eric Falkenstein, Autor von »The Missing Risk Premium: Why Low Volatility Investing Works«, USA

»Einem breiten Publikum eine Finanztheorie zu erklären, ist keine einfache Aufgabe. Dies gilt erst recht, wenn damit eine der ältesten und bekanntesten Anlagetheorien widerlegt wird – dass nämlich höhere Risiken höhere Renditen bedeuten. Pim van Vliet (und Jan de Koning) aber schaffen es mit diesem leicht zu lesenden und zugänglichen Buch, den Leser von ihrem Ansatz zu überzeugen. Nicht nur erklären sie das Konzept des risikoarmen Investierens, sie bieten Lesern auch eine ganze Reihe von Lektionen über Geldanlage (und sogar das Leben an sich). Ich würde jedem Anleger empfehlen, dieses Buch zu lesen. Es wird vielleicht nicht jeden zu einem Niedrigrisiko-Anleger machen, doch mit Sicherheit liefert es wertvolle Einblicke in Fragen von Risiko und Rendite.«

Ronald van Genderen, CFA, Research-Analyst bei Morningstar, Niederlande

»Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Aktien mit bestimmten Charakteristiken den Gesamtmarkt langfristig relativ zuverlässig schlagen. Dabei ist die Low-Risk-Anomalie aus Endanlegersicht besonders attraktiv, da mit entsprechendem Anlagefokus die mit Aktieninvestments verbundenen Kursschwankungen gedämpft werden können. Mit diesem Buch gelingt es den Autoren, ein komplexes Thema für jedermann verständlich darzustellen.«

Rüdiger Sälzle, Vorstand FondsConsult Research AG

»Pim van Vliet schafft es in seinem sehr lesenswerten Buch die vordergründig eher akademisch erscheinende Diskussion über Low-Vol-Strategien von der intellektuellen Ebene in die realen Portfolien von gleichermaßen institutionellen und privaten Anlegern in verständlicher Weise zu transportieren.«

Michael Gollits, CEO von der Heydt & Co. AG, Frankfurt

Vorwort zur deutschen Übersetzung

Aktien werden Anlegern gerne wegen der höheren Renditeaussichten empfohlen. Die meisten quälen sich aber mit Fragen wie »In welche Aktien soll ich investieren?« und vor allen Dingen »Wann soll ich investieren?«. Es graut einem doch geradezu davor, noch einmal eine große Pleite wie bei der Dotcom-Blase oder der Finanzmarktkrise 2008/09 zu erleben. Nein, einen vergleichbaren Niedergang wie bei der T-(Volks-)Aktie will man möglichst vermeiden. Gleichzeitig ist die Reue groß, wenn man den passenden Einstieg in den Aktienmarkt verpasst hat und das Tagesgeldkonto sehr spärliche Erträge abwirft. Angst und Gier üben eben einen großen Einfluss auf unser Denken und Handeln aus.

Die Finanzmarktforschung hat hierzu bereits einige Aufklärung geleistet. Sie zeigt uns, dass hektisches Handeln unnötige Kosten verursacht. Zudem ist der Versuch, den Markt richtig zu »timen«, mit erschreckender Regelmäßigkeit zum Scheitern verurteilt. Selbst professionell gemanagte Aktienfonds übertreffen ihre Benchmark (DAX 30, S&P 500, etc.) im Durchschnitt nicht. Erfolgreiche Fondsmanager wählen hingegen gezielt Aktien anhand von Kriterien wie »niedrigem Risiko« oder »günstiger Bewertung« aus.

Und genau darum geht es beim Investieren: An Anlageideen festhalten zu können, die auf Dauer funktionieren und nicht schon morgen wieder hinfällig sind. Das Vermeiden von Verlusten sollte dabei im Vordergrund stehen, bei gleichzeitigem Erhalt der Renditechancen.

In »High Returns from Low Risk« zeigt Dr. Pim van Vliet einen soliden, einfachen Weg auf, um mit einer systematischen Aktienanlage Vermögen aufzubauen. Seine Strategie ist keine Eintagsfliege, sondern eine Vorgehensweise, deren Erfolg sich über 80 Jahre hinweg nachweisen lässt. Es wird die meisten Leser wohl erstaunen, dass paradoxerweise risikoarme Aktien langfristig eine höhere Rendite als risikoreiche Aktien erzielen. Darüber hinaus erleidet die Low-Risk Strategie durchschnittlich deutlich geringere Verluste bei fallenden Aktienmärkten. Das ist besser für Ihre Nerven und Ihr Portfolio!

Eine vernünftige Anlagestrategie, die eine hohe Halbwertszeit hat, ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Vielmehr braucht es auch die passende Einstellung, um die Idee zu verinnerlichen und an ihr festzuhalten. Es ist genau das, was Pim als den »größten Sieg von allen« beschreibt. Der Triumph über die eigene Ungeduld, die uns häufig um die verdiente Rendite bringt. Eine systematische Anlagestrategie lebt eben nicht nur von ihren Regeln, sondern auch von der Disziplin und der Geduld, ihr zu folgen.

Mein Denken und Handeln wurde durch Pims Philosophie des Investierens beeinflusst. So lege ich mittlerweile bewusst mehr Wert auf konstante Erträge anstatt auf den schnellen Gewinn. Aber am besten machen Sie sich Ihr eigenes Bild und begeben sich mit Pim auf eine Reise in die Welt des geduldigen Investierens. Unerwartet hohe Erträge trotz geringerem Risiko warten auf Sie!

Frankfurt am Main, November 2019

Dr. Bernhard Breloer

Einleitung

Dieses Buch erzählt eine Geschichte über den Aktienmarkt, die Ihre Wahrnehmung verändern wird. Die Geschichte handelt von einem Paradox, auf das ich vor vielen Jahren gestoßen bin und das mich noch heute verblüfft. Für Wirtschaftsprofessoren ist diese Geschichte eine »unbequeme Wahrheit«, denn sie tut nichts weniger, als ihre Modelle auf den Kopf zu stellen. Und sie ist eine ernüchternde Geschichte für professionelle Anleger, die das Geld von anderen Menschen verwalten. Außerdem ist sie auch eine persönliche Geschichte, die Sie zum Lächeln und zum Staunen bringen wird. Am wichtigsten aber: Die Geschichte in diesem Buch wird Ihnen dabei helfen, ein besserer Anleger zu werden, denn sie beschreibt, wie man mit Hilfe von wissenschaftlichen Erkenntnissen Gewinne machen kann. Sie ist das Äquivalent von »Die Schildkröte und der Hase« für den modernen Aktienmarkt: eine bemerkenswerte Fabel darüber, wie risikoarme Aktien (Schildkröte) solche mit hohem Risiko (Hase) schlagen.

Mein Ziel ist, Ihnen dieses Aktienmarkt-Paradox so zu erklären, wie ich es meinem Vater erklärt hätte – einem pensionierten Geschäftsmann, der durchaus Erfahrung mit dem Investieren an der Börse hat. Ein Finanzexperte ist er zwar nicht, aber ein intelligenter Mensch mit unternehmerischer Mentalität. Unserer Familie hat er beigebracht, klassische Werte wie Besonnenheit, Geduld und Hartnäckigkeit zu achten. Mit den Jahren habe ich festgestellt, dass es eine enge Verbindung zwischen diesen Prinzipien und erfolgreicher Geldanlage gibt. Indem ich mich auf sie beziehe, möchte ich das Paradox auf verständliche Weise erklären. Wenn mein Vater diese Geschichte verstehen kann, sollte es auch Ihnen gelingen.

Meine Frau ist Chirurgin, und ihr Fachgebiet wurde durch den Ansatz der »evidenzbasierten Medizin« grundlegend verändert. Jede Tablette, die sie verschreibt, wird ausgiebig getestet und empirisch auf ihre Wirksamkeit überprüft. Sie werden sicher zustimmen, dass das sinnvoll ist, weil es direkte Bedeutung für unsere physische Gesundheit hat. Was unsere finanzielle Gesundheit angeht, sind wir jedoch noch nicht so weit fortgeschritten – wenn jemand Erfolg mit einer Geldanlage hat, lässt sich nicht so leicht sagen, ob das an bloßem Glück oder echtem Geschick liegt. Viele Anleger ziehen übereilt Schlussfolgerungen auf der Grundlage von zu wenigen statistischen Belegen. Zum Glück aber beginnt sich das zum Besseren zu verändern. Evidenzbasierte Geldanlage – also die Verwendung von gründlich getesteten Anlagetheorien für die Zusammenstellung von Portfolios – ist im Kommen. In diesem Buch werde ich diese wissenschaftliche Vorgehensweise für Investitionen am Aktienmarkt nutzen und Ihnen signifikante Ergebnisse präsentieren, die ihre Effektivität bis zurück ins Jahr 1929 belegen.

Jedoch geht es in diesem Buch nicht nur um Wissenschaft und ihre Anwendung. Tatsächlich beginnt es mit einem ungeduldigen und etwas eingebildeten Teenager, der sein Glück an der Börse versucht. Es ist die Geschichte eines jungen Akademikers, der auf ein riesiges, aber verwirrendes Anlageparadox stößt und diese Theorie aus der Wissenschaft später, als ambitionierter Fondsmanager, in eine Anlagestrategie mit einem Volumen von mehreren Milliarden übersetzt. Mit jedem weiteren Schritt seiner Entwicklung versteht er immer besser, warum risikoarme Aktien von den meisten Anlegern gemieden werden und wie dieses Verhalten die Existenz des Paradoxes erklärt.

In der Welt von heute kann man sich für die Sicherung der eigenen Bedürfnisse im Ruhestand immer weniger auf die Unterstützung des Staates verlassen. Also muss man selbst zu investieren beginnen. Aus diesem Grund verwaltet auch mein Vater sein eigenes Altersvorsorgeportfolio, und ich investiere für die Zukunft meiner drei Söhne. Ich hoffe, dass diese bemerkenswerte Geschichte über Risiko auch Ihnen dabei helfen kann, Ihr eigenes Wohlergehen und das von anderen weiterhin in die Hand zu nehmen.

Dies ist zugleich der Grund, warum es für mich, nachdem ich viele Fachaufsätze über dieses Thema geschrieben habe, jetzt an der Zeit ist, die Geschichte einem größeren Anlegerpublikum zu erzählen – Menschen wie meinem Vater und Ihnen. Also habe ich ein Buch über dieses große Paradox des Aktienmarktes geschrieben, das, so hoffe ich, einfach und leicht zu verstehen ist. Ich nutze meine Erfahrung als Forscher und Fondsmanager, um aus komplexen wissenschaftlichen Theorien eine einfache Anlagestrategie zu machen, die Sie direkt umsetzen können, um ihre finanzielle Zukunft zu gestalten. Diese Darstellung ist eine Geschichte, von der ich bei vielen Gelegenheiten Tausenden von Anlegern in Dutzenden Ländern berichtet habe. Aber sie ist auch meine persönliche Geschichte, die eine Reihe von persönlichen Anekdoten enthält. Ich hoffe, dass sie eine interessante Lektüre für Sie ist. Oh, und seien Sie nicht überrascht, wenn Sie dadurch eine andere Art von Anleger werden ... Lächeln Sie und staunen Sie einfach!

Rotterdam, Niederlande, November 2019

Dr. Pim van Vliet

 

Mein Heimatland ist eines der reichsten und glücklichsten der Welt. Ein Nachteil für uns Niederländer liegt allerdings darin, dass unsere Namen oft schwierig auszusprechen sind. Meiner wird in etwa »van Fliet« ausgesprochen – als deutschsprachiger Leser hätten Sie sich das vielleicht denken können, aber international muss ich es immer wieder erklären. Der Hauptvorteil für uns Niederländer wiederum ist, dass unser Land durch Handel entstanden ist, sodass wir viele Sprachen sprechen und unterschiedliche Kulturen verstehen. Ich hoffe, dass dieses Buch von diesem niederländischen Vermächtnis profitieren kann und dass es eine Inspiration für Anleger rund um die Welt sein wird.

Kapitel 1: Das Gegenteil von dem, was man anstrebt

Schon als kleine Kinder lernen die meisten von uns, dass wir uns anstrengen müssen, wenn wir Erfolg haben wollen. Ob es um gute Noten in der Schule geht, darum, ein Fußballspiel zu gewinnen, oder vielleicht ums Abnehmen: Um etwas zu erreichen, müssen wir Arbeit investieren. Meistens gilt das gesunde Prinzip »ohne Fleiß kein Preis«.

Wie viel Fleiß aber müssen Sie wirklich zeigen? Die meisten Menschen glauben, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Menge an Mühe, die sie für etwas aufwenden, und der Wahrscheinlichkeit gibt, dass sie Erfolg damit haben. Je mehr Mühe man sich gibt, desto wahrscheinlicher soll also der Erfolg sein. Aber stimmt das auch?

Nein. Denn es gibt da etwas, das als das Gesetz des sinkenden Grenzertrags bezeichnet wird. Lassen Sie mich das mit Beispielen aus der Welt des Sports erklären. Wenn Sie professionell Fußball spielen oder einen Marathon laufen wollen, müssen Sie trainieren. Sie müssen wirklich mehrere Male pro Woche mit dem Ball üben oder Ihre Laufschuhe anziehen, damit Ihre Muskeln stark genug werden. Doch die ersten 100 Stunden Training werden viel mehr Wirkung haben als die nächsten 100, und so weiter. Vielleicht kennen Sie diesen Effekt schon, weil er zugleich erklären könnte, warum es oft so viel Spaß macht, etwas Neues zu lernen: Am Anfang ist die Lernkurve ziemlich steil und beginnt dann erst langsam, flacher zu werden. Dies ist die Theorie des sinkenden Grenzertrags in der Praxis.

Außerdem ist es so: Wenn Sie bereits eine bestimmte Menge Mühe in etwas gesteckt haben, kann jede zusätzliche Mühe paradoxerweise genau das Gegenteil von dem bringen, was Sie anstreben. Wenn Sie zum Beispiel zu viel trainieren und keine regelmäßigen Pausen einlegen, kann das von Nachteil für Sie sein. Die Folge kann sein, dass das Gegenteil Ihres Ziels (zum Beispiel, einen kompletten Marathon zu schaffen) eintritt: Eine Verletzung könnte dafür sorgen, dass Sie bei dem Lauf oder einem Spiel erst gar nicht antreten können. Zu viel von einer Sache, selbst von einer guten, kann negative Folgen haben.

Oder nehmen wir die Menge an Salz, die Sie für die Zubereitung eines Essens verwenden. Ein wenig Salz kann den Geschmack verbessern, zu viel aber ruiniert ihn. Auch Vitamine sind gesund, werden aber schädlich, wenn man sie in zu großen Mengen zu sich nimmt. Und ein kleiner Rat für Junggesellen, die verzweifelt nach einer Partnerin suchen: Ja, sie sollten den ersten Schritt machen, um jemanden kennenzulernen, der Ihnen gefällt. Aber zu viel Aufmerksamkeit könnte die gegenteilige Wirkung haben und sie (oder ihn!) verschrecken. Abnehmen? Das kann sich nach einem guten Plan anhören, wenn Sie ein paar überschüssige Kilos loswerden müssen – aber eine übertriebene Diät kann in Magersucht enden. Ähnlich sieht es aus, wenn Sie vor Ihren Prüfungen übertrieben intensiv lernen und dann vollkommen erschöpft sind, wenn es losgeht.1 Es ist fast unnötig zu sagen: Eine gute Nachtruhe vor einer Prüfung ist viel besser für Sie, als wenn sie die ganze Nacht hindurch lernen. Zu viel von etwas bringt oft mehr Schaden als Nutzen.

Im Leben sollten Sie deshalb stets versuchen, das Optimum zwischen zu viel und zu wenig zu finden. Um herauszubekommen, wo diese »goldene Mitte« liegt, brauchen Sie Lebenserfahrung. Der griechische Philosoph Aristoteles hat intensiv darüber geschrieben: Sie ist der wünschenswerte Kompromiss zwischen den zwei Extremen Übertreiben und Untertreiben. Die goldene Mitte liegt nicht genau in der Mitte von beidem, denn das hängt von den jeweiligen Umständen ab. Auch der chinesische Philosoph Konfuzius hat den Mittelweg gelehrt, und in Buddhismus, Judentum, Christentum und im Islam finden sich ebenfalls Erwähnungen der goldenen Mitte.

Und warum diese goldene Mitte? Warum führe ich diese alten Philosophen an? Warum konzentriere ich mich so auf die Tatsache, dass zu viel von etwas das Gegenteil der erwünschten Wirkung haben kann? Nun, ich möchte Sie mit dem Konzept eines Paradoxes vertraut machen. Als ein Paradox bezeichnet man alle Aussagen, Konzepte, etc., die in einem Widerspruch zu sich selbst stehen. Wahrscheinlich sind Sie mit dem Wort schon vertraut, denn in der Alltagssprache benutzen wir es, um Dinge wie Erstaunen oder Unglauben über etwas auszudrücken, das ungewöhnlich oder überraschend ist. Auch in der Welt der Geldanlage gibt es Paradoxe. Auf das vielleicht größte Paradox in der Anlagewelt bin ich sogar schon als Student gestoßen: Aktien mit niedrigem Risiko liefern hohe Renditen, während Aktien mit hohem Risiko niedrige Renditen erbringen. Das ist eine ziemlich überraschende und bemerkenswerte Erkenntnis.

Lassen Sie mich erklären, was daran bemerkenswert ist. Denken Sie einfach an die folgende »Anlegerweisheit«: Je mehr Risiko Sie eingehen, desto höher werden Ihre Renditen sein. Die meisten Aktienanleger, ob professionelle Vermögensverwalter wie Anlageberater und Hedgefonds-Manager oder »do it yourself«-Privatanleger, glauben an dieses Konzept von mehr Risiko, mehr Rendite. Aber stimmt es wirklich?

Viele dieser Anleger »greifen nach den Sternen«, wenn es darum geht, Geld für ihre Anlageportfolios zu verwalten. Sie wollen nicht weniger, als das nächste potenzielle Star-Unternehmen wie Apple, Google oder Tesla finden. Investitionen in solche aufregenden Aktien sind riskant, denn Sie können Ihr eingesetztes Geld verlieren, wenn sich der potenzielle neue Star als doch nicht so leuchtend erweist und vielleicht sogar pleitegeht.

Was aber ist, wenn Sie es wirklich schaffen, rechtzeitig das nächste Google oder Tesla zu finden, und sich der Kurs der Aktie vervierfacht? Na klar, dann würden Sie den ganzen Weg zur Bank über lachen – sie wüssten, dass Sie den Jackpot geknackt und sich einen Stern vom Himmel geholt haben. Und wie sieht es mit den weniger spannenden Aktien aus? Nun, viele Anleger sind der Meinung, dass sie mit langweiligen Papieren nicht sehr weit kommen werden. Schließlich heißt es doch, das niedriges Risiko auch niedrige Renditen bedeutet, oder? Kennen Sie irgendjemanden, der schnell reich geworden ist, indem er in eine langsam steigende Aktie mit niedrigem Risiko investiert hat?

Wenn ich Ihnen also sage, dass Aktien mit niedrigem Risiko Sie reich machen, während sie mit risikoreichen Aktien arm werden können, verstehe ich völlig, dass Sie zuerst in etwa so reagieren: »Was hat der Typ, der das behauptet, geraucht?« Ich bin gar nicht böse, wenn Sie so denken – immerhin bin ich in den Niederlanden geboren, aufgewachsen und lebe immer noch dort. Diese Aussage ist für jeden, der mit der allgemeinen Anlageweisheit »mehr Risiko bedeutet mehr Rendite« vertraut ist, kontraintuitiv. Wenn Sie also ein Buch über Geldanlage kaufen und in seinem ersten Kapitel das genaue Gegenteil dieser weithin akzeptierten Annahme lesen, ist durchaus nachvollziehbar, dass Sie die Glaubwürdigkeit seines Autors anzweifeln.

Und um ehrlich zu sein: Ich war selbst ein wenig verwirrt, als ich von diesem Anlageparadox erfuhr. Ich war damals noch im Grundstudium und stieß auf einen wissenschaftlichen Aufsatz, der zum ersten Mal das Paradox von Risiko und Rendite beschrieb. Später im Doktorandenstudium hatte ich reichlich Zeit, um diese faszinierende Studie aus den frühen 1970er Jahren noch einmal zu lesen und zu verdauen. Bei dieser Beschäftigung, die ich in den folgenden Kapiteln kurz beschreiben werde, konnte ich weitere Daten finden, die bestätigten, dass risikoarme Aktien risikoreiche schlagen. Nachdem ich meinen Doktortitel bekommen hatte, beschloss ich, diese gut getestete Theorie in der Praxis anzuwenden. Würde eine auf dem Paradox basierende Anlagestrategie wirklich auch in der realen Welt funktionieren?

Und ob sie das tat! Nach meinen Jahren an der Universität fing ich bei einer internationalen Anlagegesellschaft an, die Geld für institutionelle Anleger (wie Versicherungen, Stiftungen oder Pensionsfonds) und Privatanleger verwaltet. Robeco ist eine besonnen agierende Anlagefirma, die viele intelligente Forscher beschäftigt und deren Research-Wurzeln bis in die 1920er Jahre zurückreichen. Zwar hatte ich anfangs nicht vor, dort einen neuen Fonds aufzulegen, doch zwei Jahre nach meinem Einstieg bei Robeco taten wir genau das: Wir brachten einen Aktienfonds mit niedrigem Risiko auf den Markt.