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Werner Mäder

DIE ZERSTÖRUNG DES NATIONALSTAATES

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Werner Mäder

Die Zerstörung des
Nationalstaates

aus dem Geist des
Multikulturalismus

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Umschlaggestaltung: DSR – Werbeagentur Rypka/Thomas Hofer, www.rypka.at, A-8143 Dobl/Graz

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Ares Verlag

ISBN 978-3-902732-44-6

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© Copyright by Ares Verlag, Graz 2015

Layout: Ecotext-Verlag, Mag. Schneeweiß-Arnoldstein, A-1010 Wien
Gesamtherstellung: Druckerei Theiss GmbH, A-9431 St. Stefan
Printed in Austria

Inhalt

A. Vorwort

B. Grundlegendes zum „Dreiklang: Volk, Nation, Staat“

I. Das Volk

II. Was ist eine Nation?

III. Staat – Nationalstaat

1. Staat im Völkerrecht

2. Nationalstaat: Ethos von Solidarität

3. Zur Neutralität des Nationalstaates

a) Nation und Rasse

b) Nationalstaat und Religion

IV. Nationalstaat: Todesurteil mit Hinrichtungsaufschub?

1. Schwinden des Volks- und Staatsbewusstseins

2. Lemminge-Land

3. Totgesagte leben länger

C. Nation/Nationalstaat versus „multikulturelle Gesellschaft“

I. Umschreibung von „multikultureller Gesellschaft“

II. Vom Unwert des Multikulturalismus

1. Demokratismus

2. Allgemeine Menschenrechte, Humanität

3. Kultur, Religion, Recht, Sprache

a) Kultur

b) Religion

c) Rechtskultur

d) Verlust der Sprachkultur

III. Multikulturalismus: Totengräber des politischen Gemeinwesens

D. Exordium

E. Epilog

F. Was bleibt, was ist zu tun?

Literatur in Auswahl

A.

Vorwort

Überall auf der Welt entstehen neue Krisenherde. Sie entzünden sich an völkischen, kulturellen und religiösen Gegensätzen, die Minderheiten oder Zuwanderer in eine Bevölkerung hineintragen. Vielvölkerstaaten wie die Sowjetunion, die Tschechoslowakei oder Jugoslawien entstanden durch zwangsweise Vereinigung verschiedener Gruppen und Ethnien, sind zerbrochen, teilweise verbunden mit grausamen Bürgerkriegen.

Aktuell sieht sich Europa – und hier insbesondere Deutschland und Österreich – einem nicht enden wollenden Strom von illegalen Zuwanderern ausgesetzt. Der Hebel, der all das ermöglicht, ist ein Asylrecht, das durch seinen massenhaften Missbrauch seit langem ad absurdum geführt wird. Ordentliche Asylverfahren für Hunderttausende von Migranten durchzuführen, ist bürokratisch nicht machbar. Die illegalen Flüchtlinge wissen das, entledigen sich ihrer Papiere und haben eine gute Chance, in Europa und damit auch in Deutschland oder Österreich bleiben zu können.

Die politische Klasse lernt aus all dem offenbar nichts. Dass sie trotz aller zurückliegenden und aktuellen Erfahrungen weiterhin Masseneinwanderungen fördert und auf Multikulturalismus setzt, wird sich mit Sicherheit als folgenschwere Belastung der Zukunft erweisen. Die Folge dieser Multikulturalisierung: Der Nationalstaat gerät außer Form, setzt Patina an. Wer ihn würdigt, gilt als unverbesserlicher Reaktionär, der in der Gegenwart nicht angekommen ist. Wer die „multikulturelle Gesellschaft“ seziert, ist ein intoleranter Mensch.

Die politische Klasse zehrt die Substanz des Staates (Familie, Volk, Nation, Kultur und christliche Religion, Recht und Sprache) aus, deren Voraussetzungen seine Verfassung nicht garantieren kann, die der Staat jedoch festigen müsste (Böckenförde-Diktum). Der deutsche Nationalstaat Bismarck’scher und Weimarer Prägung verschwindet durch aufgedrängte Geschichtsbereinigung im Nebel, zumal die Staatsrechtslehrer im Gefolge des Bundesverfassungsgerichts den „Staat“ durch die „universale Verfassung“ der Menschenrechte ersetzt haben. Dies mag dem Nationalstaat den Todesstoß versetzen. Damit wird aber ein politisches Gemeinwesen als Ordnungsmacht nicht verschwinden. Es werden in das Vakuum andere Assoziationen stoßen, die dem Gemeinwesen andere Substanzen unterlegen (Gottesstaat, Kalifat etc.) und eine „multikulturelle“ Gesellschaft nicht dulden.

Die Ursachen für die Auseinandersetzungen zwischen ethnischen und religiösen Gruppen, politisch aufgeheizt, werden nicht beachtet, wird der Natur des Menschen keine Aufmerksamkeit geschenkt. Die stammesgeschichtliche Entwicklung fixiert ihn auf die eigene Gruppe und den eigenen Lebensraum, wehrt sich gegen Überfremdung. Die Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden ist dem Lebewesen naturgegeben.

Die Frage ist, ob erst ein „Auferstanden aus Ruinen“, eher in unbestimmbarer Zukunft, dazu führen muss, dass das Bewusstsein eines gefährdeten Volkes für eine eigene Nation zurückkehrt.1

1 Lesenswert Josef Isensee, Rückmeldung eines Totgesagten: der Staat, in: Eckhard Jesse (Hrsg.), Renaissance des Staates?, Baden-Baden 2011, S. 53 ff.; Thorsten Hinz, Zurüstung zum Bürgerkrieg, Tübingen 2014.

B.

Grundlegendes zum „Dreiklang: Volk, Nation, Staat“

Seit Beginn der Neueren Zeit hat eine europazentrische Rechtsphilosophie, insbesondere durch Jean Bodin2, Thomas Hobbes3 und John Locke4, und Staats-und Völkerrechtswissenschaft seit dem 16. Jahrhundert in vierhundertjähriger Gedankenarbeit einen Überbau staatsbezogener Begriffe gebracht, so die Vereinigung von Souveränität und Staat zur Staatssouveränität.5 Der Staat wurde das Modell der politischen Einheit mit dem Monopol der politischen Entscheidung.6 In dem Europa, so wie es seinerzeit geographisch verstanden wurde, wurde der Nationalstaat zum Prototyp des politischen Gemeinwesens. Ohne hier nun im Einzelnen auf die äußerst differenzierten, verschiedene Schwerpunkte setzenden Meinungen aus anderen Wissenschaftszweigen zur Nationen- und Staatenbildung eingehen zu können,7 galt die Formel „Staat = Nation = Volk“ sowohl für revolutionär-demokratische als auch nationalistische Vorstellungen. Für Nationalisten leiteten sich die zukünftigen politischen Einheiten aus der vorausgehenden Existenz einer Gemeinschaft ab, die sich von Fremden abgrenzte, während für die revolutionären Demokraten der Zentralbegriff das souveräne Volk von Staatsbürgern gleich dem Staat war, das im Verhältnis zur übrigen Menschheit eine „Nation“ bildete.8 Bedacht werden muss, dass vom 16. Jahrhundert an die Herrscher unabhängig von der Verfassung auch auf ihre Untertanen Rücksicht nehmen mussten, denn im Zeitalter der Revolutionen war es schwieriger geworden, sie zu regieren. Für die Regierungen war der zentrale Begriff in der Gleichung „Staat = Nation = Volk“ schlicht der Staat,9 was heute im Zuge der europäischen Integration nicht mehr gilt.10

Begnügen wir uns damit, die Begriffe, die sich gegenseitig bedingen, zu umschreiben, um uns dem Thema zu nähern. Das Wort ‚Nation‘ wie das sinnverwandte Wort ‚Volk‘ verschwinden zunehmend aus dem politischen Vokabular. An ihre Stelle tritt das Wort ‚Gesellschaft‘. Dieses nimmt neue semantische und sentimentale Facetten an wie „Bürgergesellschaft“, „Zivilgesellschaft“, „offene“, „multikulturelle“, „solidarische“ und manch weiteres Gesellschaftsattribut. Parallel läuft die Entwicklung, dass das Wort ‚Staat‘ abgelöst wird durch ‚Verfassung‘. So wie der semantische Kurswert ‚Volk‘ und ‚Staat‘ fällt, steigt jener von ‚Demokratie‘. Sie steht in einigen gängigen ihrer zahllosen Bedeutungen für Aufhebung jedweder Herrschaft, für allzweckhafte und allseitige Mitbestimmung und setzt sich damit ab vom ursprünglichen Wortsinn, der auf Herrschaft (kratos) und Volk (demos) abstellt.

Der Nationalstaat, im 19. Jahrhundert Leitbild des politischen Fortschritts,11 soll durch „progressive“ Leitbilder anderen Inhalts abgelöst werden: das vereinte Europa, die weltweite Verantwortungsgemeinschaft der Staaten, die Globalisierung der Märkte, staatsindifferente, internationale Funktionszusammenhänge, Weltpolitik, das Universum der Menschenrechte. Die Leitbilder erweisen sich als wirkmächtig. Doch nicht minder mächtig ist die Gegentendenz. Die aus dem 19. Jahrhundert überkommenen Reiche der Habsburger, der Osmanen oder der Sowjets sind zerfallen; ebenso die überseeischen. An ihre Stelle gerückt sind kleinere, national determinierte Staaten.12 Trotz dieser Widersprüche ist die Koinzidenz von Nationalstaat und Demokratie, wie sie sich zum Beispiel in Osteuropa ereignet hat, nicht ein Spiel des politischen Zufalls, sondern Ergebnis eines Sachzusammenhangs.13

Manche wollen ‚Volk‘ und ‚Nation‘ zum Mythos erklären. Sie lassen dabei völlig die anthropologischen Grundbefindlichkeiten der Menschen außer Acht. Der Mensch hat Körper, Geist und Seele, auch wenn manche bestreiten, dass es eine Seele gibt. Die Einheit von Seele, Geist und Körper spiegelt sich in einer subjektiven und objektiven Seite wider. Der Mensch hat Identität: subjektive und kollektive Identität.14 Positive Identität bedeutet Selbstbestimmung, schließt Fremdbestimmung aus, bedeutet Souveränität. Souveränität erfordert Ich-Bezogenheit, Selbsterkenntnis, Selbstbewusstsein, Selbsterhaltung und Selbstbehauptung, Verteidigung eigener Interessen, Wahrhaftigkeit, notfalls durch Kampf, sicheres und kalkulierbares Auftreten.15

Es lehrt nicht nur die Biologie, dass der Mensch von Natur ein soziales Wesen ist. Nur in Gemeinschaft mit anderen kann er seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten entwickeln. Schon Aristoteles befand: „Wer aber nicht in Gemeinschaft leben kann, weil er sich selbst genug ist, gar nicht bedarf, ist kein Glied des Staates und demnach entweder ein Tier oder ein Gott.“16 Der Mensch ist, so Aristoteles weiter, von Natur ein staatliches Wesen17 und – im weiteren Sinne – ein politisches Wesen.18 Große Philosophen sind sich darin einig, dass es die natürliche Bestimmung des Menschen sei, gesellig zu leben.19 Der Mensch wird – sei es aus welchen Gründen auch immer – zu einem Zusammenschluss mit anderen getrieben. Er organisiert sich in der Familie, im Stamm, in einer Gemeinschaft, zum Volk, zur Nation und – neuzeitlich – zum Staat.20 Volk, Nation und Staat sind, so Heller und andere, „Gebilde aus Leben“. Ihre Einheit ist wie die eines jeden Verbandes nur insoweit wirklich, als sie stets von neuem durch (zur Wirkungseinheit geordnete) menschliche Akte hervorgebracht wird.21 Menschliches Handeln als soziale Interaktion entspringt ebenfalls dem Wirkungszusammenhang von Seele, Geist und Körper. Der Mensch erstrebt durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft Ordnung, Sicherheit und Geborgenheit.22 Auf schon höherer Ebene ist dies das Volk.

I. Das Volk

Volk im noch unverfassten Zustand ist vornehmlich ein soziologischer Begriff. Er bezeichnet eine Gruppe von Menschen, Stämmen oder Stammesverbänden, die sich unter einem oder mehreren Merkmalen als von anderen unterscheidbare Einheit fühlen oder wahrgenommen werden. Versuche der Festlegung objektiver Kriterien oder Erklärungen, warum bestimmte Gruppen zu einem ‚Volk‘ werden, sind häufig angestellt worden. Sie stützen sich auf einzelne Merkmale wie Sprache oder ethnische Zugehörigkeit oder auf eine Kombination von Merkmalen wie Sprache, gemeinsames Territorium, gemeinsame Geschichte, kulturelle Eigenarten oder was auch immer.23 Doch diese Faktoren sind kontingent. So ist wohl die subjektive Seite, die Völkerspsychologie, das Mitbestimmende.

Der Altmeister der deutschen Volkswissenschaft, Max Hildebert Böhm, hat ‚Volk‘ unter verschiedenen Gesichtspunkten, insbesondere mit dem Charakteristikum der Eigenständigkeit („Fürsichsein“) umschrieben. Er verlangt, dass das Volk eine Volksindividualität habe, ein eigenständiges Wesen sei, das zur Volkspersönlichkeit werden kann. Dazu gehört eine gewisse Artähnlichkeit und Mentalität, die nach außen als „Gemeinschaft“ sichtbar wird. Er stellt dem ethnokratischen den ethnozentrischen Volksbegriff mit einer seelisch-geistigen Betrachtungsweise entgegen, ohne natürliche Faktoren wie Abstammung, Ahnenerbe und die Verbindung in der Geschlechterfolge unbeachtet zu lassen.24