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BETTINA ZIMMERMANN

WEIBLICH
UND MIT BISS

ERFOLGSSTRATEGIEN FÜR FRAUEN

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Weiblich und mit Biss

Erfolgsstrategien für Frauen

© 2015 Midas Management Verlag AG

ISBN 978-3-907100-97-4

Von Herzen für
Beda, Dennis und Michelle

Lektorat: Thomas Hobi
Satz und Layout: Ulrich Borstelmann, Dortmund
Coverfoto: Sonja Haueis
Druck- und Bindearbeiten: CPI, Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in Seminarunterlagen und elektronischen Systemen.

Midas Management Verlag AG, Dunantstrasse 3, CH 8044 Zürich
E-Mail: kontakt@midas.ch, Tel 0041 44 242 61 02, www.midas.ch

INHALT

Geleitwort

Vorwort

Einleitung

Schritt 1: Loslassen

Von Rückschlägen und sonstigen Schlägen

Wenn es doch so einfach wäre

Raus aus der Vergangenheit, rein in die Zukunft

Was hilft loszulassen?

Verzeihen Sie

Machen Sie Ordnung

Gib es dem Fluss mit auf den Weg

5 Tipps um loszulassen

Schritt 2: Selbstsicherheit

Selbstsicherheit – sich seiner Selbst sicher sein

Ich geh mal eben ins Bad und mach mich fertig…

Halte deinen inneren Saboteur in Schacht und nutze den Placebo-Effekt

Was dem Selbstwert sonst noch gut tut

Wir sind nicht dazu da, es allen recht zu machen

Selbstmut, das neue Schlüsselwort

Seien Sie ein Original

5 Tipps für ein starkes Selbstbewusstsein

Schritt 3: Karriereplanung

Die Gretchenfrage

Wohin des Weges – Sie brauchen ein Ziel

Von der Lehrerin zur Krisenmanagerin

Suchen Sie sich einen Mentor

Positionieren Sie sich als Expertin

Sind Sie sich bewusst, dass es an der Spitze einsam ist?

Zum Erfolg gehört die richtige Kleidung

Selbstmarketing – werden Sie sichtbar!

5 Tipps für Ihre Karriereplanung

Schritt 4: Netzwerken

Denken wie die Männer

Netzwerken hat viele Namen – Seilschaften, Vitamin B, Beziehungspflege

Kontakte lauern überall

Bleiben Sie in Erinnerung und zücken Sie Ihre Visitenkarte

Heute werden Sie gegoogelt

Der Networking-Anlass

Die Kunst der leichten Konversation

Frauennetzwerke – Jammerkränzchen oder Erfolgsrunde?

Der Service Club – das etwas andere Netzwerk

Was Netzwerke nicht sind

Bleiben Sie in Kontakt

5 Tipps für erfolgreiches Networking

Schritt 5: Synergien zwischen Frau und Mann nutzen

Klischees oder doch nicht?

Architektur erfolgreicher Teams

Den Unterschied kennen, schätzen und nutzen

Was wird von einem Geschäftsleitungsmitglied erwartet?

Wenn Mann das Pfauenrad schlägt

Achtung Zicke

Stolz sein aufs Frau sein

Gemeinsam sind wir stark

Frauen, das haben wir doch nicht nötig!

5 Tipps für den Umgang mit Männern, 5 Tipps für den Umgang mit Frauen

Es waren nicht einfach Interviews

Dr. Alice Brauner

Berühmte deutsche Filmproduzentin, kürzlich erschien ihr Film »Auf das Leben!«

Dr. Bjørn Johansson

Gehört gemäss Business Week zu den 50 einflussreichsten Headhunter weltweit

Elisabeth Gürtler

Die international bekannte Grande Dame von Wien

André Blattmann

Der charismatische Drei-Sterne-General und Chef der Schweizer Armee

Christine Maier

Die überzeugende Chefredaktorin behauptet sich in einer Männerdomäne

Dr. Nikolas Stihl

Der Topmanager, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat

Brigitta Schoch Dettweiler

Eine Dame von Welt – die erste Schweizer Generalkonsulin

Maximilian J. Riedel

Jung, dynamisch und mit 37 Jahren an der Spitze eines international tätigen Unternehmens

Bernadette Schaeffler

Sie verwirklichte ihren Kindheitstraum als Innenarchitektin in Amerika

Urs Berger

Mit Praxiserfahrung und Überzeugungskraft an die Spitze der ältesten privaten Versicherungsgesellschaft

Signe Reisch

Eine Frau mit Herz und Verstand – Hotelbesitzerin und Präsidentin von Kitzbühel Tourismus

Bernd Philipp

Der Starjournalist, der auf seinen Berliner Spaziergängen die Grössen aus Wirtschaft, Politik und Kultur interviewt hat

Germaine J.F. Seewer

Einzige Frau im Generalsrang der Schweizer Armee

Axel Naglich

Der verrückte Extremsportler aus der Red Bull Truppe

Gabrielle Ritter

Selbstsicher ans Ziel – der erste weibliche Captain im Cockpit der Swissair

Prof. Urs Fueglistaller

Der Ordinarius für Unternehmensführung an der Uni St. Gallen und Kenner der KMU-Landschaft

Quellenangaben

Danksagung

Über die Autorin

G E L E I T W O R T

Wertvolle Synergien zwischen Mann und Frau

Wir beide haben bei der Partnerwahl wohl nicht den einfachsten Weg gewählt. Mit absolviertem Rechtsstudium und bestandener Diplomatenprüfung standen wir beide vor der Herausforderung, Familie und Beruf – der unsere Familie in alle Welt verschlagen kann – zu vereinen.

1996 nach der Geburt unseres ersten Kindes war ein Jobsharing eigentlich die logische Folge. In Bern beim Departement für auswärtige Angelegenheiten, in Dublin als Botschaftssekretäre und danach wieder im Aussendepartement in Bern teilten wir Beruf, Haushalt und Kindererziehung. Von 2009 bis 2012 besetzten wir gemeinsam den Botschafterposten in Bangkok mit Akkreditierungen in Myanmar, Laos und Kambodscha. Die Flexibilität und Aufgeschlossenheit unseres Arbeitgebers waren für die Realisierung dieses Modells entscheidend.

Das Modell ist eine Win-Win–Win-Konstellation: Für das Paar, dessen Kinder und den Arbeitgeber, der von beiden 50 Prozent-Stellen de facto weit mehr als 100 Prozent Leistungsvolumen erhält. Wir haben die Chance bekommen, unser Land als Botschafter-Ehepaar im Ausland zu vertreten. Als weltweit erstes Jobsharing-Botschafterpaar sorgten wir für viel Stirnrunzeln und dies ausschliesslich bei männlichen Kollegen. Wir setzten und setzen alles daran, unser Land effektiv und würdig zu vertreten. In der Zwischenzeit haben sich die Runzeln geglättet und die Unkenrufe sind verstummt. Wir haben grosse Anstrengungen unternommen, unseren beiden nun im Teenageralter stehenden Kindern rund um die Uhr gute Eltern zu sein. Und wenn man uns auch als modernes Ehepaar bezeichnen mag, lag es uns am Herzen, unsere Kinder »konservativ« und ohne Fremdbetreuung zu erziehen. Das Wort »Doppelkarrierepaar« ist uns zuwider. Wir sehen uns mehrdimensional, als polyvalent in Familie und Beruf. »Family first« und Flexibilität waren stets unser Leitmotiv.

Der tägliche Rollentausch zwischen Diplomatin und Mutter oder Diplomat und Vater sowie die Koordination dieser Rollen im Familien- und Berufsalltag sind herausfordernd. Jeder wildert im Revier des andern und die Auflösung der Rollenteilung und die wechselseitige Entgrenzung zwischen Beruf und Familie führen zu Konstellationen, die ab und zu eine tüchtige Portion Gelassenheit erfordern. Die Fischstäbchen aus Vaters Küche wurden Kult. Das »Einander-auf-den-Füssen-stehen« in Beruf, Kindererziehung und Haushalt ist indes nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance. Der Rollentausch ist nämlich das beste Mittel, sich in sein Gegenüber einzufühlen und die Kommunikation ständig auf hohem Niveau zu halten.

Die Ausübung des Berufs wird durch Charakter, Motivation und persönliche Prioritäten geprägt. Ist es Zufall, dass in unserer internen Aufteilung der Mann die Finanzen der Botschaft betreute und die Frau für die sensiblen Anliegen des Personals zuständig war? Mann und Frau haben ihre Stärken und es ist wichtig, dass diese Talente komplementär zum Tragen kommen. Nicht nur in der Familie, auch in der Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Gerade in der Schweiz, die von Innovation und Arbeitskraft lebt, können wir uns eine Verschleuderung der Kapazitäten von Frauen und Männern nicht mehr leisten.

Wir hoffen, mit unserem Lebensentwurf bewiesen zu haben, dass Familie und Beruf für beide Lebenspartner zu vereinbaren sind. Diese Forderung wird zunehmend an Arbeitgeber gerichtet. Dies hat nichts damit zu tun, dass der Mann als Auslaufmodell und die Frau als knallhartes Karrieremonster gilt. Es ist schlicht ein Gebot der sozialen und wirtschaftlichen Notwendigkeit, dieser enttraditionalisierten Lebensform neben allen anderen Modellen eine Chance zu geben.

Viele Hinweise und Ideen zur Synergienutzung zwischen Mann und Frau erhalten Sie in diesem Buch. Nutzen Sie diese – viel Spass beim Lesen.

Christine Schraner Burgener,

Schweizer Botschafterin in Thailand

Christoph Burgener,

Botschafter in Myanmar, Laos und Kambodscha

V O R W O R T

Die Wirtschaft will und braucht gute Frauen, das ist unbestritten. Untermauert wird das auch durch viele Studien aus unterschiedlichen Ländern, aus denen hervorgeht, dass Unternehmen mit einer heterogenen Führung erfolgreicher sind und die bessere Rendite erzielen. Und dennoch sind Frauen im Top-Management und in Verwaltungsräten immer noch unterdotiert. Woran liegt das? Einige denken, das liege daran, dass Frauen bei der Jobbesetzung benachteiligt werden, und plädieren für eine Frauenquote. Ich jedoch bin überzeugt, dass es genügend gut qualifizierte Frauen gibt, die sich aber einfach zu wenig zutrauen.

Wir Frauen verkaufen uns oft unter unserem Wert. Talente und Fähigkeiten bringen wir zu wenig zum Ausdruck, Selbstmarketing ist nicht unser Ding. Zweifel machen sich breit, ob wir für diesen Job wirklich genügend qualifiziert sind.

Quälen Sie sich manchmal auch mit Fragen wie »Bin ich kompetent genug?«, »Kann ich das?« oder mit Aussagen wie »Bestimmt gibt es andere, die das viel besser können als ich?«

Oft fehlt es Frauen auch schlicht an Biss und der Bereitschaft, etwas durchzustehen. Viele Frauen lassen sich viel zu schnell entmutigen. Sie fragen sich vielleicht, warum ich das so negativ darstelle oder angriffig schreibe. Weil ich selber eine Frau bin und weiss, wovon ich schreibe. Viele gute und schlechte Erfahrungen haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Und glauben Sie mir, da waren einige schmerzhafte Erlebnisse dabei. Rückschläge gehören genauso zum Leben wie Erfolge. Wichtig ist, dass wir nach Niederlagen wieder aufstehen und uns nicht den Mut nehmen lassen. Viele bleiben in schlechten Erinnerungen hängen, aber das hindert uns daran uns weiterzuentwickeln. Das Zauberwort, nicht an Vergangenem hängen zu bleiben und im Leben weiterzukommen, heisst loslassen. Einige von Ihnen können das besser, andere weniger gut. Wenn es bei Ihnen mit dem Loslassen auch nicht so recht klappen will, lassen Sie sich nicht entmutigen, auch ich habe hier noch Optimierungsbedarf. Doch gerade weil ich noch berufliche und private Lebensziele habe, weiss ich, dass ich daran arbeiten will.

Frauen können akribisch an sich herumkritisieren und vergleichen sich viel zu oft mit anderen. Es wird immer jemanden geben, der besser, schöner oder erfolgreicher ist als wir. Gerade solche Vergleiche sind Selbstbewusstseinsfresser und Muträuber. Aber um Karriere zu machen, brauchen wir ein gesundes Selbstbewusstsein. Und da haben Frauen sicher noch Optimierungsbedarf.

Ich selber hatte früher die schicksalshafte Vorstellung, dass die Karriere kommt, wenn es denn sein soll. Es war mir zwar immer bewusst: Wenn ich etwas erreichen will, muss ich gut sein und mein Bestes geben. Eine Vision, wohin es gehen soll, hat aber gefehlt. Heute weiss ich, wohin ich will und habe mein Zukunftsbild. Und ich bin überzeugt, genügend Biss zu haben, um dieses zu erreichen. Zu wissen, was ich will, sensibilisiert mich, Chancen zu erkennen und zu packen. Auf meinem Weg zum Ziel kontrolliere ich immer wieder, ob ich noch auf Kurs bin. Kommt ein Rückschlag oder eine schlechte Erfahrung, ziehe ich meine Lehren daraus. Ich will keine Ausreden suchen, sondern Lösungen finden für meine Zukunft. Was hilft es mir, wenn ich ständig daran denke, was ich hätte tun sollen oder was ich verpasst habe? Das bringt mich nicht weiter.

Das berufliche und private Netzwerk ist ebenfalls Teil einer Karriere, aber noch lange nicht alle sind sich dessen bewusst. Signe Reisch, eine meiner Interviewpartnerinnen, hat es treffend formuliert: »Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht nutzt.« Gerade in diesem Bereich können Frauen noch einiges von den Männern lernen. Diese nutzen ihr Netzwerk nämlich viel selbstverständlicher als Frauen.

Gemischte Teams sind erfolgreicher. Mit anderen Worten heisst das, es braucht die weiblichen und die männlichen Stärken. Bringen wir Frauen also unsere Stärken ein – so wie wir sind, nämlich weiblich. Frauen und Männer können gegenseitig viel voneinander profitieren. Es geht darum, dass wir diese Synergien nutzen. Frau soll auf dem Karriereweg nach oben Frau bleiben. Wir werden nicht besser, wenn wir männliche Züge annehmen. Ich selber bewege mich in einem stark männlich dominierten Berufsumfeld. In meinem Tätigkeitsbereich, dem Krisenmanagement, und vor allem in meiner Arbeit mit Krisenstäben stelle ich immer wieder fest, dass hier immer noch grossmehrheitlich Männer vertreten sind. Deswegen schlüpfe ich aber nicht in eine Ritterrüstung und führe mich auf wie ein Mann. Ich bleibe Frau, weil ich weiss, dass wir Frauen vieles anders angehen. Aber anders heisst weder schlechter noch besser, sondern einfach anders.

Wer Karriere machen will – unabhängig ob Mann oder Frau – muss sich bewusst sein, dass man anecken wird. Auf dem Weg nach oben stehen viele Neider und Miesmacher, das müssen wir aushalten. Wir können es nie allen recht machen! Wer überall beliebt ist, wird nicht ernst genommen – freunden Sie sich mit diesem Gedanken schon mal an. Gerade Frauen haben mit dieser Denkhaltung Mühe, aber daran geht kein Weg vorbei.

Dieses Buch soll in fünf Schritten aufzeigen, wie Sie stolz und selbstbewusst Karriere machen können ohne Frauenquotenhilfsprogramme. Es soll Ihnen Mut machen, Ihren eigenen Weg zu gehen, Hürden zu überwinden, selbstsicher die Karriereleiter zu erklimmen und dies mit dem nötigen Biss.

Auch Männer profitieren von diesem Buch. Aus vielen ehrlichen Gesprächen mit Männern habe ich erfahren, dass sie im Innersten auch Ängste haben, nicht zu genügen oder gar zu versagen. Und so können Sie, liebe Männer, die Tipps in diesem Buch genauso gut für sich selber anwenden. Und Sie erfahren dabei viel über uns Frauen und wie wir funktionieren. Ich weiss, dass sich der eine oder andere mit dem »Frauenverstehen« etwas schwer tut. Schon Albert Einstein hat gesagt: »Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen, zum Beispiel der Relativitätstheorie.«

Einerseits habe ich in diesem Buch über meine eigenen Erfahrungen geschrieben und andererseits habe ich viele Informationen von Menschen erhalten, die ich beraten durfte oder die meine Seminare besucht haben. Die Essenz aus all diesen Erfahrungen sind die fünf Schritte, die ich in diesem Buch beschreibe.

Weil ich wissen wollte, wie erfolgreiche Persönlichkeiten ihren Weg gegangen sind, habe ich 16 sehr interessante Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Armee aus Deutschland, Österreich und der Schweiz interviewt. Aufrichtig und selbstkritisch haben sie mir erzählt, welche Rückschläge sie erlebt haben, mit welchen Selbstzweifeln sie kämpfen, wie sie ihre beruflichen Ziele in Angriff genommen und erreicht haben und welche Tipps sie Ihnen und mir auf den beruflichen Weg mitgeben.

Ich will Sie nicht mit langatmigen, seitenfüllenden Texten langweilen, sondern habe versucht, die mir wichtigen Dinge kurz zu fassen. Am Ende eines jeden Kapitels finden Sie fünf wichtige Tipps, die sich lohnen umzusetzen.

Es ist ein Buch, das ich aus tiefer Überzeugung, von Herzen und schonungslos offen geschrieben habe. Ich wünsche Ihnen eine freudvolle und erfolgreiche Lesezeit.

Herzlichst

Ihre

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E I N L E I T U N G

E u r eQ u o t eb r a u c hi c hn i c h t

Diskussionen zum Thema Frauenquote erhitzen die Gemüter- sowohl bei den Befürwortern, wie auch bei den Gegnern. Mich beschäftigt diese Diskussion auch und ich empfinde diese Regelung als entwürdigendes Hilfsprogramm für uns Frauen. Mit einer solchen Quotenregelung werden wir Frauen den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten doch förmlich aufgezwungen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Qualifikation und Leistung zählt. Das Geschlecht ist aber weder Qualifikation noch Leistung. Für wen bitte schafft diese Regelung eine angenehme Position? Für die Frau bestimmt nicht, denn diese wird als Quotenfrau abgestempelt oder wie Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende der Geschäftsführung der Trumpf GmbH + Co. KG, treffend formuliert hat: »Wer will schon gern die Quotilde sein?«.

Ich selber bin eine grosse Verfechterin von gleichberechtigter und gleichwertiger Verteilung von Macht- und Führungspositionen zwischen Frau und Mann. Aber nicht mit dem Instrument der Quotenregelung, sondern aufgrund vorhandener Kompetenzen. Mir kommen sechs kritische Fragen in den Sinn, die zum Nachdenken anregen sollen – dabei spielt es keine Rolle, ob Sie in Deutschland, Österreich oder der Schweiz leben:

1. Warum sollen Frauen mehr gefördert werden als Männer?

2. Brauchen Frauen tatsächlich ein Frauenquoten-Hilfsprogramm? Nagt das nicht am Stolz?

3. Gibt es heute überhaupt genügend fähige Frauen, die bei einer geforderten Frauenquote von 30 bis 40 Prozent Kaderpositionen übernehmen wollen?

4. Greift der Staat mit der geforderten Frauenquote nicht in die freie Marktwirtschaft ein?

5. Führt diese geforderte Frauenquote, welche gemäss der Vereinten Nationen jegliche Form der Diskriminierung der Fraubeseitigen soll, im Gegenzug nicht zu einer Diskriminierung des Mannes?

6. Braucht es nach der Umsetzung der Frauenquote eine Männerquote?

Der Ursprung der Frauenquotenfrage geht auf den 18. Dezember 1979 zurück, als die Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, CEDAW) von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde. Diese Konvention trat 1982 in Österreich1, 1985 in Deutschland2 in Kraft und in der Schweiz wurde diese 1997 ratifiziert3. Alle drei Länder haben sich mit der Unterzeichnung dieses Vertrages dazu verpflichtet, die darin aufgeführten Rechte der Frau zu schützen und zu erfüllen.

Gemäss Auskunft der Schweizerischen Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EFK) in Bern, dient die Frauenquote als Umsetzungshilfe dieser CEDAW-Konvention. Mit der Frauenquote soll erreicht werden, dass die Diskriminierung der Frauen auch im Arbeitsmarkt eingedämmt werden kann.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz laufen zurzeit heftige Diskussionen über die Einführung einer Frauenquote. In Deutschland liegen Pläne für eine gesetzliche Quote von mindestens 30 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen vor. Gleiches soll auch für die Führungspositionen der Bundesverwaltung, der Gerichte und Unternehmen des Bundes gelten sowie für alle Gremien, in die der Bund Vertreter schickt4.

In der Schweiz will die Landesregierung eine Zielquote von 30 Prozent Frauen in bundesnahen Betrieben erreichen. Der Kanton Basel-Stadt ist in der Schweiz der erste Kanton, der eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in allen Verwaltungsräten, die in der Wahlbefugnis des Kantons liegen, eingeführt hat5. Und die österreichische Bundesregierung beschloss, bis 2018 35 Prozent Frauen in Aufsichtsräten von Unternehmen zu haben, an welchen der Staat mit mindestens 50 Prozent beteiligt ist6.

Im November 2013 stimmte das EU-Parlament einer Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmungen zu. Diese Quotenregelung gilt für alle EU-Länder und betrifft Unternehmungen, die mehr als 250 Mitarbeitende und mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz haben7. Zusätzlich werden überall Stimmen laut, diese Quotenregelung nicht nur in sogenannten bundesnahen Betrieben einzuführen, sondern auf die gesamte Wirtschaft auszuweiten.

Im März dieses Jahres ist im »TagesAnzeiger«, einer überregionalen Schweizer Tageszeitung aus Zürich, unter dem Titel »Männer blocken Frauenquote ab« ein Artikel zu diesem Thema publiziert worden. Darin heisst es unter anderem: »Frauen sind in Schweizer Chefetagen nach wie vor die Ausnahme. Eine Quote ist umstritten, laut einer Studie auch bei Frauen.« 61 Prozent der befragten Männer und 45 Prozent der befragten Frauen finden, die Frauenquote sei keine Angelegenheit für die Politik. Diese Umfrage führte das Topkräftevermittlungs- und Beratungsunternehmen Mercuri Urval mit rund 1000 befragten Personen durch8. Da stelle ich mir unweigerlich die Frage, ob diese Quotenregelung wirklich ein Bedürfnis von Frauen ist oder vielleicht mehr von Politikern?

Parallel zur Quotendiskussion wird zusätzlich eine Diskussion über Kontrollmechanismen und wirksame Sanktionen geführt, falls die Quotenziele nicht erreicht werden sollten. Mit dieser Quoten- und Sanktionendiskussion wird meiner Meinung nach die Freiheit von Unternehmen massiv beschnitten, die Firma von denjenigen Personen führen zu lassen, die aus Unternehmenssicht am geeignetsten sind. Das geht definitiv zu weit!

Ich bin überzeugt, dass sich die Frauenfrage in Verwaltungsräten und Kaderpositionen in den nächsten fünf bis zehn Jahren von selber lösen wird. Gemäss der demografischen Entwicklung sind Frauen in der Überzahl. Die aktuellen Zahlen des Schweizerischen Bundesamtes für Statistik zeigen auf, dass im Jahr 2012 rund 3.9 Millionen Männer und 4 Millionen Frauen in der Schweiz lebten. In Österreich zählte man im selben Jahr rund 4.3 Millionen Frauen und 4.1 Millionen Männer9. In Deutschland ist der Unterschied noch deutlicher, dort leben rund 41 Millionen Frauen und 39 Millionen Männer10. Es gibt aktuell also bei uns mehr Frauen als Männer. Die von allen Seiten geforderte Frauenquote wird wohl schon aufgrund der Geschlechterverteilung hinfällig. Je mehr Frauen es gibt, desto höher ist die Zahl der berufstätigen Frauen und folglich die Wahrscheinlichkeit, dass sich Frauen für eine Karriere entscheiden und in Kaderpositionen gelangen. Vor 20 Jahren waren die Frauen an Universitäten noch in der Unterzahl. Heute sind sie in der Überzahl. Ein aktuelles Beispiel aus Österreich zeigt, dass dieses Jahr an der Medizinischen Universität Wien 393 Frauen und 347 Männer zum Medizinstudium zugelassen wurden11. Die Geschlechterverteilung an den Universitäten sieht in der Schweiz und Deutschland nicht anders aus. Die Frauen haben aufgeholt. Es werden zukünftig mehr Frauen an Universitäten abschliessen und da längst nicht alle promovierten Frauen den Wunsch nach Kindern haben, werden auch mehr Frauen für Kaderpositionen zur Verfügung stehen. Zurzeit mögen Frauen im Management noch untervertreten sein, aber hören wir doch auf, dieses Problem, das sich in ein paar Jahren von alleine lösen wird, mit der Brechstange lösen zu wollen.

Ein weiteres Argument der Quotenbefürworter sind Studien, die belegen, dass gemischte Teams erfolgreicher sind als rein männliche oder rein weibliche. Ja, davon bin ich auch überzeugt; zu hundert Prozent sogar. Aber bestimmt nicht Teams, in welche Frauen wegen ihres Geschlechts und nicht wegen ihrer Qualifikationen hineingedrängt werden. Das vergiftet doch das ganze Arbeitsklima. Und wer ist in einem giftigen Umfeld schon produktiv, geschweige denn kreativ?

Die Quote kann bei Frauen auch Druck auslösen, unbedingt Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen. Und damit wird gleich ein bereits bekanntes Problemfeld erweitert. Wir haben schon jetzt überall zu wenig qualifizierte Kinderbetreuungsplätze. Wo bitte sollen die Karrierefrauen ihre Kinder hinbringen, wenn sie im Topmanagement sind?

Menschen – und dazu gehören auch Frauen – möchten aufgrund ihrer Leistung befördert werden. Der Stolz bleibt doch schlicht auf der Strecke, wenn wir wegen unseres Geschlechts in eine Kaderposition aufsteigen.

Was wir brauchen, sind bessere Rahmenbedingungen, damit Beruf und Familie gut vereinbart werden können. Dazu gehören Teilzeitmöglichkeiten auch auf Kaderstufe und flexible Arbeitszeitmodelle. Solche Rahmenbedingungen schaffen für beide Elternteile einen Mehrwert. Männer erhalten die Möglichkeit, sich stärker in die Familie einzubringen und Frauen können sich mehr im Beruf engagieren. Und wenn wir gerade dabei sind: Wer hätte sich vor ein paar Jahren vorstellen können, dass es einmal Hausmänner geben wird? An dieses Bild hat sich die Gesellschaft übrigens auch noch nicht gewöhnt. Hausmänner werden oft schräg angeschaut und als Waschlappen bezeichnet. Mal ehrlich! Schreien die Männer deshalb nach einer Hausmännerquote? Nein. Denn auch diese Entwicklung wird in ein paar Jahren in unserer Gesellschaft als normal betrachtet werden. Lassen wir der Entwicklung doch einfach ihren Lauf!

Wenn eine Frauenquote eingeführt wird, dann müsste man konsequenterweise auch über eine Altersquote, eine Behindertenquote, eine Homosexuellenquote, eine Religions- oder Glaubensquote und bei uns in der viersprachigen Schweiz auch über eine Landessprachenquote diskutieren. Ach ja – diese Diskussion über die Sprachen wird ja bei uns in der Schweiz in Bundesbern bereits geführt. Der Bundesrat hat dazu einen Richtwert eingeführt. Im Rahmen der Revision des Bundespersonalgesetzes sollen ab diesem Jahr die Landessprachen im obersten Kader von bundesnahen Betrieben ausgewogen vertreten sein. Das heisst idealerweise: 65.5 Prozent Deutschsprachige, 22.8 Prozent Französischsprachige, 8.4 Prozent Italienischsprachige und 0.6 Prozent Rätoromanen12.

Zukünftig werden Gremien wohl gar nicht mehr nach Personen mit geeigneten Fähigkeiten Ausschau halten können, sondern nur noch nach solchen, die irgendeine Quotenregelung erfüllen.

S C H R I T T1

L O S L A S S E N

B a l l a s ta b w e r f e nu n ds i c hm i t
d e rV e r g a n g e n h e i tv e r s ö h n e n

Von Rückschlägen und sonstigen Schlägen

Rückschläge gehören zum Leben wie die Nacht zum Tag. Ich habe noch nie jemanden kennen gelernt, der keine Rückschläge erlebt hat – auch meine erfolgreichen Interviewpartnerinnen und -partner nicht. Aber ich habe Menschen erlebt, die damit besser umgehen können und solche, die weniger gut darin sind. Wer im Leben weiterkommen will, muss nach Rückschlägen wieder aufstehen und schlechte Momente oder Zeiten loslassen können. Denn Loslassen hilft, mit der Vergangenheit abzuschliessen und Neuem entgegenzublicken. Frei werden wir nur, wenn wir loslassen oder wie mein Interviewpartner Dr. Bjørn Johansson sagte: »Wir können die Vergangenheit nicht ändern, nur die Zukunft.«

Gemäss Definition im Duden, dem Standardnachschlagewerk zur deutschen Sprache, heisst Rückschlag: plötzliche Verschlechterung, die nach einer Phase des Vorankommens (unerwartet) eintritt1.

Ja, Rückschläge können mitunter unerwartet und hart sein und uns umhauen, aber liegenbleiben und nicht aufstehen, ist keine Lösung. Schon Friedrich Nietzsche, ein deutscher Philologe, sagte: »Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.« Doch diese Weisheit erkennen wir meist erst, wenn das Schlimmste vorbei ist.

Rückschläge, und davon gab es mehr als einen, gehören auch zu meinem Leben. Mittendrin in der Situation war es für mich grässlich und manchmal sogar kaum auszuhalten, aber im Nachhinein betrachtet, musste ich Nietzsche Recht geben. Rückschläge haben mich nicht nur stärker gemacht, sondern vor allem zu dem, was ich heute bin.

Zu meinem 40. Geburtstag habe ich mir ein Burnout »geschenkt«. Ja, Sie haben richtig gelesen, ich hab es mir geschenkt. Dass mich auch diese Erfahrung in meinem Leben weiterbringt, habe ich erst viel später erkannt. Als ich mitten drin war und mich entschloss, in eine Burnout-Klinik einzutreten, war ich ganz unten angelangt. Damals dachte ich, dass ich tiefer wahrscheinlich nicht mehr sinken könne.

Das war im April 2009. Ich stand kurz vor meinem 40. Geburtstag und war dabei, mir eine neue berufliche Zukunft aufzubauen. Nach verschiedenen Zusatzausbildungen habe ich nach 17 Jahren meinen Job als Biomedizinische Analytikerin HF im Spital gekündigt und mich mit meiner eigenen Beraterfirma auf den Weg in die Selbständigkeit gemacht. Auch politisch war ich schon einige Jahre engagiert und hatte seit 2007 das Amt als Gemeinderätin in der kommunalen Exekutive einer 6‘000 Einwohnergemeinde inne.

Meine berufliche Zukunft hatte ich nun also auf verschiedenen Ebenen aufgegleist. Ich hatte mich so positioniert, dass ich in den unterschiedlichsten Bereichen Erfahrungen sammeln konnte. Als Jungunternehmerin erlebte ich ein Wechselbad der Gefühle, denn die Welt hat ja nicht gerade auf eine neue selbständige Beraterin gewartet. Als Politikerin in einem Exekutivamt hatte ich mich im Fokus der Bürger und Öffentlichkeit zu bewähren. Daneben erlebte ich als Mitglied im kantonalen Care Team nicht nur schwierige Momente, sondern musste auch emotionale Grenzerfahrungen aushalten.

Alle meine Aktivitäten und dazu zwei Kinder, Mann und Haus unter einen Hut zu bringen, war eine Herausforderung. Aber was wäre das Leben ohne Herausforderungen? Ich liebte Herausforderungen und brauchte diese – übrigens auch heute noch!

Gerade meine Zeit als Gemeinderätin konnte man nicht als Zuckerschlecken betrachten, weil das Ressort, das ich übernommen hatte, alles andere als gut funktionierte. Aber was soll‘s? Ordnung machen und Unstimmigkeiten klären waren schliesslich auch Herausforderungen.

Meine Firma lief unterdessen gut an. Neben interessanten Einzelcoachings kamen Anfragen für Seminare im Bereich Kommunikation und Stressmanagement. Gerade dem Thema Stressmanagement habe ich mich mit viel Hingabe gewidmet. Stress ist in Konflikt- und Krisensituationen schliesslich eminent wichtig und das wollte ich in meinen Seminaren auch vermitteln. Alles in allem kann ich sagen, meine berufliche Neuorientierung hat sich gelohnt und bot mir genügend Spielfelder, mein neues Wissen über Konflikte, Krisen und Stress zu trainieren. Meine Selbständigkeit erlaubte es mir, die Zeit selber einzuteilen. So war ich mittags und abends meisten bei den Kindern zu Hause. Geschäftliche Termine oder Sitzungen in meinem Gemeinderatsressort konnte ich tagsüber ansetzen, das Studium der Sitzungsunterlagen und Seminarvorbereitungen erledigte ich nachts, wenn alle schliefen. Die Nacht war ideal, da hat man sowieso am meisten Ruhe, um ungestört zu arbeiten. Mit Leidenschaft und Perfektion habe ich mich in alle meine Aufgaben und Verpflichtungen gestürzt. Die Arbeit machte mir Spass und da war es auch egal, dass die Nächte lang und der Schlaf kurz waren. Dass ein solches Pensum irgendwann zurückschlägt, können Sie sich sicher vorstellen. Nach wenigen Jahren war es dann auch soweit. Selbstverständlich habe ich als Seminarleiterin für Stressmanagement schon lange erste stressbedingte Verschleisserscheinungen bei mir erkannt, aber als Coach kannte ich auch genügend mentale Strategien, mir immer wieder einzureden, dass es schon gehe. Ich habe mich damit selber belogen und war am Schluss auch nicht mehr in der Lage, die Notbremse rechtzeitig zu ziehen. Der Zusammenbruch kam faustdick. Vier Wochen vor meinem 40. Geburtstag musste ich mir eingestehen, dass ich das Thema Stressbewältigung bei mir nicht umsetzen konnte und eine Burnout-Klinik wohl die einzige Rettung darstellte. Ich schämte mich in Grund und Boden, derart versagt zu haben und quälte mich mit Selbstvorwürfen.

Die Zeit in der Burnout-Klinik war vor allem dazu da, mich mit meiner Situation und meinem Leben auseinander zu setzen und zu erkennen, wie es weitergehen soll. Es war für mich eine sehr schmerzvolle Zeit. Ich musste lernen, diese Situation anzunehmen und Dinge loszulassen. Ich musste akzeptieren, dass Menschen in meinem nächsten Umfeld nicht mit dieser, meiner Situation umgehen konnten. Dass sich Menschen von mir abwandten, weil eine Erschöpfung, ein Burnout oder eine psychische Depression – wie immer man das nennen will – in ihrer Lebensvorstellung keinen Platz hatte.

Die mehrwöchige Auszeit half mir zu erkennen, was ich in meinem Leben ändern musste. Wieder zu Hause habe ich mich schweren Herzens entschlossen, meinen Rücktritt im Gemeinderat zu geben und eine vielversprechende Politkarriere bereits nach wenigen Jahren abzubrechen. Es fiel mir unglaublich schwer, weil ich dieses Amt wirklich gerne ausgeübt hatte. Aber mein Leben konnte und durfte so nicht weitergehen. Auch wollte ich anderen zeigen, was passiert, wenn man dauernd auf der Überholspur fährt. Ich entschloss mich, mit der Bekanntgabe meines Rücktritts als Gemeinderätin, welcher sowieso in der Presse vermeldet würde, auch gleich die wahren Gründe, nämlich mein Burnout, öffentlich zu machen. Damit ging ich auch ein Risiko ein, denn ich wusste nicht, welche Reaktionen ich auf einen solchen Zeitungsartikel zu erwarten hatte. Schliesslich habe ich als Stressmanagerin »versagt«. Vielleicht würde ich mir damit gleich den Ast meines Berufsalltages absägen. Ich konnte es im Vorfeld schlecht abschätzen, aber mein Bauchgefühl sagte mir: »Tu es«.

Die Reaktionen waren unterschiedlich. Es gab Milizpolitiker, die es unangebracht fanden, dass man darüber in der Öffentlichkeit sprach. Obwohl sie selber zugegeben hatten, dass die zeitliche Belastung auch sie oftmals an die Grenzen bringt. Die Mehrheit der Rückmeldungen war aber positiv. Auch Seminar- oder Referatsanfragen zum Thema Stressbewältigung gingen ein. Eine Institution, die mich als Seminarleiterin anfragte, sagte mir : »Wer weiss mehr über das Thema Stress als Sie? Sie haben das selber so hautnah miterlebt.« Vor allem – und das war für mich wichtig – hat mir dieser Schritt geholfen loszulassen.

Dass mein Burnout ein »Geschenk« war, hat sich erst viel später gezeigt. Heute bin ich dankbar für diese Erfahrung. Sie war zwar zum Teil demütigend und schmerzhaft, aber ich bin wieder aufgestanden und gestärkt aus dieser Situation herausgekommen.

Ich bin eine Frau, die unglaublich begeisterungsfähig ist und ich mache vieles mit grosser Leidenschaft. Und wie es das Wort Leidenschaft schon sagt: Es schafft Leiden. Im Unterschied zu früher bin ich mir dessen heute bewusst. Die Gefahr, zu lange auf der Überholspur zu fahren, besteht bei mir immer noch. Achtsam sein und rechtzeitig die Spur wechseln wird ein Lebensthema von mir bleiben, weil Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit ein Teil von mir ist und bleibt.

Diese Erfahrung hat mich in meiner persönlichen Entwicklung einen grossen Schritt weitergebracht. Heute bin ich auf dem Weg, meine Ziele zu realisieren, auch dank einiger Rückschläge, die ich zum Glück loslassen konnte!

Wenn es doch so einfach wäre