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Elisabeth Holoch, Maria Lüdeke, Elfriede Zoller (Hrsg.)

Gesundheitsförderung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen

Lehrbuch für die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-024211-1

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-024212-8

epub:    ISBN 978-3-17-024213-5

mobi:    ISBN 978-3-17-024214-2

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Inhaltsverzeichnis

 

 

  1. Verzeichnis der Herausgeber und Autoren
  2. Geleitwort
  3. Vorwort
  4. Einführung: Die Bedeutung von Gesundheitsförderung und Prävention in der pädiatrischen Pflege
  5. Maria Lüdeke
  6. 1 Grundlegende Konzepte
  7. Elisabeth Holoch
  8. 1.1 Hinführung
  9. 1.2 Gesundheitsförderung und Prävention
  10. 1.2.1 Prävention
  11. 1.2.2 Gesundheitsförderung
  12. 1.2.3 Gesundheitsförderung als ressourcenorientierter Ansatz
  13. 1.2.4 Fazit
  14. 1.3 Entwicklung im Kindes- und Jugendalter
  15. 1.3.1 Entwicklung ist individuell, variabel und adaptiv
  16. 1.3.2 Entwicklung durch die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben
  17. 1.3.3 Fazit
  18. 1.4 Elterliche Kompetenzen
  19. 1.4.1 Parenting
  20. 1.4.2 Elternkompetenz
  21. 1.4.3 Intuitive elterliche Kompetenzen
  22. 1.4.4 Dependenzpflegekompetenz – ein pflegetheoretisches Konzept
  23. 1.4.5 Fazit
  24. 1.5 Familie
  25. 1.5.1 Ansatzpunkte für eine familienzentrierte Pflege
  26. 1.5.2 Familie aus systemischer Sicht
  27. 1.5.3 Familien- und umweltbezogene Pflege (Marie Luise Friedemann)
  28. 1.5.4 Fazit
  29. Literatur
  30. 2 Gesundheitsförderung und Prävention am Lebensanfang
  31. Katrin Witowski
  32. 2.1 Exemplarischer Fall
  33. 2.2 Einleitung
  34. 2.3 Kompetenzen
  35. 2.4 Fachwissen zur kompetenten Bewältigung der Situation
  36. 2.4.1 Das Neugeborene – Definition und Klassifikationen zur Beurteilung des Reifezustandes
  37. 2.4.2 Körperpflege eines Neugeborenen
  38. 2.4.3 Stillen und Ernährung
  39. 2.4.4 Kinaesthetics Infant Handling
  40. 2.4.5 Elternschaft und elterliche Feinfühligkeit
  41. 2.4.6 Vorsorgeuntersuchungen
  42. 2.4.7 Impfungen
  43. 2.4.8 Sorge für einen gesunden und sicheren Säuglingsschlaf
  44. 2.4.9 Anleitung der Familie Rebmann
  45. Literatur
  46. 3 Gesundheitsförderung und Prävention in einer Familie mit einem Kleinkind
  47. Katrin Witkowski, Tobias Bischof und Elisabeth Holoch
  48. 3.1 Exemplarischer Fall
  49. 3.2 Einleitung
  50. 3.3 Kompetenzen
  51. 3.4 Fachwissen zur kompetenten Bewältigung der Situation
  52. 3.4.1 Das Familienzentrum – eine Definition
  53. 3.4.2 Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen (FGKiKP) im Familienzentrum
  54. 3.4.3 Gesundheitsförderung und Prävention im Kleinkindalter
  55. 3.4.4 Gesundheitserziehung in der Kindertagesstätte
  56. 3.4.5 Elternschulung und -beratung als Erwachsenenbildung
  57. 3.5 Fazit
  58. Literatur
  59. 4 Prävention von Entwicklungsstörungen von Anfang an
  60. Sabine Kleemeier-Dittus und Kerstin Scholtes-Spang
  61. 4.1 Exemplarischer Fall
  62. 4.2 Einleitung
  63. 4.3 Kompetenzen
  64. 4.4 Fachwissen zur kompetenten Bewältigung der Situation
  65. 4.4.1 Bindung
  66. 4.4.2 Feinzeichen und Entwicklungsmodell nach Als und Brazelton
  67. 4.4.3 Selbstständigkeitsentwicklung im ersten Lebensjahr
  68. 4.4.4 Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus
  69. 4.4.5 Erwerb und Regulation eines gesunden Essverhaltens
  70. 4.4.6 Frühkindliche Regulationsstörungen
  71. 4.4.7 Prävention von frühkindlichen Regulationsstörungen und Förderung der Bindungsbeziehung
  72. 4.4.8 Postpartale Depression
  73. 4.4.9 Hilfs- und Unterstützungsangebote
  74. Literatur
  75. 5 Prävention von Kindeswohlgefährdung
  76. Gerlinde Kohl und Maria Lüdeke
  77. 5.1 Exemplarischer Fall
  78. 5.2 Einleitung
  79. 5.3 Kompetenzen
  80. 5.4 Das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG)
  81. 5.5 Schutzauftrag der Jugendhilfe
  82. 5.5.1 Förderung, Hilfe und Schutz als sozialstaatliche Leistungen
  83. 5.5.2 Erzieherische Hilfen im Kontext des Kinderschutzes
  84. 5.6 Verfahren in der Jugendhilfe bei Kindeswohlgefährdung
  85. 5.6.1 Schutzauftrag nach §8aSGBVIII
  86. 5.6.2 Handeln bei gewichtigen Anhaltspunkten einer Kindeswohlgefährdung
  87. 5.7 Der Begriff der Kindeswohlgefährdung
  88. 5.7.1 Ursachen von Kindeswohlgefährdung
  89. 5.7.2 Folgen einer Kindeswohlgefährdung
  90. 5.8 Vorgehen des Jugendamts beim Schutzauftrag
  91. 5.8.1 Meldung einer Kindeswohlgefährdung und erste Einschätzung
  92. 5.8.2 Schlüsselprozess Risikoeinschätzung
  93. 5.8.3 Bewertung der Kompetenz der Sorgeberechtigten zur Sicherung des Kindeswohls
  94. 5.8.4 Gewährleistung des Kindeswohls durch eine geeignete Hilfe
  95. 5.8.5 Inobhutnahme
  96. 5.9 Gerichtliches Verfahren
  97. 5.10 Zusammenarbeit mit der Polizei
  98. Literatur
  99. 6 Das internationale Berufsbild der Schulgesundheitspflege oder der Paul kann nicht pinkeln
  100. Andreas Kocks
  101. Die Geschichte von Paul oder ein Schulleben mit Dialyse
  102. Schulen und Gesundheit
  103. Kinder- und Jugendgesundheit
  104. Chronisch krank und Schule
  105. Gesundheitsexperten in Schulen – das Konzept der Schulgesundheitspflege
  106. Ein Beispiel: Die schwedischen School Health Nurse (Skolsköterska)
  107. Die Rolle der School Health Nurse – Gesundheitsversorgung in der Schule
  108. Schulgesundheitspflege: ein Gewinn für Gesundheit und Bildung in Deutschland?
  109. Und Paul?
  110. Literatur
  111. Stichwortverzeichnis

 

Verzeichnis der Herausgeber und Autoren

 

 

Herausgeber

Prof. Dr. rer. soc. Elisabeth Holoch

Duale Hochschule Baden-Württemberg

Studienzentrum Gesundheitswissenschaften und Management

Tübinger Straße 33

70178 Stuttgart

E-Mail: elisabeth.holoch@dhbw-stuttgart.de

Maria Lüdeke

Kinderkrankenschwester

Fachwirt Gesundheits- und Sozialmanagement (IHK)

Vorsitzende der DRK-Heinrich-Schwesternschaft e. V. in Kiel

und der DRK-Anschar-Schwesternschaft Kiel e. V.

Hofholzallee 69

24109 Kiel

E-Mail: luedeke@drk-schwestern-kiel.de

Elfriede Zoller

Lehrerin für Pflegeberufe/Kinderkrankenpflege

Möckenweg 9

73054 Eislingen/Fils

E-Mail: ezoller@gmx.net

Autoren

Dr. med. Tobias Bischof

Gesundheitsamt Stuttgart

Schloßstraße 91

70176 Stuttgart

E-Mail: tobias.bischof@stuttgart.de

Sabine Kleemeier-Dittus (Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin)

Fachzentrum Frühe Hilfen, Landratsamt Ostalbkreis

Haußmannstraße 29

73525 Schwäbisch Gmünd

E-Mail: sabine.kleemeier-dittus@ostalbkreis.de

Andreas Kocks (BScN, MScN)

Pflegewissenschaftler, Promovend im Forschungskolleg FamiLe

Department für Pflegewissenschaft Universität Witten/Herdecke

Pflegewissenschaftler am Universitätsklinikum Bonn

Uckeratherstr. 56

53639 Königswinter

E-Mail: andreas.kocks@ukb.uni-bonn.de

Dipl. Soz. Päd. Gerlinde Kohl

Multiplikatorin für den Kinderschutz,

Referentin in der Jugendhilfe, Lehraufträge an Hochschulen

Esslinger Straße 32

70794 Filderstadt

E-Mail: gerlinde.kohl@googlemail.com

Dipl. Psych. Kerstin Scholtes-Spang

Analytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in eigener Praxis

Am Rösbach 2

69181 Leimen

E-Mail: kontakt@psychotherapie-scholtes.de

Katrin Witkowski Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin; Dipl. Pflegewissenschaftlerin

Stiftung Drachensee

Harmsstraße 66

24114 Kiel

E-Mail: witkowski@drachensee.de

 

Geleitwort

 

 

Jedes Kind hat ein Recht auf das »erreichbare Höchstmaß an Gesundheit« (§ 24 UN-Kinderrechtskonvention). Die Weltgesundheitsorganisation versteht Gesundheit als Zustand körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und als einen wesentlichen Bestandteil des alltäglichen Lebens.

Aus diesem erweiterten Gesundheitsbegriff ergeben sich für die Förderung der Gesundheit von Kindern im Wesentlichen vier Ziele:

•  Die Unterstützung einer gesunden körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung.

•  Die Vorbeugung von Entwicklungsrisiken und Gesundheitsgefährdungen.

•  Die Schaffung von Rahmenbedingungen für ein gesundes Aufwachsen und die Entwicklung individueller Potenziale.

•  Die Befähigung von Kindern im Laufe des Heranwachsens, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und ein eigenverantwortliches Gesundheitsverhalten auszubilden.

Zunächst ist es erfreulich, sagen zu können, dass die meisten Kinder heute eine gute körperliche Gesundheit haben und mit ihrer Lebenssituation zufrieden sind. Allerdings trifft dies nicht auf alle Kinder zu. Es zeigt sich eine Verschiebung von akuten zu chronischen Erkrankungen und von somatischen zu psychischen Störungen (Ravens-Sieberer et al. 2007; SVR 2009). Diese Entwicklung wird mit dem Begriff »Neue Morbidität« beschrieben. Vor dem Hintergrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen haben Entwicklungs- und Verhaltensstörungen, psychische Auffälligkeiten, Übergewicht und Bewegungsmangel zugenommen. Insbesondere Kinder aus Familien, deren soziale Situation zum Beispiel durch Armut, Arbeitslosigkeit oder psychische Erkrankungen der Eltern schwierig ist, unterliegen einem höheren gesundheitlichen Risiko. Der Einfluss dieser Bedingungen ist nicht nur in der Kindheit von Relevanz, sondern beeinträchtigt die Menschen häufig in der gesamten Lebensspanne.

Umso wichtiger ist es, so früh wie möglich präventive Maßnahmen für Familien anzubieten und somit allen Kindern eine Chance auf ein gesundes und erfülltes Leben zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein Umdenken der planenden und handelnden Fachkräfte auf unterschiedlichen Ebenen notwendig. Dadurch wird ein ganzheitliches Vorgehen möglich, welches sowohl gesundheitliche als auch soziale Determinanten miteinander verbindet, um präventiv und wirkungsvoll tätig sein zu können. In letzter Zeit haben sich verschiedene Handlungsansätze herausgebildet, die zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen. Dazu zählen kommunale Gesamtkonzepte oder Präventionsketten, die auch für die Frühen Hilfen eine wichtige Rolle spielen. Durch ein frühzeitiges, vernetztes, systemübergreifendes und vor allem unter den Systemen koordiniertes Arbeiten können die Chancen auf ein gesundes Aufwachsen der Kinder verbessert werden. Insbesondere kann den Familien, die über ungünstigere Ausgangsbedingungen verfügen, ein effektives Hilfsangebot unterbreitet werden.

Die stärkere Verzahnung von Leistungen aus dem Gesundheitswesen mit den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe ist in diesem Kontext zentral, da komplexen familiären Problemlagen nur mit einem Hilfsangebot aus beiden Systemen begegnet werden kann. Das Gesundheitswesen hat die notwendigen und stigmatisierungsfreien Zugänge, wodurch auch die belasteten und isolierten Familien erreicht werden können. Die Kinder- und Jugendhilfe verfügt über weiterführende Hilfen, so dass die Familien ein umfassendes Angebot erhalten können. Insbesondere Berufsgruppen, die ein hohes Vertrauen der Familien genießen, sind der Türöffner, um für die Annahme von Unterstützungsangeboten zu motivieren.

Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Bundesinitiative Frühe Hilfen setzt unter anderem hier an. Denn es werden flächendeckende Strukturen gefördert, deren wesentliches Merkmal eine Kooperation zwischen dem Gesundheitswesen sowie der Kinder- und Jugendhilfe ist. Als kooperierende Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen sind insbesondere die Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger zu nennen. Sie gewährleisten neben den Hebammen einen vertrauensvollen Zugang zu den Familien in den Frühen Hilfen. Eine Zusatzqualifikation zu Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen (FGKiKP) sorgt dafür, den besonderen Anforderungen der Familien und ihren Kindern in belasteten Situationen gerecht zu werden. Die Bedeutung der Familien- Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger für die Frühen Hilfen wird auch über die Möglichkeit der Förderung von Ausbildung und Einsatz durch Mittel der Bundesinitiative Frühe Hilfen deutlich.

Wie die ersten Ergebnisse der Begleitforschung der Bundesinitiative Frühe Hilfen zeigen, ist hier der richtige Ansatz gewählt worden. Den Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pflegern sowie den Familienhebammen gelingt es in zwei wesentlichen Kernaufgaben ihrer Tätigkeit Erfolge zu erzielen:

1.  In der Stärkung elterlicher Lebens- und Erziehungskompetenzen und

2.  in der Vermittlung weiterführender passgenauer Hilfen aus dem Netzwerk Früher Hilfen.

Ein besonders erfreuliches Ergebnis zeigt sich darin, dass die betreuten Familien sagen, die Zusammenarbeit mit den Fachkräften sei sehr hilfreich und unterstützend bei der Bewältigung der Belastungslage gewesen. Die Mehrheit der Eltern würde diese Unterstützungsform anderen Eltern weiterempfehlen. Daher freut es mich sehr, dass die Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger einen zentralen Platz in den Frühen Hilfen eingenommen haben. Das Unterstützungsangebot durch Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger trägt somit auch einen wichtigen Teil bei der Umsetzung des Rechts aller Kinder auf das »erreichbare Höchstmaß an Gesundheit« bei.

Mechthild Paul

Leiterin des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen

in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

 

Vorwort

 

 

Gesundheitsförderung und Prävention gewinnen zunehmend mehr Bedeutung im Gesundheitswesen und insbesondere am Lebensanfang. In der Zwischenzeit kann hoffnungsvollerweise auf gesetzliche Grundlagen zurückgegriffen werden (Kinderschutzgesetz, Pflegeberufegesetz).

Für uns als Herausgeberinnen war dies der Anlass, uns dem Thema »Gesundheitsförderung und Prävention« aus der Sicht der pädiatrischen Pflege zu widmen und diesen Band zu gestalten.

Gesundheitsförderung und Prävention sind zentrale Merkmale in der Betreuung von Kindern/Jugendlichen und deren primären Bezugspersonen, um ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen.

In den ersten Lebensjahren entwickeln sich Kinder, wie zu keinem anderen Zeitpunkt im Leben, schnell. Diese rasanten Entwicklungsschritte zu begleiten und die Eltern dafür zu sensibilisieren, sind zentrale Handlungen für Fachpersonen, die Kinder professionell betreuen.

Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen als auch auf die Gesellschaft im Allgemeinen. In die Betreuung von Kindern zu investieren, zahlt sich individuell und gesellschaftlich aus.

Dementsprechend soll dieses Buch dazu beitragen, die Kompetenzen von Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen um diesen wichtigen Aspekt der Gesundheitsförderung und Prävention zu erweitern bzw. weiterzuentwickeln.

Das Buch besteht insgesamt aus sechs Kapiteln. Das erste Kapitel bildet die Basis für alle weiteren Kapitel. In ihm werden die für die Gesundheitsförderung und Prävention von Kindern und Jugendlichen relevanten theoretischen Konzepte erläutert. Kapitel zwei bis sechs fokussieren jeweils einen Entwicklungsabschnitt (vom Neugeborenen bis zum Schulkind) und unterschiedlichste Settings, in denen Gesundheitsförderung und Prävention stattfinden. Während in den Kapiteln zwei bis fünf Handlungsfelder thematisiert werden, die zwar zum Teil noch recht neu sind, in denen Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen in Deutschland jedoch bereits präventiv tätig sind, wird im Kapitel sechs ein für Deutschland noch zu entwickelndes Handlungsfeld, nämlich das der Schulgesundheitspflege, beschrieben.

Um nun den Leserinnen und Lesern die Bedeutung von Gesundheitsförderung und Prävention im (gesundheits-)pflegeberuflichen Alltag zu verdeutlichen, haben wir die Kapitel zwei bis fünf so gestaltet, dass wir den Inhalten jeweils einen exemplarischen Fall vorangesetzt haben. Nach einer Einleitung in die Bedeutung gesundheitsförderlichen und präventiven Handelns in diesem und ähnlichen Fällen, folgt eine Darstellung der dafür erforderlichen Kompetenzen. Diesen schließt sich die Darstellung des Wissens an, das benötigt wird, um die jeweils eingangs beschriebene Situation kompetent bewältigen zu können.

Um die Orientierung im Buch zu erleichtern, werden folgende Symbole verwendet:

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Hier finden die Leserinnen und Leser wichtige Aussagen, Merksätze und Zusammenfassungen.

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Erscheint dieses Symbol, wird ein konkreter Bezug zum vorangestellten Fall hergestellt, um aufzuzeigen, wie das dargestellte Wissen zur Anwendung kommen kann.

Wir hoffen und wünschen uns, dass wir mit diesem Band wichtige, theoretische Handlungsansätze aufzeigen und diese im Handeln von professionell Pflegenden zum Ausdruck kommen können, damit ein gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen gefördert wird.

 

Elisabeth Holoch

Maria Lüdeke

Elfriede Zoller

 

Einführung: Die Bedeutung von Gesundheitsförderung und Prävention in der pädiatrischen Pflege

Maria Lüdeke

 

Gesundheitsförderung und Prävention sind seit ihrer Entstehung Kernaufgaben der pädiatrischen Pflege. Beide Ansätze werden in der Begleitung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien ab der Geburt der Kinder bis zu deren 18. Lebensjahr in unterschiedlichen Einsatzfeldern der Gesundheit- und Kinderkrankenpflege umgesetzt. Zu diesen Einsatzfeldern gehören stationäre und ambulante Einrichtungen der Akutversorgung und Langzeitpflege, Rehabilitationseinrichtungen und verschiedene Angebote der aufsuchenden Hilfen nach SGB V und XI. Weiterhin Beratungseinrichtungen von Gesundheits- und Jugendämtern, Familienzentren und Bildungseinrichtungen wie Kindergärten und Schulen.

Einen Einblick, in welchen unterschiedlichen Settings Gesundheitsförderung und Prävention durch die pädiatrische Pflege stattfindet, und welche Leistungen in diesem Kontext erbracht werden, soll dieses Buch geben.

Geht es bei der Gesundheitsförderung um die Vermittlung einer ganzheitlichen, gesunden Lebensweise, mit dem Ziel eines psychischen, physischen und psychosozialen Wohlbefindens, so liegt der Schwerpunkt von gesundheitlicher Prävention bei der Vermeidung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen. Um nachhaltige Erfolge zu erzielen, müssen beide Ansätze sowohl in einem direkten Kontakt mit Kindern und Familien, durch z. B. Beratung, Schulung und Anleitungssituationen zu speziellen Fragestellungen erfolgen, als auch in der Gestaltung alters- und familienbezogenen Settings umgesetzt werden. Hierzu gehören unter anderem Familienzentren und Schulen.

Das heißt, die präventive und gesundheitsfördernde Arbeit ist in jedem Arbeitsfeld der pädiatrischen Pflege eine wichtige Schlüsselaufgabe.

Dies betrifft grundsätzlich alle Bereiche der professionellen Pflege und wurde vom International Council of Nurses wie folgt definiert:

Pflege »umfasst die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung (…) von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen (Settings). Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein. Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy), Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung« (ICN 2005).

Auch im Krankenpflegegesetz von 2003 in § 3 Abs. 2 ist dieses Ausbildungsziel beschrieben:

»Die Ausbildung für die Pflege (….) soll insbesondere dazu befähigen, folgende Aufgaben eigenverantwortlich auszuführen: Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen und ihrer Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit.«

Die Besonderheiten in der pädiatrischen Pflege liegen in der besonderen Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen und ihrer familiären Bindung.

Sie lassen sich mit drei Punkten beschreiben:

•  Die große Entwicklungsspanne von der Geburt bis zur Adoleszenz und teilweise darüber hinaus,

•  die besondere »Störanfälligkeit« dieser Entwicklungsphase durch negative äußere Einflüsse und

•  die enge emotionale, physische und rechtliche Abhängigkeit von den Eltern

(siehe auch Positionspapier BeKD (2015) »Qualitätssicherung durch die Schwerpunktsetzung in der beruflichen Erstausbildung«).

Pädiatrisch Pflegende sind ab Geburt eines Kindes ein wichtiger und vertrauensvoller Ansprechpartner für Eltern, Kinder und Jugendliche. Teilweise schon während der Schwangerschaft durch Beratungs- und Schulungsangebote, auf Vorbereitung zur Versorgung des Kindes. Hieraus ergibt sich, dass eine pflegerische Versorgung durch Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und Pfleger immer in Bezug zum jeweiligen Entwicklungsstand und zeitnaher Entwicklungsaufgabe des Kindes steht und stets unter Einbindung der Eltern passiert.

Die pädiatrische Pflege wird in erster Linie in der Versorgung akut erkrankter Kinder von der Öffentlichkeit aber auch den Verantwortlichen in angrenzenden Arbeitsfeldern und der Politik wahrgenommen. Die Kompetenz in der alters- und familiengerechten Vermittlung von Wissen zu gesundheitsrelevanten Themen wird hier noch nicht ausreichend gesehen und genutzt.

In diesem Buch werden unterschiedliche Berührungspunkte zu Kindern und Familien während unterschiedlicher Entwicklungsspannen eines Kindes, in verschiedenen Settings und im Kontext zu den Aufgabenfeldern Prävention und Gesundheitsförderung dargestellt.

Schwerpunkt wird durch die Autoren eher auf neue Einsatzfelder wie Familienzentren, aufsuchende Hilfen und Bildungseinrichtungen gelegt, aber Prävention und Gesundheitsförderung ist auch in der pflegerischen Versorgung akuterkrankter Kindern oder Frühgeborener eine wichtige Aufgabe.

Beispielhaft soll hier die neonatale Intensivstation genannt werden. Hier dreht sich ein großer Teil der pflegerischen Maßnahmen um Prävention. Der Ausgleich der Frühgeburtlichkeit und Unreife des Kindes wird durch medizinisch–pflegerische Maßnahmen gezielt umgesetzt. Der Vermeidung von Komplikationen, wie z. B. Nahrungsunverträglichkeiten, Hirnblutungen, aber auch anderen organischen Anpassungsstörungen, wird gezielt begegnet. Im Rahmen der Gesundheitsförderung liegt der Fokus ab dem ersten Tag auf die Förderung der Eltern-Kind-Bindung. Eine gesunde Bindung ist der Grundstein für eine ganzheitlich gesunde Entwicklung des Kindes. Sie hat schon während der Zeit in der Klinik einen wichtigen Einfluss auf die Stabilität von Kind und Eltern. Weiterhin ist durch dieses enge Verhältnis eine wichtige Vertrauensbasis geschaffen, die eine gezielte Anleitung und Beratung der Eltern zu Themen wie altersentsprechende und entwicklungsfördernde Pflege, kindgerechte Schlafumgebung, Ernährung usw. auch über den Zeitraum des stationären Aufenthaltes hinaus möglich macht.

Auch die Begleitung der Eltern in der Auseinandersetzung mit einer chronischen Erkrankung oder körperlichen Einschränkung des Kindes ist ein wichtiger Aufgabenbereich der pädiatrischen Pflege. Diese findet sowohl im stationären, als auch häuslichen Setting statt, z. B. durch sozialmedizinische Nachsorge nach § 43 Abs. 2 SGB V. Hier geht es zum einen um die Vermittlung einer sachgerechten pflegerischen Versorgung und um die Vermeidung von Komplikationen der Grunderkrankung (sekundär Prävention), zum anderen um eine emotionale Auseinandersetzung mit der Erkrankung des Kindes zur psychosozialen Stärkung der familiären Situation (Gesundheitsförderung).

Hier gäbe es noch viele weitere positive Beispiele einer gezielten Begleitung von chronisch erkrankten Kindern. Beispielhaft Diabetes, Lungenerkrankungen, Epilepsie usw. Zu diesen Erkrankungen wurden spezielle Fachweiterbildungen für professionell Pflegende entwickelt, mit dem Ziel, Betroffene und ihre Familien individuell im Alltag zu begleiten.

Aber es gibt auch neue Aufgabenfelder, die teilweise international schon seit Jahrzehnten etabliert sind. In Kapitel 3 wird der Einsatz von Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und Pfleger in Familienzentren und in Kapitel 6 der Aufgabenbereich der Schulgesundheitspflege beschrieben. In diesen Settings liegt der Aufgabenschwerpunkt beispielhaft in der Begleitung junger Eltern in strukturell schwierigen Lebenssituationen, in altersgerechtem Unterricht zu gesundheitsrelevanten Themen, in der Umsetzung gesundheitsfördernder Konzepte und in der Sicherstellung von medizinisch–pflegerischen Maßnahmen in Kitas und Schulen.

Wie wichtig ein früher settingbezogener Ansatz ist, zeigen Ergebnisse von Studien, wie beispielhaft die KIGGS Studie des Robert Koch Instituts oder auch Ergebnisse von Schuleingangsuntersuchungen (Richter-Konweitz A, »Gesundheitsförderung im Kindesalters«, BZgA). Hiernach sollen ca. 20 Prozent aller Jungen und Mädchen gesundheitliche Auffälligkeiten haben, wobei eine deutliche Zunahme von chronischen Erkrankungen und psychischen bzw. psychosozialen Auffälligkeiten zu beobachten ist.

Hier ist eine multiprofessionelle Begleitung und Vernetzung in unterschiedlichen kinder- und familiennahen Settings wichtig, um individuelle Unterstützungsansätze zu entwickeln und als Normalität im Alltag zu leben.

Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigt hier eine positive, wenn auch langsame Veränderung. Sowohl was den Einsatz von pädiatrisch Pflegenden in neuen Arbeitsfeldern betrifft als auch in Bezug auf die Erweiterung von Angeboten an Qualifizierungsmaßnahmen, wie z. B. die Qualifizierung von Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in, Fachweiterbildungen oder Schwerpunkten in pflegefachlichen Studiengängen.

Die pädiatrische Pflege mit ihrer Kompetenz ist jetzt bereits ein wichtiger Baustein in der Gestaltung einer gesundheitsfördernden, kinderfreundlichen und inklusiven Umwelt. Diese Entwicklung muss von den Verantwortlichen wahrgenommen und gezielt in zukunftsorientierte Konzepte umgesetzt werden. Zum Beispiel durch Zeitbudgets in der stationären und ambulanten Akutversorgung und Öffnung von weiteren kinderbezogenen Settings.

 

1          Grundlegende Konzepte

Elisabeth Holoch

1.1       Hinführung

Gesundheitsförderung und Prävention haben im Kindes- und Jugendalter eine besondere Bedeutung, denn Kinder und Jugendliche stehen erst am Anfang ihres meist langen Lebens. Gesundheitsförderung und Prävention sind gleichsam eine Investition in die individuelle und gesellschaftliche Zukunft, sie können zum einen die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen selbst verbessern und zum anderen haben sie einen Nutzen für die Gesellschaft im Allgemeinen.

Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen tun ihre Arbeit immer im Bewusstsein und unter der Voraussetzung, dass Kinder und Jugendliche Fähigkeiten und Kompetenzen hinzugewinnen, dass sie wachsen, selbständiger werden und ihr Verhalten aufgrund neuer Erfahrungen und einer sich entwicklungsbedingt wandelnden Weltsicht kontinuierlich verändern. Aus Sicht der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege bedeutet Gesundheitsförderung und Prävention, eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen und zu fördern, den aktuellen Entwicklungsstand eines Kindes bzw. Jugendlichen in der Kommunikation, bei der Anleitung oder im Rahmen einer Schulung zu berücksichtigen, das Kind also nicht zu über- oder zu unterfordern und das Möglichste zu tun, um eine Entwicklungsbeeinträchtigung (z. B. aufgrund von Krankheit oder negativen Erfahrungen im Verlauf eines Krankenhausaufenthaltes) zu verhindern.

Die pflegerische Sorge für die Gesundheit in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist nicht ohne die Berücksichtigung ihres sozialen Umfeldes denkbar. Hierzu gehören in erster Linie ihre Eltern, Familien und ihr Freundeskreis, denn Kinder sind existenziell (körperlich, emotional und sozial) auf ein stabiles und verlässliches soziales Bezugssystem (in der Regel ihre Familie) angewiesen. Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen haben es spätestens seit den 1970er Jahren, als die Anwesenheit von Eltern in den Kliniken rund um die Uhr zur Selbstverständlichkeit wurde und sich die ersten häuslichen Kinderkrankenpflegedienste etablierten, immer mit einem komplexen System von Kind, Eltern, Familie und der Interaktion zwischen diesen zu tun. Die Zusammenarbeit mit den Eltern, ihre Anleitung und Beratung in gesundheits- und pflegerelevanten Fragen sind seither zentrale Aufgaben der Berufsgruppe. Anleitung, Schulung und Beratung von Eltern setzt an deren vorhandenen elterlichen Kompetenzen an, zielt auf deren Erweiterung und letztlich auf die elterliche Autonomie in der Pflege und (Gesundheits-)Erziehung ihrer Kinder.

All die genannten Aspekte (Entwicklung, Elternkompetenz und Familie) spielen in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege daher eine wichtige Rolle. Im Kontext dieses Bandes zur Gesundheitsförderung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen kommt ihnen nun eine spezielle Bedeutung zu. Denn die Art und Weise, wie Entwicklung, Elternkompetenz und Familie gesehen und theoretisch begründet werden, hat einen Einfluss darauf, ob das pflegerische Handeln eine gesundheitsförderliche und präventive Wirkung entfalten kann. Deshalb bildet das in diesem Kapitel dargelegte konzeptionell-theoretische Verständnis der drei Aspekte die Basis für die im vorliegenden Band dargestellten Handlungsfelder der Gesundheitsförderung und Prävention im Kindes- und Jugendalter. Im Folgenden wird nun

1.  definiert, was unter Gesundheitsförderung und Prävention verstanden wird. Hierbei wird explizit auf eine ressourcenorientierte und salutgenetische Sichtweise zurückgegriffen.

2.  ein Modell kindlicher Entwicklung dargelegt, das Kinder und Jugendliche als aktiv an ihrer Entwicklung beteiligte Wesen versteht und die Interaktion zwischen dem sich entwickelnden Kind/Jugendlichen und seiner sozialen und materiellen Umgebung berücksichtigt.

3.  erörtert, mit welchen Konzepten man in der einschlägigen Fachliteratur versucht, elterliche Kompetenz zu beschreiben und wie dies aus pflegerischer Perspektive zu bewerten ist.

4.  ein Konzept familienzentrierter Pflege umrissen, mit dem Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen gesundheitsförderlich, das heißt ressourcenorientiert arbeiten können.

1.2       Gesundheitsförderung und Prävention

Sowohl Gesundheitsförderung als auch Prävention sind Maßnahmen und Handlungsansätze, die darauf abzielen, die Gesundheit von Menschen zu erhalten und zu verbessern. Die Differenz zwischen beiden besteht darin, dass sich Gesundheitsförderung an Gesundheitsressourcen und Prävention anGesundheitsrisiken orientiert. Im Rahmen der Gesundheitsförderung wird danach gefragt, was Menschen gesund erhält, in der Prävention danach, welche (Krankheits-)Risiken vermieden werden können.

1.2.1     Prävention

In Abhängigkeit davon, wann präventive Maßnahmen zum Einsatz kommen, wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unterschieden. Primärpräventive Maßnahmen dienen der Abwehr von Risiken, solange noch keine Erkrankung oder eine Beeinträchtigung eingetreten ist. Sie zielen auf die Verhinderung von Verhaltens- oder Umweltrisiken, oder auf die Vorbeugung der Ausbreitung von Krankheitsursachen. Sekundärprävention hat zum Ziel, spezifische Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen, bevor Symptome oder Beschwerden auftreten oder das Fortschreiten eines Frühstadiums einer Erkrankung zu verhindern. Hierzu gehören alle Früherkennungsuntersuchungen (Images Kap. 2.9) und die Förderung der Inanspruchnahme von präventivmedizinischen Maßnahmen und Programmen (z. B. Training, Diäten). Die Tertiärprävention richtet sich an Menschen, die im pathogenetischen Sinne bereits krank sind und zielt darauf ab, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, Folgeschäden oder eine Chronifizierung zu verhindern und die Funktionsfähigkeit und Lebensqualität trotz Krankheit zu erhalten und zu verbessern. Zwischen Tertiärprävention und Rehabilitation gibt es Überschneidungen.

1.2.2     Gesundheitsförderung

Wie einführend dargestellt, wird häufig zwischen Gesundheitsförderung und Prävention gezielt unterschieden.

»(…) Gesundheitsförderung [bedeutete] ursprünglich eine Abkehr von einer nur an der Pathogenese und an Risiken und Risikofaktoren orientierten Perspektive der Gesundheitserziehung und Prävention. Inzwischen wird die an salutogenen Ressourcen und Potenzialen orientierte Gesundheitsförderung überwiegend als gleichrangige Ergänzung der an pathogenen Risiken orientierten Prävention angesehen« (Kaba-Schönstein 2011).

In neuester Zeit wird Gesundheitsförderung sogar als übergeordneter Ansatz verstanden, der die Prävention mit einschließt. Diese Sichtweise hängt unter anderem damit zusammen, dass Gesundheitsförderung im Zuge der Ottawa-Nachfolgekonferenzen (vgl. Geene 2013, S. 25f.) zunehmend als umfassendes Tätigkeitsfeld aufgefasst wird.

In der Ottawa-Charta wird Gesundheitsförderung noch folgendermaßen umschrieben:

»Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können. In diesem Sinne ist Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel« (WHO 1986, S. 1).

Diese Definition wurde in der Jakarta-Erklärung zur Gesundheitsförderung für das 21. Jahrhundert weiterentwickelt und Gesundheitsförderung wird seither verstanden als

»ein Prozess, der Menschen befähigen soll, mehr Kontrolle über ihre Gesundheit zu erlangen und sie zu verbessern. Durch Investitionen und Maßnahmen kann Gesundheitsförderung einen entscheidenden Einfluss auf die Determinanten für Gesundheit ausüben« (WHO 1997, S. 1).

Als Determinanten für die Gesundheit gelten unter anderem Frieden, Unterkunft, Bildung, soziale Sicherheit, soziale Beziehungen, Nahrung und Wasser, Einkommen, Befähigung und Ermächtigung (Empowerment) zu gesundheitsförderlichem Handeln und Chancengleichheit (vgl. WHO 1997).

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Diese Definition macht deutlich, dass es sich bei der Gesundheitsförderung nicht nur um eine auf das Verhalten von Individuen abzielende Vorgehensweise handelt, sondern eine politische Haltung und breites Wissen aus den Gesundheits- und Sozialwissenschaften mit einschließt (vgl. Brieskorn-Zinke 2007, S. 29f.). Im Sinne der Ottawa-Charta umfasst Gesundheitsförderung deshalb die drei in Tabelle 1.1 aufgeführten Handlungsstrategien.

Tab. 1.1: Drei Kernstrategien gesundheitsförderlichen Handelns im Sinne der Ottawa-Charta (vgl. WHO 1986, S. 3)

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1.2.3     Gesundheitsförderung als ressourcenorientierter Ansatz

Der mit einem prozesshaften und positiv verstandenen Gesundheitsbegriff verbundene Ansatz der Gesundheitsförderung basiert auf der Grundannahme, dass vorrangig Ressourcen sowohl individueller als auch sozialer Natur und weniger die Risiken und Probleme in den Blick genommen werden sollten. Wegweisend für die Entwicklung dieser Sichtweise war und ist das Konzept der Salutogenese des Medizin-Soziologen Aaron Antonovsky. Auch wenn sein Ansatz zu einem grundlegenden Wandel in der Sichtweise auf Gesundheit und Krankheit geführt hat, so gibt es v. a. in der Psychologie Konstrukte und Konzepte, die Ähnlichkeiten mit den Grundannahmen und Elementen des Salutogenesemodells aufweisen (vgl. Geene et al. 2013, S. 27f.; Antonovsky 1997, S. 47f.). Hierzu gehört u. a. das Konstrukt der Resilienz und der Schutzfaktoren. In den nachfolgenden Ausführungen wird das Konzept der Gesundheitsförderung aus der Perspektive dieser Ansätze dargestellt.

Das Salutogenesemodell

Mit dem Modell der Salutogenese ist vor allem eine veränderte Sichtweise auf das Verhältnis zwischen Gesundheit und Krankheit verbunden. Während im traditionell pathogenetischen Verständnis Gesundheit als Normalfall und Krankheit als ein davon abweichender Zustand aufgefasst wird, befinden sich Menschen aus salutogenetischer Perspektive ständig in einem Kontinuum zwischen Gesundheit und Krankheit. Aus pathogenetischer Perspektive ist ein Mensch entweder gesund oder krank, aus salutogenetischer dagegen befindet er sich – abhängig von objektiven Befunden und vom subjektiven Befinden – irgendwo zwischen den beiden Polen Gesundheit und Krankheit. Kein Mensch ist ganz gesund oder ganz krank. Für seinen gesundheitlichen Status entscheidend sind dagegen die für ihn relevanten Dimensionen, die mit seiner körperlichen und psychosozialen Situation zusammenhängen.

Für Antonovsky war die Frage entscheidend, warum manche Menschen trotz schwieriger sozialer Umstände und trotz körperlich-biologischer oder psychischer Stressoren und Risikofaktoren gesund bleiben bzw. sich eher gesund und andere sich eher krank fühlen. Zur Beantwortung dieser Frage können die beiden Teilkonzepte der Salutogenese, die generalisierten Widerstandsressourcen und das Kohärenzgefühl herangezogen werden. Die Widerstandsressourcen sind – wie der Name sagt – Ressourcen, die einem Menschen helfen, einen Widerstand gegen oder eine geringere Anfälligkeit für Stressoren zu entwickeln. Sie lassen sich in vier Dimensionen unterteilen:

1.  im Individuum selbst liegende Ressourcen (z. B. genetische Dispositionen, Wissen, Intelligenz und Problemlösefähigkeit, emotionale Sicherheit, Optimismus, Selbstvertrauen, Engagement).

2.  sich im nahen sozialen Umfeld befindende Ressourcen (z. B. Zugehörigkeitsgefühl, Unterstützung und Hilfe von Anderen, Verlässlichkeit).

3.  auf der gesellschaftlichen Ebene liegende Ressourcen (z. B. sinnvolle Arbeit und Beschäftigung, Sicherheit, Einkommen, Unterkunft).

4.  sich aus dem kulturellen Kontext ergebende Ressourcen. (z. B. Werteorientierung, religiöse oder ästhetische Quellen) (vgl. Antonovsky 1997, S. 200; Franke 2009, S. 11f.).

Stehen einem Menschen eine Vielzahl an Generalisierten Widerstandsressourcen zur Verfügung, kann er die Erfahrung machen, dass er – auch bei widrigen Umständen – das Leben meistern und schwierige Phasen bewältigen kann. Aus dieser Grunderfahrung heraus entsteht nach Antonovsky ein Gefühl von Kohärenz (sense of coherence), man könnte auch sagen, ein Gefühl von innerer Übereinstimmung, »eine globale Orientierung, die ausdrückt, inwieweit jemand ein sich auf alle Lebensbereiche erstreckendes, überdauerndes und doch dynamisches Vertrauen hat« (Antonovsky 1997, S. 31f.). Dieses Vertrauen bezieht sich

1.  auf die Verstehbarkeit der Ereignisse der inneren und äußeren Welt, das heißt man glaubt daran, dass die Dinge erklärbar und vorhersehbar sind.

2.  auf die Handhabbarkeit der Anforderungen, das heißt man kann auf die Ressourcen zurückgreifen, die einem helfen, Herausforderungen zu bewältigen.

3.  auf die Sinnhaftigkeit, das heißt man ist in der Lage, die persönliche Bedeutung einer Anforderung zu erkennen und sieht einen Sinn darin, sich dafür anzustrengen und zu engagieren.

Nach Antonovsky ist ein stark ausgeprägtes Kohärenzgefühl eine gute Voraussetzung dafür, dass Menschen mit Stress und Belastungen besser zurechtkommen. Es hilft ihnen, ihre Widerstandsressourcen effektiv zu nutzen und in der Auseinandersetzung mit Herausforderungen zu wachsen. Ein stark ausgeprägtes Kohärenzgefühl hilft, Stressfaktoren positiv zu beeinflussen und sich damit in dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum in Richtung Gesundheit zu bewegen.

Salutogenese und kindliche Entwicklung

Betrachtet man nun die Elemente des Salutogenesemodells aus entwicklungstheoretischer Perspektive, dann wird deutlich, dass es nur bei einer dynamischen Betrachtung auf Kinder anwendbar ist. Um das Modell für die gesundheitsförderliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu nutzen, müssen folgende Aspekte berücksichtigt werden:

1.  Führt man sich vor Augen, dass der Aufbau eines ausgeprägten Kohärenzgefühls in engem Zusammenhang steht mit der kontinuierlichen Erfahrung, dass Widerstandsressourcen zur Verfügung stehen und sowohl aktiv als auch effektiv genutzt werden können, dann wird deutlich, dass bei Kindern das Kohärenzgefühl nicht von Anfang an vorhanden ist, sondern sich erst entwickelt (vgl. Antonovsky 1997, S. 91f.). Aus salutogenetischer Perspektive betrachtet hängt also die Chance eines Kindes, ein ausgeprägtes Kohärenzgefühl zu entwickeln, von der Art und Weise ab, wie es bei der Bewältigung seiner Entwicklungsaufgaben unterstützt wird und seine Entwicklungspotenziale wahrgenommen und gefördert werden. Infolgedessen kann im Kindes- und Jugendalter Gesundheitsförderung mit Entwicklungsförderung gleichgesetzt werden.

2.  Die Bedeutung des Teilkonzeptes der Generalisierten Widerstandsressourcen ist geradezu offensichtlich. Denn inzwischen ist – auch durch Studien belegt – bekannt, dass eine gesunde Entwicklung im Sinne der gelingenden Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen in hohem Maße davon abhängt, ob Kinder

−  in ihrem direkten sozialen Bezugssystem der Familie emotionale Stabilität und Sicherheit erfahren,

−  darauf basierend den Umgang mit Belastungen erlernen,

−  Vertrauen in sich selbst und zu anderen Menschen aufbauen,

−  sich in Kindergarten und Schule respektiert und angenommen fühlen,

−  sich einem Freundeskreis zugehörig fühlen,

−  sich für Sinnvolles engagieren und eine Perspektive auf eine befriedigende Arbeit entwickeln können, die ihnen eine materielle Grundsicherung verspricht.

Diese Beispiele machen deutlich, dass für die einzelnen Phasen der Entwicklung im Kindes- und Jugendalter jeweils spezifische Widerstandressourcen von besonderer Relevanz sind (vgl. Keupp 2013, S. 20f.).

Schulkinder und Jugendliche entwickeln zunehmend eine eigene, persönliche Vorstellung von ihrer Gesundheit, die u. a. vom Geschlecht, der Kultur, dem familiären Umgang mit Gesundheit und Krankheit und dem sozialen Milieu, in dem Kinder und Jugendliche aufwachsen, abhängt. Bei der Gestaltung gesundheitsfördernder Angebote in der Arbeit mit dieser Altersgruppe bedeutet die Berücksichtigung der Annahmen, die dem Teilkonzept des Gesundheits- und Krankheitskontinuum zugrunde liegen, dass eine reine Fixierung auf die Gesundheitsrisiken nicht zum Erfolg führen wird. Stattdessen müssen die persönlichen Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt und aufgegriffen werden.

Resilienz und Schutzfaktoren im Kindes- und Jugendalter

Ein auf den ersten Blick dem Konzept der Generalisierten Widerstandsressourcen sehr ähnlicher Begriff ist der der Resilienz. Im Gegensatz zum Konzept der Generalisierten Widerstandressourcen entstammt das der Resilienz nicht den Gesundheitswissenschaften, sondern der Forschungsrichtung der Entwicklungspsychopathologie (vgl. Lyssenko et al. 2010). Daher wurden verstärkt Entwicklungsrisiken berücksichtigt. Die Resilienzforschung begann, als die Unzulänglichkeit defizitorientierter Ansätze deutlich wurde. Von der Analyse positiver Entwicklungsverläufe trotz risikoreicher Bedingungen versprach man sich wichtige Erkenntnisse für die Prävention und Behandlung von Entwicklungsauffälligkeiten und -störungen.

Der Begriff Resilienz leitet sich aus dem englischen Wort »resilience« (Spannkraft, Strapazierfähigkeit, Elastizität) ab und bedeutet so viel wie psychische Widerstandkraft. Bei Kindern und Jugendlichen beschreibt Resilienz die Kapazität, sich trotz widriger Lebensumstände, Gefährdungen und Risiken gesund und altersentsprechend zu entwickeln. »Resiliente Kinder besitzen also eine Art Schutzschirm der Seele gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken« (Sit 2012, S. 11).

Die Wurzeln des Begriffs Resilienz gehen auf die amerikanische Forscherin Emily Werner zurück, die beginnend in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf der hawaiianischen Insel Kauai den Entwicklungsverlauf von 698 Kindern über 32 Jahre hinweg untersuchte und feststellte, dass sich ein Drittel der Kinder trotz schwieriger Lebensbedingungen zu psychisch gesunden und lebenstüchtigen Erwachsenen entwickelte.

Für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat das Konzept der Resilienz den Vorteil, dass es zwei zentrale Aspekte des Kindseins berücksichtigt: zum einen, dass sich Kinder und Jugendliche noch in der Entwicklung befinden und zum anderen, dass sie für ihre gesunde Entwicklung auf eine sie schützende, fördernde, nicht über- oder unterfordernde soziale Umgebung angewiesen sind. So wird Resilienz heute als komplexes Konstrukt aufgefasst, in dem Merkmale des Kindes, seiner Lebensumwelt und der Risiken für seine Entwicklung in engem, wechselseitigem Zusammenhang stehen. Daraus erklärt sich auch, dass Resilienz kein Dauerzustand bzw. Persönlichkeitsmerkmal eines Kindes oder Jugendlichen darstellen kann, sondern dass Kinder zu einem bestimmten Zeitpunkt resilient und zu einem anderen Zeitpunkt verletzbar sein können. Insbesondere in den Phasen, in denen Kinder von einer in die nächste Entwicklungsphase wechseln, sind sie besonders sensibel für Faktoren, die sich im Sinne von Risiken auf ihre psychosoziale Entwicklung auswirken können. So z. B. die psychische Erkrankung eines Elternteils, die schwere Erkrankung eines Geschwisterkindes, die Trennung der Eltern, Konflikte oder Erfahrung von Ablehnung oder häufiger Misserfolg in Kindergarten oder Schule. Wenn Kinder im Übergang zu einer neuen Entwicklungsphase mit Entwicklungsaufgaben konfrontiert werden, dann sind diese in der Regel für sie vollkommen neu und sie können nur bedingt auf Handlungsmuster und Strategien zurückgreifen, die ihnen helfen, diese Entwicklungssaufgaben zu bewältigen. Kindern und Jugendlichen in diesen Übergangsphasen steht nur bedingt das zur Verfügung, was im Modell der Salutgenese Kohärenz ausmacht, nämlich Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit. Hier sind sie in hohem Maße auf die emotionale Unterstützung ihrer Bezugspersonen (Eltern, Erzieherinnen, Lehrer, Verwandte, ältere Geschwister, Freunde) und auf gute Vorbilder angewiesen.

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Nach heutigem Stand der Forschung ist deshalb

•  Resilienz kein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, sondern kann durch eine positive Interaktion zwischen einem Kind und seiner sozialen Umwelt erlernt werden.

•  Resilienz keine die Entwicklung und die gesamte Lebensspanne überdauernde Fähigkeit, sondern kann mit der Zeit und unter verschiedenen Umständen variieren.

•  Resilienz im Zusammenhang mit verschiedenen Faktoren zu sehen, die zum einen in der Person eines Menschen und zum anderen in seiner sozialen Umwelt liegen (vgl. Sit 2012, S. 12).

Sind Kinder resilient, dann weisen sie folgende Fähigkeiten und Kompetenzen auf:

•  »Sie haben ein sicheres Bindungsverhalten.

•  Sie rechnen mit dem Erfolg eigener Handlungen.

•  Sie sind zuversichtlich und optimistisch.

•  Sie gehen Problemsituationen aktiv an.

•  Sie nutzen eigene Ressourcen effektiv aus.

•  Sie glauben an eigene Kontrollmöglichkeiten, erkennen aber auch realistisch, wenn etwas für sie unbeeinflussbar, das heißt außerhalb ihrer Kontrolle ist.

•  Sie können sich selbst motivieren.

•  Sie weisen eine hohe Sozialkompetenz auf (Empathie, Kooperationsfähigkeit).

•  Sie übernehmen Verantwortung« (Sit 2012, S. 13).

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Resilienz hängt aber nicht nur von Verhaltensmerkmalen und Fähigkeiten eines Kindes ab. Sie wird stattdessen von sehr vielen (im und außerhalb des Menschen liegenden) Faktoren beeinflusst und wirkt sich wiederum auf viele Aspekte aus (vom Lernverhalten über die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben bis zur persönlichen Ausstrahlung). Deshalb gibt es bislang keine befriedigende und endgültige Definition für ein systematisches Konzept der Resilienz (vgl. Kaplan 2006, S. 45; Bengel et al. 2009, S. 21). Aus diesem Grund beschäftigt sich die heutige Resilienzforschung im Kindes- und Jugendalter mehr mit denjenigen Faktoren, die eine protektive Wirkung haben, das heißt die Auftretenswahrscheinlichkeit von Störungen beim Vorliegen von Belastungen reduzieren (vgl. Lyssenko et al. 2010). Sie werden als Schutzfaktoren bezeichnet und ihre Wirkung ist bereits recht gut erforscht. Bengel et al. haben in einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Auftrag gegebenen Arbeit den Stand der Forschung (insbesondere von Langzeitstudien) zu den Schutzfaktoren bei Kindern und Jugendlichen zusammengefasst und stellen ein Klassifikationsmodell für psychosoziale Faktoren vor, denen eine schützende Funktion zugeschrieben wird. Dabei unterscheiden sie zwischen personalen, familiären und sozialen Schutzfaktoren (Images Tab. 1.2).

Tab. 1.2: Schutzfaktoren für Kinder und Jugendliche (nach Bengel et al. 2009, S. 51)

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