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  Cornelia Mack– DAS LEBEN KANN SO GLÜCKLICH SEIN– SCM Hänssler

SCM | Stiftung Christliche Medien

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ISBN 978-3-7751-7183-0 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-5512-0 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:
CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

© der deutschen Ausgabe 2014
SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG
71088 Holzgerlingen

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:
Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung 2006, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Weiter wurden verwendet:
ELB: Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R. Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten.

Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch

INHALT

Vorwort

Was ist eigentlich Glück?

Glücksbeschreibungen

Woran erkennt man glückliche Menschen?

Glücksfalle »Wenn – dann«

Glückspilz oder Pechvogel?

Pechvogel?

Glückspilz?

Gedankenstopp

Dankbarkeit macht glücklich

Glück und die Bibel

Schöpfungsgeschichte und Glück

Jesus und Glück

Glücksgeschichten in der Bibel

Unglücksgeschichten in der Bibel

Glück und Gemeinschaft

Kennzeichen guter Beziehungen

Glück und Aufgaben

Flow

Arbeit und Freizeit

Unzufriedenheit

Ausblick

Glück und Stille

Wege zur Stille

Glück und Genuss

Genuss ist erlaubt und gewollt

Fixierung auf Lust macht nicht glücklich

Extremfall Sucht

Frustrationstoleranz

Satt werden in Gott

Glück und Reichtum

Unglücklich durch erfüllte Wünsche?

Glücklich durch Geben

Wohlstandsverwahrlosung

Verantwortlicher Umgang mit Geld

Schätze des Himmels

Glück und Gesundheit

Hauptsache gesund?

Glaube und Gesundheit

Glück und Leid

Abwehr

Hilfen

Glück und Tod

Zehn Gebote und Glück

Erstes Gebot

Zweites Gebot

Drittes Gebot

Viertes Gebot

Fünftes Gebot

Sechstes Gebot

Siebtes Gebot

Achtes Gebot

Neuntes Gebot

Zehntes Gebot

Schuld und Übertreten der Gebote

Literaturverzeichnis

Anmerkungen

Rechtenachweise der Zitate

VORWORT

»Was willst du mal werden, wenn du groß bist?«, fragt ein Kind ein anderes. Die Antwort: »Unendlich glücklich.« Und wie geht es Ihnen damit? Wollen Sie auch glücklich sein? Darauf mit »Nein« zu antworten, wäre nicht ehrlich. Jeder Mensch will glücklich sein. Warum auch nicht? Es gehört zu den tiefsten Sehnsüchten der Menschen, glücklich zu sein. Das ist verständlich und berechtigt. Auch wenn wir letztlich keinen Anspruch auf Glück haben und auch kein Recht darauf, gehört die Hoffnung auf Glück zum Leben und zur Freude am Leben dazu. Und das ist auch gut so. Denn glückliche Menschen leben leichter, haben auch ein Interesse daran, anderen Menschen zum Glück zu verhelfen.

Doch es gibt eine Gefahr bei diesem Thema, nämlich die Vorstellung: nur ein immer glückliches Leben sei ein wertvolles Leben. Oder: nur wer glücklich ist, lebe richtig. Doch das stimmt so nicht. Denn es gibt auch Unglück, das das Leben bereichert und ihm mehr Tiefgang verleiht. Glück bedeutet nicht, dass es uns immer gut geht oder dass wir nie Leid und Schlimmes erleben. Wenn dies so wäre, wüssten wir dann überhaupt noch, was Glück ist? Erleben wir Glück nicht viel eher im Kontrast? Ohne Tiefs keine Hochs, lautet ein Sprichwort.

Was Glück ist, können wir wohl nur verstehen, wenn wir auch die Tiefen kennen. Denn dann wissen wir, dass die Hoch-Zeiten nicht selbstverständlich sind, sondern etwas Besonderes. Zum Glück gehören Gegensätze, Polarisierung, auch Spannung und Begrenzung. Gerade Unglück kann zu einer segensreichen Herausforderung werden.

Glück im Unglück gehört vielleicht zu den widersprüchlichsten Erfahrungen überhaupt. Äußerlich gefangen sein und innerlich glücklich. Oder von schwerem Leid betroffen und gerade darin doch getröstet zu werden. Wer mitten in einer Naturkatastrophe oder einem anderen dramatischen Erlebnis Hilfe und Schutz erlebt, kann das als tiefe Glückserfahrungen wahrnehmen. Wer schweres Leid erlebt und darin Trost von Freunden bekommt, ist davon oft so gehalten, dass er das Leid im Rückblick nicht missen möchte, weil er sonst auch diesen Trost und diese Nähe nicht erfahren hätte.

Menschen, die durch schwere Schicksalsschläge gegangen sind, können davon erzählen, wie sie gerade dadurch und darin erst wirklich begriffen haben, was wirklich glücklich macht und was nicht, worauf sie bauen können und worauf nicht.

Mich beschäftigt die Frage nach dem Glück immer wieder. Zum einen aus den Erfahrungen in meinem eigenen Leben, zum anderen in der Begegnung mit vielen unterschiedlichen Menschen, den eher glücklichen und eher unglücklichen. Damit verbunden stellt sich dann oft die Frage: Wie kann unglücklichen Menschen geholfen werden, wieder Glück zu erleben? Und: Wie können glückliche Menschen andere mit in ihren »Glücksstrom« hineinnehmen?

Das vorliegende Buch soll helfen, zu entdecken, was wirklich glücklich macht. Es soll aber auch helfen, mit schweren und scheinbar unglücklichen Zeiten umzugehen. Seelsorger, Eltern und Lehrer fragen sich immer wieder: Wodurch und wie werden Menschen stabil und belastbar? Das Glück ist oft eher die Folge der Bewältigung schwerer Zeiten als die Voraussetzung dazu. Hinter allen Fragen nach Glück steckt eine noch tiefer gehende Frage: Wie wird ein Leben sinnvoll und erfüllt? Welche Ziele im Leben machen glücklich, welche führen eher in Sackgassen? Welche Lebensgestaltung erfüllt? Wodurch wird die Seele satt?

Manche stellen sich und anderen auch die Frage: Wie möchte ich – wenn ich einmal auf mein Leben zurückschaue – gelebt haben, um sagen zu können: Es war ein glückliches, ein erfülltes Leben?

Was macht glücklich? Ich persönlich antworte nach eigener Erfahrung darauf: Mein Glück kommt von gelingenden Beziehungen, in denen ich leben kann. An erster Stelle steht da mein Mann, aber auch schöne Beziehungen zu Kindern, Enkeln und Freunden machen mich glücklich.

Ein weiterer wesentlicher Anteil zum Glück in meinem Leben kommt von meinen Aufgaben, in denen ich die Gaben und Stärken, die Gott in mein Leben gelegt hat, entfalten kann. Das größte Glück dabei ist aber nicht, damit erfolgreich zu sein oder sich selbst darzustellen, sondern Gott damit zu ehren. Mit dem eigenen Leben ein Hinweis auf Gott sein zu können, macht mich glücklich.

Das Glück in meinem Leben kommt auch aus vielen schweren Erfahrungen und deren Bewältigung. In großen Tiefen meines Lebens habe ich mehr und mehr auch den Reichtum entdeckt, der sich aus Gottesbegegnungen erschließt. Gott mittendrin: im Leid, in der Angst, in der Verzweiflung. Das macht spätestens im Rückblick dankbar, manchmal auch schon mittendrin.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern, dass sie durch die Lektüre dieses Buches den Geheimnissen eines glücklichen Lebens etwas näherkommen. Vielleicht kann dieses Buch auch zur Bewältigung von eher unglücklichen Zeiten helfen und somit auch wiederum zum Glück im eigenen Leben oder in dem anderer Menschen beitragen.

Cornelia Mack

WAS IST EIGENTLICH GLÜCK?

Fahrrad

Die Sehnsucht nach Glück spiegelt sich in der Werbung mit ihren vielfältigen Bildern und Aussagen wider – angefangen beim Glückslos und der Glücksspirale bis hin zu Slogans wie »Glück ist machbar« oder »Geld macht doch glücklich«.

Viele Märchen haben das Glück zum Thema: Hans im Glück, Frau Holle mit Goldmarie und Pechmarie, das Märchen vom Schlaraffenland, die drei Glückskinder und viele andere.

Auch unsere Umgangssprache ist voll von Redewendungen zum Thema Glück: »Noch mal Glück gehabt« – »Du Glückspilz«. Oder Sprichwörter wie: »Jeder ist seines Glückes Schmied« – »Scherben bringen Glück«.

Aber was ist eigentlich »Glück«?

Manche definieren Glück als subjektives Wohlbefinden, als Zufriedenheit mit dem Leben und sich daraus ergebenden angenehmen Gefühlszuständen.

Wie würden Sie darauf antworten? Sind Sie glücklich? Oder anders gefragt: Was macht Sie glücklich? Die Antworten darauf sind nicht immer einfach und können auch sehr unterschiedlich ausfallen. Zum einen deshalb, weil die Vorstellungen vom Glück von ganz unterschiedlichen Bildern gespeist sind. Zum anderen aber auch deswegen, weil Menschen verschieden sind – im Temperament, im Charakter, durch prägende Erfahrungen und darum eben auch in den jeweiligen Vorlieben oder Erwartungen.

»Schokolade macht glücklich«, sagen die einen.

»Andere glücklich machen, macht einen selbst glücklich«, wissen manche aus eigener Erfahrung zu berichten.

»Sport macht glücklich«, sagt der durchtrainierte Läufer, und der gemütliche Sofaliebhaber meint: »Sitzen dürfen macht mich glücklich.«

»Meine Aufgaben befriedigen mich und schenken mir Glück«, sagen Vielbeschäftigte.

»Ich bin so glücklich, wenn ich mal nichts tun muss«, sagen andere.

»Vorfreude macht glücklich«, sagt die Jubilarin vor ihrem Geburtstag.

»Der Rückblick auf ein schönes Fest«, sagt eine Mutter nach der Hochzeit ihres Sohnes.

»Heimatgefühle sind Wurzeln meines Glücks«, sagen Menschen, die schon viel umziehen oder gar fliehen mussten.

»Meine Kinder machen mich glücklich«, sagt eine Mutter.

Der Großvater antwortet: »Meine Enkel.«

Und Eheleute sagen (hoffentlich oft): »Das Zusammensein mit meinem Ehepartner macht mich glücklich.«

Aber es gibt auch Menschen, die ihr Glück im Alleinsein finden, die dankbar sind, wenn sie sich immer wieder zurückziehen können.

An all diesen Antworten sieht man schon, dass es auf die Frage nach dem, was glücklich macht, keine Einheitsantworten gibt. So verschieden, wie Menschen sind, können auch ihre persönlichen Glücksbringer sehr unterschiedlich aussehen.

Unser Leben ist vielschichtig. Manche können von Glück im Unglück berichten – und andere von äußerlich schönen Momenten, in denen sie dann trotzdem nicht glücklich waren.

Eugen Roth wird das Zitat zugeschrieben: »Ein Mensch schaut in die Zeit zurück und sieht: Sein Unglück war sein Glück.«1 Viele Menschen nicken zu diesem Satz. Fast jeder und jede könnte eine Geschichte dazu erzählen. Ereignisse, die zuerst frustrierend oder beängstigend waren, stellten sich im Nachhinein als großes Glück heraus.

Glücksbeschreibungen

Die deutsche Sprache benutzt den Begriff »Glück« in zwei sehr unterschiedlichen Bedeutungen. »Glück gehabt«, sagen wir und meinen damit Situationen, in denen jemand einen plötzlichen Gewinn macht oder durch Zufall einen Vorteil erlangt: »Zum Glück war ich an der schnellsten Kasse«, oder: »Ich habe Glück gehabt, ich wäre fast von einem Auto überfahren worden und bin gerade noch davongekommen«, oder: »Der Dachziegel fiel einen Meter vor mir auf die Straße und nicht auf meinen Kopf – was für ein Glück«. Man könnte es auch »das Glück des Zufalls« nennen. Das gibt es ja – zum Glück. Und es ist schön, wenn solche Momente zu unserem Leben immer wieder dazugehören.

Die eine Bedeutung meint also Glück haben, die andere eher den Aspekt des Glückserlebens oder Glücksempfindens.

Glück empfinden können wir, wenn wir zum Beispiel etwas Gutes essen, mit Freunden zusammen sind, eine wichtige Sache erfolgreich abschließen, einem Hobby nachgehen, etwas besonders Schönes sehen oder hören oder wenn wir etwas grundlegend Neues im Leben erfahren.

Dieses Glücksempfinden kann sehr verschieden erlebt werden. Ein Mädchen sagte einmal: »Glück fühlt sich warm an und kribbelt im ganzen Körper.« Andere sagen: Glück ist das Gefühl des inneren Aufatmens und Fliegens, befreit von Last, Zwang und Druck. Es ist ein innerer Zustand des Gleichgewichts, der Zufriedenheit, der Ausgewogenheit, der bis ins Körperliche hinein erfahrbar und spürbar ist. Oder es wird erlebt wie eine große Welle, die den ganzen Körper durchflutet. Ganz häufig wird Glück im Zusammenhang mit Dankbarkeit erlebt.

Wenn wir über Glück nachdenken, hilft uns die Unterscheidung zwischen kurzen Glückserlebnissen und inneren Haltungen, die uns prägen und in uns wirken. Wie wir schöne oder schwierige Ereignisse unseres Lebens deuten und welche Konsequenzen wir daraus ziehen, hat für unser Glücksempfinden im Leben genauso viel Bedeutung wie die kurzen Glücks- oder Unglücksmomente.

Deswegen sollten wir die kurzen Glücksmomente nicht schlechtmachen. Wir brauchen sie. Sie sind wie ein kleines Mosaik in unserem Leben. Viele kleine bunte Steine ergeben ein großes schönes Bild.

Beides trägt zum Glück im Leben bei – das kurze Glück der Momente und das lange Glück, das nachwirkt und prägt. Dies erleben wir oft in Zeiten nach besonders großen Ereignissen, die uns glücklich gemacht haben und an die wir noch gerne zurückdenken. Oder eben auch durch Ereignisse, die noch ausstehen und auf die wir uns schon lange Zeit im Voraus freuen.

Woran erkennt man glückliche Menschen?

Glücklich ist, wer sich auf die Kunst versteht, die Blumen in Reichweite zu einem Strauß zu binden.2

Dies ist ein sehr zutreffendes Zitat für die Beschreibung glücklicher Menschen. Gemeint ist damit: Wer sich mit den gegebenen Umständen seines Lebens arrangieren kann und lernt, daraus einen Nutzen zu ziehen, ja sich das Leben vielleicht sogar richtig schön zu machen, der hat etwas Wesentliches davon begriffen, wie das Leben glücklich wird.

Schon viele Forschungen haben sich dem Thema Glück gewidmet.

Sie kommen zu dem Ergebnis: Glückliche Menschen erkennt man an verschiedenen Verhaltensweisen3:

• Sie sind dankbar und zufrieden.

• Sie sind hilfsbereit und teilen gerne.

• Sie engagieren sich gerne für Mitmenschen, für ihre Gesellschaft, ihre Gemeinde, ihr Land.

• Sie sind gut in sozialen Netzwerken eingebunden.

• Häufig haben sie einen persönlichen Glauben.

• Meistens kommen sie mit schwierigen Situationen gut zurecht.

• Sie erholen sich nach schlimmen Erlebnissen schneller.

• Sie kennen ihre Stärken und entfalten diese auch.

• Sie haben einen positiven Blick auf das Leben.

• Sie arrangieren sich mit widrigen Lebensumständen.

Nun kann man fragen: Was ist Ursache und was ist Wirkung? Sind Menschen vielleicht auch deswegen glücklicher, weil sie gelernt haben zu danken, einen zufriedenen Blick auf das Leben zu werfen, hilfsbereit zu sein …? Sicher stimmt beides – die innere Haltung bedingt Glücksgefühle, und Glücksgefühle verändern die Einschätzungen von Lebensereignissen und Verhaltensmustern.

Aber eines wird offensichtlich: Ob wir glücklich sind oder nicht, ist keinesfalls einem blinden Schicksal überlassen, sondern wir selbst haben einen wesentlichen Anteil daran. Zu einem guten Stück kann Glück erlernt oder zumindest eingeübt werden, denn es hat immer auch mit den persönlichen Deutungen des Lebens zu tun.

Wenn das so ist, dann ist ein Schlüssel zum Glück, die eigenen inneren Haltungen und Denkmuster zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu verändern. Denn wer glücklich ist oder weiß, was er dazu beitragen kann, kommt insgesamt einfach besser mit dem Leben zurecht.

Glücksfalle »Wenn – dann«

Eine der typischen Glücksfallen kommt aus dem Denkmuster »Wenn – dann«: Jetzt bin ich noch nicht glücklich. Erst wenn sich meine Lebensumstände verändern, werde ich glücklich sein können.

• Wenn ich endlich reich bin, dann bin ich glücklich.

• Wenn ich endlich den Traumpartner fürs Leben gefunden habe, dann werde ich glücklich sein.

• Wenn ich so schlank wäre wie …, dann wäre mein Glück vollkommen.

• Wenn mein Mann sich ändern würde, dann wäre mein Glück perfekt.

• Wenn meine Kinder gut erzogen sind, dann hätte ich endlich Glück.

• Wenn ich mal in einem eigenen Haus lebe, dann bin ich glücklich.

Fausto Massimi und sein Team an der Universität Mailand haben zahlreiche Personen interviewt, die von Schicksalsschlägen heimgesucht wurden, beispielsweise Menschen, die querschnittsgelähmt oder blind wurden. Anders als man es vermuten könnte, sind viele dieser Personen ein oder zwei Jahre nach dem tragischen Unglücksfall mehr als zuvor imstande, ihr Leben zu genießen. Umgekehrt deuten Forschungen über Lotteriegewinner darauf hin, dass sich das Glück nicht steigert, wenn man plötzlich ein Vermögen erwirbt. Nicht was jemandem widerfährt, sondern was er aus seinem Leben macht, bestimmt die Lebensqualität.4

Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kam ein amerikanisches Forschungsteam5, das sowohl Lottogewinner als auch Menschen nach einer Querschnittslähmung auf ihre Lebenszufriedenheit hin befragte.

Würde man uns vor die Wahl zwischen Lottogewinn und Querschnittslähmung stellen, wäre unsere Antwort sicher sofort klar. Wohl jeder und jede würde sich für den Lottogewinn entscheiden. In unserer Vorstellung wäre der Lottogewinner deutlich glücklicher als der Querschnittsgelähmte. Interessanterweise stimmt aber das Ergebnis der Befragung nicht mit dieser Erwartung überein.

In der ersten Zeit danach ist natürlich der Lottogewinner glücklich und der Querschnittsgelähmte unglücklich. Aber nach einer gewissen Zeit sind die unerwartet Reichen nicht zufriedener, und die Rollstuhlfahrer haben sich mit ihrer neuen Situation arrangiert.

Spätere Untersuchungen, bei denen mehrere hundert Patienten interviewt wurden, brachten dasselbe Ergebnis. Das Fazit der amerikanischen Forscher lautete: »Wer vorher mit seinem Leben einverstanden war, ist es jetzt auch. Und die Nörgler bleiben Nörgler.«6

Weder die Veränderung des finanziellen Niveaus noch der Gesundheit oder Schönheit, der klimatischen Verhältnisse oder der Bildung wirkt sich wesentlich auf den Glückslevel aus, auf dem Menschen leben.

Lothar Zenetti brachte es mit einer treffenden Beobachtung gut auf den Punkt: »Ich traf einen jungen Mann, kerngesund, modisch gekleidet, Sportwagen, und fragte beiläufig, wie er sich fühle. Was für ’ne Frage, sagte er, beschissen! Ich fragte, ein wenig verlegen, eine schwerbehinderte ältere Frau in ihrem Rollstuhl, wie es ihr gehe. Gut, sagte sie, es geht mir gut. Da sieht man wieder, dachte ich bei mir, immer hat man mit den falschen Leuten Mitleid7

Glück hängt selten von den äußeren Bedingungen ab.

Erfüllte Wünsche sind keine Glücksgarantie. Denn jedes erfüllte Bedürfnis, also jedes erfüllte »Wenn«, zieht sofort neue Wünsche und Bedürfnisse nach sich. Menschen stellen oft nach Erreichen eines bestimmten Zieles oder Wunsches fest, dass sie dadurch nicht glücklicher geworden sind. Vielleicht träumt jemand in seinem stressigen Beruf von einem Leben ohne Arbeit und Strapazen, von langen Spaziergängen oder stundenlanger Lektüre, um dann im Ruhestand festzustellen, dass ihm eine feste Zeitstruktur, Erwartungen und Anerkennung anderer für sein Glück fehlen. Oder anders ausgedrückt: »Die Dinge, die man unbedingt haben will, sind nicht dieselben, die man auf lange Sicht gerne hat.«8

Was Menschen wirklich befriedigt oder glücklich macht, ist häufig völlig unabhängig von den äußeren Bedingungen. Alexander Solschenizyn schreibt in seinem Roman »Archipel Gulag« von seiner Zeit im russischen Arbeitslager: »Manchmal in einer Schlange gebeugter Gefangener unter den Rufen der Wachen mit ihren Maschinengewehren, spürte ich einen solchen Ansturm von Rhythmen und Bildern, dass ich über ihnen zu schweben schien. In solchen Momenten war ich zugleich frei und glücklich. Für mich gab es keinen Stacheldraht. Beim Appell stimmte zwar die Zahl, aber ich war weit fort auf einem fernen Flug. Ich war glücklich.«9 An dieser Beschreibung wird deutlich, dass Gefühle und Gedanken und darum auch das Glück nicht von optimalen Rahmenbedingungen abhängig sind.

»Menschen, die Konzentrationslager überlebten oder fast tödliche Gefahren überstanden, erinnern sich häufig, dass sie mitten in ihrem Leiden ungewöhnlich intensive Freude bei einem schlichten Ereignis erlebten, wie beim Singen eines Vogels im Wald, der Lösung einer schweren Aufgabe oder wenn sie eine Brotkruste mit ihrem Freund teilten.«10

Der Apostel Paulus hat seinen Brief über die Freude, den Philipperbrief, im Gefängnis geschrieben, also unter schwierigen und menschenunwürdigen Umständen. Das Glück im Leben hängt bei Weitem nicht nur von den äußeren Umständen ab. Menschen, die alles haben, können todunglücklich sein. Menschen können unter schwierigsten Lebensbedingungen glücklicher sein als manch andere, denen es äußerlich besser geht.

Manche Menschen suchen ihr Glück
wie sie einen Hut suchen,
den sie auf dem Kopf tragen.

Nikolaus Lenau

Woran liegt es, dass wir immer wieder in diese Falle des »Wenn – dann« tappen? Es liegt zum einen an unserer Vorstellungskraft: Wir stellen uns die Zukunft anders vor, als sie wirklich sein wird. Wir malen sie uns rosiger oder besser aus. Wir beamen sozusagen unsere Sehnsüchte in die nahende Zukunft. Zum anderen liegt es an den sogenannten Rückschaufehlern: Wir beschönigen im Rückblick die Vergangenheit. Wir vergessen Negatives schneller als Positives. Darum nährt sich unsere Vorstellung für die Zukunft auch an den geschönten Erlebnissen der Vergangenheit.

Die Haltung »Wenn – dann« hindert uns daran, wirklich in der Gegenwart zu leben, denn dann hängen wir in Gedanken entweder in der Zukunft, in der alles besser sein soll, oder in der Vergangenheit, in der alles schöner war, fest.11 Die Fixierung auf später oder früher, das Sehnen nach einem besseren Leben in ferner Zukunft oder in zurückliegenden Zeiten, verhindert unser Glück.

Glücklich sind darum am ehesten die, die für besondere Momente im Leben offenbleiben. Glück kommt eben oft ganz unerwartet. Es stellt sich am ehesten ein, wenn ich aus einer tiefen Gelassenheit heraus leben kann, wenn ich vertrauen und mich Gott überlassen kann. Dann kehrt Frieden ein, Zu-frieden-werden mit dem Leben, den Lebensumständen. Auch Friede über dem, was jetzt gerade schwierig ist. Glück heißt nicht, dass alles immer gut ist, sondern dass ich lerne, auch mit widrigen Lebensumständen zu leben.

Man könnte es auch so sagen: Dein Glück ist da, wo du bist. Nicht dort, wo du irgendwann vielleicht oder hoffentlich mal sein wirst, ist vielleicht Glück, sondern da, wo du bist. Im Hier und Heute entdecken, wo das Glück verborgen ist. Nicht in fernen Zielen, sondern in den kleinen und großen Momenten der Gegenwart. Jetzt – heute – hier, vielleicht sogar mitten im Leid.

Das Glück ist ein Mosaikbild,
das aus lauter unscheinbaren
kleinen Freuden zusammengesetzt ist.

Daniel Spitzer

GLÜCKSPILZ ODER PECHVOGEL?

Fahrrad

Pechvogel?

Im Hier und Heute entdecken, wo das Glück verborgen ist. Wie geht das? Und wie funktioniert es nicht? Es gibt Menschen, die verbieten sich das Glück. Sie leben mit der inneren Haltung: Ich darf gar nicht glücklich sein. Es steht mir nicht zu. Doch damit verbauen sie sich ihr Glück.

Solche Menschen deuten jedes Ereignis gegen sich, sehen sich immer als Opfer oder als Pechvogel. Max Frisch erzählt von einem Menschen, der sich selbst für einen Pechvogel hielt: »Die Erfindung, ein Pechvogel zu sein, ist eine der beliebtesten, denn sie ist bequem. Kaum ein Tag verging für diesen Mann, ohne dass er Grund hatte, zu klagen, keine Woche, kaum ein Tag … und in der Tat, es stieß ihm immer etwas zu, was den anderen erspart bleibt.«12 Doch dann passiert das Unglaubliche: Er gewinnt im Lotto. Der Mann aber »konnte es nicht fassen, dass er kein Pechvogel sei, wollte es nicht fassen und war so verwirrt, dass er, als er von der Bank kam, tatsächlich seine Brieftasche verlor«. Max Frisch resümiert: »Und ich glaube, es war ihm lieber so … andernfalls hätte er ja ein anderes Ich erfinden müssen, der Gute, er könnte sich nicht mehr als Pechvogel sehen. Ein anderes Ich, das ist kostspieliger als der Verlust einer vollen Brieftasche, versteht sich, er müsste die ganze Geschichte seines Lebens aufgeben, alle Vorkommnisse noch einmal erleben, und zwar anders, da sie nicht mehr zu seinem Ich passen.«13

Wie ich mein Leben deute – auch die schweren Schicksalsschläge –, hängt ganz entschieden mit davon ab, ob ich darin Glück erleben kann oder nicht. Wenn ich mich immer als Opfer sehe, alles negativ definiere, dann habe ich Mühe, für die kleinen und großen Dinge dankbar zu sein.

Denke nicht so oft an das, was dir fehlt,
sondern an das, was du hast.

Marc Aurel

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