Ein Freund aus Jugendtagen

Die Bahnfahrt habe ich hinter mir, nun noch das Taxi, gleich werde ich bei meinem Freund sein, meinem ältesten Freund, mit dem ich schon im vorletzten Kriegsjahr 1944 in Berlin im Luftschutzkeller hockte und ums eigene Leben bangte. Gleich werde ich ihm gratulieren – achtzig Jahre ist er gestern geworden, eine kleine Feier in der engsten Familie gab es schon, »Eigentlich ist kaum noch jemand da von früher«, sagte er mir am Telefon.

Jetzt geht die Tür auf, und er steht vor mir: »Ein bisschen geschafft von gestern bin ich schon, Familie ist immer anstrengend, aber komm’ rein.« Dann ließ er sich in den Sessel fallen. Ich musste an einen Chefarzt in Baden-Baden denken, den ich vor Jahren einmal fragte: »Was ist die wichtigste Erkenntnis Ihres Lebens als Arzt nach vier Jahrzehnten Praxis, wenn Sie an Ihre Patienten denken?« »Ab achtzig wird es schwierig«, so lautete seine Antwort, nur fünf Worte, aber das Fazit eines langen Arztlebens, man muss es nicht kommentieren.

Auch mein bester Freund, in meiner Erinnerung immer vital, munter, lebensneugierig, war jetzt erkennbar und unweigerlich im Land des Alters angekommen – körperlich fühle er sich hin und wieder schon ein bisschen schwach, »die Treppe macht mir Probleme«, auch ein Nickerchen am Mittag, das er bis vor einem halben Jahr strikt abgelehnt habe, sei bei ihm jetzt Standard: »Ja, mein erster Gedanke beim Aufstehen morgens ist immer: Wie freue ich mich auf meinen Mittagsschlaf.«

Dann könne er mir ja mal verraten, ob es überhaupt Tröstliches zu berichten gibt, wenn man diese Schwelle der achtzig überschritten hat, vor der sich so viele Menschen fürchten. Und natürlich spürte mein Freund auch meine eigene Angst vor diesem Älterwerden, und so sagte er erst einmal, vermutlich um mich nicht zu ängstigen: »Achtzig? Achtzig hat etwas Königliches. Du hast es geschafft. Du hast viele Stürme überlebt, viele Klippen umschifft, viele Krisen gemeistert. Du siehst noch die Sonne, die Wolken, die Rosen, die Kinder, du siehst alles noch. Vor allem: Du bist noch am Leben. Das ist nicht selbstverständlich, das macht man sich leider im Alltagstrubel überhaupt nicht so richtig klar.«

»Und nun die Nachteile, bitte!« Mein Freund zögerte. »Soll ich wirklich alles sagen?« – »Nein, nur das Wichtigste, das, was ich nicht falsch machen darf, was ich vermeiden muss, ich möchte ja von dir lernen.«

»Das Wichtigste nach meiner Erfahrung ist, dass du in diesem stolzen Alter, vielleicht ohne es selbst zu merken, in eine Einsamkeit hineinrutschst, die du auf keinen Fall willst, die dir auch wehtut. Aber du denkst, ich möchte niemandem auf den Wecker fallen, ich will mich niemals irgendwo aufdrängen. Du fragst dich, wer will heute in Zeiten des Jugendwahns von dir noch etwas wissen? Du hast schon den Telefonhörer in der Hand, willst einen jüngeren Freund aus alten Tagen anrufen, aber dann lässt du es sein. Du denkst, ich will nicht stören, der Freund hat zu tun, er fährt beruflich immer noch volle Pulle. Und Ratschläge wollen die jungen Leute auch immer seltener hören. Für mich auch kein Wunder: Wenn ich sehe, wie dramatisch die Arbeitswelt sich verändert – wie soll man da noch mit den alten Rezepten punkten können?«

»Handelt es sich da um Vermutungen, oder hast du Erfahrungen gemacht, die diese pessimistische Einschätzung bestätigen?«

»Das hat mit Pessimismus nichts zu tun, das ist die Realität, mein Freund«, sagte nun mein Freund und lachte. Es war ein etwas müdes Lachen, ein Lachen, das traurig klingt. Er hätte – beispielsweise zu Weihnachten, wie alle Jahre wieder, Grußkarten verschickt – keine vorgestanzten Texte, nein, er hätte für jeden ein persönliches Wort gefunden. Und dann hätte er Mitte Januar nachgesehen, von wem er einen Weihnachtsgruß erhalten habe und wer ihm geantwortet hätte, und siehe da: »Acht Freunde oder Bekannte haben mir gar nicht auf meinen Gruß geantwortet. Das haut dich um. Das ist, als ob die Leitung nach draußen gekappt ist. Und das ist natürlich eine Erfahrung, die dich vorsichtig macht: Halt dich in Zukunft zurück, erkenne, dass du nicht mehr im Spiel bist, eine bittere Medizin, aber du musst sie schlucken. Sonst verzweifelst du.«

Stunden später, ich sitze in der Bahn, es geht heimwärts. Ich lasse das Gespräch mit meinem ältesten Freund noch einmal Revue passieren, denke an den Chefarzt mit seinem Statement »Ab achtzig wird es schwierig« – und beschließe, niemandem mehr auf den Wecker zu fallen, wenn ich dieses Datum erreicht habe, aber auch immer offen zu bleiben für alle Signale der Zuneigung und Freundschaft, die mich noch erreichen. Eine Gratwanderung – mit Absturzgefahr: Aber was hat man nicht alles schon erlebt und gemeistert, es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn man sich jetzt aus der Kurve schleudern lässt.

Materialien und Gedanken für eine Rede über das Älterwerden

Vielleicht beginne ich meinen Redetext mit diesen wundervollen Zeilen, die der argentinische Dichter Jorge Luis Borges geschrieben hat, der berühmt wurde durch seine melancholischen Reflexionen. Es sind Zeilen, die Sehnsucht aufkommen lassen nach all dem, was wir im Geschwindigkeitsrausch des eigenen Lebens versäumten:

»Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, im nächsten Leben würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen. Ich würde nicht so perfekt sein wollen. Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich gewesen bin. Ich würde mehr riskieren, würde mehr reisen, mehr Sonnenuntergänge betrachten, mehr auf die Berge steigen, mehr in Flüssen schwimmen. Ich war einer dieser klugen Menschen, die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten. Freilich hatte ich auch Momente der Freude, aber wenn ich noch einmal anfangen könnte, würde ich versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben. Falls du es noch nicht weißt, aus diesen besteht nämlich das Leben; nur aus Augenblicken: Vergiss nicht den jetzigen! Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich von Frühlingsbeginn an bis in den Spätherbst barfuß gehen. Und ich würde mehr mit Kindern spielen, wenn ich das Leben noch vor mir hätte.«

Zu der hinlänglich bekannten These, dass früher alles besser war: Ein Reporter fragt eine Hundertjährige, worauf sie ihr hohes Alter zurückführe? Ihre bescheidene Antwort: »In erster Linie auf die Tatsache, dass ich heute vor hundert Jahren geboren wurde.«

Ein älteres Ehepaar saß in der Veranda seines Hauses. »Ich genehmige mir jetzt ein Schälchen Eiskrem«, sagte der Mann. »Möchtest du auch eines?«

»Ich möchte nur einen Löffel voll mit etwas Schokosirup drauf. Schreib dir das besser auf. Du weißt, wie vergesslich du bist.«

»Das brauche ich nicht. Ich merke mir das schon. Einen Löffel mit Schokosirup.«

»Ja. Und streu ein paar Nüsse drüber. Kannst du das behalten?«

»Natürlich.«

»Und oben drauf noch eine Kirsche. Vergisst du auch nichts?«

»Ich merke es mir schon, Martha! Keine Sorge!«

Die folgenden zehn Minuten hörte sie ihn in der Küche rumoren. Als er endlich wiederkam, trug er zwei Teller voll Rührei mit Speck.

»Na bitte, was hab ich dir gesagt?«, meinte sie entnervt. »Du wolltest dir nichts aufschreiben, und jetzt hast du den Toast vergessen!«

Diese kleine Story schickte mir ein Verwandter und fügte hinzu: »Sagt uns Bescheid, wenn es in unserer Ehe auch so weit ist.«

Bin ich arrogant, wenn ich bei den neumodischen »Events« (mit zu vielen Neureichen) denke: Das Publikum war früher besser? – Wahrscheinlich war es immer so. Theodor Fontane schrieb schon vor über hundert Jahren: »Früher fing die Menschheit beim Baron an, jetzt bei dem, der Champagner bestellt.«

Ich überblättere Todesanzeigen nicht mehr, seit dort oft höchst nachdenkenswerte Zitate stehen – wie dieses: »Uns bleibt nur der sehr schmale und manchmal kaum noch zu findende Weg, jeden Tag zu nehmen, als wäre er der letzte, und doch in Glauben und Verantwortung so zu leben, als gäbe es noch eine große Zukunft.«

Ein junger Freund, um die vierzig, ruft nach langer Zeit einmal wieder an, will nur hören, wie es mir geht, einfach nur so, ganz ohne Grund und Anlass. Ich erzähle von meinem Alltag, den Reisen – bis ich dann den vorwurfsvollen Satz höre, der den Zauber zerstörte, den sein unverhoffter Anruf gerade entfalten wollte: »Du hättest mich ja auch mal anrufen können.« – Als mein Freund dann aufgelegt hatte, fühlte ich mich ertappt: Ja, was ist eigentlich der Grund, warum Menschen, je älter sie werden, sich von sich aus immer seltener zu Wort melden? Ich glaube, sie wollen jüngeren Menschen, die noch voll im Geschirr sind, nicht auf den Wecker fallen. Ihnen nicht Zeit stehlen. Sie befürchten, den Ton zu verfehlen, den die Jugend erwartet. Und sie haben, wenn es ganz schlimm kommt, Angst, dass man ihnen gar aus Mitleid Gehör schenkt.

Nachsaison auf Ibiza. Ich beobachte einen Strom von Senioren, der sich durch die Straßen ergießt. Ganze Heerscharen sind unterwegs, immer mit dem Spruch auf den Lippen: »Wer weiß, wie lange wir das noch können.« Ob sie alle ihren Goethe gelesen haben, kann ich nicht beurteilen. Aber die Senioren befolgen reiselustig, manche sogar verbissen reisewütig, seinen Rat:

»Viel zu spät begreifen viele, die versäumten Lebensziele: Drum Mensch, sei beizeiten weise, höchste Zeit ist’s: reise, reise!«

Ein Hypochonder fragt den Arzt: »Wie alt, glauben Sie, kann ich werden?« – Der Arzt fragt zurück: »Rauchen Sie?« – »Nein.« – »Trinken Sie?!« – »Nein.« – »Frauen?« – »Auch nicht, niemals.«

Darauf der Doktor: »Dann frage ich mich: Warum wollen Sie überhaupt alt werden?«

Erster Gedanke, als ich mein neues Passfoto aus einem Automaten ziehe: Hoffentlich werde ich so alt, wie ich darauf ausschaue.

Geht es Ihnen auch so, dass Sie ein Stück Ihres Lebens auf einen bestimmten Tag ausrichten? Auf den nächsten Ersten, auf Ihren Geburtstag, auf den ersten Ferientag – und dass Sie von diesem Tag die Veränderung erwarten, die Ihnen noch nicht möglich erscheint, weil Sie heute noch zu angespannt sind – oder zu abgespannt?

Wenn ich erst mal achtzehn bin, dann wird alles anders – wie oft habe ich bei jungen Leuten diese Verheißung gehört. Und dann kommt dieser Tag – und es wird so viel nicht passieren, vor allem nichts Wesentliches, weil das Wesentliche sich nicht an den Kalender hält. Das Schicksal hat seinen eigenen Fahrplan.

Was ich in vielen Gesprächen herausgefunden habe, ist dies: Es entwickelt sich ein seltsam gespanntes Verhältnis des überforderten Menschen zur dahinrasenden Zeit.

Sogar die jungen Leute müssen ein schärferes Tempo vorlegen: Ein Achtzehnjähriger gehört nicht nur in mancher Diskothek schon zum alten Eisen. Die verschwenderische Fülle an Zeit, die früher die Jugend auf dem Konto hatte, ist entwertet wie so vieles. Mit achtzehn kann man schon »out« sein. Heute muss man immer sofort alle Freuden und Vorteile genießen, so anstrengend das auch sein mag.

Meine Tochter, beispielsweise, hat heute Geburtstag. Ein herrlicher Tag – doch auch sie ist schon alt genug, zu wissen, dass sie diesen Tag nie wiederholen kann. In jedem Tag, wichtig oder unwichtig, steckt etwas von diesem Abschiednehmen. Es wird uns Erdenkindern wirklich nichts geschenkt!

Wann überschreiten wir die Grenze zum Alter?

Irgendwann gehen wir über die Grenze. Wir wissen nicht, wann es geschieht. Vielleicht betreten wir auch zuerst ein Niemandsland, in dem wir noch ein bisschen hin und her schwanken in dem trügerischen Gefühl, eigentlich noch ganz jung zu sein.

Aber irgendwann werden wir dann doch unerbittlich über diese Grenze in das weite unbekannte Land gestoßen, das Alter heißt. Es kann eine schwere Grippe sein, ein Todesfall, irgendein Schicksalsschlag.

Und wenn wir diese Hürde überwunden haben und uns wieder einfädeln in den Strom des Lebens, kommt plötzlich der Augenblick, in dem wir erkennen müssen: Auf die Überholspur kommen wir nun nicht mehr rüber.

Wann er sich denn entschieden habe, alt zu sein, wurde kurz vor seinem Tod Marcello Mastroianni gefragt, der sich als weltbekannter Schauspieler und Frauenheld sehr schwer mit dem Gefühl tat, von dieser Lebensbühne eines Tages einfach so verschwinden zu müssen. »Jede Verlängerung des Lebens würde mich trösten«, bekannte er, schon über siebzig, als er schon im Niemandsland angelangt war.

Ob man alt sei, entscheide man nicht. Das komme von außen, vom Himmel, von irgendwoher – sei dann aber mit aller Macht da und irgendetwas habe sich von diesem Moment an verändert.

»Als ob ein Rädchen im Getriebe nicht mehr richtig funktioniert«, sagte der Schauspieler. »Vielleicht ist es nur eine Falte am Mund, eine Falte auf der Stirn.«

Verständlich, dass einer aus der Gilde der Schauspieler, die sich manchmal selbstironisch auch gerne »Gesichtsverleiher« nennen, zuerst an die äußere Wirkung denkt.

Aber dann, welch ein Trost, kriegt Marcello doch noch die Kurve zu seiner schönsten Rolle als Frauenbetörer: »Vielleicht ist plötzlich auch der Blick anders, mit dem man jetzt den Frauen folgt: milder, weniger aggressiv.« Ja, er sei nun in einem Alter, »in dem die Frauen dich in den Schlaf wiegen wollen und tatsächlich schläfst du auch glücklich ein«.

Und wo ist der Punkt, an dem er die Grenze zum Alter überschritt, raus aus dem Niemandsland, wo man sich noch etwas in die Tasche mogelt von wegen ewige Jugend? Vielleicht war es wirklich der Moment, an den er sich genau erinnert, als seine Tochter ihn an die Hand nahm, weil der Vater eine stark befahrene Straße überqueren musste.

Wenn eine Entwicklung innerlich vorbereitet ist – und das Älterwerden macht keine Ausnahme –, dann nimmt sie eines Tages unweigerlich ihren Lauf, unter Umständen dramatisch mit den schon erwähnten Schicksalsschlägen. Doch manchmal kommt sie auch maskiert daher, in kleinen Schritten, in absichtslosen Gesten, die hilfreiche Hand der Tochter oder auch die eines Fremden am Straßenrand kann es sein.

Als mich gestern jemand sieben Jahre jünger schätzte und ich sofort drei Jahre davon abrechnete, weil ich seine freundlichen Worte ganz simpel für ein liebenswürdiges, aber übertriebenes Kompliment hielt, da blieben immer noch vier Jahre übrig, die ich nach seiner Meinung jünger ausschaue, als ich bin.

Und was soll ich sagen: Es gefiel mir! Es ist zwar kindisch, aber es gefiel mir. Warum will man eigentlich nicht zu seinem Alter stehen, warum ergibt man sich dem grassierenden Jugendwahn?

Die ausgleichende Gerechtigkeit, die in unser Leben auf wunderbare Weise eingebaut ist, schenkt den Alten angeblich, was es nur jenseits des Niemandslandes gibt: die Weisheit des Alters.

Ich wünsche mir, dass mich diese Weisheit rechtzeitig erreicht: damit ich mit ihr mein Alter besser meistern kann. Ich fürchte nämlich nach allem, was ich darüber gelesen habe: Man hat diese Weisheit an dem Tag, da man über die Grenze geht, wirklich bitter nötig.

Ein Gespräch, herrlicher als alles Gold

Abendeinladung in eine Villa in München. Kleines Essen, Nachbarn, Freunde, Bekannte, zwölf Personen. Eine Gastgeberin, die an alles gedacht hat, auch bei der Tischordnung, damit es bei den Gesprächen »funkt«. Nach fünf Stunden Aufbruch. »Es war so interessant mit Ihnen«, sagte die Dame des Hauses. Da muss mich der Teufel geritten haben, denn ich antwortete – zugegeben schnippisch: »Vielen Dank, gnädige Frau, aber ich habe den ganzen Abend keine vier zusammenhängende Sätze sagen können.« – »Oh«, flötete sie nun, »hoffentlich haben Sie wenigstens viel Neues erfahren, ihr Journalisten seid ja immer scharf auf Neues.«

Auf dem Nachhauseweg wurde mir klar: Der Fehler lag bei mir. Ich hatte mir vom Abend zumindest ein gutes Gespräch erhofft, aber es gab nur Dauerredner mit Oberflächengeplapper. »Warum lag in Kitzbühel diesmal so wenig Schnee?« – »Nur St. Moritz, mein Lieber, ist noch sicher.« – »Unglaublich, dieser Lanz mit seiner Talkshow, lässt Gäste nicht ausreden.« – »Was regen Sie sich auf, die Talkmaster sind heute längst keine Meister des Gespräches mehr, sie sind nicht mal Dompteure in den Quasselrunden.« So ging das über Stunden: blablabla …

Es kann, Gott sei Dank, auch anders gehen. Ich denke zurück an ein Gartenfest, über hundert Gäste, Lampions an den Bäumen, überall Sitzecken, überall Lachen und Tanz auf der Terrasse. Ich stand vor einer jungen Frau, der Gastgeberin, die in den roten Abendhimmel schaute: »Wie wünschte ich mir, dass mein Vater das noch hätte miterleben können, wie ich hier einen solchen Abend feiern kann.« Und wir sprachen, umgeben vom Trubel, über die Sehnsucht, die sich öffnet nach dem Tod eines geliebten Menschen: »Ach, könnte man die Zeit noch einmal zurückdrehen und nachholen, wofür man all die Jahre glaubte, keine Zeit zu haben!« Wir philosophierten vielleicht zwanzig Minuten über die magische Beziehung Tochter/Vater … und keiner der vielen Menschen um uns herum störte uns.

Alle spürten: Hier fand keine Unterhaltung statt, hier gab es gerade ein Gespräch, ein richtig gutes Gespräch. Eines von der Art, die Goethe in seinem »Märchen« beschrieben hat, in dem er fragte: »Was ist herrlicher als Gold?« – und antwortete: »Das Licht« – »Und was ist erquicklicher als Licht?«, fragte Goethe weiter und gab auch gleich die Antwort: »Das Gespräch.«