Juliette Benzoni

Marianne

Ein Stern für Napoleon

Roman

Aus dem Französischen von Egon Strohm

LangenMüller

Die französische Originalausgabe erschien 1970 unter dem Titel Marianne – Une Étoile pour Napoléon bei Opera Mundi.


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© für das eBook: 2017 LangenMüller in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

© für die deutsche Ausgabe: 2009 Edition Tosca in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH

© für die Originalausgabe © 1970 by Opera Mundi

Übersetzung: Egon Strohm

Covergestaltung: Atelier Seidel – Verlagsgrafik, Teising

Titelmotiv: © Thinkstockphoto

eBook-Produktion: F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

ISBN 978-3-7844-8299-6

1793
Ein einsames Herz

Ellis Selton stocherte mit der Spitze ihres Stocks in den schlecht brennenden Scheiten. Alsbald schoss eine lange Flamme empor, leckte am Holz entlang, wand sich wie eine blitzschnelle Viper und sprang in die schwarzen Höhen des Kamins hinauf. Mit einem Seufzer lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück. An diesem Abend hasste sie die ganze Welt und sich selbst noch mehr als das ganze Universum. So war es immer, wenn die Last der Einsamkeit ihr unerträglich wurde.

Draußen beugten heulende Windstöße die Wipfel der großen Bäume im Park, wirbelten um das Schloss und fauchten und stöhnten in den Kaminen. Der Sturm weckte alle die alten Stimmen des Herrschaftssitzes. Sie schienen aus dem Grunde der Zeiten heraufzusteigen zu dieser alten Jungfer, die allein die Familie Selton verkörperte. Es gab keine Männer mehr, um das adlige Erbe anzutreten, keine arroganten, lustigen Burschen mit kräftigen Stimmen und rüstigen Lenden, denen eine solche Bürde so gut wie nichts bedeutet hätte. Es gab nur noch Ellis mit ihren achtunddreißig Jahren und ihrem schlimmen Bein, Ellis, die Hinkende, zu der noch nie jemand von Liebe gesprochen hatte. Gewiss, sie hätte sich ohne Weiteres verheiraten können, aber diejenigen, die ihr Vermögen und das prunkvolle Selton Hall angelockt hatten, flößten ihr zu viel Verachtung ein, als dass sie sich jemals darein gefügt hätte, sich dem Gesetz eines von ihnen zu unterwerfen. Aus Verachtung und Geringschätzung war sie die Einsiedlerin im grauen Gewand geworden, eingesponnen in ihren Stolz und in ihre Erinnerungen ...

Einen Augenblick ließ das Heulen des Windes nach. Aus den Tiefen des Parks klang das gedämpfte Läuten einer Glocke. Der große Hund, der, die Schnauze auf den Pfoten, zu Füßen der alten Jungfer schlief, öffnete ein Auge. Sein Blick kreuzte den seiner Herrin; er knurrte matt.

»Artig!«, murmelte Ellis und legte dem Tier die Hand auf den Kopf. »Es kann nur ein verspäteter Diener oder ein Pächter sein, der den alten Jim sprechen will.«

Während sie versuchte, den Faden ihrer Grübeleien wieder aufzunehmen, kraulte sie das seidenweiche Schädelhaar des Hundes, der sich jedoch weigerte, wieder einzuschlafen. Mit gerecktem Hals horchte er, als könnte er instinkthaft den Gang eines Besuchers durch den sturmgepeitschten Park verfolgen. Schließlich erregte sein Verhalten die Aufmerksamkeit seiner Herrin.

»Sollte es doch ein Besucher sein? Wer könnte zu dieser Stunde noch kommen?«

Der geräuschlose Eintritt des Haushofmeisters Parry einige Augenblicke später sollte die Erklärung liefern. Gewöhnlich das Urbild ausgeglichener Würde, schien der Diener diesmal verstört.

»Da ist ein Mann, Mylady, ein Reisender, der Mylady unbedingt sprechen möchte.«

»Wer ist es? Was will er? Sie scheinen sich nicht recht wohl in Ihrer Haut zu fühlen, Parry.«

»Weil es sich um einen ungewöhnlichen Besucher handelt, Mylady, um eine Art Leute, die wir selten hier empfangen. Er hat nachdrücklich darauf bestehen müssen, bevor ich einwilligte, Mylady zu stören, und ...«

»Zur Sache, Parry, zur Sache!«, rief Ellis, ihren Stock ungeduldig auf den Boden stoßend. »Wenn Sie sich weiterhin in Umschweife verlieren, werde ich nie erfahren, um was es sich handelt. Und da Sie schon einwilligten, mich zu stören, möchte ich wenigstens wissen, warum!«

Der Haushofmeister rang sichtlich um Fassung, dann öffnete er seine schmalen Lippen und äußerte mit unverhohlener Verachtung: »Es ist ein Franzose, Mylady, ein katholischer Priester! ... Und er trägt ein Baby im Arm!«

»Was? ... Sind Sie übergeschnappt, Parry?«

Ellis war aufgestanden. Ihr Gesicht war so grau geworden wie ihr Kleid, und unter ihren dichten rötlichen Brauen blitzten ihre blauen Augen vor Entrüstung.

»Ein Priester? Mit einem Kind? Zweifellos irgendein von der Polizei verfolgter Flüchtling, der das Ergebnis eines Fehltritts zu verbergen sucht! Und noch dazu ein Franzose! ... Einer dieser Elenden, die ihren Adel abschlachten und ihren Herrscher guillotinieren! Und Sie glauben, dass ich so etwas empfangen werde?«

Als überzeugte Protestantin liebte Ellis Selton die Katholiken nicht und empfand ihren Priestern gegenüber eine Art Misstrauen und Grausen. Während sie sprach, hatte ihre zorngeladene Stimme die von der Erziehung gezogenen Grenzen des Friedfertigen verlassen und sich zu schrillen, durchdringenden Tönen gesteigert. Sie war im Begriff, Parry anzuweisen, den Eindringling davonzujagen, als die Tür der Bibliothek, die der Haushofmeister nur angelehnt hatte, sich von Neuem öffnete, um einen kleinen, schwarz gekleideten Mann einzulassen, der etwas in den Armen trug.

»Ich denke doch, dass Sie ›so etwas‹ empfangen werden«, sagte er mit sanfter Stimme. »Man verweigert nicht, was Gott einem schickt ...«

Der Ankömmling war schlank, fast zerbrechlich. Bartstoppeln und Schmutzspuren auf den Wangen trugen dem nicht gerade einnehmenden, unauffälligen Gesicht etwas Beunruhigendes zu. Die leicht aufgestülpte Nase verlieh ihm einen unerwarteten schalkhaften Akzent, der angesichts der offensichtlichen Notlage ihres Besitzers aber eher tragisch wirkte. Vor Hässlichkeit und Gewöhnlichkeit bewahrten den Unbekannten jedoch schöne, leuchtende graue Augen, die, zugleich offenherzig und tief, seiner intelligenten Physiognomie einen gewissen Charme mitteilten. Trotz ihres Zorns bemerkte Lady Selton auch die Feinheit seiner Hände und seine schmalen Füße, untrügliche Zeichen von Rasse. Doch genügte das nicht, um ihren Unmut zu besänftigen. Ihr eben noch blasses Gesicht wurde sehr rot.

»Soso«, sagte sie spöttisch, »Gott schickt Sie also? Mein Kompliment, guter Mann, Ihnen fehlt es nicht an Dreistigkeit! Parry, rufen Sie Ihre Leute und lassen Sie diesen Abgesandten des Herrn hinauswerfen ... mitsamt dem Bastard, den er unter seinem Mantel verbirgt!«

Sie erwartete, den Unbekannten damit einzuschüchtern, aber nichts dergleichen. Ohne sich von der Stelle zu rühren, schüttelte der kleine Mann nur den Kopf, und seine schönen, ernsten Augen maßen die zornige alte Jungfer.

»Lassen Sie mich hinauswerfen, wenn es Ihnen beliebt, Mylady, aber«, sagte er, den Mantel vor dem offensichtlich schlafenden Kind auf seinem Arm zurückschlagend, »nehmen Sie wenigstens an, was Gott Ihnen schickt. Denn wenn ich mich auf Ihn bezog, so meinte ich nicht mich, sondern das hier ...«

»Ihre Schützlinge interessieren mich nicht. Ich habe meine eigenen Armen!«

Der Unbekannte ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Mit einer Art Feierlichkeit in der Stimme fuhr er fort: »Das hier, das sich Marianne Elisabeth d’Asselnat nennt ... ist Ihre Nichte!«

Ellis Selton war wie vom Donner gerührt. Der Stock, auf den sie sich stützte, fiel polternd zu Boden, aber sie tat nichts, ihn aufzuheben. Während er sprach, hatte der kleine Mann den weiten, regendurchweichten und sehr abgetragenen Mantel, dessen Schwarz durch die Einflüsse der Witterung schon grünlich geworden war, völlig abgeworfen und war auf den Kamin zugetreten. Der Widerschein des Kaminfeuers erhellte das Gesicht eines etwa einjährigen Kindes, das in den Falten einer schlechten Decke in tiefem Schlaf lag.

Ellis öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber es kam kein Ton heraus. Ihr bestürzter Blick glitt von dem schlafenden Kind zu dem Gesicht des Unbekannten, um schließlich bei Parry haften zu bleiben, der ihr respektvoll den Stock reichte. Sie ergriff ihn, als sei er ihre letzte Rettung, packte ihn krampfhaft, sodass ihre Knöchel weiß wurden.

»Lassen Sie uns allein, Parry!«, murmelte sie mit seltsam dunkler, heiserer Stimme.

Als sich die Tür hinter dem Haushofmeister geschlossen hatte, fragte Lady Selton: »Wer sind Sie?«

»Ich bin ein Vetter des Marquis d’Asselnat ... und außerdem der Pate Mariannes. Ich heiße Gauthier de Chazay, Abbé Gauthier de Chazay«, präzisierte er, übrigens ohne die leiseste Herausforderung.

»Wenn es so ist, entschuldigen Sie diesen Empfang. Das konnte ich nicht wissen. Aber«, fügte sie lebhaft hinzu, »Sie haben gesagt, dieses Kind sei meine Nichte ...«

»Marianne ist die Tochter Ihrer Schwester Anne Selton und ihres Gatten, des Marquis Pierre d’Asselnat. Und wenn ich, Mylady, gekommen bin, um Hilfe und Schutz für sie von Ihnen zu erbitten, so deshalb, weil sie nichts mehr auf Erden hat als Ihre Liebe ... und die meine!«

Langsam, doch ohne den Priester aus ihrem Blick zu lassen, wich Ellis zurück, bis ihre zitternde Hand die Lehne ihres Sessels fand, auf den sie sich schwer fallen ließ.

»Was ist geschehen? Wo ist meine Schwester ... mein Schwager? Da Sie mir ihr Kind bringen, müssen sie ...«

Sie wagte nicht fortzufahren, aber ihrer angsterfüllten Stimme entnahm der Abbé, dass sie bereits richtig vermutet hatte. Seine grauen Augen füllten sich mit Tränen und hefteten sich mit unendlichem Mitleid auf die alte Jungfer. In ihrem grauen Seidenkleid und der absurden weißen Haube mit grünen Bändern, die dichtes feuerrotes Haar krönte, bot sie ein ebenso bizarres wie imposantes Bild. Unwillkürlich zog sie ihr verkrüppeltes Bein unter den Sitz zurück. Ein Sturz vom Pferd vor fünf Jahren hatte bewirkt, dass sie ohne Hoffnung auf Heilung hinkte. Der Abbé besaß genügend Menschenkenntnis, um die schmerzliche, stolze Vereinsamung dieser Frau zu erraten. Es bereitete ihm großen Kummer, ihr Unglück noch vergrößern zu müssen.

»Verzeihen Sie mir«, murmelte er, »dass ich Ihnen eine Hiobsbotschaft überbringen muss. Vor einem Monat, wie Sie ohne Zweifel wissen, ist Königin Marie-Antoinette auf das Schafott gestiegen, das bereits vom Blut ihres königlichen Gemahls befleckt war, trotz der Bemühungen einer Gruppe von Getreuen, die unter Führung des Barons de Batz versuchten, sie im letzten Augenblick vor diesem Los zu bewahren. Der Plan schlug fehl ... Zwei Tage später bezahlten einige von ihnen ihre Treue für die königliche Sache mit dem Leben. Darunter auch der Marquis d’Asselnat.«

»Und meine Schwester?«

»Sie wollte ihrem Gemahl in den Tod folgen und hat sich mit ihm verhaften lassen. Das Leben ohne Pierre bedeutete ihr nichts mehr. Sie kennen die tiefe, leidenschaftliche Liebe, die beide verband. Sie sind zum Schafott geschritten, wie sie einst zum Altar in der Kapelle von Versailles geschritten sind, Hand in Hand ... lächelnd!«

Ein Schluchzen schnitt ihm das Wort ab. Tränen rannen über Ellis’ Gesicht, die sie nicht zu verbergen suchte. Sie schienen ihr ganz natürlich. Es war lange her, dass sie, ohne sich dessen bewusst zu sein, darauf gefasst war, sie vergießen zu müssen. Genau genommen seit dem Tag, an dem Anne, ihre junge, blendend schöne Schwester, sich in einen gut aussehenden französischen Diplomaten verliebt, seitdem sie sich, um ihm zu folgen, von ihrem Land, ihrer Religion und von allem, was ihr bis zum Auftauchen Pierre d’Asselnats teuer gewesen war, losgesagt hatte. Anne hätte in England Herzogin sein können, doch sie hatte sich entschieden, Marquise in Frankreich zu werden, und damit ihrer fünfzehn Jahre älteren Schwester, die nach dem Tode ihrer Mutter Mutterstelle an ihr vertreten hatte, das Herz gebrochen. An jenem Tag hatte Ellis unter dem Eindruck gestanden, dass ihre kleine Anne einem tragischen Schicksal entgegenging, ohne genau zu wissen, woher ihr diese Vorahnung kam. Und das, was der Abbé de Chazay ihr eben mitgeteilt hatte, war im Grunde nur die Bestätigung ihres Albtraums ...

Von ihrem stillen Schmerz bewegt, stand der kleine schwarze Mann vor ihr, das Kindchen mit mechanischen Bewegungen in den Armen wiegend. Doch jäh richtete Ellis sich auf, streckte ihre zitternden Hände begierig dem Kind entgegen, nahm es ganz sachte in die Arme, barg es an ihrer flachen Brust und blickte forschend und in einer Art Furcht auf das winzige, von braunen Löckchen umrahmte Gesicht hinunter. Behutsam und ängstlich streifte sie mit einem Finger über die geballten Fäustchen. Ihre Tränen versiegten, und ein Anflug von Zärtlichkeit trat auf ihre unschönen Züge.

Mit nachgebenden Beinen, plötzlich übermannt vom Gewicht der Ermüdung, die sich in den letzten Wochen angesammelt hatte, ließ sich der Abbé in einen Sessel sinken und sah, wie bei der letzten Selton der Mutterinstinkt durchbrach. Von den Flammen des Kamins beleuchtet, bot das lange, von rotem Haar gerahmte Gesicht ein unbeschreibliches Bild von Liebe und Schmerz in einem.

»Wem ähnelt sie?«, murmelte Ellis. »Anne war doch so blond, und dieses Kind hat dunkles Haar.«

»Sie kommt nach ihrem Vater, aber ihre Augen sind bestimmt die ihrer Mutter. Sie werden es sehen, sobald sie aufwacht ...«

Als hätte sie nur auf diese Erlaubnis gewartet, schlug Marianne beide Augen auf, grün wie Schösslinge, und sah ihre Tante an. Doch gleich runzelte sich das Näschen, der kleine Mund verzog sich schmerzlich, und das Kind fing an zu schreien. Überrascht zuckte Ellis zusammen und hätte es beinahe fallen lassen. Sie warf dem Abbé einen panisch erschrockenen Blick zu.

»Mein Gott! Was hat sie denn? Ist sie krank? Habe ich ihr wehgetan?«

Gauthier de Chazay lächelte gutmütig und entblößte dabei seine kräftigen weißen Zähne.

»Ich glaube, sie hat einfach Hunger. Seit heute Morgen hat sie nichts zu sich genommen als ein wenig Wasser aus einem Brunnen.«

»Und Sie bestimmt auch nicht! Was fällt mir nur ein? Da bin ich, hänge meinem Kummer nach, während Sie vor Hunger und Erschöpfung sterben, der kleine Engel da und Sie ...«

Und einen Augenblick später hallte es im Schloss von Rufen und Lärm wider. Diener eilten herbei. Einer erhielt Befehl, eine gewisse Mrs. Jenkins zu holen, die anderen wurden angewiesen, sofort ein anständiges Souper, heißen Tee und alten Whisky zu servieren. Und Parry wurde schließlich aufgetragen, für den Gast aus Frankreich ein Zimmer herrichten zu lassen. Alles wurde mit erstaunlicher Schnelligkeit ausgeführt. Parry verschwand, die Diener brachten einen überreich mit Speisen gedeckten Tisch herein, und Mrs. Jenkins erschien auf der Bildfläche, mit der Feierlichkeit, die ihre Funktion als housekeeper, ihre füllige Gestalt und ihr reifes Alter geboten. Doch ihre ganze Majestät schmolz dahin wie Butter in der Sonne, als Lady Selton ihr das Kind in die Arme legte.

»Da, gute Jenkins ... das ist alles, was uns von Lady Anne noch bleibt. Diese verfluchten Blutsäufer haben sie umgebracht, weil sie versuchte, die unglückliche Königin zu retten. Wir müssen die Kleine in unsere Obhut nehmen, denn sie hat nur noch uns ... und ich habe nur noch sie!«

Als alle wieder verschwunden waren, drehte sie sich um, und der Abbé de Chazay sah, dass ihr von Neuem Tränen über die Wangen rannen.

Doch sie nahm sich zusammen, lächelte ihm zu und deutete auf den Tisch: »Setzen Sie sich und essen Sie ... und dann erzählen Sie mir alles.«

Lange sprach der Abbé, berichtete von seiner Flucht aus Paris mit dem Kind, das er in dem von den Jakobinern verwüsteten Stadtpalais der d’Asselnats verlassen aufgefunden hatte. Unterdes begab es sich in einem großen, mit blauem Samt ausgeschlagenen Zimmer im ersten Stock des Schlosses, dass Marianne, gewaschen und mit heißer Milch wohlgesättigt, friedlich wieder einschlief, von der alten Jenkins in den Schlaf gewiegt. Von Zärtlichkeit überfließend, schaukelte die würdige Dame sanft das zerbrechliche kleine, liebevoll in Batist und Spitzen gekleidete Geschöpf, die einst seiner Mutter gehört hatten. Dazu sang sie ihm eine alte Ballade vor, die sie aus ihrem Gedächtnis wieder ausgegraben hatte:

O mistress mine, where are you roaming ...

O mistress mine, where are you roaming.

O stay and hear your true love’s coming,

That can sing both high and low ...

Galt dieses alte Liedchen, das Shakespeare gereimt hatte, dem flüchtigen Schatten Anne Seltons oder dem Kind, das im Herzen des englischen Landes Zuflucht gefunden hatte? Mrs. Jenkins standen Tränen in den Augen, während sie es trällerte und auf das Kindchen hinunterlächelte.

Und so zog Marianne d’Asselnat in den alten Besitz ihrer Väter ein und fasste Fuß auf dem Boden Alt-Englands, um dort ihre Kindheit zu verleben ...

1809
Die Braut von Selton Hall

1

Die Hand des Priesters zeichnete weit ausladend den himmlischen Segen in die Luft, während er die rituellen Worte sprach und die Köpfe sich senkten. Marianne wurde sich bewusst, dass sie verheiratet war. Eine in ihrer Heftigkeit fast wilde Anwandlung von Freude überwältigte sie, verbunden mit einem Gefühl absoluter Unabwendbarkeit. Von dieser Minute an hörte sie auf, sich selbst zu gehören, um eins zu sein in Leib und Seele mit dem Mann, den man ihr ausgewählt, auferlegt hatte, den sie sich aber um nichts in der Welt anders gewünscht hätte. Im gleichen Augenblick, als er sich zum ersten Mal vor ihr verneigt hatte, hatte Marianne gewusst, dass sie ihn liebte. Und seitdem war sie mit der Leidenschaft, die sie in alles legte, was sie tat, mit der ganzen Glut einer ersten Liebe in ihm aufgegangen.

Ihre mit einem neuen Ring geschmückte Hand zitterte in der von Francis. Sie sah ihn groß und verwundert an.

»Auf immer!«, murmelte sie. »Bis dass der Tod uns scheidet ...«

Er lächelte ihr mit der leicht herablassenden Nachsicht eines Erwachsenen für die übertriebenen Äußerungen eines Kindes zu, drückte leise die zarten Finger, ließ sie dann los und half Marianne, sich wieder zu setzen. Die Messe begann ...

Besonnen lauschte die Neuvermählte den ersten Worten, dann entwich ihr Geist dem vertrauten Ritual und kehrte unwiderstehlich zu Francis zurück. Ihr Blick glitt verstohlen unter der Wolke der sie umrieselnden Spitzen hervor und streifte bewundernd das makellose Profil ihres Gatten. Mit seinen dreißig Jahren war Francis Cranmere ein prächtiges Exemplar der Gattung Mensch. Hochgewachsen, besaß er eine aristokratisch-lässige Grazie, die ohne die Kraft eines sportgestählten Körpers etwas Feminines gehabt hätte. Auch die eigensinnige Stirn und das auf der hochgeschlungenen Musselinkrawatte ruhende kräftige Kinn schränkten die allzu große Schönheit der reinen, edlen, jedoch in einem Ausdruck unerschütterlicher Langeweile erstarrten Züge ein. Die aus den Spitzenmanschetten ragenden, sehr weißen Hände waren eines Kardinals würdig, aber der in einen wie angegossen sitzenden dunkelblauen Frack gezwängte Oberkörper war der eines Ringkämpfers. Alles war widersprüchlich an Lord Cranmere: Kopf eines Engels und Körper eines Freibeuters. Aber das Ganze hatte einen gewissen Charme, dem sich sehr wenige Frauen entziehen konnten. Für Marianne und ihre siebzehn Jahre stellte er jedenfalls die reine Vollkommenheit dar.

Sie schloss einen Augenblick die Augen, um ihr Glück noch besser genießen zu können. Als sie sie wieder öffnete, blieb ihr Blick an dem mit spät blühenden Blumen, Herbstlaub und brennenden Kerzen geschmückten Altar hängen. Man hatte ihn im großen Salon von Selton Hall aufgebaut, weil es in der Umgebung meilenweit keine katholische Kapelle gab – und noch viel weniger katholische Priester. Das England König Georgs III. durchlief damals eine jener heftigen antipapistischen Krisen, die in ihm an der Tagesordnung waren, und es hatte der ausdrücklichen Protektion des Prinzen von Wales bedurft, dass diese Heirat einer Katholikin und eines Protestanten unter doppeltem Trauungszeremoniell überhaupt stattfinden konnte. Eine Stunde zuvor hatte ein Pastor das Paar getraut, und jetzt las der Abbé Gauthier de Chazay die Messe kraft besonderer Genehmigung. Keine menschliche Macht hätte es ihm verbieten können, die Hochzeit seines Patenkindes zu segnen.

Eine seltsame Hochzeit übrigens, ohne Pomp und anderen Schmuck als diese paar Blumen, die paar Lichter, einzige Zugeständnisse an die Feierlichkeit des Tages. Um den ungewöhnlichen Altar entfaltete sich das vertraute, unwandelbare Dekor: die hohe, in Weiß und Gold gehaltene, sechseckig kassettierte Decke, purpurweiße genuesische Samttapeten, schwere Möbel aus dem 17. Jahrhundert, üppig und vergoldet, schließlich die großen Gemälde mit den pompösen Gestalten der verblichenen Seltons. All dies verlieh dem Trauungszeremoniell einen unwirklichen, außerhalb der Zeit liegenden Charakter, den das Hochzeitskleid der Braut noch unterstrich.

Diese Toilette hatte Mariannes Mutter in Versailles vor König Ludwig XVI. und Königin Marie-Antoinette am Tage ihrer Hochzeit mit Pierre-Louis d’Asselnat, Marquis de Villefranche, getragen. Es war eine prachtvolle, von Rosen und Spitzen überschäumende Galarobe aus weißem Seidenatlas über einem ausladenden Rock aus silber-durchwobenem Leinen, der durch Reifen und eine Anzahl kleinerer Unterröcke aufgebauscht wurde. Das tiefe, viereckige Dekolleté entblößte die jugendliche Brust zwischen dem erbarmungslos festgeschnürten Mieder und einem mehrreihigen Perlenkollier, während von der gepuderten und mit Brillanten durchsetzten hohen Perücke ein Spitzenschleier wie ein Kometenschweif herabfloss: eine prunkende, anachronistische Robe, die Anne Selton einst ihrer Schwester Ellis zur Erinnerung geschickt hatte und die seitdem ehrfurchtsvoll aufbewahrt worden war.

Als Marianne noch klein gewesen war, hatte Tante Ellis ihr sehr oft dieses Kleid gezeigt. Sie hatte immer Mühe gehabt, ihre Tränen zurückzuhalten, wenn sie es aus seiner Truhe aus westindischem Holz herausnahm, aber sie liebte es, das niedliche Gesichtchen des Kindes aufleuchten zu sehen.

»Eines Tages«, sagte sie zu ihm, »wirst auch du dieses schöne Kleid tragen. Und an diesem Tag wirst du glücklich sein. Jawohl, bei Gott, du wirst glücklich sein!«, versicherte sie und stieß ihren Stock auf den Boden, als forderte sie das Schicksal auf, ihr zu gehorchen. Und tatsächlich war Marianne glücklich.

Die Stockstöße, mit denen Ellis Selton ihre Willenskundgebungen begleitet hatte, hallten nur noch in der Erinnerung ihrer Nichte wider. Seit einer Woche ruhte sie nun in dem tempelartigen Mausoleum in der Tiefe des Parks, in dem ihre Vorfahren schliefen. Und diese Heirat war die Frucht ihres ausdrücklichen Letzten Willens, ihres Testaments, dem man sich nicht versagt.

Seit jenem Herbstabend, an dem ein erschöpfter Mann ihr ein noch nicht einjähriges, vor Hunger weinendes Kind in die Arme gelegt hatte, hatte Ellis Selton einen Sinn in ihrem einsamen Leben entdeckt. Ohne Mühe hatte sich die hochmütige, selbstherrliche und aufbrausende alte Jungfer zu einer bewundernswerten Mutter des Waisenkindes gewandelt, manchmal von heftigen Zärtlichkeitsanwandlungen überwältigt, die sie mitten in der Nacht weckten, keuchend und in Schweiß gebadet bei dem bloßen Gedanken an die Gefahren, denen das kleine Ding einst ausgesetzt gewesen war.

Dann stand sie auf, unfähig, den Impuls zu unterdrücken, der sie aus dem Bett trieb, nahm ihren Stock und eilte mit nackten Sohlen und auf dem Rücken pendelnden roten Zöpfen in das neben ihrem Gemach liegende große Zimmer, in dem Marianne schlief. Lange blieb sie neben dem Bettchen stehen und betrachtete das Kindchen, das ihr einziger Lebensinhalt geworden war. Wenn ihre aus einem Albtraum geborene Sorge schließlich beschwichtigt war und ihr Herz seinen normalen Schlag wiedergefunden hatte, suchte Ellis Selton von Neuem ihr Lager auf, nicht um zu schlafen, sondern um Gott, dem Herrn, unendlich dafür zu danken, dass er einer alten Jungfer dieses Wunder geschenkt hatte: ein Kind für sie allein ...

Die Geschichte ihrer Rettung kannte Marianne auswendig; ihre Tante hatte sie ihr hundert Mal erzählt. Ellis Selton war eine leidenschaftliche Protestantin mit fest verankerten religiösen Grundsätzen, aber sie konnte Mut anerkennen und schätzen. Die Großtat des Abbés de Chazay hatte ihm die Achtung der Engländerin eingetragen.

»Das ist ein Mann, dieser kleine papistische Pfarrer!«, rief sie jedes Mal am Schluss ihrer Erzählung aus. »Ich selbst hätte es nicht besser machen können!«

Ihre Aktivität war tatsächlich unbändig, ihre Energie nicht zu brechen. Pferde waren ihr ein und alles, und vor ihrem Unfall hatte sie den größten Teil ihrer Zeit im Sattel verbracht und den riesigen Gutsbesitz unermüdlich von einem Ende zum andern durchmessen, alles mit ihren blauen Augen prüfend, denen so leicht kein Detail entging.

Auch Marianne war, sobald sie sich allein durchs Haus zu bewegen vermochte, auf ein Pony gesetzt und an kaltes Wasser im Waschzuber bei der Morgentoilette wie im Fluss gewöhnt worden, in dem sie schwimmen gelernt hatte. Im Winter kaum wärmer angezogen als im Sommer, bei jedem Wetter mit unbedecktem Kopf im Freien, achtjährig ihren ersten Fuchs jagend, hatte sie eine Erziehung erhalten, die jedem Jungen Ehre gemacht hätte, die aber für ein Mädchen, und besonders für ein Mädchen ihrer Zeit, ziemlich ungewöhnlich war. Der alte Oberstallknecht Dobs hatte sie sogar im Umgang mit Waffen unterwiesen. Mit fünfzehn Jahren zog Marianne den Degen wie der heilige Georg und traf ein As auf zwanzig Schritt Entfernung ...

Die geistige Erziehung wurde dabei jedoch keineswegs vernachlässigt. Sie sprach mehrere Sprachen; sie hatte Privatlehrer für Geschichte, Geografie, Literatur, Musik und Tanz gehabt, besonders aber den Gesang gepflegt, denn die Natur hatte sie mit einer Stimme von warmem, reinem Timbre ausgestattet, die nicht ihr geringster Charme war. Kultivierter als die Mehrzahl ihrer Zeitgenossinnen, war Marianne der Stolz ihrer Tante geworden, trotz einer bedauerlichen Neigung für Romane, die sie verschlang, wo immer sie ihrer habhaft werden konnte.

»Sie könnte sich ohne Weiteres auf jeden Thron setzen!«, pflegte die alte Jungfer gern zu sagen, ihre Worte mit einem kräftigen Stoß ihres Stocks auf den Boden betonend. »Throne sind noch nie sehr bequeme Sitze gewesen«, entgegnete der Abbé, üblicherweise Vertrauter der glorreichen Träume Ellis Seltons, »aber seit einiger Zeit sind sie vollkommen unhaltbar geworden!«

Sein Verhältnis zu Ellis Selton war stets alles andere als friedlich und beständig gewesen. Nachdem es nun ein Ende gefunden hatte, konnte sich Marianne ihrer streitbaren Gemeinsamkeit nur mit leicht belustigter Sehnsucht erinnern. Von ganzer Seele Protestantin, betrachtete Lady Selton die Katholiken mit unüberwindlichem Misstrauen und ihre Priester mit einer Art abergläubischen Schauers. Voller Grauen über die Taten der Inquisition, machte sie die Priester dafür verantwortlich und fand, sie hätten immer einen leichten Ruch von brennenden Reisigbündeln an sich. Die Rededuelle zwischen ihr und dem Abbé Gauthier waren hitzig und endlos, jeder suchte den anderen zu überzeugen, natürlich ohne die geringste Hoffnung auf Erfolg. Sie schwang die grüne Fahne Torquemadas, und Gauthier wetterte gegen die Scheiterhaufen Heinrichs VIII., die Rasereien des Fanatikers John Knox, erinnerte an das Martyrium der Katholikin Maria Stuart und lief gegen die anglikanische Zitadelle Sturm. Gewöhnlich endete der Kampf in beiderseitiger Erschöpfung. Lady Ellis ließ Tee bringen, dazu zu Ehren des Gastes eine Karaffe alten Whisky, und wenn so der Friede wiederhergestellt war, boten sich die alten Streithähne auf friedlichere Weise die Stirn: Spielkarten in der Hand, zu beiden Seiten der kunstvoll eingelegten Holzarbeit eines Puffspieltischs, jeder mit sich selbst und mit dem anderen höchst zufrieden, mit wiederhergestellter, wenn nicht gar gesteigerter Achtung füreinander. Und das Kind kehrte mit dem Gefühl zu seinen Spielen zurück, dass alles aufs Beste in der besten aller Welten bestellt sei, da die, die es liebte, sich in schönster Übereinstimmung befanden.

Trotz der Anschauungen ihrer Tante war Marianne im Glauben ihres Vaters erzogen worden. Um die Wahrheit zu sagen, hatten die Stunden religiöser Unterweisung – wie das, was das kleine Mädchen die »Religionskriege« nannte – nicht allzu oft stattgefunden. Der Abbé Gauthier de Chazay trat in Selton Hall immer nur kurz und dann auch nur in großen Abständen in Erscheinung. Man wusste nicht genau, womit er seine Zeit verbrachte, eines aber war sicher: Er reiste oft nach Deutschland, Polen und bis nach Russland, wo er sich lange aufhielt. Gelegentlich tauchte er auch in den verschiedenen Residenzen des Grafen der Provence auf, der seit 1795 und dem Tod des Dauphins im Temple König Ludwig XVIII. war. Er hatte in Verona geweilt, in Mitau, in Schweden. Von Zeit zu Zeit setzte er seinen Fuß auf englischen Boden, dann verschwand er wieder, immer in Eile, immer geheimnisvoll, ohne je zu sagen, wohin er aufbrach. Und niemand stellte ihm je diesbezügliche Fragen.

Die Unterbringung des dicken Herrschers ohne Königreich in Hartwell House im vergangenen Frühjahr schien den Abbé augenblicklich in England festzuhalten. Er hatte seither nur eine kurze Reise gemacht. Wie nicht anders zu erwarten, gab sein Kommen und Gehen Marianne und ihrer Tante zu denken. Die Letztere rief ziemlich häufig aus: »Ich wäre gar nicht überrascht, wenn sich der kleine Priester als Geheimagent von Rom entpuppte!«

Es war jedoch der Abbé, den sie in ihrer Sterbestunde zu sich rufen ließ; sie gab ihm den Vorzug vor dem Pastor Harris, den sie aus tiefster Seele verabscheute und einen »verdammten, aufgeblasenen Idioten« nannte. Eine schlimme Grippe, die von der Kranken gewohnheitsmäßig mit der größten Verachtung behandelt worden war, hatte sie innerhalb einer Woche an die Schwelle des Todes geführt. Sie hatte diesen Tod, ohne mit der Wimper zu zucken, herannahen sehen, mit Ruhe und klarem Verstand, nur bedauernd, dass er so früh eintrat.

»Ich hätte noch so viel zu erledigen!«, seufzte sie. »Auf jeden Fall ist es abgemacht, dass meine kleine Marianne acht Tage nach meiner Beerdigung heiraten wird!«

»So früh schon? Aber ich bin doch da, um mich um sie zu kümmern«, wandte der Abbé ein.

»Sie? Mein armer Freund! Da könnte man sie genauso gut einem Luftzug anvertrauen! Sie verschwinden eines schönen Tages wieder auf eine Ihrer geheimnisvollen Reisen, und das Kind bleibt allein. Nein, sie ist verlobt, trauen Sie sie! Ich habe gesagt: acht Tage! Versprechen Sie es mir?«

Der Abbé Gauthier versprach es. Und daher hatte er, getreu seinem Wort, an diesem regnerischen Novemberabend des Jahres 1809 Marianne d’Asselnat Francis Cranmere angetraut.

Vor dem Altar in einem mit goldenen Lilien bestickten Messgewand aus weißer Seide stehend, Leihgabe des Schlosskaplans Ludwigs XVIII., Alexandre de Talleyrand-Périgords, waltete der Abbé Gauthier de Chazay feierlich seines Amtes. Seine kleine, schlanke, zierliche Gestalt gewann in den priesterlichen Gewändern eine Art Hoheit, die die Erhabenheit der langsamen Gesten noch betonte. Obwohl schon fünfundvierzig, waren ihm seine Jahre nicht anzusehen, und er bewahrte eine energische, jugendliche Haltung. Lediglich die weißen Strähnen, die sein dichtes schwarzes Haar um die Tonsur herum durchzogen, verrieten die verstrichene Zeit. Doch diese Zeichen der Zeit betrachtete Marianne mit Zärtlichkeit, denn sie vermutete dunkel, dass sie das Ergebnis schwerer Jahre und mühevoller Arbeit im Dienste anderer waren. Was sie über ihn wusste und was sie ahnte, ließ Marianne ihn sehr lieben, und ihr augenblickliches Glück war ein wenig durch die Tatsache getrübt, dass ihr teurer Pate es nicht zu teilen schien. Sie wusste, dass er diese Heirat mit einem englischen Protestanten nicht guthieß, dass er einen der jungen Emigranten aus der Umgebung des Herzogs de Berry für sie vorgezogen hätte und sich nur dem Letzten Willen der Toten fügte. Doch abgesehen davon hatte sie auch den Eindruck, dass Francis Cranmere als Mann dem Abbé de Chazay nicht gefiel: Der Priester verrichtete hier eine heilige Pflicht, aber er verrichtete sie ohne Freude ...

Als die Zeremonie beendet war, stieg er zu dem Paar hinunter, und Marianne lächelte ihm aufmunternd zu, wie um ihn einzuladen, an ihrem Glück teilzunehmen und die unnütze Sorgenfalte zwischen seinen Brauen zu glätten. Ihr Blick schien zu sagen: »Ich bin glücklich, und ich weiß, dass Sie mich lieben. Warum sind Sie nicht auch glücklich?« Und in dieser stummen Frage war etwas wie Bangigkeit. Er war alles, was ihr noch blieb, nun, da Tante Ellis nicht mehr lebte. Sie hätte sich seine vorbehaltlose Zustimmung zu ihrer Liebe gewünscht.

Aber die Stirn des Abbés glättete sich nicht. Er betrachtete die Neuvermählten mit nachdenklicher Miene, und Marianne hätte schwören können, dass in seinen Augen eine seltsame Mischung von Mitleid, Zorn und Besorgnis lag. Schweigen breitete sich aus und wurde schnell so drückend, dass Gauthier de Chazay sich dessen bewusst wurde. Sein schmaler Mund deutete ein unfrohes Lächeln an. Er ergriff die Hand der jungen Frau.

»Ich wünsche dir Glück, mein Kind, soweit es auf dieser Welt erlaubt ist, glücklich zu sein, ohne sich an Gott zu versündigen. Er allein weiß, wann wir uns wiedersehen werden!«

»Sie reisen ab?«, fragte sie, sofort beunruhigt. »Aber Sie haben mir nichts davon gesagt!«

»Ich fürchtete, die Aufregung in diesem Hause noch zu vergrößern und deine Freude, wenn auch nur leicht, zu trüben. Ja! Ich fahre nach Rom, wohin der Heilige Vater mich ruft. Du bist jetzt in den Händen deines Gatten ... Ich hoffe, dass sie sanft zu dir sein werden.«

Der Schluss des Satzes war an den jungen Mann gerichtet. Lord Cranmere hob den Kopf, warf sich in die Brust und blitzte den Abbé an: »Hoffentlich zweifeln Sie nicht daran, Abbé!«, entgegnete er mit einer Spur von Herausforderung in der Stimme. »Marianne ist sehr jung, sie wird sich folgsam erweisen, dessen bin ich sicher. Warum sollte sie also nicht glücklich sein?«

»Folgsamkeit ist nicht alles! Es gibt auch so etwas wie Zärtlichkeit, Duldsamkeit, Verständnis ... Liebe!«

Dumpfer, gerade noch im Zaum gehaltener Zorn schwang unmerklich in der Stimme der beiden Männer mit, und Marianne erschrak. Würden ihr Gatte und der Priester, der eben ihren Bund gesegnet hatte, sich etwa noch am Fuße des Altars streiten? Sie konnte die kaum verhüllte Feindseligkeit ihres Paten gegen den von Lady Ellis erwählten Mann nicht begreifen. Dunkel ahnte sie, dass diese Feindseligkeit nicht konfessioneller Natur war, dass sie Francis’ Person betraf. Aber warum? Was konnte der Abbé ihm vorzuwerfen haben? War Lord Cranmere nicht der verführerischste, herrlichste, schneidigste, intelligenteste und ... Immer, wenn Marianne die Liste der Superlative aufzuzählen begann, die sie ihrem Verlobten andichtete, endete es damit, dass sie sich in dem von ihr selbst beschworenen Glanz verlor. Doch sie brauchte sich zum Glück ohnehin nicht einzumischen. Der Abbé de Chazay brach das peinliche Gespräch rasch ab und begnügte sich mit einem kurzen: »Ich vertraue sie Ihnen an!«

»Seien Sie beruhigt!«, lautete die trockene Antwort.

Eilig stieg der Abbé wieder die Stufen zum Altar hinauf, ergriff den Abendmahlskelch und schritt in die improvisierte Sakristei, die man im alten Boudoir Lady Ellis’ eingerichtet hatte. Ein Boudoir, das nie zu etwas nütze gewesen war, da weder das Zimmer noch seine Benennung der Eigentümerin zugesagt hatten. Man sah da mehr Reitpeitschen und Jagdutensilien als Kissen und zierliche Sessel.

Als hätte er sich plötzlich eines Zwangs entledigt, lächelte Francis seiner Frau zu und reichte ihr, sich leicht verneigend, die Hand: »Kommen Sie, meine Liebe?«

Seite an Seite begannen sie, den großen Salon langsam zu durchschreiten. Außer einer wirren Gruppe von Domestiken, die sich verschüchtert neben der Flügeltür drängte, waren nicht viele Leute da, wie es sich für eine Hochzeit, die so schnell auf einen Trauerfall folgte, geziemte. Aber die sonstigen Anwesenden machten den Mangel an Quantität durch ihre Qualität wieder wett.

Francis’ feste Hand führte die junge Frau zum Prinzen von Wales, zu dessen Intimen Lord Cranmere zählte und der es sich nicht hatte nehmen lassen, die Eheschließung eines seiner Günstlinge mit seiner Anwesenheit und der einiger Freunde zu beehren. Während Marianne dem Prinzen ihre Reverenz erwies, wunderte sie sich, nicht tiefer beeindruckt zu sein. Der künftige König war eine stattliche Erscheinung, der man sogar eine gewisse Majestät nicht absprechen konnte, aber die Nähe der Fünfzig und ein fantastischer Appetit führten bei ihm unerbittlich zu einer immer weniger bekämpften Fettleibigkeit, während eine hitzige purpurne Färbung endgültig von seinem erhabenen Antlitz Besitz ergriffen hatte. Die edle Nase, der herrische Blick und der sinnliche Mund bewahrten die Königliche Hoheit nicht vor einer leisen Komik. Jedermann in England, sogar die unschuldige Marianne, wusste, dass der Prinz ein ausschweifendes Leben führte, dass er ganz offiziell Bigamist war, da er nacheinander seine Mätresse Mary Fitzherbert aus Neigung und wohl oder übel die Prinzessin Karoline von Braunschweig geheiratet hatte, die er von ganzer Seele hasste ...

Wie auch immer, »Georgie« warf der jungen Frau einen wohlwollenden Blick zu, lächelte und geruhte, sich trotz seiner Korpulenz leicht vorzuneigen, um ihr beim Wiederaufrichten zu helfen.

»Köstlich!«, rief er aus. »Sie sind absolut exquisit, Lady Cranmere, und wenn ich nicht schon so gut mit Ehefrauen versorgt wäre, glaube ich, beim heiligen Georg, dass ich Sie meinem Freund Francis streitig gemacht hätte! Meine besten Glückwünsche!«

»Vielen Dank, Königliche Hoheit«, stammelte Marianne, in deren Ohr noch voll Entzücken ihr neuer Name nachklang. Indessen hatte sein eigener Scherz bei dem Prinzen dröhnendes Gelächter ausgelöst, das von Francis und den drei Edelleuten rings um den königlichen Erben im Chor aufgenommen wurde. Marianne hatte die Herren schon mehrmals gesehen. Es waren die üblichen Tischgenossen des Prinzen und die alltäglichen Gefährten von Francis: Lord Moira, Mr. Orlando Bridgeman und der König der Stutzer, George Bryan Brummell, der über einer blendend weißen Krawatte ein allzu hübsches Gesicht mit anmaßender Stülpnase unter langem, sorgsam ondulierten blonden Haar zur Schau stellte. Nun erhob sich die tiefe Stimme Lord Cranmeres, um dem Prinzen für seinen Besuch zu danken und der Hoffnung Ausdruck zu geben, dass Seine Königliche Hoheit Selton Hall noch die Ehre gebe, beim Diner den Vorsitz zu führen. »Mein Gott, nein!«, erwiderte der Prinz. »Ich habe Lady Jersey versprochen, sie zu Hatchett zu begleiten, um mit ihr einen neuen Wagen auszuwählen! Das ist sehr wichtig, ein neuer Wagen, und London ist weit! Ich werde also aufbrechen müssen ...«

»Sie wollen mich verlassen? An diesem Abend?«

Marianne bemerkte erstaunt das zornige Zucken der Kiefermuskeln ihres Gatten. War er denn so enttäuscht, den königlichen Gast nicht halten zu können? Was sie betraf, so wünschte sie im Gegenteil sehnlichst, dass alle diese Leute fortgingen und sie endlich mit ihrem Herzallerliebsten allein ließen. In allen Romanen, die sie gelesen hatte, hatten die Neuvermählten nichts mehr gewünscht als den Aufbruch ihrer Gäste.

Das freundliche, aber ein wenig alberne Gelächter des Prinzen war von Neuem zu vernehmen: »Hast du etwa Angst vor dem Alleinsein an deinem Hochzeitsabend? Wahrhaftig, Francis, du hast dich mächtig verändert ... Aber beruhige dich, ich gehe nicht ganz fort. Ich lasse dir meinen besseren Teil hier. Moira und unser Amerikaner bleiben noch. Und hast du nicht auch deine schöne Kusine?«

Diesmal war es an Marianne, einen Ausdruck der Enttäuschung zu unterdrücken. Lord Moira, geckenhaft, versessen auf Eleganz und von einer Lässigkeit, die an Schläfrigkeit grenzte, ließ sie gleichgültig; aber sie hatte nur einen einzigen Blick mit dem zu tauschen brauchen, den der Prinz den Amerikaner nannte, um zu wissen, dass er ihr unsympathisch war ... ganz zu schweigen von der »schönen Kusine«, dieser Ivy mit ihren hochmütigen Allüren, die sie von vornherein als dummes Ding und Landpomeranze behandelt hatte und eine herausfordernde Familienvertraulichkeit mit Francis zur Schau trug.

Den Kopf abwendend, um ihren Ärger zu verbergen, während ihr Gatte sich im Gegenteil wieder beruhigte, kreuzte Marianne den belustigten Blick des Amerikaners. Er hielt sich einige Schritte von der prinzlichen Gruppe entfernt neben einem der Fenster. Die Hände im Rücken verschränkt, die Beine gespreizt, bequem stehend, schien er nur zufällig, gleichsam im Vorbeigehen, anwesend zu sein und hob sich stark von allen anderen Männern ab. Dieser Kontrast war der jungen Frau vor allem aufgefallen, als er ihr vorgestellt wurde, und hatte sie sofort gereizt, da die ungenierte Haltung des Fremden und seine nachlässige Kleidung wie eine Beleidigung der makellosen Eleganz der anderen wirkten. Es war nicht nur seine gebräunte, von Wind, Wetter und Sonne ausgedörrte Haut, die ihn von den wohlgenährten Engländern mit ihrem reinen rosigen Teint unangenehm unterschied. Sie waren große Herren, Latifundienbesitzer in der Mehrzahl, wohingegen er ein Seemann war, der wahrscheinlich nichts weiter besaß als sein Schiff, ein Seefahrer, ein »Pirat«, wie Marianne alsbald entschieden hatte. Und sie konnte einfach nicht verstehen, wie der Sohn des Königs von England, ein künftiger Herrscher, Vergnügen an der Gesellschaft eines Mannes finden konnte, der es wagte, in Stiefeln zu einer Hochzeit zu gehen. Trotz ihrer Abneigung hatte sie aber seinen Namen behalten. Er hieß Jason Beaufort. Francis hatte ihr in dem nachlässigen Ton, der ihm eigen war, bedeutet, dass dieser Jason aus guter Familie, aus Carolina stamme, Abkömmling französischer Hugenotten, die durch die Aufhebung des Edikts von Nantes vertrieben worden waren, aber Marianne hatte den Verdacht, dass ihr Gatte voll Nachsicht für alle war, die um den Prinzen kreisten.

»Trotz seines Aussehens ist er ein Gentleman!«

Das war das unwiderrufliche Urteil aus Francis’ schönem Mund. Marianne hatte allerdings Mühe, es gutzuheißen. Wenn sein Benehmen auch vollkommen korrekt war, witterte sie in Beauforts Persönlichkeit doch etwas Drohendes, Unbeugsames, was sie beunruhigte. Frühzeitig an die ungestümen Freuden der Jagd gewöhnt, überraschte sie sich oft dabei, dass sie die Menschen klassifizierte, indem sie sie mit den Tieren verglich, die sie liebte. Und während Francis für sie das großartigste Vollblut repräsentierte, begriff sie Jason Beaufort als einen Falken. Er hatte dessen ausgeprägtes Profil, die funkelnden Augen, die hagere, fast magere Statur, die jedoch den Eindruck gefährlicher Kraft vermittelte. Selbst die nervösen Hände, die so braun aus den weißen Musselinmanschetten herausragten, erinnerten an die Krallen des Raubvogels, und der Blick seiner hellblauen Augen hatte etwas Unerträgliches. Während der ganzen Trauungszeremonie hatte Marianne ihn auf Hals, Schultern und ihrem Gesicht gespürt, was ihr Unbehagen bereitete. Sie wollte diesem Blick nicht begegnen, weil sie trotz ihres mutigen Naturells Mühe hatte, ihm standzuhalten.

Augenblicklich sah er sie lächelnd an. Ein dünnes Lächeln, das die Lippe nur auf einer Seite hochzog und für einen Moment den Schimmer seiner sehr weißen Zähne aufblitzen ließ. Die Hand der jungen Frau krampfte sich in der ihres Gatten zusammen. Dieses freche, abschätzende Lächeln war ihr verhasst und verletzte ihr Schamgefühl, als sei dem Amerikaner die Macht verliehen, das Geheimnis ihrer Kleider zu durchdringen, ihren Jungmädchenkörper zu enthüllen. Sie bebte sogar, als sie ihn seine entspannte Pose aufgeben und mit seinem wiegenden Seemannsschritt auf sie zukommen sah. Sie tat so, als sähe sie diese einleitende Bewegung nicht, und wandte den Kopf ab.

»Dürfte ich mir gestatten, mein Kompliment und meine Glückwünsche darzubringen?«, klang hinter ihr die ruhige Stimme des Amerikaners so nahe, dass sie im Nacken die Wärme seines Atems zu spüren meinte.

Notgedrungen musste Marianne sich umdrehen, aber sie ließ Francis antworten. Seine weiße Hand ergriff die braune Jasons. Mit einer Herzlichkeit, die seine Gefährtin erstaunte, rief er aus: »Aber natürlich, Lieber! Die Wünsche eines Freundes sind von ganz besonderem Wert, und ich weiß, dass die Ihren von Herzen kommen. Sie bleiben noch, nicht wahr?«

»Mit Freuden!«

Die blauen Augen richteten sich auf Mariannes Gesicht. Ärger stieg in ihr auf, da sie das Gefühl nicht loswurde, dass er ihre Missbilligung merkte und sich darüber amüsierte. Aber er war immerhin geschmackvoll genug, nichts mehr hinzuzufügen, und begnügte sich mit einer Verneigung, während das junge Paar dem Herzog von Avaray und dem Bischof von Talleyrand-Périgord zuschritt. Ludwig XVIII. hatte es sich nämlich nicht nehmen lassen, die Hochzeit einer Emigrantin, Tochter zweier Opfer der Schreckensherrschaft, durch die Entsendung zweier Vertreter zu ehren.

Beide hielten sich abseits neben dem Kamin des Salons, abgesondert in hochmütiger Einsamkeit, als suchten sie ihre verminderte Position als Emigranten durch ihre strenge Haltung gleichsam auszugleichen. Beide mit einer Einfachheit gekleidet, die in scharfem Kontrast zu der ausgesuchten Eleganz des Prinzen von Wales und seiner Freunde stand, boten sie ein gleichermaßen imposantes und altmodisches Bild, dem Marianne in ihrer unmodernen Toilette einen höchst charmanten Kontrapunkt hinzufügte. Als die Neuvermählte den königlichen Gesandten ihre Reverenz erwies, erlag Francis für einen Augenblick der Illusion, wieder im Versailles vor fünfundzwanzig Jahren zu sein. Sein Gruß nahm unwillkürlich die Formen besonderen Respekts an. Alsbald entbot die gemessene Stimme des Herzogs von Avaray den beiden Gatten die königlichen Glückwünsche, dann fügte der alte Herr, zu Marianne gewandt, hinzu: »Ihre Königliche Hoheit, Madame la Duchesse d’Angoulême* , haben geruht, Ihnen, Mylady, einen ganz besonderen Beweis ihrer Wertschätzung darzubieten. Madame haben mich gebeten, Ihnen dies als Erinnerung an sie zu übergeben ...«

Es war ein mit Brillanten eingefasstes kleines Medaillon aus blauem Email, das eine dünne weiße Haarlocke umschloss. Und als Marianne verständnislos das merkwürdige Geschenk betrachtete, fuhr Avaray fort: »Dieses Haar ist Königin Marie-Antoinette vor ihrer Hinrichtung abgeschnitten worden. Madame wollte Ihnen etwas davon anbieten, zum Gedenken an Ihre edle Mutter, die einst ihr Leben für die Königin hingegeben hat.«

Eine Blutwelle stieg der jungen Frau ins Gesicht. Unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen, bedankte sie sich mit einer tiefen Verneigung, während Francis es übernahm, ihre Ergriffenheit zu übersetzen. Ein sonderbares Gefühl überkam sie. Die ständigen Beschwörungen der Vergangenheit an der Schwelle eines neuen Lebens, das sie sich sehnlichst voll Liebe und der Anbetung eines einzigen Mannes gewidmet wünschte, waren ihr eher peinlich als angenehm. Für Marianne war ihre Mutter nur noch ein freundliches Phantom, Abbild eines lächelnden Gesichts, das eine Elfenbeinminiatur bewahrte, aber heute war dieses Abbild so übermächtig geworden, dass es ihre eigene Persönlichkeit auszulöschen drohte. Im Augenblick war sie soweit, sich zu fragen, ob es Marianne d’Asselnat oder nicht etwa doch Anne Selton war, die soeben den schönen Francis Cranmere geheiratet hatte ...

Während er sie in die große Vorhalle zog, um den Prinzen hinauszugeleiten, murmelte Francis mit einem Blick auf die Hand, in der Marianne das Medaillon hielt: »Seltsames Geschenk für eine Neuvermählte! Hoffentlich sind Sie nicht abergläubisch?«

Sie bemühte sich, den letzten Anflug ihres kurzen Unbehagens zu vertreiben, und lächelte tapfer.

»Was von Herzen geschenkt wird, kann kein Unglück bringen. Dieses Geschenk ist sehr kostbar, Francis!«

»Wirklich? Das macht mich glücklich! Aber um Himmels willen, Marianne, legen Sie dieses kostbare Medaillon in irgendein Kästchen, und hüten Sie sich, es zu tragen. Was für eine verdammte Sucht haben doch die Franzosen, dauernd mit dem Gespenst ihrer scheußlichen Guillotine herumzufuchteln! Ich nehme an, es hilft ihnen, ihren Groll und ihre Rachsucht zu nähren ... vielleicht auch zu vergessen, dass sie nur Schemen einer untergegangenen Epoche sind und dass heute Napoleon herrscht!«

»Wie wenig Nachsicht Sie mit diesen Unglücklichen haben, zu denen auch ich gehöre, Francis! Vergessen Sie die Leiden Madames? Und für einen Engländer finde ich Ihre Erwähnung des gegenwärtigen Kaisers merkwürdig!«