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Foto: RBA

Manfred G. Valtu praktizierte nach Abitur und Jura-Studium zunächst für knapp sechs Jahre als Rechtsanwalt in Berlin. Im Oktober 1980 wechselte er in das Richteramt. Von 1981 bis 2011 war er als Strafrichter, die letzten 16 Jahre als Beisitzer und r e g e lmä ß i g e r Ve r t r e t e r d e s Vo r s i t z e n d e n e i n e r Schwurgerichtskammer des Landgerichts Berlin, tätig.

Er ist verheiratet und lebt im Norden von Berlin. Das Ehepaar hat zwei erwachsene Söhne.

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Innenhof im Kriminalgericht Berlin

Foto: Holylake-Studio-Berlin

Lieber zehn Schuldige laufen lassen als einen Unschuldigen hinter Gitter zu bringen.

Manfred G. Valtu

L.O.G.I.K.

oder

Das Verlorene Recht

Roman

© 2017 Manfred G. Valtu

Autor: Manfred G. Valtu

Umschlaggestaltung, Illustration: Holylake-Studio-Berlin (HLSB)

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Handelnde Personen

Martin VossRechtsanwalt (RA) in Berlin
Jessica Vossseine Ehefrau
VRiLG Dr. WeberVorsitzender Richter am Landgericht und Vizepräsident des Landgerichts Berlin
VRiBGH HuberVorsitzender Richter des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs
Simone Huberseine Ehefrau
OStA Rüdiger WendtOberstaatsanwalt in der KAP-Abteilung (Abteilung für Kapitalverbrechen) der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin
OStA MüllerAL/GL der KAP-Abteilung (Abteilungsleiter/Gruppenleiter)
KHK WildenbruchKriminalhauptkommissar und Leiter der 3. Mordkommission des Landeskriminalamtes (LKA) in Berlin
KHK RehbeinKriminalhauptkommissar und Leiter des Erkennungsdienstes der Kripo in Berlin
JHWM OberhauserJustizhauptwachtmeister im Kriminalgericht Berlin
Agnes WinterRechtsanwältin (RA´in) in Berlin
Lisa KrusenstiernRechtsanwältin in Lund/Schweden
Der „esecutore“Privatdetektiv in Berlin und der „Vollstrecker“
Der „trasmettitore“?
Adam AdamczykElektriker und Kleinkrimineller
Krister MagnussonEhemaliger Mandant von RA Voss
Herr MeierPrivatdetektiv in Leipzig
u.a. 

P R O L O G

Noch hatte das für den 11. Juni 2014 angekündigte Sturmtief den Norden Berlins nicht erreicht. Die Luft war schwül und heiß. Das Wasser im Swimming-Pool war von der Solaranlage auf 29 Grad erwärmt. Jessica Voss genoss mit über den Beckenrand gelegten Armen und geschlossenen Augen die von der Umwälzanlage verursachte leichte Wellenbewegung.

Plötzlich verstärkte sich die Strömung und ein ungewohntes Geräusch, ein hohes Sirren, kam aus der Richtung der Umwälzpumpe. Noch bevor Jessica Voss sich dieser Tatsache bewusst werden konnte, spürte sie einen gewaltigen Stoß am ganzen Körper. Sie schrie lauf auf, griff instinktiv nach den Seitenwangen der Badeleiter, zog sich aus dem Wasser und brach, ohnmächtig werdend, am Rand des Swimming-Pools zusammen.

Der Nachbar hatte den Schrei gehört und war, nachdem er auf sein Rufen keine Antwort erhalten hatte, auf seine an der Grundstücksgrenze stehende Hütte geklettert. Als er seine Nachbarin reglos liegen sah, rief er sofort die Feuerwehr, die nach sieben Minuten eintraf.

„Ich schwebe, ich bin leicht wie die Luft, ich kann überall hin, ich habe keine Grenzen... Da unten ist unsere Terrasse, der Swimming-Pool... Ich würde jetzt gern darin plantschen, aber ich kann nicht runter...

Ich fliege immer höher, mein Garten entfernt sich immer mehr... Aber ich sehe, dass da zwei Männer in roten Jacken auf der Terrasse hocken. Der eine beugt sich über eine Frau im Badeanzug... Ich kann erkennen, dass auf dem Rücken „Notarzt“ steht... Was machen die auf meiner Terrasse?

Au, das tut weh! Dieser ständige Druck auf meiner Brust war doch eben noch nicht da. Immer mehr drückt da etwas gegen, im Stakkato, immer schneller, immer stärker... Ich will das nicht! Es soll aufhören, ich will weiter schweben, ohne Schmerzen! Ich falle! Hilfe! Mein Herz... es schreit so laut, meine Arme, meine Beine, sie tun so weh! Ich kriege keine Luft, meine Lungen fühlen sich an, als würden sie platzen, irgend etwas wird da rein gedrückt, o Gott, alles wird aus mir raus gesaugt, bitte bitte hört auf, hört auf... auf... ich... ich... alles wird schwarz... es blitzt, ich bäume mich auf, das Wasser um mich herum wird immer heller... was passiert hier mit mir?

Was will der Mann im Monteuranzug? Er will die Sicherungen prüfen... ich soll die Sicherungen prüfen... Sicherungen prüfen... Ich spüre nichts mehr, ich muss doch noch die Sicherungen prüfen, ich versinke, endlich ist Ruhe...“

Jessica Voss wurde nach der durch den Notarzt erfolgreich durchgeführten Reanimation in das Humboldt-Krankenhaus im Berliner Bezirk Reinickendorf eingeliefert und dort sofort auf die Intensiv-Station verlegt.

§§§§§§§§ 

E R S T E R
T E I L

§§

K a p i t e l 1

D as Feld des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof war am Morgen des 13. Juni 2014 in gleißendes Sonnenlicht getaucht. Trotz der frühen Stunde und der noch mäßigen Temperatur von 10 Grad Celsius tummelten sich schon viele Skater und Spaziergänger auf dem Freizeitgelände.

Der Vizepräsident des Landgerichts Berlin, VRiLG Dr. Weber, bekam davon in dem für Publikum gesperrten Teil der unterirdischen Gänge der Flughafenanlage nichts mit. Er war spät dran. Die Sitzung der „Liga für OpferGerechtigkeit, Information und Korrektur“ ( L.O.G.I.K.) in dem Bunkersaal, der ursprünglich im Kriegsfall als eine der Leitzentralen des „Führers“ hätte dienen sollen, hatte sicherlich pünktlich um 7.45 Uhr begonnen. Jetzt war es schon fast 8.00 Uhr und diese unterirdischen Gänge schienen überhaupt kein Ende zu nehmen. „Dieser Wichtigtuer“ murmelte Dr. Weber vor sich hin. „Man fragt sich allen Ernstes, weshalb dieser Wirtschaftsheini Justizsenator geworden ist“.

Wegen einer in seinen Augen unwichtigen Verwaltungsangelegenheit war er zu 7.15 Uhr zum Senator zitiert worden, der ihn auch noch geschlagene 10 Minuten hatte warten lassen. „Wenn der wüsste, dass es hier unten viel wichtigere Entscheidungen zu treffen gibt als irgend welche Verwaltungsvereinfachungsregeln, die genau das Gegenteil dessen bewirken, als was sie im Namen tragen“, dachte Dr. Weber, grammatikalisch nicht ganz geglückt.

Er war ein nicht sehr großer, leicht dicklicher Mann mit rosiger Haut, kurz geschorenem rötlichen, an einigen Stellen leicht ergrautem Haar und weichen, feingliedrigen Händen, die offenbar kaum zu handwerklichen Tätigkeiten benutzt wurden. Seine joviale Art, Gespräche zu führen, täuschte fast jeden, der ihm zum ersten Mal begegnete, über seine Souveränität, Härte und Unversöhnlichkeit in der Sache hinweg. Erst ein Blick in seine stahlgrauen Augen, deren Lider er in Gesprächen nahezu nie bewegte, gaben eine Ahnung von der Härte, mit der er seine Positionen und Überzeugungen vertrat.

Als Vizepräsident war Dr. Weber für das in der Turmstraße 91 in Berlin-Moabit ansässige Landgericht in Strafsachen, gemeinhin als Kriminalgericht betitelt, zuständig und hatte dort auch sein sehr spartanisch eingerichtetes Dienstzimmer.

Der Präsident des Landgerichts hingegen hatte seinen Sitz im für Zivilsachen zuständigen Landgerichtsgebäude am Tegeler Weg in Berlin-Charlottenburg. Sein Dienstzimmer war traditionell überbordend, etwas plüschig, aber repräsentativ eingerichtet. PräsLG Dr. Schwabe sah seine Aufgabe im Wesentlichen im Repräsentieren. Inhaltliche, verwaltungstechnische oder personalpolitische Fragen,

Probleme und Entscheidungen delegierte er weitgehend. Den strafrechtlichen Teil seines Verantwortungsbereichs mied er fast vollständig. Als reiner „Zivilist“ wollte er damit nicht behelligt werden, er überließ dies vollständig seinem Vize. Das in Justizkreisen dem Präsidenten zugeschriebene Schlagwort lautete: „Kinder, Kinder, was ist denn bei euch in Moabit bloß wieder los!“

Wegen der ungewohnten Schnelligkeit, mit der er sich – sportlich untrainiert – fortbewegen musste, geriet Dr. Weber ins Schwitzen und musste in diesem Zustand und auch noch verspätet vor den Vorsitzenden und die Mitglieder des Bundes treten. „Peinlich“, dachte er.

Dr. Weber bog um die letzte Ecke und trat an die grifflose Stahltür heran.

Er steckte zunächst eine Chip-Karte in einen dafür vorgesehenen Slot, wie man ihn auch von Bankautomaten kennt. Dann tippte er eine 11stellige Zahlen-Buchstaben-Kombination ein. Er entnahm die Karte, steckte sie ein und wartete. Eine zeitlang geschah nichts. Dann fuhr mit einem leisen Summen eine etwa in Augenhöhe rechts neben der Stahltür befindliche Apparatur aus der Wand, die Ähnlichkeit mit einem Stereo-Zoom-Mikroskop hatte, das auf einer Computertastatur steht. Dr. Weber trat an das Gerät heran, legte seinen Kopf dagegen, so dass es aussah als blicke er durch ein Fernglas und tippte in die darunter befindliche Tastatur eine diesmal achtstellige Zahlen-Buchstaben-Kombination ein. Es erklang sodann aus einem unter der Tastatur befindlichen Lautsprecher eine Computerstimme, die ihn aufforderte, „den Satz“ zu sagen. Dr. Weber sprach darauf hin ohne besondere Betonung „die Würde des Menschen ist unantastbar“. Wie von Geisterhand glitt die Stahltür geräuschlos zur Seite und Dr. Weber betrat den Saal.

„Schön, dass Sie auch noch zu uns gefunden haben“, begrüßte ihn mit süffisantem Unterton der Vorsitzende, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof (VRiBGH) Huber. „Zumal“, fuhr er fort, „der einzige Tagesordnungspunkt Sie und die Problematik der jüngsten Akquise betrifft“. „Aber“, fuhr er begütigend fort, „ich weiß, dass Sie vom Senator wieder einmal wegen Lappalien aufgehalten wurden.“

Wie so oft fragte sich Dr. Weber, woher der Vorsitzende so genau und immer aktuell informiert war, was im Bereich des Justizsenators geschah. Zwar hatte er einen bestimmten Mitarbeiter des Senators im Verdacht, aber dieser war in den Sitzungen der Liga nie anwesend und wurde auch zu keinem Zeitpunkt namentlich erwähnt. Intern hatte diese offenbar persönliche Informationsquelle des Vorsitzenden zu Protesten vereinzelter Mitglieder geführt. Diese wurden vor die Wahl gestellt, ihre Mitgliedschaft fortzusetzen oder schlicht zu beenden. Der Richter am Landgericht Kleine, der daraufhin seinen Austritt erklärt und vollzogen hatte, war zwei Tage später in seinem Haus tot aufgefunden worden. Als Todesursache hatte der Arzt Herzversagen festgestellt. Weitere Untersuchungen hatten nicht stattgefunden. Seither wurde die Informationsquelle des Vorsitzenden nicht mehr thematisiert und Austritte hatte es auch nicht mehr gegeben.

Der Tisch, an dessen Kopfende Huber etwas erhöht saß, war etwa zehn Meter lang. Auf der von ihm aus gesehenen linken Seite nahm Dr. Weber Platz. Neben diesem saßen Vorsitzende Richter der Landgerichte Frankfurt/Oder und Koblenz, dahinter zwei beisitzende Richter der genannten Landgerichte und ein Richter des Amtsgerichts Potsdam, auf der anderen Tischseite Vorsitzende Richter der Landgerichte Hamburg, Karlsruhe und Stuttgart sowie drei Beisitzer der Landgerichte Berlin, Neuruppin und Rostock. Am anderen Kopfende des Tisches hatte der Berliner Strafverteidiger Schultz als ständiges beratendes Mitglied seinen Platz.

„Sie haben das Wort“, sagte der Vorsitzende zu Dr. Weber. Dreizehn Augenpaare richteten sich auf ihn.

„Danke, Herr Vorsitzender“, sagte Dr. Weber und erhob sich. Er nahm sein Tablet, koppelte es schnurlos mit dem auf einem Nebentisch stehenden Beamer, dimmte die Saalbeleuchtung und warf das Foto eines Mannes in Anwaltsrobe auf die dem Sitz des Vorsitzenden gegenüber stehende Leinwand. Rechtsanwalt Schultz schob sich geräuschvoll mit seinem Stuhl in eine Position, die ihm den Blick auf die Leinwand ermöglichte. „Ach der!“ rief er aus.

An weiteren Äußerungen wurde er durch ein gemeinsames „Schsch...“ gehindert.

„Wie wir alle wissen“, begann Dr. Weber, „haben wir die missliche Situation, dass wichtige Beschlüsse wegen Stimmenpatts nicht gefasst werden konnten. Der Anwaltskollege ist beratendes Mitglied ohne Stimmrecht. Der Vorsitzende leitet die Sitzungen, hat aber kein Stimmrecht. Dies zu ändern ist ebenfalls auf Grund Stimmengleichheit nicht gelungen. Es war selbstverständlich, dass gerade in diesem Punkt der Herr Vorsitzende nicht mitstimmen durfte und wollte.“

Dr. Weber machte eine Pause, sah sich am Tisch um und stellte fest, dass ihm trotz dieser allen bekannten Tatsachen die ungeteilte Aufmerksamkeit galt.

„Wir haben daher in der vorletzten Sitzung einstimmig beschlossen, unseren Kreis um ein weiteres Mitglied zu erweitern. Mit dieser Aufgabe wurde ich betraut, weil der Kreis der möglichen Kandidaten am größten Kriminalgericht Deutschlands, dessen Vizepräsident zu sein ich die Ehre habe, am größten ist.“

Wieder machte er eine Pause, um zu beobachten, ob einzelne Kollegen anderer Gerichtsbezirke ihren Groll, dass Berlin vorgezogen wurde, immer noch hegten. Bis auf ein leichtes Heben der Augenbrauen bei dem Karlsruher Kollegen war keinerlei Reaktion erkennbar.

„Uns allen – und somit auch mir – ist auf Grund des Prozesses, der zu unserer jeweiligen Bereitschaft, in unserer Liga Mitglied zu werden, gehört, klar, dass es präziser Vorbereitung und sensibler Vorgehensweise bedarf, bevor man einen Kandidaten mit den Vorhaben und Zielen unserer Gemeinschaft vertraut machen darf. Sensible Informationen und Daten, die ein Kandidat sukzessive erhält, dürfen unseren Gemeinschaftszweck, schon gar nicht die Existenz unseres Bundes gefährden. Wir alle sind intensiv darin geschult worden, die Akquise eines potentiellen neuen Mitglieds auf einem zielgenauen Weg mit bestimmten Mitteln auszuführen und – wenn ich dies in aller Bescheidenheit sagen darf – ich habe dies bereits in drei Fällen erfolgreich durchführen können.“

Dr. Weber machte erneut eine Pause, um sich zu sammeln. Denn was er jetzt zu berichten hatte, würde für ihn, aber auch für den Bund und jedes einzelne seiner Mitglieder von existentieller Bedeutung sein und sie zu Entscheidungen zwingen, die keiner von ihnen je gewollt hatte.

„Doch diesmal“, Dr. Weber holte tief Luft, „diesmal ist etwas schief gelaufen.“

Im Auditorium setzte ein leises Getuschel ein. Der Vorsitzende mahnte zur Ruhe und forderte den Redner auf, fortzufahren.

„Da mein Bericht zu Weiterungen führen könnte, die weitreichende Beschlüsse der ordentlichen Mitglieder erforderlich machen würden, beantrage ich zunächst, Herrn Rechtsanwalt Schultz für heute zu entlassen. Selbstverständlich sollte er von den dann getroffenen Entscheidungen auf dem üblichen Wege unverzüglich unterrichtet werden.“

„Sie müssen sich schon näher erklären, mein lieber Weber“ warf der Vorsitzende ein. „Den Kollegen Schultz von der Sitzung auszuschließen erfordert Details, ohne sie hat man keine Entscheidungsgrundlage. Im Übrigen ist er genauso zum Stillschweigen verpflichtet wie wir alle. Ich sehe daher in seiner Anwesenheit, zumindest für die Dauer Ihres Berichts, kein irgend geartetes Problem.“

Dr. Weber hob den Blick und fixierte den Vorsitzenden. „Vier Jahre hast du eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Berlin geleitet“, dachte er. „Kein Verfahren hast du in angemessener Zeit mit vernünftigem Ergebnis zu Ende gebracht. Dann hat man dich endlich hochgelobt zum BGH und dort schreibst du in Beschlüssen und Urteilen meinen Tatrichterkollegen vor, wie sie es richtig machen sollen. Und hier“, dachte Dr. Weber weiter, „machst du dich wichtig, statt einfach mal meiner Einschätzung zu vertrauen“.

Huber senkte unter dem eiskalten Blick Webers den Kopf und sagte „Wir hören, bitte fahren Sie fort.“

„Wie Sie wollen“, sagte Dr. Weber und begann mit leiser Stimme seinen Bericht.

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K a p i t e l 2

...und ich bitte Sie sehr herzlich, meine Damen und Herren Richter, wenn Sie jetzt in die Beratung gehen und über die gerechte Strafe für meinen Mandanten, diesen jungen Mann, der mit seiner ebenfalls noch so jungen Ehefrau aus purer Verzweiflung eine verabscheuungswürdige Tat, jedoch in von vornherein zum Scheitern verurteilter extrem dilettantischer Weise, versucht hat, befinden müssen, denken Sie auch an die Folgen für das gemeinsame erst 6 Monate alte Kleinkind der Angeklagten. Setzen Sie es nicht mit auf die Anklagebank, indem Sie eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängen! Ich bitte Sie – nein, ich fordere Sie auf: Setzen Sie die Vollstreckung der zweifellos zu verhängenden Freiheitsstrafe, die keinesfalls 2 Jahre übersteigen sollte, zur Bewährung aus. Die besonderen Umstände, die bei einer Freiheitsstrafe über einem Jahr für die Strafaussetzung festzustellen sind, habe ich bereits ausführlich in meinem Schlussvortrag dargelegt. Ich danke Ihnen.“

Martin Voss´ Versuch, in seinem Plädoyer vor der Jugendkammer des Landgerichts Berlin kräftig die Emotionen zu rühren, hatte zumindest bei seiner Mitverteidigerin, die die Ehefrau vertrat, Wirkung gezeitigt: ihr liefen echte Tränen die Wangen herunter.

Die drei Berufsrichter der Jugendkammer des Landgerichts Berlin damit zu beeindrucken hatte er jedoch wenig Hoffnung. Der Vorsitzende Richter am Landgericht Falk war – nomen est omen – als ein Falke, d.h. als ein hart urteilender Richter bekannt. Seine beiden Beisitzer, die Richter am Landgericht Le Vouleur und Makatz, standen dem kaum nach. Auch war sein Versuch, in einer Verhandlungspause die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zu überzeugen, einen möglichst milden Antrag zu stellen, gescheitert. Allerdings hatte sie bei Ihren Anträgen, die beiden Angeklagten zu jeweils 5 Jahren Freiheitsstrafe zu verurteilen, erheblich überzogen. Schließlich war letztlich gar nichts passiert, außer dass der Bankmitarbeiter einen Schrecken bekommen hatte:

Das jung verheiratete Pärchen war in finanzielle Not geraten, sah keinen Ausweg und hatte sich daher entschlossen, die Sparkassenfiliale in der Turmstraße in Moabit zu überfallen. Sie hatte das Kleinkind im Arm, sein Mandant eine Spielzeugpistole in der Jackentasche. So waren beide kurz vor der Öffnungszeit - 9.30 Uhr an der Filiale angelangt, waren drei Mal umgekehrt und als sie beim vierten Anlauf endgültig von ihrem Vorhaben hatten Abstand nehmen und sich gerade hatten wegdrehen wollen, hatte der Filialleiter die Tür geöffnet und sie herein gebeten. Mit zitternden Händen hatte sein Mandant die Pistole gezogen und Geld verlangt, während sie aus dem Babybauchbeutel eine Plastiktüte hervorgezogen hatte.

Der Filialleiter, der die Pistole als Spielzeug erkannt und beide darauf hingewiesen hatte, dass in dieser Filiale kein Bargeld gelagert sei, hatte gleichzeitig auf seinem Smartphone die mit dem Alarm der Bank verbundene Ziffer gedrückt. Daraufhin hatte Voss` Mandant die Pistole fallen lassen, seine Frau an die Hand genommen und beide hatten die Filiale verlassen. Die alarmierte Polizei war so schnell vor Ort, dass sie beide noch in der Nähe des Tatortes vorläufig hatte festnehmen können.

Vor diesem Hintergrund waren Voss´ Schlussworte der Versuch, die beiden Schöffinnen zur Milde zu bewegen. Martin Voss schmunzelte, als er daran dachte, dass er gerade zuletzt in der Referendar-Arbeitsgemeinschaft die Frage der Urteilsabstimmung thematisiert hatte. Ein besonders beflissener, jedoch wenig talentierter Referendar war auf seine ans Plenum gerichtete Frage, wie denn die Stimmverhältnisse in einer aus drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern – sog. Schöffen – bei Urteils- und Beschlussfassungen sein mögen, vorgeprescht:

„... und selbstverständlich haben die Stimmen der Berufsrichter auf Grund ihrer Ausbildung und beruflichen Erfahrung mehr Gewicht als die der Laienrichter...“

„ Aber es sind doch sowieso mehr Berufsrichter da“ warf ein anderer Referendar ein, „die haben doch, wenn sie sich einig sind, sowieso immer die Mehrheit“.

Es hatte sich eine muntere Diskussion ergeben. Nach einiger Zeit hatte Rechtsanwalt Voss eingegriffen und die Referendare an den allen Juristen vertrauten Satz „ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“ erinnert. Nachdem sie a l l e vergeblich in der Strafprozessordnung (StPO) geblättert hatten, hatte er ihnen die Lektüre des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) empfohlen und als „Hausaufgabe“ die Lösung der Frage mit gegeben.

Eine Woche später hatten drei der zwölf Referendare das richtige Ergebnis erarbeitet:

die ehrenamtlichen Richter haben dasselbe Stimmgewicht wie die Berufsrichter, für eine Verurteilung sowie für ein Strafmaß ist immer eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich, d.h. bei einem Richtergremium von fünf Richtern kann eine einem Angeklagten nachteilige Entscheidung immer nur mit mindestens 4:1 Stimmen ergehen, stimmen zwei Richter gegen eine Verurteilung, muss ein Freispruch erfolgen, stimmen zwei Richter übereinstimmend für ein identisches niedrigeres Strafmass oder für eine Strafaussetzung zur Bewährung, müssen diese niedrigere Strafe verhängt bzw. die Vollstreckungsaussetzung geurteilt werden.

Martin Voss fand aus seinen Gedanken in die Wirklichkeit zurück. Das Plädoyer seiner Kollegin war kurz gewesen und inhaltlich an ihm vorbeigerauscht. Nach dem letzten Wort der jeweiligen Angeklagten, die sich verabredungsgemäß den Ausführungen ihrer Verteidiger angeschlossen und betont hatten, wie leid ihnen das alles täte, hatte der Vorsitzende die Prozessbeteiligten mit den Worten „20 Minuten Urteilsberatung“ in die Pause entlassen, woraus jeder unschwer schließen konnte, dass die Kammer den Urteilsspruch und das Strafmaß bereits im Wesentlichen festgelegt hatte.

Das kam Martin Voss sehr entgegen. Denn eigentlich hätte er heute einen freien Tag gehabt. Den hatte er sich, wie man sich in Juristenkreisen auszudrücken pflegte, „frei geschaufelt“, um endlich mal wieder einen ganzen Tag mit seiner Frau zu verbringen, die sich ebenfalls für diesen Tag aller Verpflichtungen entledigt hatte. Der Plan hatte vorgesehen, dass sie nach dem Frühstück ins Outlet-Center gefahren wären, dort einige Stunden verbracht hätten und abends bei ihrem Stamm-Italiener essen gegangen wären. Spät abends hatte jedoch sein Kollege Körner angerufen und ihn gebeten, die heutige Verteidigung zu übernehmen, da der Anwaltskollege Korn aus der unteren Abteilung der Bürohierarchie, der diese eigentlich führen sollte, nach einem Überfall verletzt ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Keiner der Praxisanwälte wäre frei, es ginge nur so. Zähneknirschend hatte Martin sich in die unabweisbare Pflicht gefügt. Nun sah es aus, als würde doch noch der Nachmittag für die geplante Freizeitgestaltung zur Verfügung stehen.

Er verzichtete daher in der Beratungspause darauf, das immer ungelüftete und deshalb muffige Anwaltszimmer aufzusuchen und schlenderte zur Eingangshalle. Stand man auf der Empore, so nahm man bereits den mächtigen Eindruck wahr, den die Halle verströmte.

Als Martin Voss sich gerade in Gedanken über die Historie des wilhelminischen Gebäudes verlieren wollte, kam der Saalwachtmeister eilig auf ihn zu. Justizhauptwachtmeister Oberhauser konnte grundsätzlich Rechtsanwälte, insbesondere Strafverteidiger, nicht leiden. Eine der ganz wenigen Ausnahmen stellte sein Verhältnis zu Martin Voss dar, denn der hatte ihn in einem höchst streitigen Scheidungs- und Folgesachen-Verfahren sowie einem auf Aussagen seiner damaligen Ehefrau beruhenden Disziplinarverfahren, an dessen Ende fast seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gestanden hätte, erfolgreich vertreten und damit sowohl den finanziellen wie auch beruflichen Super-GAU verhindert. Seither kannte Oberhausers Dankbarkeit keine Grenzen mehr.

„Herr Voss, Ihr Büro hat angerufen, die haben einen Anruf vom Humboldt-Krankenhaus erhalten, Ihre Frau... ist dort eingeliefert worden.“

Martin Voss erfasste nicht ganz den Inhalt dieser Mitteilung. Er fragte sich, warum sein Büro ihn nicht selbst angerufen hatte, bis ihm einfiel, dass er während einer Verhandlung sein Smartphone immer ausgeschaltet ließ, da auch das Brummen des Vibrationsalarms störend wirken konnte.

„Wie... wieso eingeliefert?“ stammelte er.

„Das konnten oder wollten die vom Krankenhaus wohl nicht sagen. Ich habe schon der Kammer Bescheid gesagt, die haben die Pause um eine Stunde verlängert. Ihr Kollege Melchior verteidigt gerade in einem anderen Saal und ist dann mit seiner Sache fertig. Er kommt, um Sie bei der Urteilsverkündung zu vertreten. Sausen Sie los, bitte.“

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K a p i t e l 3

S taatsanwalt Rüdiger Wendt entfernte sein Namensschild aus der Halterung der Tür zu seinem Dienstzimmer und schob statt dessen das neue Schild „OStA Wendt“ hinein.

Mit dem heutigen Datum, dem 1. August 2012, war er zum Oberstaatsanwalt in der KAP-Abteilung, der Abteilung für Kapitalverbrechen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin, ernannt worden. Das war nicht selbstverständlich gewesen, denn mit seinen 38 Jahren war er an einigen älteren verdienten Kollegen, die ihm dies sicherlich auch neideten, vorbeigezogen. Aber diese Personalpolitik entsprach der neuen Linie der Behördenleitung, die „Crew“ zu verjüngen, wovon man sich neben der Planungssicherheit auch höhere Effizienz bei den Ermittlungen versprach.

OStA Wendt betrat sein Dienstzimmer, schloss die Tür hinter sich, zog sein Sakko aus, hängte es über die Stuhllehne und setzte sich an seinen Schreibtisch.

Bevor er sich der Bearbeitung der Aktenstapel, die trotz der signifikanten Veränderung seiner beruflichen Position nicht im Mindesten abgenommen hatten, zuwandte, gönnte er sich ein paar Minuten, in denen er auf seine bisherige Laufbahn zurück blickte.

Nach dem ziemlich spät mit 28 Jahren „nur“ mit der Note „vollbefriedigend“ bestandenen 2. Staatsexamen hatte er zunächst keine Chance gehabt, in den Staatsdienst übernommen zu werden. Er hatte die Zulassung zum Rechtsanwalt erworben und war in eine Berliner Großkanzlei eingetreten, die gegen sehr geringe Bezahlung jungen Anwälten die Gelegenheit gab, in einem Sechzehn-Stunden-Tag erste Erfahrungen zu sammeln. Die Fluktuation war entsprechend den Arbeitsbedingungen hoch.

Er aber hatte Stehvermögen bewiesen und darüber hinaus durch skrupellose, von keinerlei kollegialer Rücksichtnahme gekennzeichnete Durchsetzung eigener Ziele, die Aufmerksamkeit der Betreiber der Anwaltskanzlei auf sich gezogen.

Mit der zufriedenstellenden Erledigung sogenannter „Spezialaufträge“, die hauptsächlich in der den Rand der Legalität oftmals überschreitenden erpresserischen Freisetzung von Beschäftigten, sei es im Arbeitnehmer-, sei es im Prokuristen- und Geschäftsführergenre, bestanden hatten, sowie der erfolgreichen Durchführung „feindlicher“ Übernahmen war er nach nur drei Jahren in die obere Etage der angestellten Anwälte gerückt, was sich sodann auch in der finanziellen Honorierung seiner Tätigkeit positiv bemerkbar gemacht hatte.

Ein Jahr später hatte er geglaubt, vor der Übernahme in die Kanzleileitung zu stehen. Verschiedene Andeutungen der beiden Chefs und der „Flurfunk“ im Sekretariat hatten ihn schon in eine fast euphorische Stimmung versetzt. Der einzige Konkurrent – ein zwölf Jahre älterer Kollege, der aus fachlicher Sicht ihm in nichts nachstand – war nie durch besonderen Ehrgeiz aufgefallen, sondern hatte eher unauffällig, jedoch effektiv, seinen Bereich bearbeitet.

Um so tiefer hatte er den Schlag in die Magengrube empfunden, als jener, „der nette Herr Voss“, an seiner Stelle der Dritte im Bunde der Kanzleichefs – und damit auch sein Vorgesetzter – wurde.

„Dieser Bastard“ murmelte Wendt vor sich hin. Die Erinnerung hieran verzog sein Gesicht zu einer brutalen Maske. Das war schon schlimm gewesen, hatte aber in ihm den Kampfgeist noch mehr angestachelt. In der Folgezeit hatte er sich insbesondere gegenüber Voss betont kollegial verhalten, war mit ihm Tennis spielen gegangen, war über das Sport-Du zum kameradschaftlichen Du übergegangen und war von Zeit zu Zeit zu kleinen Partys im Hause Voss eingeladen worden.

Im Büro war es ihm gelungen, unauffällig Akten des Kollegen Voss so zu frisieren, dass sich erste kleine, dann größere Fehler in dessen Sachbearbeitung einschlichen. Als der Kollege die erste Rüge der beiden anderen Chefs erhalten hatte, hatte er alles auf eine Karte gesetzt und in einer Akte drei Seiten einer extrem wichtigen Zeugenaussage so manipuliert, dass sie das Gegenteil der den Mandanten entlastenden Umstände aussagte, was erheblichen Einfluss auf die Verteidigungstaktik gehabt hätte. Was er jedoch nicht gewusst und auch nicht eingerechnet hatte: die Kollegen und Voss hatten Verdacht geschöpft und einen Spielfall so drapiert, dass Wendt darauf hatte reinfallen müssen.

Durch sofortige Bitte um Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Verzicht auf Abfindung war er ohne Bloßstellung und ohne ein standesrechtliches Verfahren vor der Anwaltskammer davon gekommen.

Als sodann die Gelegenheit gekommen war, in das „Richteramt auf Probe“ übernommen zu werden, hatte er sofort zugegriffen. Ein Teil seiner Anwaltszeit war auf die Probezeit angerechnet worden, so dass er schon nach zwei Jahren statt der üblichen drei zum Richter auf Lebenszeit ernannt wurde. Gleich anschließend war er dem Ruf zur Staatsanwaltschaft gefolgt und hatte binnen vier Jahren „Karriere“ gemacht.

Als er nun so zurück blickte, erinnerte er sich an sein Versprechen, das er sich beim Rauswurf aus der Anwaltskanzlei – so wertete er nach wie vor seine eigene Bitte um Entlassung – gegeben hatte: eines Tages würde sich die Gelegenheit bieten, die Schmach am Kollegen Voss wett zu machen. Nicht in dem Sinne, dass er in Verfahren, die er als Anklagevertreter führte und in denen Voss verteidigte, gewinnen würde. Das war bereits das eine oder andere Mal geschehen und stellte den ganz normalen Ausfluss der Rollenverteilungen dar. Nein, er hatte sich geschworen, ihn eines Tages fertig zu machen.

Das Klingeln des Telefons riß ihn aus seinen Gedanken. Er las die Apparat-Nummer seines AL/GL und nahm den Hörer ab. „Kommen Sie doch bitte gleich mal zu mir“, Sagte OStA Müller und legte auf.

Wendt war an die kurz angebundene Art seines Vorgesetzten gewöhnt, er zog sich sein Sakko wieder an, rückte die Krawatte zurecht und verließ sein Dienstzimmer.

Drei Zimmer weiter klopfte er kurz an und trat dann, ohne eine Reaktion abzuwarten, ein. OStA Müller saß hinter seinem Schreibtisch, ihm gegenüber saßen zwei Staatsanwaltskollegen aus anderen Abteilungen, die Wendt vom Sehen kannte, deren Namen ihm aber nicht geläufig waren.

„Setzen Sie sich“, sagte Müller, ohne die Herren einander vorzustellen. Wendt nickte den beiden kurz zu und nahm auf dem letzten zur Verfügung stehenden Stuhl Platz.

„In den vergangenen acht Monaten haben wir, das heißt nicht nur die KAP-Abteilung, sondern die Staatsanwaltschaft insgesamt, eine signifikante Häufung in einem Bereich, der sonst so gut wie keine Rolle spielt“, sagte Müller. „Ich rede von Wiederaufnahmeverfahren. Rechtskräftig Freigesprochene, rechtskräftig zu unverhältnismäßig kurzen Freiheitsstrafen Verurteilte und ehemalige Beschuldigte, deren Ermittlungsverfahren schon von uns eingestellt waren, melden sich – meist in Begleitung eines Rechtsanwalts oder einer Rechtsanwältin – und legen Geständnisse hinsichtlich der Taten, deretwegen sie freigesprochen wurden oder die eingestellt oder nicht angeklagt waren, ab.“

„Ich habe davon gehört“, sagte Wendt. „Aber so viel ich weiß, betrifft dies nur in einem Fall ein KAP-Delikt.“

„Das ist richtig“, sagte Müller. „Jedoch sind die anfallenden Wiederaufnahmeverfahren und Neuanklagen neben dem laufenden Geschäft ohne Bündelung nicht adäquat zu bearbeiten. Die Behördenleitung hat daher auf meinen Vorschlag hin angeordnet, dass eine Sonderabteilung ´Wiederaufnahme´ gegründet und mit jeweils einem Mitarbeiter aus drei verschiedenen Abteilungen bestückt wird. Die Kollegen Maier und Marx“ - er deutete auf die zwei Kollegen neben Wendt - „und Sie werden zunächst für drei Monate in die Sonderabteilung abgeordnet.“

Wendt war wie vor den Kopf geschlagen. Gerade eben noch hatte er innerlich über seinen Aufstieg gejubelt und nun sollte er – so empfand er es – abgeschoben werden.

„Sie können Ihre laufenden Akten in Ihrem Dienstzimmer lassen“, fuhr Müller fort. „Die Akten werden dort von Kollegen mit bearbeitet, die jeweils Zeit haben. Sie beziehen mit den Kollegen Meier und Marx das Sitzungszimmer am Rondell. Drei Schreibtische und ein paar Regale, die bereits mit den Verfahrensakten gut gefüllt sind, befinden sich schon darin. Und, ach ja, Sie leiten die Abteilung und berichten wöchentlich direkt dem Hauptabteilungsleiter. So weit es eine KAP-Sache betreffen sollte, bitte auch Bericht an mich. Das wäre alles, danke meine Herren.“

Müller wandte sich abrupt seinen auf dem Schreibtisch liegenden Akten zu.

Während Maier und Marx vorausgingen, blieb Wendt noch kurz in der Tür stehen.

„Nehmen Sie nochmal kurz Platz“, hörte er Müller sagen. Er drehte sich um, schloss die Tür und setzte sich.

„Ich weiß was Sie denken. Tut mir auch leid, dass Ihr erster Tag nach der Ernennung mit solch einer Abordnung einher geht.

Aber nehmen Sie folgendes mit: Ich werde in absehbarer Zeit – so pfeifen es die Spatzen von den Dächern – zur GenStA beim KG* wechseln.