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Wir Beuteldeutschen oder Wie ich zum Widerstandskämpfer wurde


Wir Beuteldeutschen oder Wie ich zum Widerstandskämpfer wurde

Satiren, Glossen & Feuilletons
1. Auflage

von: Matthias Biskupek

6,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 27.07.2021
ISBN/EAN: 9783965214989
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 117

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

DER BEUTELDEUTSCHE, EIN AUSSTERBENDES WESEN? WAS SIE ÜBER IHN WISSEN SOLLTEN:
wie er sein persönliches Süppchen kochte,
wie er früher und heute die Zukunft vollendete,
wie er seinen Rennsteig bewanderte,
wie er zum mutigen Mitmurrer wurde,
wie er widerstandskämpfte,
wie er seine wilde verwegene Staatsjagd betrieb,
wie er seine deutsche Zentralrührseele spürte,
wie er sich das Vaterländische Verdienstkreuz erarbeitete.
In zweiundvierzig kurzen Texten werden frech-feuilletonistisch und respektlos Zeichen einer so ungewöhnlichen wie atemberaubenden Zeit kommentiert: die Gegenwart '89/90 des gelernten und rsp. gewesenen DDR-Bürgers. Der Gebrauch von Zwerchfell und Verstand bei der Lektüre empfiehlt sich.
Mauerstück im Garten
Offener Brief, das öffentliche Ausplappern dieses Buches betreffend
Wie ich widerstandskämpfe
Unsere wilde verwegene Staatsjagd
Fragen eines zeitungslesenden Bürgers
Rede anlässlich einer Ein-Mann-Demo
Ich und Mein Schreibtisch
Für Zensur, Aufsichtsbehörde und Papst
Sprachlehrgang
Unsere Deutsche Zentralrührseele
Arbeitsamtmännin
Festansprache, nachträglich
De booshaffdn Mänschn
Keine Privilegien für Alle!
Vertraulicher Brief
Scheuerhader
Mein aufgedecktes Gästebett
Pförtners Genuss und Traum
Die Persönlichen Süppchen
Zierpflanzenelement
Speisekarte
Vom Fett
Therapeutische Stunde
Männersaunalied
Resolution Für eine VVDDR
Die Beuteldeutschen
Aus dem Land des Nichtlächelns
Rennsteigwanderertypologie
Andauernd Ürgendwie
Literatenmoderation
Zirkel Schreibender Klassiker
Für ein Jahr des Clowns
Wir Clown Uns Nix
Ein Bild von Revolution
Positiver Beitrag
Wie ein DDRler jetzt sprechen lernen sollen müsste
Wie ich mir das Vaterländische Verdienstkreuz erarbeitete
Mitten in der Rinde
Fahrendes Regierungs-Volk
Belohnte oder bestrafte Staatstreue?
Unsere schnellen Verhüllerli
Mürrische Rede. Unlust. Schnauze voll.
Matthias Biskupek war am 22. Oktober 1950 in Chemnitz geboren worden und wuchs mit zwei Brüdern und einer Schwester in der sächsischen Kleinstadt Mittweida auf. Sein Vater war Lehrer, seine Mutter war Angestellte. Nach Schulbesuch und Abitur mit gleichzeitiger Lehre als Maschinenbauer studierte Biskupek an der Technischen Hochschule Magdeburg technische Kybernetik und Prozessmesstechnik. Von 1973 bis 1976 war er als Systemanalytiker und zeitweise auch als Maschinenfahrer im Chemiefaserkombinat Schwarza bei Rudolstadt tätig. Nachdem er bereits während seiner Schul- und Studienzeit verschiedene literarische Zirkel besucht und mehrfach am Schweriner Poetenseminar teilgenommen hatte, in den achtziger Jahren auch als Seminarleiter, arbeitete er seit 1976 am Theater Rudolstadt, zunächst als Regieassistent, später als Dramaturg, zeitweilig auch als Bühnentechniker, Programmheftzeichner, Inspizient und Kleindarsteller. In den Jahren 1981/82 absolvierte er einen Sonderkurs am Leipziger Literaturinstitut. Seit 1983 lebte er freischaffend in Rudolstadt. 1993 war er Kreisschreiber in Neunkirchen/Saar. 1997 bekam er ein Aufenthaltsstipendium für das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf, 2000 das Casa-Baldi-Stipendium der Deutschen Akademie Rom in Olevano Romano. 2016 wurde Biskupek mit dem Walter-Bauer-Preis ausgezeichnet. Zu seinen vielfältigen literarischen Arbeiten gehörten Romane, Geschichten, Kabaretttexte, Feuilletons und Features für den Rundfunk sowie in den 1980er Jahren auch Treatments für die DEFA, die jedoch nie zu Filmen wurden. Von 1985 bis zu dessen Auflösung war er Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR, 1990 der letzte Vorsitzende des Bezirksverbandes Gera, 1992/93 VS-Vorsitzender in Thüringen.
Er ist am 11. April 1921 in Rudolstadt verstorben.
Rennsteigwanderertypologie
Der Rennsteig heißt auch „berühmtester deutscher Bergpfad“, „herrlicher Höhenwanderweg in den Kammregionen des Thüringer Waldes“ oder bescheiden-klassisch „Erholungsraum von großer Längs- und geringer Querausdehnung“. Er wird derzeit wieder zum Symbol des deutschen Menschen: etwas eng, aber dafür wundersam hohl.
An manchen Stellen darf der Bergpfadnutzer unsere brausenden Straßenmobile hautnah erleben; an anderen wiederum verspürt er ganz unmittelbar den straffen Zugriff der technisch hochwertigen Holzentnahmeindustrie. Wipfelrauschen hoch droben, Wasserquatschen an den Füßen und Bächleingluckern tief drunten gibt es aber überall und überreichlich.
Viele Rucksackmitmenschen, die den Rennsteig hundertdreißig Kilometer lang fußläufig abarbeiten, lassen sich den Schritt und den Tritt organisieren. Sie erhalten ein Heftchen, in dem genau beschrieben steht, an welchen Rennsteigstellen man erschöpft ins Gras sinken kann, wo man bergziegenmäßig klettern muss und wo man mit Juhu aus dem Wald hervorbrechen sollte. Daran kann sich der vom Rucksack geneigte Wandersmann halten; er darf auch Wiesenblumen, Berggipfel und Wegweiserzustände klassifizieren.
Nun begegnen dem Erholungsläufer aber nicht nur Rot-, Muffel- und Mopedwild, sondern auch Neben-, Mit- und Gegenwanderer. Leider gibt es zu deren Klassifizierung noch kein ausreichendes Material. Daher bieten wir zur gefl. Nachnutzung eine RENNSTEIGWANDERERTYPOLOGIE an, mit deren Hilfe man schnell und bequem den rennsteigenden Wandersmann einordnen kann.
Apropos Wandersmann: Gewiss gibt es in gleichem Maße die Wandersfrau. Da aber der Rennsteig noch weitgehend patriarchalischen Strukturen verhaftet ist (vgl. DER Rennsteig statt DIE Rennstrecke) führen wir jeweils männliche Wanderform mit gelegentlicher weiblicher Nebenform an.
DER SIEBENFACHE heißt so, weil er den ganzen langen Weg bereits siebenmal abwanderte. Der DREIFACHE ist weniger profiliert; der ACHTUNDZWANZIGFACHE relativ selten, auch steht er unter Naturburschenschutz, weshalb wir diese beiden hier vernachlässigen.
Wohl dem Wanderer, der mit dem SIEBENFACHEN näher bekannt wird. An jeder schönen Stelle des Rennsteiges kann der SIEBENFACHE erläutern, dass der Weg hier vor drei Jahren geradliniger, die Aussicht unübersehbarer, das Rasthaus geschlossener war.
Der SIEBENFACHE sagt etwa achtmal pro Wanderstunde, dass er den Rennsteig eigentlich neunfach kennt, weshalb er auch jedes Mal den unscheinbaren Abzweig zu jenem Berggasthof, der nachmittags um drei noch Speisen anbietet, übersieht.
Den BLASENKÖNIG lernen wir erst während einer Rast richtig kennen und fürchten. Da zeigt er stolz zu kühlende Wundmale an den Füßen, erläutert, wo, wann und wie er das Sesambein überlastete und weiß ein Lied davon zu singen, wie sich bereits GOETHE den Fersenzwischenkieferknochen während einer Kickelhahnbesteigung wund sensibilisierte.
Es gibt auch den BLASENHERZOG, die BLASENGRÄFIN und den BLASENSEKRETÄR, die allerdings alle zum BLASENKÖNIG nur staunend aufsehen können.
Der WANDERINGENIEUR ist in den Rennsteigwäldern sehr zahlreich, kommt an manchen Stellen in Rudeln vor. Er ist bärtig, hat Wanderkartenmaterial in beiden Händen, sucht mit dem Fernglas unablässig den im Nebel verschwundenen Gipfel des Süßguschenkopfes, jenes charakteristischen Härtlings aus der Jungschweinerückenzeit, und vergleicht interessiert die neuen, schmucken Kilometerangaben der heutigen Wanderpapiere mit den überlebten Meilenzahlen der historischen Wanderbücher. WANDERLABORANTIN und WANDERMITARBEITERIN unterscheiden sich vom WANDERINGENIEUR durch zumeist fehlenden Bart.
DER WANDERGRUPPENKOLLEKTIVIST wünscht, dass alle Bürger guten Rennsteigwillens, die er trifft, in unverbrüchlichem Verband laufen. Er achtet darauf, dass sich alle gemeinsam vor der Gaststätte wartend einreihen, dass alle sich dann zur abendlichen Rennsteigruhe betten, wenn der WANDERGRUPPENKOLLEKTIVIST müde ist, und er schreibt auch in die Gipfel- und Hüttenbücher stets ein Lob auf die umsichtige und kollektive Wanderleitungsführung ein.
DER LEISTUNGSRENNSTEIGLER kennt den Rennsteig vom Guths-Muths-Lauf und will alte Zeiten stets neu unterbieten. Er steht nachts zwei Uhr dreißig auf, in der Wanderhütte vor Tatendrang und Leistungszwang rasselnd, packt seinen Rucksack wie einen Fallschirm, nimmt drei Kilo Zitronen gegen Skorbut zu sich, eilt sodann durch die nebelfeuchte Rennsteignacht und ist vier Uhr fünfundvierzig am Etappenziel, wo er die nächsten müden Wanderer der nächsten Rennsteighütte zum LEISTUNGSRENNSTEIGEN herausfordert.
Wenn der LEISTUNGSRENNSTEIGLER mit der Ehefrau hurtig dahineilt, so wird diese sich bald zur unumstrittenen BLASENKAISERIN qualifizieren.
DER ERLAUBNISWANDERER fragt zunächst, ob die Wege denn auch gesetzlich zugelassen seien. Er erläutert, in welche richtige Richtung man vor allem blicken dürfe, um wirklich wichtige Gipfel des Thüringer Waldes zu genießen und liest lustvoll erschauernd alle Verbotsschilder. Er fragt, ob die Bänke, die vom Rat der Gemeinde aufgestellt wurden, auch von Nichtratsmitgliedern genutzt werden können und meldet das Entzünden einer Taschenlampe unverzüglich bei der Waldbrand-Meldestelle von Berlin-Alexanderplatz.
DER HEIMATFORSCHUNGSREISENDE jauchzt laut auf, wenn er einen Dreiherren-, Johannes-R.-Becher-, Trinius-, Otto-Ludwig-, Straßenpflaster-, Weltfriedensfreund-, Sühne- oder Stein-Baukasten-Stein am Rennsteigrand sieht. Er erläutert Nebenwanderern die Einwohnerzahlentwicklung von Floh-Seligenthal, die gemeine Nutzerhöhe des Inselsberges, die Schneebeschaffenheit an der Rennsteigunterkante, die aufragende Horizontebene und die alles überragende Bedeutung der Südthüringer Verwaltungseinheiten in ihren gegenwärtig engen Grenzen, wie auch in jenen des wieder zu restaurierenden Thüringerreiches vom Jahre 531.
DER RENNSTEIGDOOFIE latscht einfach los, gemeinsam mit der RENNSTEIGTRINE, geht irgendwelche Wege, verheddert sich in den Wandermarkierungen, kennt nicht Karte, Nachtlagerordnung und Kneipenschlusszeiten und wundert sich eigentlich gar nicht mehr, wenn er nach sieben Tagen scheinbarer Rennsteigtour plötzlich mitten auf dem Bahngelände von Chemiewerk-Leuna-Haltepunkt-Süd steht.

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